Titel: Untersuchungen über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Elektricität; von Fizeau und Gounelle.
Fundstelle: Band 117, Jahrgang 1850, Nr. XXV., S. 125
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XXV. Untersuchungen über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Elektricität; von Fizeau und Gounelle. Aus den Comptes rendus, April 1850, Nr. 15. Untersuchungen über die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Elektricität. Bis auf die neueste Zeit waren alle Versuche, die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Elektricität kennen zu lernen, fruchtlos. Im Jahr 1834 beschrieb Hr. Wheatstone eine Methode, durch welche er mittelst eines sehr rasch rotirenden Spiegels diese Geschwindigkeit veranschaulichen und schätzen konnte. Nach Hrn. Wheatstone pflanzt sich die Elektricität in einem Kupferdraht mit einer Geschwindigkeit von 460000 Kilometern in der Secunde fort; eine anderthalbmal so große Geschwindigkeit als die des Lichts. Im Jahr 1849 wurden in Amerika von Hrn. Walker neue Untersuchungen hierüber angestellt. Die Versuche wurden in der Absicht unternommen, die elektrischen Telegraphen zur Bestimmung geographischer Längenunterschiede zu benützen, und man fand bald, daß die Dauer der Uebertragung der Signale nicht zu vernachlässigen sey, indem sich eine viel geringere Fortpflanzungsgeschwindigkeit ergab als die von Hrn. Wheatstone gefundene. Nach Walker beträgt diese Geschwindigkeit nur 18700 engl. Meilen oder 30000 Kilometer, sie ist also fünfzehnmal geringer als die vorhergenannte. Obschon sich gegen Hrn. Walker's Methode mehrere Einwürfe machen lassen, so kann man doch nicht wohl umhin, seinen Versuchen zufolge die Geschwindigkeit als sehr verschieden von der von Wheatstone gefundenen zu betrachten. Unsere Untersuchungen wurden nach einer von den beiden vorhergehenden ganz verschiedenen Methode angestellt. Sie beruht darauf, einen Strom gleichzeitig und in sehr kleinen Zwischenzeiten an zwei sehr entfernten Punkten des Leiters zu unterbrechen und die in einem Galvanometer erzeugten Ablenkungen zu beobachten; letztere verändern sich mit der Zahl der Unterbrechungen, werden für eine gewisse Zahl ein Maximum und für eine andere ein Minimum. Diese Versuche wurden an den Drähten der elektrischen Telegraphen von Paris nach Rouen und von Paris nach Amiens angestellt. Die beiden Drähte jeder dieser Linien konnten zu Rouen und zu Amiens vereinigt werden und bildeten sodann Leiter von außerordentlicher Länge, deren Enden in einem und demselben Saale des Ministerium des Innern ausliefen. Für die Linie nach Amiens betrug die Länge 314 Kilometer; für die nach Rouen 288. Erstere war aus Eisendrähten construirt; letztere zu etwa einem Drtttel aus Eisendraht und zu zwei Dritteln aus Kupferdraht. Dieser für unsere Versuche sehr glückliche Umstand erlaubte uns zu erkennen, daß die Geschwindigkeit in verschiedenen Leitern nicht gleich ist. Die Unterbrechungen wurden auf folgende Weise hervorgebracht. Ein hölzernes Rad von 50 Millimetern hatte auf seinem Umfange 36 gleiche Abtheilungen, abwechselnd 18 von Platin und 18 von Holz; es saß auf der Achse einer Froment'schen Rotationsmaschine, deren Geschwindigkeit durch einen Zähler gemessen werden konnte. Paarweise angebrachte, unter sich isolirte, Platinblättchen legten sich gegen die Abtheilungen; jedes Paar bildete so einen Unterbrecher für sich. Beide konnten so geregelt werden, daß die Unterbrechungen zusammenstimmten oder abwechselten. Der Versuch wurde auf mehrere Weisen eingerichtet; die beste ist die Anwendung eines Differential- oder zweidrähtigen Galvanometers und dreier Unterbrecher A,B,C. Letztere sind so eingerichtet, daß A mit B abwechselt und mit C übereinstimmt. Es sey nun eine Batterie an dem einen Pole mit der Erde, und an dem andern mit A und darauf mit dem Telegraphendraht verbunden. Da die Drähte am andern Ende der Leitung mit einander verknüpft sind, so kommt der Strom in dem andern Draht zurück; letzterer ist mit B und C in Verbindung, jedes von diesen mit einem der Galvanometer-Drähte, und endlich jeder dieser Drähte mit der Erde. Der Strom kann sich also auf zwei verschiedenen Wegen, welche abwechselnd offen und verschlossen sind, zur Erde begeben und, je nachdem der Durchgang durch den einen oder andern geschieht, wird die Nadel des Galvanometers in entgegengesetztem Sinne abgelenkt. Während der Rotation des Rades gehen in das Galvanometer nur unterbrochene Ströme; allein man weiß aus Pouillet's Versuchen, daß wenn die Unterbrechungen rasch auf einander folgen, die Nadel auf bleibende Weise abgelenkt wird, als wenn der Strom ein stetiger wäre. Bei dieser Einrichtung wird die Fortpflanzungsgeschwindigkeit angezeigt durch periodische Veränderungen in den Ablenkungen, welche den mehr oder weniger großen Rotationsgeschwindigkeiten entsprechen. Allein die Perioden sind nicht ganz ähnlich; die zweite ist weniger markirt als die erste, die dritte ist kaum bemerkbar. Für die Linie nach Amiens erfolgte die erste Periode bei einer Geschwindigkeit von 9 Umläufen in der Secunde; für die Linie nach Rouen bei einer Geschwindigkeit von 13,58 Umläufen. Die nach dieser Methode von uns angestelltrn Versuche führten zu folgenden Schlüssen: 1) In einem Eisendraht von 4 Millimeter Durchmesser pflanzt sich die Elektricität mit einer Geschwindigkeit von 101710, oder rund 100000 Kilometer pro Secunde fort. 2) In einem Kupferdraht von 2,5 Millimeter Durchmesser beträgt diese Geschwindigkeit 177722 oder rund 180000 Kilometer. 3) Beide Elektricitäten pflanzen sich mit gleicher Geschwindigkeit fort. 4) Die Anzahl und Natur der die Batterie bildenden Elemente, folglich auch die Spannung der Elektricität und die Intensität des Stroms haben auf die Geschwindigkeit der Fortpflanzung keinen Einfluß. 5) In Leitern von verschiedener Natur ist die Geschwindigkeit nicht proportional dem Leitungsvermögen. 6) Wenn unterbrochene Ströme sich in einem Leiter fortpflanzen, so erfahren sie eine Diffusion, vermöge welcher sie am Orte der Ankunft einen größern Raum einnehmen als in dem des Ausgangs. 7) Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit scheint sich nicht mit dem Querschnitt der Leiter zu verändern; nach unsern Versuchen betrachten wir diesen Satz als sehr wahrscheinlich. 8) Wenn dieser Satz richtig ist, so verändert sich die Fortpflanzungsgeschwindigkeit nur mit der Natur der Leiter, und die von uns gegebenen Zahlen stellen die absoluten Geschwindigkeiten in Eisen und Kupfer dar.