Titel: Neues Compensations-Pendel des Uhrmachers Bourdin zu Paris; beschrieben von Hrn. Benoit.
Fundstelle: Band 117, Jahrgang 1850, Nr. LXV., S. 336
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LXV. Neues Compensations-Pendel des Uhrmachers Bourdin zu Paris; beschrieben von Hrn. Benoit. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, Mai 1850, S. 193. Mit Abbildungen auf Tab. V. Benoit, über Bourdin's neues Compensations-Pendel. Die Hauptstange dieses Pendels besteht aus einer Röhre von Glas, einer Substanz die eine fast so geringe Ausdehnbarkeit hat als präparirtes Tannenholz, welches man zu diesem Zweck gewöhnlich anwendet. Am obern Ende dieser Röhre ist ein Stück ungehärteter Stahl mittelst eines Stiftes befestigt, welcher in einem Haken ausläuft, an dem das Pendel angehängt ist. Am untern Ende der Glasröhre ist ebenfalls ein Stück Stahl mittelst eines Stiftes befestigt; dasselbe tritt nur um einige Millimeter vor und ist unten mit einer Schraube versehen, die genau in der Achse des Pendels befestigt und mit einer Mutter von Messing versehen ist, deren obere ebene Fläche gegen das stählerne Ende tritt; eine Gegenschraube, ebenfalls von Messing, verhindert das Losgehen der ersten Schraube. Auf dem Rande dieser Mutter ruht der Fuß einer Zinkröhre, die ohne merkliche Reibung über die Glasröhre geschoben ist. Am obern Ende hat man über diese Zinkröhre einen messingenen Ring mit Lappen geschoben, in welche zwei Regulirungsschrauben von Stahl eingeschraubt sind, durch die ein unterer Ring auf der Röhre höher oder niedriger gestellt werden kann, während der obere Ring auf der Zinkröhre festsitzt. Endlich gehen durch die Lappen des obern Ringes zwei Platinstäbe, welche eine messingene Linse in ihrer Mitte halten. Diese Linse hat eine cylindrische Oeffnung, deren Achse ihr senkrechter Durchmesser ist, und wodurch die Linse über das untere Ende der Zink- und der darin befindlichen Glasröhre geschoben werden kann. Man sieht daher, daß wenn man das Pendel so einrichtet, daß der Mittelpunkt der Linse sein Schwingungs-Mittelpunkt ist, die Länge des Pendels besteht: aus der Summe der Entfernung von dem Aufhängungspunkte bis zu der Achse des Stiftes, welcher das obere Stahlstück mit der Glasröhre verbindet; aus der Länge dieser Stange zwischen dieser Achse und derjenigen des Verbindungsstiftes des untern Stahlstückes, und aus der Länge dieses letztern unter der Achse ihres Stiftes, das Ganze vermindert um die Länge der Zinkröhre unter dem festen Ringe und vermehrt um die Länge der Regulirungsschrauben des oberen Ringes, sowie auch um die Länge der Platinstäbe.Wenn man die oben angegebenen sechs Längen mit a, v, a‚, z, a“ und p bezeichnet, und mit 1 die Länge des Pendels, so erhält man: a + v + a‚, - z ± a“ + p = 1, je nachdem man auf der Zinkröhre den obern oder untern Ring des Pendels feststellt. Wenn ferner a′,v′,z′ und p′ die resp. Ausdehnungen des Stahles, Glases, Zinks und Platins sind, so muß man offenbar, wenn m unabhängig von der Temperatur seyn soll, die nachstehende Gleichung haben:(a + a‚ ± a“) a′+ vv′ - zz′ + pp′ = 0.Schafft man die Längen a, a‚, a“ der Stahltheile des Pendels weg, so erhält man:Textabbildung Bd. 117, S. 336Diese Formel setzt uns in Stand die Länge z desjenigen Theils von der Zinkröhre zu berechnen, der unter dem festen Ring befindlich ist, wenn mit 1 die Länge v der Glasröhre zwischen den beiden Stiften der Stahlenden gegeben ist, mit p die Länge der Platinstäbe, und wenn man die Ausdehnungen des Stahls, des Glases, des Zinks und des Platins, welche zur Construction des Pendels angewendet wurden, kennt. Da diese Länge z unabhängig von a“ ist, so kann man die Stellschrauben des