Titel: Chemische Analyse des Humus und über die Rolle des Düngers bei der Ernährung der Pflanzen; von E. Soubeiran. (Eine von der Ackerbau-Gesellschaft in Rouen gekrönte Preisschrift).
Fundstelle: Band 117, Jahrgang 1850, Nr. XII., S. 61
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XII. Chemische Analyse des Humus und über die Rolle des Düngers bei der Ernährung der Pflanzen; von E. Soubeiran. (Eine von der Ackerbau-Gesellschaft in Rouen gekrönte Preisschrift). Aus dem Journal de Pharmacie, Mai 1850, S. 321. Soubeiran, über die Rolle des Humus bei der Ernährung der Pflanzen. Die Central-Ackerbau-Gesellschaft des unteren Seine-Departements stellt die Frage auf: „Tragen die Kohlensäure, die Luft, das Wasser, das Ammoniak und die anorganischen oder mineralischen Substanzen allein zur Entwickelung der Pflanzen bei?“ „Sind die organischen Materien der Dammerbe und des Düngers nur durch die Kohlensäure und das Ammoniak, welche bei ihrer freiwilligen und langsamen Zersetzung unter dem Boden entstehen, den Pflanzen nützlich?“ „Man liefere eine vollständige Geschichte des Humus oder der Dammerde und untersuche, ob das was man Ulminsäure benannt hat, bei dem Ernährungsprocesse der Pflanzen eine wesentliche Rolle spielt; man bestimme genau die Rolle des Humus und den Antheil, welchen die in ihm vereinigt und vermengt befindlichen Mineralsalze und organischen Stoffe an derselben haben.“ „Endlich soll durch Versuche ermittelt werden, ob, wie Theodor v. Saussure im Widerspruch mit mehreren neuern Chemikern und Physiologen behauptete, das auflösliche Extract der Dammerde gänzlich mit dem Wasser in die aufsaugenden Gefäße der Pflanzen übergeht.“ Die Wirkungsweise des Humus im Pflanzenleben ist eine wissenschaftliche Frage, die schon ganz festgestellt zu seyn schien, als sie durch Chemiker wieder streitig wurde. Dieselbe muß nothwendig bald zur Lösung gebracht werden, um entweder den Humus in die ihm bis jetzt in der Theorie der Düngung zugeschriebene Hauptrolle wieder einzusetzen, oder ihn gemäß der ihm in neuerer Zeit zugewiesenen bescheidenen Nebenrolle in letzte Reihe zu stellen. Die Rouener Ackerbau-Gesellschaft wünschte eine schnelle Lösung dieser Frage und beraumte daher den 1. Juli (1849) zur Eingabe der Abhandlungen an. Dadurch wurden die Versuche der Bewerber auf eine Zeit beschränkt, welche keine ganze Wachsthums-Periode umfaßt. Indessen hoffe ich, daß die in meiner Abhandlung mitgetheilten Versuche hinreichen werden, um über die große Erscheinung der Ernährung durch den Humus Licht zu verbreiten. Ich werde sie später noch durch andere Versuche vervollständigen, welche nicht beendigt werden konnten, aber meine bisherigen Beobachtungen nur bestätigen können. Im ersten Theil dieser Abhandlung gebe ich die chemische Geschichte des Humus und stelle die Rolle fest, welche er bei der Ernährung der Pflanzen spielt. Im zweiten Theil studire ich einige Düngerarten aus dem Gesichtspunkt des Humus oder der Stoffe welche ihn erzeugen können; ich werde dabei gelegentlich einige Irrthümer aufdecken, Verbesserungen im Analysiren der Düngerarten angeben und, was noch wichtiger ist, einige Axiome, welche man in der Wissenschaft als unumstößliche Regel aufstellen wollte, die aber diese Wichtigkeit bei weitem nicht besitzen, auf ihren wahren Werth zurückführen. Erste Abtheilung. — Vom Humus. Ich handle hier von den Eigenschaften des Humus und untersuche in welchem Zustand er sich in der Dammerde befindet, und welches sein Einfluß auf das Wachsthum ist; ob er den Pflanzen unmittelbar zur Nahrung dient, oder nur durch die seine Gährung begleitende Kohlensäure nahrhaft ist, oder ob er bloß ein Rückstand, ein ganz unwirksamer