Titel: Neues photographisches Verfahren; von Humbert de Molard.
Fundstelle: Band 120, Jahrgang 1851, Nr. XCV., S. 435
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XCV. Neues photographisches Verfahren; von Humbert de Molard. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, April 1851, S. 238. Humbert de Molard's photographisches Verfahren. Dieses photographische Verfahren, welches sich durch seine Einfachheit, leichte und schnelle Ausführbarkeit empfiehlt, besteht in folgendem: Man bereitet eine Auflösung von 10 Grammen Hydriod-Ammoniak (Jodammonium) in 250 Grammen destillirten Wassers. In diese bernsteingelbe Auflösung taucht man das Papierblatt eine Minute lang vollständig ein, oder man trägt sie mit dem Pinsel bloß auf einer Seite des Papieres auf. Letzteres nimmt bald eine bläulich-rosenrothe Farbe an, wenn es noch so wenig Stärkmehl oder irgend eine Säure enthält; im entgegengesetzten Fall bleibt es weiß, ist aber doch eben so gut, vielleicht sogar besser. Uebrigens ist man immer im Stande das Papier von weißlicher Farbe zu erhalten, indem man vorher die Auflösung von Hydriod-Ammoniak mit einigen Tropfen Aetzammoniakflüssigkeit versetzt, welche deren bernsteingelbe Farbe in eine rein weiße umändern. Die so auf beiden Seiten oder auf einer einzigen präparirten Papierblätter hängt man beliebig lang auf, bis sie allmählich vollständig austrockneten. Diese erste Operation kann man bei starkem Tageslicht ausführen. Um sich dieses Papierblatts zu bedienen, legt man es flach auf eines der zwei folgenden Bäder von essig-salpetersaurem Silber: Destillirtes Wasser, 250 Gramme; salpetersaures Silber, 24; Essigsäure, 15. Destillirtes Wasser, 250 Gramme; salpetersaures Silber, 16; salpetersaures Zink, 8; Essigsäure, 8. Letzteres Bad scheint den Vorzug zu verdienen. Man läßt das Papier an einem dunklen Orte auf dem einen oder anderen Bade flach liegen, bis es, wenn es bläulich-rosenroth ist, wieder vollständig weiß wurde (selbst auf der Rückseite), aber nicht länger, denn die Empfindlichkeit ginge sonst verloren. In dem Falle wo das Papier anfänglich schon weiß ist, weil man die Auflösung mit einem kleinen Ueberschuß von Ammoniak versetzte, darf das Blatt auf dem Silberbad nur so lange Zeit verweilen als erforderlich ist um es gänzlich zu durchnässen. Von diesem längeren oder kürzeren Verweilen auf dem Silberbad hängt der Empfindlichkeitsgrad des Papiers ab. Das aus dem Silberbad genommene Papier läßt man einen Augenblick abtropfen und legt es flach auf ein Spiegelglas und doppelt zusammengelegtes feuchtes Papier, worauf man alle überschüssige Flüssigkeit mittelst eines Glasstabs auspreßt, dessen sanfte Reibung unmittelbar alle Luftblasen austreibt und zugleich eine allgemeine Adhärenz zwischen den Papieren und dem Glas bewerkstelligt; das Ganze bringt man dann sogleich in die dunkle Kammer. Im Sonnenlicht sind zur Exposition 1 bis 2 Secunden erforderlich; im Schatten 4 bis 5; für Porträts im Schatten, 15, 20, 25 höchstens; im Innern eines Zimmers, 50 bis 60. Diese Resultate erhielt der Verfasser mit einem Objectiv für die große Normalplatte bei kalter, düsterer und regnerischer Witterung. Um das Bild zum Vorschein zu bringen, dient folgende Auflösung: Mit Gallussäure gesättigtes Wasser 180 Gramme. Flüssiges essigsaures Ammoniak 48 bis 60 Tropfen. Man läßt das aus der dunklen Kammer genommene Papier auf seinem Glase und gießt auf die Oberfläche desselben, welche den Lichteindruck empfing, indem man sie neigt, jene Auflösung in solcher Menge daß sie sich allenthalben verbreitet und nicht Zeit hat anzuhalten. Das Bild entsteht dann fast sogleich mit gutem Schatten und starken Lichtern, ohne weder auf der Vorder- noch auf der Rückseite Flecken zu haben, es müßte denn das Papier bei seiner Fabrication mit Chlor oder Kalk gebleicht worden seyn; in letzterem Falle bietet es meistens marmorirte oder wolkige Zersetzungen dar. Man beendigt, indem man mehrmals abwascht und auf gebräuchliche Weise fixirt, entweder mit unterschwefligsaurem Natron wenn das Lichtbild kräftig ist, oder mit Bromkalium. Da das essigsaure Ammoniak ein leicht zersetzbares Salz ist, so muß man es nicht zu früh in die Gallussäure bringen, und von dieser Mischung immer nur so viel bereiten als für die Operationen eines Tages nöthig ist. Man erzielt so mehr Regelmäßigkeit und Beständigkeit in den Resultaten. Unter dem beschleunigenden Einfluß des essigsauren Ammoniaks, welches der Gallussäure in kleiner Dosis beigemischt ist, entwickelt sich das negative Bild bewundernswürdig. Um die Entwickelung noch mehr zu beschleunigen, kann man seine Dosis um einige Tropfen vergrößern; ein selbst sehr kleiner Ueberschuß würde aber zu stark auf das freie essigsaure Silber reagiren, womit das Bild beim Herausnehmen aus der Kammer noch imprägnirt ist, und in Folge seiner Vereinigung mit der Gallussäure Silberoxyd abscheiden, während überdieß so viel gallussaures Silber entstünde, daß das Bild von demselben überzogen und verändert würde, oft ehe es noch Zeit hatte zum Vorschein zu kommen. Um dieß zu vermeiden, muß man das präparirte Papier niemals naß in die dunkle Kammer bringen, sondern mit dem Glasstab so ausdrücken, daß es bloß noch feucht ist. Die Vereinigung von hydriodsaurem und essigsaurem Ammoniak scheint dem Verfasser die günstigste Composition für das neue photographische Verfahren zu seyn. Er glaubt, daß das essigsaure Ammoniak für sich allein bald ein kräftiges Beschleunigungsmittel werden wird.