Ringes, welcher die Platinstäbe festhält, die zu dem Schwingungs-Mittelpunkt gehen, drehen, ohne diejenigen Theile zu stören, durch welche die Compensation gesichert ist.Wenn man den untern Ring nimmt, um damit die Länge der Zinkröhre oder die Compensation zu reguliren, ein Fall, welcher dem unteren Zeichen der obigen Gleichungen entspricht, so kann man diese Gleichungen unabhängig von den Längen der aus Stahl bestehenden Theile machen, indem man die Gleichheit a + a‚ = a“ bei der Anfertigung des Pendels festhält, was durchaus keine Schwierigkeit hat; es würde alsdann bleiben v - z + p = 1 und v v′ - z z′ + p p′ = 0, und indem man p wegschafft, erhielte manTextabbildung Bd. 117, S. 336Es folgt daraus, daß die Stahlschrauben, welche die beiden Ringe verbinden, durch zwei Mittel- oder Zwischenstücke aus demselben Metall von fester und unveränderlicher Länge ersetzt werden können; diese Länge ist gleich der Summe der Längen von den Stahlstücken innerhalb der Länge des Pendels, vorausgesetzt daß die Platinstangen, deren Länge hier ohne Einfluß aus z oder auf die Compensation ist, entweder in die Lappen des obern Ringes eingeschraubt sind, oder in Schraubenmuttern, die sich in der Achse der Linse befinden, um wirkliche Stellschrauben für letztere oder für den Schwingungs-Mittelpunkt des Pendels zu bilden; sie dienen alsdann zur Erlangung der wahren Länge l, die für die Dauer der beabsichtigten Bewegung nothwendig ist. Es ist folglich möglich diese verschiedenen Längen so mit einander zu combiniren, daß die Summe der Ausdehnungen derjenigen Längen, welche dem Stahl, dem Glase und dem Platin entsprechen, genau gleich der Ausdehnung der zinkröhre ist; dabei bleibt die geringe Längenveränderung der Stellschrauben zwischen den beiden Ringen unberücksichtigt, und man gelangt dennoch zu einer genauen Länge des Pendels, wie sie die verlangte Dauer der Schwingungen erfordert. Ist dieß nun geschehen, so ist klar, daß, weil sich diese Ausdehnungen in entgegengesetzten Richtungen unter dem Aufhängungspunkte des Pendels zeigen, die Länge des letztern von den Temperaturveränderungen, denen das Pendel ausgesetzt ist, gar nicht alterirt werden kann. Dieß war die Aufgabe des Hrn. Bourdin, welche er durch die Construction eines einfachen und zugleich eleganten Compensationspendels gelöst hat. Da die Ausdehnungen des Stahls, Glases und Zinks nicht absolut constant sind, so hat Hr. Bourdin gefunden, wie dieß auch wirklich der Fall seyn muß, daß alle seine Pendel, die nach den mittlern Verhältnissen construirt worden sind, zu denen er geführt wurde, dadurch allein dem Einfluß einer bedeutenden Temperatur-Veränderung nicht gänzlich entzogen werden. Um sich von dem wirklichen Vorhandenseyn der Compensation zu überzeugen, und um sie mit Hülfe des festen Ringes, der ein Theil des Pendels ist, genau zu erhalten, hat der geschickte Künstler einen sinnreichen Apparat ausgedacht, dessen Princip jedoch nicht ganz neu zu seyn scheint. Der innere Raum wird nach Belieben mehr oder weniger durch eine Lampe mit doppeltem Luftzuge erwärmt, nachdem man das zu untersuchende Pendel so aufgehängt hat, daß die Horizontale seines Schwingungs-Mittelpunktes mit dem Hebel eines sehr einfachen Mechanismus in Verbindung gesetzt worden ist, der einen Theil dieses Apparates bildet und auf den Zeiger eines in Sexagesimalgrade getheilten Bogens wirkt. Wenn die Temperaturveränderungen die Stellung des Zeigers nicht verändern, so ist das Pendel gehörig regulirt; im entgegengesetzten Falle muß man den festen Ring auf der Zinkröhre losschrauben, und so verschieben, daß man im Stande ist eine genaue Compensation zu bewirken; denn nach der von Bourdin angenommenen