Körper ist. Hinsichtlich der Dünger sind die Beobachtungen der praktischen Landwirthe sehr unzuverlässig und oft widersprechend, weil sie den Einfluß verschiedener Elemente bei ihren Versuchen nicht genug berücksichtigten. Die chemische Zusammensetzung der Dünger, die Bestandtheile des Bodens sind ihnen nicht hinlänglich bekannt, daher ihre Resultate, obgleich unter den Umständen unter welchen sie operirten, wahr, doch nicht verallgemeinert werden können, ohne daß man Gefahr lauft sie mit jedem Schritte Lügen gestraft zu sehen. Den Chemikern hingegen wird mit Recht vorgeworfen, daß sie sich zu gerne theoretischen Ansichten überlassen, welche sich auf nur wenige Thatsachen stützen, wodurch das Vertrauen der Landwirthe auf ihre Rathschläge häusig getäuscht wurde. Ueber die Theorie der Dünger tauchten drei Hauptansichten auf. Die Wahrheit liegt in diesen verschiedenen, sich scheinbar widersprechenden Ansichten. Jede derselben ist ein Fortschritt, wenn man ihr nicht einen absoluten Werth beilegt und die beiden andern nicht ausschließt. Die Agronomen sagen, daß der humusreichste Boden der beste sey, daß der Dünger den Zweck habe dem Boden Humus zu liefern; daß dieser für die Pflanzen vorzugsweise das Nahrungsmittel sey und folglich ein Dünger ohne Humus nichts oder wenig nütze. Hrn. Liebig hingegen ist der Humus nur eine Nebensache; man braucht nach ihm der Pflanze nur die zu ihrer Existenz nothwendigen Salze zu liefern, so wird sie in verhältnißmäßiger Menge die blutbildenden Stoffe erzeugen, welche den Werth unserer Nahrungsmittel ausmachen. Der Humus ist diesem ausgezeichneten Chemiker nie das directe Nahrungsmittel der Pflanze; derselbe trägt nach ihm zur Ernährung der Vegetabilien nur durch die Kohlensäure bei, welche bei seinen aufeinanderfolgenden Umwandlungen entsteht. Nach der französischen Schule endlich, an deren Spitze die HHrn. Boussingault und Payen stehen, ist der Stickstoffgehalt der Maaßstab des Werths der Düngerarten; sie stellten sogar eine darauf fußende Aequivalententafel her. Wer sich nicht von Theorien leiten läßt, muß jedem der hier aufgestellten Grundsätze seine Anerkennung zollen; derjenige aber wird am meisten im Rechte seyn, welcher behauptet, der beste Dünger sey derjenige, welcher drei Hauptbestandtheile, nämlich: Humus, Salze und stickstoffhaltige Materie zugleich enthält. Der eigentliche Humus findet sich in der Dammerde; er entsteht durch die langsame Zersetzung des Holzstoffs. In Berührung mit Luft und Feuchtigkeit wird ein Theil desselben verbrannt, und nachdem das Gleichgewicht einmal aufgehoben ist, bildet sich auf Kosten der zurückbleibenden Elemente Kohlensäure. In Folge hievon nimmt der Kohlenstoffgehalt des Humus fortwährend zu, was jedoch eine Gränze hat, weil die Verwandtschaft des Wasserstoffs zum Kohlenstoff in dem Maaße sich geltend macht, als das Holz minder wasserstoffhaltig zurückbleibt und endlich der oxydirenden Einwirkung der Luft das Gleichgewicht hält. Humus, kohlige Dammerde und Moder sind die drei Stadien, welche man bei der fortschreitenden Zersetzung des Holzes zu erkennen glaubte. Der Humus charakterisirt sich durch seine Auflöslichkeit in den Alkalien; die kohlige Dammerde ist in denselben nicht auflöslich, gibt aber in Berührung mit der Luft Kohlensäure und gewinnt dann einige Auflöslichkeit. Der Moder wäre nach Liebig das letzte Stadium der Zersetzung; er enthielte, wie das Holz, Sauerstoff und Wasserstoff im Verhältnisse der Wasserbildung, aber der Kohlenstoff wäre darin vorwaltender. Nur bei Gegenwart der Alkalien kann er nach Liebig auf den Sauerstoff der Luft wirken, wobei er ein dem Humus ähnliches auflösliches Product gibt. Die Reihe