Titel: Beobachtungen über den Kalk und über zwei neue Verbindungen desselben mit Eisenoxyd und mit Chromoxyd; von J. Pelouze.
Fundstelle: Band 122, Jahrgang 1851, Nr. XXVII., S. 137
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XXVII. Beobachtungen über den Kalk und über zwei neue Verbindungen desselben mit Eisenoxyd und mit Chromoxyd; von J. Pelouze. Aus den Comptes rendus, Juli 1851, Nr. 3. Pelouze's Beobachtungen über den Kalk und dessen Verbindungen mit Eisenoxyd etc. Ich untersuchte ein erdiges Eisenerz, welches eine beträchtliche Menge Kalk enthielt; ich hatte eine Auflösung desselben in Salzsäure bereitet und dieselbe mit Aetzkali versetzt; ich hatte einen gelblich-weißen Niederschlag erhalten, welcher anfangs nichts Besonderes zeigte, aber nach einigen Stunden vollkommen weiß wurde und dann bei längerem Verweilen an der Luft eine rothe Farbe annahm. Dieses Verhalten nahm meine Aufmerksamkeit in Anspruch, und nach einigen unfruchtbaren Versuchen, die Ursache des so eben besprochenen Verhaltens zu entdecken, erkannte ich endlich, daß man es einer wirklichen Verbindung von Kalk und Eisenoxyd zuzuschreiben habe, deren Existenz bisher der Kenntniß der Chemiker entgangen war. Ich konnte diese Verbindung nach Belieben hervorbringen, indem ich Mischungen von Kalk- und Eisenoxydsalzen nach gewissen atomistischen Verhältnissen geradezu durch eine Lösung von Aetzkali fällte. Löst man eine Gewichtsmenge Eisenchlorid, welche 1 Aequivalent entspricht, in Wasser auf, und setzt 4 Aequivalente Chlorcalcium zu, so entsteht auf Zusatz von überschüssigem Kali ein chamois-farbiger Niederschlag, welcher nach einigen Stunden vollkommen weiß wird und sich in diesem Zustand unbestimmte Zeit hindurch erhält, falls man ihn der Einwirkung der Luft entzieht. Der Niederschlag, welcher auf die entgegengesetzte Weise – indem man das Gemenge von Kalk- und Eisenoxydsalz zu überschüssigem Kali setzt – entsteht, zeigt dieselbe Farbe und wird gleichfalls nach einiger Zeit weiß. Wird dieser Niederschlag mit ausgekochtem Wasser und dann mit Wasser, welches Zucker gelöst enthält, gewaschen, so gibt er nur Kali ab, und in dem Waschwasser bringt oxalsaures Ammoniak nur eine unwägbare Trübung hervor. Aber wenn der Niederschlag statt in der angegebenen Weise so dargestellt wurde, daß die Lösung mehr als 4 Aequivalente Kalksalz auf 1 Aequivalent Eisenoxydsalz enthielt, so entzieht ihm zuckerhaltiges Wasser sehr erhebliche Mengen Kalk. Dieser Umstand erklärt sich durch die Zusammensetzung der neuen Verbindung, welche auf 1 Aequivalent Eisenoxyd 4 Aequivalente Kalk enthält. Die Erscheinungen von Färbung und Entfärbung, welche diese Verbindung im Augenblick ihrer Bildung zeigt, erklären sich leicht. Ein, wenn auch sehr kleiner Theil Eisenoxydhydrat schlägt sich nieder, ohne mit dem Kalk verbunden zu seyn; daher die Chamoisfarbe, welche die Verbindung zeigt und welche verschwindet, wenn später eine vollständige Verbindung der beiden Basen eintritt. Was die ziegelrothe Farbe betrifft, welche die Verbindung in Berührung mit der Luft annimmt, so beruht dieselbe auf der Einwirkung der Kohlensäure, welche sich mit dem Kalk verbindet und das Eisenoxyd abscheidet; auch findet man, daß nach hinlänglicher Einwirkung der Luft aller Kalk zu kohlensaurem geworden ist. Der