Construction verkürzen sich seine Pendel, wenn die Zinkröhre unter dem festen Ringe zu lang ist, und sie verlängern sich im Gegentheil, wenn sie zu kurz ist. Sobald nun der feste Ring seine genaue Stellung erhalten hat, stellt man die wahre Länge des Pendels durch die Stellschraube her, um den Schwingungsmittelpunkt in die richtige Stellung zurückzuführen. Man bringt das Pendel von neuem in den Apparat um seine Rectification fortzusetzen, und verfährt auf diese Weise so lange bis der Zeiger unbeweglich bleibt. Der Apparat ist so empfindlich, daß ein Pendel für halbe Secunden, dessen Stange ganz aus Zink besteht, bei der Temperatur von 8° C. genommen, während 5 Minuten, welche die innere Temperatur brauchte um von 8° auf 12° C. zu steigen, den Zeiger einen Bogen von 36 Theilen durchlaufen machte, d. h. neun Theile auf einen Wärmegrad. Durch eine sehr einfache Berechnung, welche auf die mittlere Ausdehnung des Zinks begründet ist, findet man, daß bei diesem Versuch jeder Grad der Platzveränderung des Zeigers, einer Ausdehnung der Zinkstange des Pendels um beiläufig 0,000008 Meter entsprach. Als ein Halb-Secundenpendel nach Bourdin's System, welches noch nicht regulirt war, dem vorhergehenden substituirt und die Temperatur von 13° auf 26° C. gesteigert wurde, wozu 15 Minuten Zeit erforderlich waren, ging der Zeiger um 10 Theile des Bogens, also nur 10/13 oder 0,77 Theile per Celsius'schen Temperaturgrad zurück. Man sieht daraus, daß der feste Ring dieses Pendels etwas heruntergerückt werden mußte, um zum Compensationspunkte zu gelangen. Nach den oben erwähnten Berechnungen betrug die Verkürzung des Pendels bei diesem Versuch, d. h. für eine Temperaturveränderung von 13° C. nur 0,0008 Meter. Beschreibung der Abbildungen. Fig. 39 ist das Compensationspendel in einer vordern Ansicht; Fig. 40 senkrechter Durchschnitt desselben nach der Linie A B, Fig. 39; Fig. 41 horizontaler Durchschnitt desselben nach der Linie C D, Fig. 39. A Glasröhre, die an ihren Enden durch zwei Stücke ungehärteten Stahls verschlossen ist. Das obere Stück a dient als Haken zum Aufhängen des Pendels; das untere Stahlstück b enthält eine mit Schraubengewinden versehene Stange c, welche eine Schraubenmutter d und eine Gegenschraube e von eiförmiger Gestalt aufnimmt. B Zinkröhre, in welche die Glasröhre A eingeschoben ist: sie gleitet frei in einer messingenen Linse C. Diese drei Stücke können in Folge ihrer Ausdehnung eine senkrechte Bewegung machen; aber zwei kleine Stifte, von denen der eine f durch die Glasröhre geht und in einem Falz f′ in der Zinkröhre verschoben werden kann, während der andere g in der Zinkröhre befestigt und in einem Falz g′ im untern Theile der Linse verschiebbar ist, verhindern die drehende Bewegung. Die beiden Röhren und die Linse werden durch die Mutter d und durch die Gegenschraube e festgehalten. Zwei Platinstäbe D, D, welche von dem Mittelpunkte der Linse ausgehen und darauf mittelst der Schrauben h, h befestigt sind, werden in den Lappen eines Ringes i festgehalten; löst man die Schrauben, so sind die Stangen und der Ring i verschiebbar. Eine Stellschraube I, deren Gewinde durch das Muttergewinde eines zweiten festen Ringes k geht, kann den Ring i verschieben; man kann dieser Schraube verschiedene Stellungen zu dem Ringe i geben. Die Schraube m, welche durch einen Lappen ohne Gewinde geht, ist nur des Gleichgewichts wegen angebracht, kann aber auch leicht zur Stellschraube eingerichtet werden. Aus dieser Einrichtung folgt, daß der Mittelpunkt h der Linse in veränderlichen Höhen mittelst der Platinstäbe, der beiden Ringe und der Stellschraube festgestellt werden kann.

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