dieser Verbindungen ist offenbar nicht richtig aufgestellt. Das erste Glied ist gewiß die Substanz, welche man kohlige Dammerde genannt hat, eine ungeeignete Benennung, die ich hier nur beibehalten habe, weil es unnütz ist einen neuen Namen für einen Uebergangskörper zu schaffen, welcher seine Zusammensetzung in jedem Augenblick verändert. Die kohlige Dammerde wird durch die Einwirkung der Luft auf das Holz erzeugt, sofern diese Wirkung noch nicht lange genug dauerte, um Humus zu erzeugen. Wenn die Einwirkung fortdauert, so entsteht Humus; dieß ist der Grund, warum die erschöpfte Dammerde, der Luft ausgesetzt, nach einer gewissen Zeit neuerdings auflöslichen Humus gibt. Der Humus ist, wie ich sagte, der in Alkalilösungen auflösliche Theil der Dammerde. Was den Moder betrifft, so scheint mir seine Existenz ganz hypothetisch zu seyn. Kein Versuch hat in der Dammerbe das Vorkommen eines Körpers nachgewiesen, welcher kohlenstoffreicher wäre als der Humus, und die sonderbare Eigenschaft besäße, die Reihe der Zersetzungen zurückzugeben, indem er in Berührung mit Alkalien und Luft einen an Kohlenstoff ärmern Körper gäbe als er ist.Ich rede hier nicht von dem Moder, welcher sich unter dem Wasser erzeugt wenn es an Sauerstoff gebricht. Ich fand ihn in Dammerde, welche sich im Fuße der Bäume bildete. Er kommt im Dünger vor, wenn die Luft nicht in den Haufen eindringen konnte. Meine ersten Versuche stellte ich mit Dammerde an, die ich von Hrn. Neumann, Obergärtner des Pariser Pflanzengartens, erhalten hatte. Es war eine gebrauchte Dammerde des dritten Jahrgangs, welche unsere Gemüsegärtner nicht mehr verwenden, weil es ihr an Wärme gebricht, in welcher aber ein kräftiges Wachsthum stattfindet. Alkohol entzog ihr nur fette oder harzartige Substanzen ohne Belang. Sie färbte das Wasser gelb und lieferte sehr lange Zeit fort so gefärbte Auflösungen. Dieselben enthielten eine kleine Menge salpetersaurer, schwefelsaurer, salzsaurer und Spuren phosphorsaurer Salze, durch welche Salze wohl die Auflösung der organischen Materie verursacht wurde. Verdünntes oder concentrirtes Ammoniak mit der Dammerde in Berührung gebracht, welche man vor dem Zutritt der Luft schützt, gibt nur eine schwach gefärbte Flüssigkeit, in welcher Säuren einen geringen Niederschlag hervorbringen; in Berührung mit der Luft aber, und namentlich in der Wärme, entsteht eine braune Flüssigkeit, welche durch Säuren reichlich gefällt wird. Dieser Versuch beweist, daß etwas freier Humus in der Dammerbe enthalten ist. Auch läßt sich darnach die reichliche Bildung dieses Körpers unter dem Einfluß der Luft und der Alkalien erwarten. Eine größere Menge Humus befindet sich vollkommen gebildet und in Verbindung mit Kalk in der Dammerde. Man beweist dieß durch Behandlung der Dammerde mit einer verdünnten Säure, hierauf sorgfältiges Auswaschen derselben und Eintragen des Rückstands in ammoniakalisches Wasser. Hiebei erhält man direct und ohne den Einfluß der Luft eine sehr dunkle Auflösung, in welcher Säuren einen starken Niederschlag hervorbringen. Folgendes aber ist ein Hauptversuch. Ich bereitete humussauren Kalt durch Fällen einer ammoniakalischen Humuslosung mit Chlorcalcium; der ausgewaschene humussaure Kalk wurde mit Aetzammoniak behandelt. Die Flüssigkeit nahm sowohl in der Kälte als in der Wärme, kaum eine gelbe Färbung an; ein Beweis, daß das Ammoniak, welches sich in Berührung mit Dammerde sogleich färbt, dieses thut, indem es freien Humus auflöst, nicht aber dem Humussauren Kalk Humus entzieht. Nimmt man zu diesem Versuche statt des Ammoniaks kohlensaures Ammoniak, so erhält man sowohl mit reinem humussauren Kalk als mit Dammerde, sehr stark gefärbte