Titel: Photographie auf Knochenleim, Verfahren sehr reine und sehr durchsichtige negative Bilder zu erhalten, welche in großer Anzahl auf gewöhnliches photographisches Papier übertragen werden können; von A. Poitevin.
Fundstelle: Band 117, Jahrgang 1850, Nr. XLV., S. 227
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XLV. Photographie auf Knochenleim, Verfahren sehr reine und sehr durchsichtige negative Bilder zu erhalten, welche in großer Anzahl auf gewöhnliches photographisches Papier übertragen werden können; von A. Poitevin. Aus den Comptes rendus, Mai 1850, Nr. 21. Poitevin's Verfahren zur Photographie auf Knochenleim. Um die Leimschicht zu bereiten, auf welcher ich meine negativen Bilder mache, löse ich in 100 Grammen Wasser 6 Gramme guten Leims auf (mit dem im Handel vorkommenden, welchen man zur Bereitung der Gelees benutzt, gelang mir das Verfahren am besten). Dieser Leim soll keine in Wasser auflöslichen Salze enthalten und möglichst von Fettsubstanzen frei seyn. Um die Auflösung darzustellen, weiche ich den Leim 10 bis 15 Minuten in destillirtem Wasser ein, erwärme dann gelinde über der Weingeistlampe und rühre beständig um, bis er sich vollkommen aufgelöst hat. Wenn sich Schaum bildete, entferne ich ihn vorsichtig mittelst feinen Fließpapiers, von welchem ich Stückchen auf der Oberfläche umherziehe; ich seihe dann die Flüssigkeit durch ein vorher angefeuchtetes, recht dichtes Leinentuch, und schäume die Oberfläche noch einmal ab, auf welcher sich einige Streifen befinden, die ohne Zweifel von Fettsubstanzen herrühren, welche der ersten Abschäumung entgangen sind. Wenn die Leimlösung so bereitet ist, nehme ich mittelst eines graduirten Tropfhebers eine bestimmte Menge heraus und gieße sie auf eine recht ebene horizontal gelegte Glasplatte aus; eine Schicht von 1½ Millimeter ist dick genug; diese Menge entspricht ungefähr 20 Centimetern Auflösung für die eine Oberfläche einer Platte von 13,5 Centimetern Höhe auf 17,5 Centimeter Breite. Eine größere Dicke würde nicht schaden, eine geringere aber ihre Uebelstände haben. Ehe man den Leim auf die Glasplatte gießt, trägt man auf diese eine erste Schicht mittelst eines Leinenstückchens auf, welches mit einer etwas verdünntern Leimlösung getränkt ist, erwärmt alsdann die Glasplatte über einer Weingeistlampe, und dann erst gießt man obige Leimlösung darauf, welche sich nun gleichförmig auf der Platte verbreitet. Man erwärmt die Glasplatte von unten wieder, jedoch mäßig, um den Leim flüssig zu erhalten, und läßt dann erkalten. Die so zubereitete Platte tauche ich in eine Auflösung von essigsaurem Silber, die mit Leim überzogene Oberfläche nach unten gekehrt, und halte sie so in die Auflösung geneigt, bis sie ganz davon benetzt ist. Ich kehre dann die Glasplatte um und tauche sie ganz in die Flüssigkeit; hierauf fahre ich öfters und in verschiedenen Richtungen mit einem recht zarten Pinsel über die ganze Leimfläche, um die allenfalls daran haftenden Luftbläschen zu vertreiben, und ehe ich sie wieder aus der Flüssigkeit ziehe, blase ich über die Oberfläche, um zu sehen ob sie überall von der Auflösung benetzt wurde. Nun nehme ich die Platte heraus und indem ich sie etwas geneigt halte, fahre ich mit demselben Pinsel über die ganze Oberfläche, wobei ich den Rand des vorhergehenden Striches jedesmal mit dem Rand des darauf folgenden zu decken suche. Hierauf trockne ich die Unterseite der Platte ab und lege sie horizontal, bis die obere Fläche wieder ausgetrocknet ist, wozu 5 bis 6 Stunden erforderlich sind. Ich präparire in der Regel die Platten am Abend, wenn ich mich ihrer am Morgen des andern Tages bedienen will, und am Morgen, wenn ich sie Abends benützen will. Es ist von Wichtigkeit, daß sich auf der Oberfläche der Platte bei ihrer Anwendung keine freie Flüssigkeit mehr befindet, weil an den Stellen, wo noch solche wäre, die Schicht sich ablösen würde. Die Präparirung muß bei Ausschluß des Sonnenlichts vorgenommen werden. Auch die mit essigsaurer Silberlösung überzogene Platte darf nicht an das Tageslicht kommen. Die Lösung des essigsauren Silbers erhält man, wenn man einer gesättigten Auflösung vom essigsaurem Silber die Hälfte ihres Volums Wasser zusetzt. Da 100 