Titel: Fernere Versuche über die Gewinnung des Sauerstoffgases aus der atmosphärischen Luft; von Boussingault.
Fundstelle: Band 120, Jahrgang 1851, Nr. XC., S. 417
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XC. Fernere Versuche über die Gewinnung des Sauerstoffgases aus der atmosphärischen Luft; von Boussingault. Aus dem Moniteur industriel, 1851, Nr. 1560. Boussingault, über Gewinnung des Sauerstoffgases aus der atmosphärischen Luft. Als Nachtrag zu meinen Untersuchungen über die Gewinnung des Sauerstoffgases aus der atmosphärischen Luft (S. 120 in diesem Bande des polytechn. Journals), theile ich im Folgenden einige Resultate mit, welche ich für beachtenswerth halte. Man erinnert sich der von mir erwiesenen sehr unerwarteten Thatsache, daß das Barythydrat ungeachtet der starken Verwandtschaft welche seine Elemente vereinigt, durch einen Strom trockener Luft bei der Rothglühhitze vollständig zersetzt wird. Das Wasser wird vom Luftstrom mitgerissen und aus dem Hydrat entsteht entweder Baryt oder dessen Superoxyd, je nach der angewandten Temperatur. Indem ich damit die bekannte Thatsache zusammenhielt, daß das Baryumsuperoxyd sich in kochendem Wasser in Barythydrat verwandelt, indem es plötzlich den Sauerstoff verliert, schien es mir nicht unmöglich, den Sauerstoff aus der Luft bei einer so wenig erhöhten Temperatur gewinnen zu können, daß man, abgesehen von der Ersparung an Brennmaterial, die zerstörende Wirkung des Baryts auf die irdenen Gefäße sowie die Abnahme des Vermögens dieser alkalischen Erde, sich zu oxydiren, nicht mehr zu befürchten hätte. In der That findet die Zersetzung des Hydrats und die Oxydation des Baryts schon bei der braunrothen Glühhitze statt; und das Austreiben des Sauerstoffs aus dem gebildeten Superoxyd könnte man noch unter dieser Temperatur bewerkstelligen, weil er sich in Gegenwart von Wasserdampf aus demselben bei 80° R. entwickelt. Obgleich aber meine Idee, zuerst die Luft auf das Hydrat und dann das Wasser auf das gebildete Superoxyd wirken zu lassen, auf dem sicheren Ergebniß zahlreicher Versuche beruhte, so war ich doch nahe daran sie aufzugeben, wegen der Schwierigkeiten auf welche ich anfangs stieß, in Folge der außerordentlichen Schmelzbarkeit des Barythydrats. Da das Hydrat bei der Rothglühhitze flüssig wird, so war ich genöthigt es in einen langen Silbernachen zu bringen, welcher den ganzen erhitzten Theil eines Porzellanrohrs einnahm; die Schicht von Superoxyd welche sich an der Oberfläche des Bades bildete, verhinderte aber bald die fernere Einwirkung der Luft, so daß bei Anwendung von 100 Grammen Substanz die Oxydation nur noch außerordentlich langsam fortschritt. Man hilft diesem Uebelstand ab, indem man das Barythydrat innig mit Kalkhydrat oder mit Magnesia vermengt, wodurch man nicht nur verhindert daß es fließt, also ein Bad bildet, sondern auch bewirkt daß es in Folge seiner Zertheilung der Einwirkung der Luft eine sehr große Oberfläche darbietet. Man bringt dieses Gemenge in ein Porzellanrohr, indem man die Vorsicht gebraucht, es darin durch zwei Asbeststöpsel an seinem Platze zu erhalten. Alsdann schreitet man zur Oxydation mittelst eines sehr raschen Luftstroms, weil natürlich das Barythydrat um so schneller zersetzt wird, je rascher die Luft einzieht. Wenn man annehmen kann, daß der Baryt hinreichend überoxydirt ist, stellt man die Verbindung des Rohrs mit einem Gasometer her; dann leitet man aus einem kleinen Dampfkessel einen Dampfstrom in das Rohr; das Hydrat ist sogleich wieder hergestellt, wird dann durch die Luft neuerdings oxydirt und hierauf durch das Wasser wieder desoxydirt. Da die zwei entgegengesetzten Wirkungen welche ich hier beschrieb, bei niedriger Temperatur stattfinden, so läßt sich vermuthen daß der Baryt das Vermögen sich zu oxydiren beibehält; dieß war wenigstens der Fall bei mehreren Versuchen, wobei ich dasselbe Barythydrat während gleicher Zeiten einem raschen Luftstrom aussetzte.