Flüssigkeiten; ein vortrefflicher Versuch, aus welchem wir lernen, welche Rolle das kohlensaure Ammoniak im Dünger spielt, nämlich den an die Kalkbasis gebundenen Humus auflöslich zu machen. Die durch Wasser, Salzsäure und Ammoniak erschöpfte Dammerde erhält durch längere Berührung mit der Luft neuerdings die Eigenschaft mit Ammoniak eine gefärbte Flüssigkeit zu geben. Viel schneller erfolgt ihre Umwandlung bei Gegenwart eines Alkalis. Durch Versuche in einer Glocke über Quecksilber überzeugte ich mich direct von der Absorption des Sauerstoffs der Luft und der Bildung in Ammoniak auflöslichen Humus. Bei einem andern Versuche erlangte die erschöpfte Dammerde, mit Luft und Ammoniak in Berührung gebracht, in sehr kurzer Zeit die Eigenschaft das Wasser braun zu färben. Dieses Resultat ließ sich durch Auswaschen derselben und Wiederholen des Versuchs beliebig oft erzielen. Die Bildung des Humus unter dem Einfluß der Alkalien ist folglich unbestreitbar; die kohlensauren Alkalien und vorzüglich die Aetzalkalien besitzen diese Eigenschaft in höherm Grade als das Ammoniak. Man hat die Identität des durch Alkalien ausgezogenen Humus mit demjenigen wie er in der Dammerde vorkommt, in Zweifel gezogen. Wenn man indessen kleine Mengen Säure, welche der niedergeschlagene Humus enthält, berücksichtigt, so ist eine Unterscheidung zwischen beiden nicht gerechtfertigt. Dazu kommt noch, daß der Humus niemals unmittelbar, sondern immer erst, nachdem er durch die Alkalien auflöslich gemacht wurde, in die Pflanze dringt, so daß der ihr zur Nahrung dienende Humus denselben Einfluß erlitten hat, wie derjenige, welchen man direct mit Ammoniak und Dammerde bereitete. Ehe ich weiter gehe, muß ich Einiges über das sogenannte Dammerde-Extract sagen. Einige nennen so jenen Theil des Humus, welcher sich auflöst wenn man die Dammerde mit kaltem Wasser behandelt. Es ist dieß aber wirklich bloß Humus, dessen Auflösung durch Kalksalze oder alkalische Salze erleichtert wurde. Man hat auch Dammerde-Extract jenen Antheil genannt, welcher sich in Alkohol auflöst, wenn man nach dem Fällen einer alkalischen Humuslösung den Niederschlag mit diesem geistigen Menstruum behandelt; in diesem Falle ist es aber kein Humus, der sich auflöst, sondern eine Verbindung von Humus mit der Säure die zu seiner Fällung diente. Ich kam darauf durch die Beobachtung, daß mit Schwefelsäure niedergeschlagener Humus sich in Alkohol reichlich auflöst, und indem ich mich an die bekannte Thatsache erinnerte, daß eine Auflösung von Humus in einem Alkali durch Essigsäure nicht gefällt werden kann. Ich schlug Humus mit Salzsäure nieder und wusch den Niederschlag lange Zeit mit destillirtem Wasser aus; die Flüssigkeit wurde durch salpetersaures Silber kaum getrübt; vielleicht verdankte sie diese Eigenschaft nur einer kleinen Menge aufgelösten Humus. Ich behandelte nun den Niederschlag mit Alkohol, zuerst kaltem, dann warmem, und suchte dann das Chlor sowohl in der alkoholischen Flüssigkeit, als in dem unauflöslichen Theil auf; beide wurden eingetrocknet und mit kohlensaurem Kali geglüht; die Flüssigkeit gab einen an Chlorür reichen Rückstand; der durch Alkohol erschöpfte Humus enthielt kein Chlorür. Man wird die Zusammensetzung des Humus niemals mit absoluter Genauigkeit bestimmen können. Wenn man ihn in Ammoniak auflöst und dann mittelst einer Säure niederschlägt, so kann er vermengt bleiben mit gewissen Stoffen, welche ihn in der Dammerde begleiteten und wie er selbst sich in den Alkalien auflösen und von Säuren gefällt werden. Zu meinen Untersuchungen bereitete ich ihn folgendermaßen: Nachdem ich Dammerde mit verdünnter Salzsäure und Wasser ausgewaschen hatte, behandelte