Theile Wasser bei gewöhnlicher Temperatur 0,5 Gramme essigsaures Silber auflösen, so löse ich, um 0,750 Liter meiner Auflösung zu bereiten, 2,5 Gramme essigsauren Natrons in 15 Grammen Wasser auf; andererseits löse ich 3,03 Gramme salpetersauren Silbers in 10 Grammen Wasser auf, gieße letztere Auflösung zur ersteren und sammle das essigsaure Silber, welches sich niederschlug, auf einem Filter. Den Niederschlag wasche ich schnell mit Wasser aus, und dann lasse ich in einzelnen Portionen 0,50 Liter Wasser durch das Filter laufen; beinahe sämmtliches essigsaures Silber muß sich aufgelöst haben; hierauf setze ich diesem halben Liter gesättigter Auflösung nach 0,25 Liter Wasser zu. Bei dieser Operation bildeten sich drei Gramme essigsaures Silber; die 0,75 Liter sollten davon zwar nur 2,50 Gramme enthalten, ich wende aber etwas mehr an, um den Verlust durch das Waschwasser zu ersetzen. Da das essigsaure Silber am Sonnenlicht leicht eine Veränderung erleidet, so bereite ich diese Auflösung möglichst an einem dunkeln Orte. Ich bewahre sie in einer mit schwarzem Papier überzogenen Flasche auf und filtrire sie, so oft ich mir ihrer bediene. Die nach obiger Angabe präparirte Platte setze ich dem Ioddampf gerade so aus wie eine Daguerre'sche Platte; nur muß man dabei die Zeit beachten, weil man die Farbe der Oberfläche nicht zu beurtheilen vermag; die Zeit der Exposition ist kürzer als bei den Silberplatten. Die jodirte Platte bringt man in den Rahmen der camera obscura, wobei ich die nicht mit Leim überzogene Seite mit Pappe, welche mit schwarzem Tuch überzogen ist, bedecke. Man thut gut, zwischen dem Iodiren und dem Erponiren in der camera obscura einige Zeit verstreichen zu lassen; die Platte gewinnt dadurch an Empfindlichkeit. Ich habe mich schon öfters der Platten erst 5–6 Stunden nach dem Iodiren bedient; sie hatten an Empfindlichkeit nicht im geringsten verloren. Die Empfindlichkeit dieser Platten ist ungefähr viermal geringer als diejenige der mit Jod und Brom präparirten Platten. Für eine wohl beleuchtete Landschaft und bei einem Objectiv mit kleinem Diaphragma kann die Exposition in der camera obscura 80 bis 100 Secunden erfordern. Porträts mit wohl beleuchtetem Schatten können mit dem Porträt-Objectiv in zwei Minuten fertig werden. Ich habe Versuche über die Wirkung des Bromdampfs auf diese Platten angestellt und gefunden, daß sie durch denselben für das Licht empfindlicher werden; doch sind diese Versuche noch nicht hinreichend, um darüber schon verlässige Angaben machen zu können. Um das Bild zum Vorschein zu bringen, tauche ich die Platte in eine Gallussäure-Lösung welche 0,1 Gr. Gallussäure auf 100 Gr. Wassers enthält; ich lasse das Bild so lange hervorkommen, bis mir die Schatten (dunkeln Stellen) intensiv genug erscheinen. Dieses Eintauchen kann eine bis anderthalb Stunden andauern. Mit einer concentrirteren Gallussäure-Lösung würde es nicht so lange dauern; die Wirkung wäre aber dann schwieriger zu reguliren. In den ersten Augenblicken des Eintauchens bildet sich auf der Leimoberfläche ein positives Bild. Dieses Bild wird immer dunkler; aber beim Durchsehen bleiben die den natürlichen Schatten entsprechenden Partien sehr hell. Um das Bild zu fixiren, wäscht man es in gewöhnlichem Wasser ab, und läßt es dann etwa 15 Minuten lang in einer Auflösung von 1 Gramm unterschwefligsauren Natrons in 100 Grammen Wasser liegen; man wäscht es dann wiederholt in gewöhnlichem Wasser ab und taucht es hierauf ebenso lange in eine Auflösung von 1 Gramm Bromkalium in 100 Gr. Wasser. Ich wasche nun das Bild in gewöhnlichem Wasser aus und lasse es 15–30 Minuten darin liegen; wasche dann in destillirtem Wasser und lasse die Leimschicht an freier Luft trocknen. Man besitzt nun ein sehr reines negatives Bild, welches mit gewöhnlichem photographischen Papier an der Sonne in 2 bis 10 Minuten ein positives Bild gibt; auch im Schatten kommt die Copie recht schön zum Vorschein. Man thut gut, bei jeder Operation die Auflösungen vou Gallussäure, unterschwefligsaurem Natron und Bromkalium zu erneuern. Wenn man statt der Gallussäure-Lösung eine Auflösung von schwefelsaurem Eisenoxydul (Eisenvitriol) anwendet, so erhält man sehr schöne positive Bilder.