ich sie mit Ammoniak und fällte den Humus durch Salzsäure; ich reinigte ihn alsdann durch Waschen mit destillirtem Wasser und erschöpfte ihn nacheinander mit Alkohol und Aether. Polidor Boullay fand das künstliche Ulmin bestehend aus: 56,92 Kohlenstoff 43,08 Wasser. Péligot nimmt an, daß das Ulmin wirklich 72,3 Proc. Kohlenstoff enthalte. Er meint, Boullay müsse die Kohle unvollkommen verbrannt haben; d. h. aber voraussetzen, daß dieser Chemiker hinsichtlich des Wassers sich um 15 Proc. habe irren können, was doch nicht zulässig ist. Ich werde bald erklären, wie diese beiden Chemiker zu so abweichenden Resultaten gelangen konnten. Die Analyse des aus der Dammerde gezogenen Ulmins ergibt kein bestimmtes Resultat; man findet stets Stickstoff in demselben, und das Verhältniß seiner andern Elemente ist veränderlich; die Zusammensetzung des aus der Dammerbe gezogenen Humus ist wandelbar und der Kohlenstoff ist darin um so vorwiegender, je länger die Luft während seiner Bildung einwirkte. Ich fand darin 52 bis 56 Proc. Kohlenstoff; nie über 57. Es scheint, daß unter solchen Bildungs-Umständen, wo das Alkali verdünnt und die Temperatur immer gemäßigt ist, die von Péligot dem künstlichen Ulmin angewiesene äußerste Gränze nicht erreicht werden kann. Ich habe mich jedoch überzeugt, daß das Verhältniß des Kohlenstoffs unter dem fortdauernden Einfluß der Luft und eines Alkalis wirklich zunimmt. Ich löste in einer schwachen kohlensauren Natronlösung Humus auf, welcher 53 Proc. Kohlenstoff enthielt; ich ließ vierzig Stunden lang kochen und schlug dann den Humus nieder, um ihn neuerdings zu analysiren; diesesmal enthielt er 57 Proc. Kohlenstoff. Der in Alkalien auflösliche Humus ist sonach ein in seiner Zusammensetzung wandelbarer Körper. Es tritt ein Augenblick ein, wo das Holz in auflöslichen Humus verwandelt ist, aber von diesem Augenblick an kann das Verhältniß des Kohlenstoffs darin noch zunehmen, ohne daß der gebildete Körper die neuerworbenen Eigenschaften verliert, welche ihn zur Ernährung der Pflanzen geeignet machen. Er hat keine ganz bestimmte Zusammensetzung; wie alle organischen Körper, welche sich durch langsame Processe umbilden, durchläuft er eine Reihe von unmerklichen Uebergängen. Ich erachte es als überflüssig, die Zahlen mitzutheilen, welche ich für verschiedene Humusarten fand. Eine derselben, mittelst schwacher Aetznatronlösung bereitet, ergab 56,4 Proc. Kohlenstoff. Stickstoff fand ich stets im Humus, und zwar zwischen 2 bis 2,5 Proc. Die Resultate, welche ich mit dem aus Pulver von altem Holze ausgezogenen Humus erhielt, glaube ich jedoch berichten zu müssen. Bekanntlich trifft man in den Wäldern alte Bäume, deren Stamm sich im Innern langsam zersetzt und sich endlich in ein mehr oder weniger dunkelbraunes Pulver verwandelt. Wenn diese Zersetzung sehr weit vorgeschritten ist, genügt ein etwas starker Stoß, um dieses Zersehungs-Product in Menge herausfallen zu machen. Von einer alten Eiche im Walde zu Fontainebleau, welche unten im Niveau mit dem Erdboden ein großes Loch hatte, sammelte ich das verwandelte Holz, welches zu meinem Versuche diente. Es war feucht, von der Farbe des Spaniols, und besaß die Eigenschaften der reinsten Dammerde. Es war geschmack- und geruchlos, färbte das Wasser nicht, gab mit Ammoniak eine sehr dunkle Auflösung; hierauf mit Säure, und dann wieder mit Ammoniak behandelt, färbte es letzteres neuerdings. Endlich gab das so erschöpfte alte Holz, in Berührung mit Luft und Alkalien, schnell eine neue gefärbte Flüssigkeit. Das Pulver von altem Holz bestand folglich aus einem Gemenge von reinem Humus, etwas humussaurem Kalk und noch nicht umgebildeter Substanz, die sich aber in Berührung mit Luft und Alkalien in Humus zu verwandeln vermochte. Ich extrahirte den Humus aus dem alten Holze, indem ich ihn zuerst mit Wasser auswusch und dann mit Ammoniak behandelte. Diese Lösung wurde mit Salzsäure gefällt und der Humus durch aufeinanderfolgendes Auswaschen mit Wasser, kochendem Alkohol und mit Aether gereinigt. Ich schritt nun zu dessen Analyse. Cr hinterließ 7,16 Proc. Asche. Nach Varrentrapp's und Will's Methode lieferte er 2,5 Proc. Stickstoff. Das Verbrennen mit Kupferoxyd und chlorsaurem Kali ergab (nach Abzug der Asche): Humus 5,66 Gramme. Kohlensaure 1,15 Gramme = Kohlenstoff 313 55,3 Wasser 0,248 Gramme = Wasserstoff 27 4,8 Stickstoff 2,5 Sauerstoff 37,4 ––––– 100,0 Humus 1 Gramm. Kohlensäure 2,007 Gramme = Kohlenstoff 55,0 Wasser 0,432 Gramme = Wasserstoff 4,8 Stickstoff 2,5 Sauerstoff 37,7 ––––– 100,0 Diese Analysen würden sich, vom Stickstoff abgesehen, der Formel C 34, H 18, O 18 sehr nähern. In diesem Humus, welcher durch eine viele Jahre fortgesetzte Berührung der Luft und Feuchtigkeit gebildet war, betrug also der Kohlenstoff nicht über 55 Proc. Es scheint dieß die äußerste Gränze zu seyn, welche die Zersetzung des Holzstoffs erreichen kann, wenn man nicht mit Wärme und concentrirten Alkalien nachhilft. Diese Gränze ist, wie man sieht, von derjenigen (72 Proc.), welche Péligot beim künstlichen Ulmin erreichte, weit entfernt. Den Stickstoff anbelangend, so ist er stets ein constituirender Bestandtheil des Humus; es läßt sich aber nicht sagen, welches Verhältniß ihm angehört und welches den ihm beigemengten stickstoffhaltigen Producten. In dem angewandten Eichenpulver war übrigens der Stickstoffgehalt größer als in dem Eichenholz, aus welchem es entstand. Dieß macht es wahrscheinlich, daß ein Theil des Stickstoffs der Luft während der Zersetzung des Holzes firirt wurde. Dieß war auch die Ansicht von Theodor v. Saussure. Man könnte vermuthen, daß Reste von Insecten darin zurückblieben; Insecten fanden aber schon seit langer Zeit in diesem Pulver ohne Festigkeit, welches die geringste Erschütterung an den Fuß des Baumes fallen machte, keine Zuflucht mehr. Liebig sagt, daß sich der Humus durch eine weiter vorgeschrittene Zersetzung in Moder verwandelt, welcher sich durch größern Kohlenstoffgehalt charakterisirt und dadurch, daß er nur in Gegenwart von Alkalien auf die Luft zu wirken vermag. Mir ist kein Versuch bekannt, welcher die Existenz dieses Körpers wahrscheinlich macht; seine Bildung wird durch die von mir angeführten Thatsachen sogar ganz unwahrscheinlich. Der reine, d. h. durch ein Alkali aufgelöste und dann niedergeschlagene Humus übt auf die Luft, wie wir sahen, nur eine sehr unbedeutende Wirkung aus; über Quecksilber aufbewahrt, veränderte er in sechs Monaten das Volum der Luft nicht merklich. Setzt man Ammoniak zu, so ist die Wirkung etwas auffallender, aber sie ist auch dann noch eine höchst langsame, und es wären viele Jahre erforderlich, damit der Humus einen Kohlenstoffgehalt von 72 Proc. erreichen könnte, bei welchem er in Ammoniak noch auflöslich ist. Dieser Gränze nähert sich sogar das Pulver vom alten Holz nicht, welches vielleicht 15 bis 20 Jahre lang dem oxydirenden Einfluß der Luft ausgesetzt war. Wirkung des Humus auf die Vegetation. Die Agronomen glauben, der Humus diene den Pflanzen unmittelbar als Nahrung. Nach Liebig besteht sein Nutzen darin, daß er, in einem beständigen Zustand der Zersetzung, Kohlensäure bildet, welche von den Wurzeln in demselben Maaße absorbirt wird. Mir scheint aber dieser berühmte Chemiker die Dienste des Humus als Nahrungsmittel der Pflanzen zu gering zu schätzen. Die Gründe, welche er für seine Ansicht aufstellt, haben nicht den vollen Werth, welchen er ihnen beilegt. Die Ansicht bekämpfend, daß die Dammerde im Zustand humussauren Kalks absorbirt werden könne, behauptet Liebig, daß nach der in der Asche der Gewächse gefundenen Menge von Basen und nach der Zusammensetzung der humussauren Salze, die in dieser Form hineingekommene Kohlenstoffmenge nur ein sehr unbedeutender Theil des Gesammtkohlenstoffs der Pflanze seyn könne. Ein Argument in demselben Sinne ist ihm auch die geringe Auflöslichkeit des humussauren Kalks; beide Gründe verlieren aber ihre Stichhaltigkeit, nachdem ich gezeigt habe, daß der Humus hauptsächlich im Zustand humussauren Ammoniaks in die Pflanze eindringt. Das durch die Fäulniß des Düngers sich bildende kohlensaure Ammoniak bewirkt, daß sich der gebildete Humus auflöst, es befördert dessen Bildung unter dem gleichzeitigen Einfluß der Luft und versetzt auch den im Boden als humussaurer Kalk enthaltenen Humus in aufgelösten Zustand. Man kann folglich die Menge des von den Pflanzen absorbirten Humus weder nach der Auflöslichkeit des humussauren Kalks in Wasser, noch nach dem Aschengehalt der Pflanzen beurtheilen. Das Ammoniak, welches als Auflösungsmittel des Humus diente, wird in dem Pflanzengewebe verarbeitet und umgebildet und trägt unmittelbar zur Bildung der stickstoffhaltigen Producte bei. Liebig macht auch geltend, daß Holz- und Wieswachs den Boden verbessern, obgleich ihm kein Dünger gegeben wird und jährlich Heuernten ihm entzogen werden und Holz geschlagen wird. Die Pflanzen müßten also dem Boden mehr zurückerstatten, als sie aus ihm ziehen und der in Form der Ernte dem Boden entzogene Kohlenstoff käme aus der Atmosphäre. Diese Anschauungsweise gegen den Nutzen des Humus ist aber nicht zulässig; denn wenn der absorbirte Humus eine Nahrung gibt, welche die Lebensfähigkeit der Pflanze erhöht und die Anzahl und das Volum der Absorptionsorgane vergrößert, so muß die Pflanze reichlicher aus der Atmosphäre schöpfen. Der Humus, obgleich er nicht allen Kohlenstoff liefert, ist dennoch die wirksame Ursache der reichlichen Production von Holz und anderen Pflanzengebilden. Uebrigens ist diese Frage durch die bekannte Thatsache, daß in einem Boden ohne Humus das Wachsthum immer mager und unergiebig ist, wohl als abgethan zu betrachten. Nach Liebig's Hypothese, der zufolge die Rolle der Dammerde darauf beschränkt wäre den Wurzeln die Kohlensäure zu liefern, welche bei der Umwandlung der Dammerde entsteht, würde der Humus selbst nicht mehr in Betracht kommen, denn nicht letzterer verwandelt sich, sondern der Holzstoff, die kohlige Dammerde. Sind diese einmal in Humus umgeändert, so hören sie zu wirken auf, denn der in Alkalien auflösliche Humus conservirt sich mit außerordentlicher Zähigkeit in Berührung mit Luft und Feuchtigkeit; wenn die Alkalien ins Mittel treten, erfolgt seine Zersetzung kaum schneller. Wozu soll aber die Natur einen Körper hervorbringen, welcher unwirksam und träge bleiben muß? Wie kann man übrigens annehmen, daß dieser Körper durch die Alkalien, und besonders das kohlensaure Ammoniak, auflöslich gemacht, von den Wurzeln nicht absorbirt werde, um zur Ernährung der Pflanze zu dienen? Er wird in der That absorbirt, worüber ich folgende Versuche angestellt habe: Ich zog einen starken Stock Rainkohl (lapsana communis) vorsichtig aus der Erde, wusch die Wurzeln im Wasser aus und hielt sie in eine sehr verdünnte Auflösung von humussaurem Ammoniak getaucht, welche durch lange Berührung mit der Luft von allem überschüssigen Alkali besreit war. Flüssigkeit und Wurzeln waren vor dem Licht geschützt. Während der acht Tage welche ich auf den Versuch verwendete, gedieh die Pflanze. Ich setzte die Wurzeln jeden Tag in frische Lösung und brachte jeden Tag die Flüssigkeit vom vorigen Tage wieder auf ihr ursprüngliches Volum, indem ich das von der Pflanze absorbirte Quantum durch destillirtes Wasser ersetzte. Die blassere Farbe der Flüssigkeit bezeugte hinlänglich, daß ein Theil des humussauren Ammoniaks absorbirt worden war. Im Jahr 1848 säete ich in Erde, welche durch Ausglühen von aller organischen Materie befreit war, der ich aber etwas phosphorsauren Kalk (Knochenmehl) und schwefelsauren Kalk zugesetzt hatte, Haber und Bohnen. Als die Pflanzen aufgegangen waren, begoß ich sie täglich mit einer schwachen Auflösung neutralen humussauren Ammoniaks. Sie wuchsen hübsch heran und ich erhielt eine gute Ernte von Blüthen und Früchten. Man kann nicht annehmen, daß bei diesen Versuchen das humussaure Ammoniak sich in Kohlensäue verwandelte, die von der Pflanze absorbirt wurde, sondern die in Auflösung gehaltene Substanz drang unmittelbar in die Pflanze und diente ihr als Nahrung. Die Kraft, welche der Rainkohlstock beibehalten hatte, und das schöne Wachsthum der Bohnen und des Habers, die von beiden erhaltenen Blüthen und Früchte, sind hinlängliche Beweise für die günstigen Umständen, unter welchen sie sich entwickelten. Ich finde mich daher zu dem Schlusse berechtigt, daß der Humus von den Pflanzen in Form von humussaurem Ammoniak absorbirt wird und zu ihrer Entwickelung direct beiträgt. Es fragt sich noch, was aus dem Humus wird, wenn er einmal in die Wurzelschwämmchen einbringen konnte; ob er sogleich eine Umbilbung erleidet, oder von den Saftgefäßen weiter geführt wird? Diese Frage vermag ich jetzt noch nicht zu beantworten. Die Rolle des Humus beschränkt sich übrigens nicht darauf, den Pflanzen Nahrung zu gewähren; er wirkt bekanntlich auch hygrometrisch, indem er die Feuchtigkeit aus der Atmosphäre anzieht, und so in der Dammerde eine wohlthätige Frische erhält; er verdichtet das von der Atmosphäre ihm gelieferte Ammoniak und hält es zurück; er wirkt antiseptisch, um die Zersetzung der stickstoffhaltigen Materie zu mäßigen, welche er nur allmählich vor sich gehen läßt, so daß die Pflanze eine wenig reichliche, aber unaufhörlich erneuerte Nahrung erhält; er firirt das bei dieser Zersetzung entstehende Ammoniak. Würde er auch nicht direct die Pflanze nähren, so wären diese schätzbaren Eigenschaften schon hinreichend, den Düngerarten, welche Humus in Verbindung mit den anderen nahrhaften Stoffen enthalten, einen unbestreitbaren Vorzug einzuräumen. So liefert die Fäulniß der Ueberreste abgestorbener Gewächse Elemente, welche den nachfolgenden Generationen die erforderliche Nahrung reichlich verschaffen. Aus den in diesem ersten Theil meiner Abhandlung mitgetheilten Versuchen schließe ich: 1) daß bei der Dammerde-Bildung das erste Stadium der Zersetzung die kohlige Dammerde ist, welche sich vom Holz durch einen größern, und vom Humus durch einen geringern Kohlenstoffgehalt unterscheidet; 2) daß das zweite Stadium der durch seine Aufloslichkeit in Ammoniak sich auszeichnende Humus ist; 3) daß in der gewöhnlichen Dammerde ein Theil des Humus frei, ein größerer Theil aber an Kalkerde gebunden ist. Das Gegentheil findet bei der Dammerde aus alten Eichen statt. Der Humus ist immer stickstoffhaltig. Sein Kohlenstoffgehalt variirt von 53 bis 56 Procent, überschreitet aber nie 57 Proc. Der Humus dient der Pflanze unmittelbar als Nahrung. Seine Absorption findet hauptsächlich in Form humussauren Ammoniaks statt. Im gewöhnlichen Boden entsteht das humussaure Ammoniak hauptsächlich durch die Einwirkung des kohlensauren Ammoniaks auf den humussauren Kalk. (Der zweite Theil dieser Abhandlung folgt nach.)