Eisenoxyd-Kalk ist ein leichtes amorphes Pulver von vollkommen weißer Farbe, obgleich er 42 Proc. Eisenoxyd enthält; er ist unlöslich in reinem und in zuckerhaltigem Wasser; bei dem Kochen mit Wasser, welches Kohlensäure oder ein lösliches kohlensaures Salz enthält, zersetzt er sich unter ziegelrother Färbung, das Eisenoxyd wird frei und mengt sich dem in kohlensaures Salz verwandelten Kalk bei. Der Eisenoxyd-Kalk kann mit Aetzkali gekocht werden, ohne daß er eine Veränderung erleidet, wie man daraus ersieht, daß er dabei vollkommen weiß bleibt. Alle Säuren, selbst die schwächsten, zersetzen den Eisenoxyd-Kalk und vereinigen sich mit seinen beiden Bestandtheilen. Die Zusammensetzung des Eisenoxyd-Kalks läßt sich auf mehrerlei Art feststellen. Löst man ihn in Salzsäure, so erhält man eine gelbe Lösung, aus welcher durch Ammoniak alles Eisen als Eisenoxydhydrat ausgefällt wird, welches man glüht; die filtrirte Flüssigkeit, mit dem Waschwasser vereinigt, gibt mit oxalsaurem Ammoniak einen Niederschlag von oxalsaurem Kalk, welchen man in schwefelsauren verwandelt. Die Analyse von Eisenoxyd-Kalk, welcher mit überschüssigem Kalksalz dargestellt und gewaschen war, ergab so stets auf 1 Aequivalent Eisenoxyd 4 Aequivalente Kalk. Es ist wahrscheinlich, daß die Verbindung auch Wasser chemisch gebunden enthält, aber da es so zu sagen unmöglich ist, sie ohne theilweise Zersetzung vollständig zu trocknen, so begnügte ich mich, das Verhältniß der beiden darin enthaltenen Oxyde zu bestimmen. Andererseits erhält man durch Fällen einer Lösung, welche auf 1 Aequivalent Eisenchlorid 4 Aequivalente Chlorcalcium enthält, einen Niederschlag, welcher nach einigen Stunden vollkommen weiß wird, während der Niederschlag aus einer Lösung, welche auf 1 Aequivalent Eisenoxyd 3, 3 1/2 oder 3 3/4 Aequivalente Chlorcalcium enthält, gefärbt bleibt, wenn man ihn selbst mehrere Monate hindurch sich selbst überläßt. Diese letztere Beobachtung reichte schon für sich allein hin, um zu zeigen, daß der Eisenoxyd-Kalk, als wasserfrei betrachtet, aus 1 Aeq. Eisenoxyd und 4 Aeq. Kalk zusammengesetzt ist. Abgesehen von seiner großen Unbeständigkeit ist der Eisenoxyd-Kalk dadurch bemerkenswerth, daß er eine fast schneeweiße Farbe besitzt, obgleich er fast zur Hälfte aus Eisenoxyd besteht. Ich habe schon angegeben, daß der Eisenoxyd-Kalk, welcher durch Fällung einer Mischung von 1 Aequivalent Eisenchlorid und 4 Aequivalenten Chlorcalcium dargestellt wird, erst einige Stunden nach seiner Fällung vollkommen weiß wird. Ich füge hinzu, daß man ihn schon in wenigen Minuten so erhalten kann, indem man den Niederschlag mit der Flüssigkeit gemengt zum Kochen erhitzt. Enthielt endlich die Mischung mehr als 4 Aequivalente Kalksalz, so ist der Eisenoxyd-Kalk in dem Augenblick, wo er gefällt wird, vollkommen weiß, aber dann enthält er überschüssigen Kalk beigemengt. Kalk und Chromoxyd. Ich suchte das in der vorhergehenden Verbindung enthaltene Eisenoxyd durch andere Oxyde von ähnlicher Zusammensetzung zu ersetzen, und es gelang mir mit mehreren unter ihnen, namentlich mit dem Chromoxyd. Setzt man einen Ueberschuß von Aetzkali zu einer Lösung, welche auf 1 Aequivalent Chromalaun 2, 3, 4 u.s.w. Aequivalente Chlorcalcium enthält, so bildet sich ein grüner Niederschlag, und die überstehende Flüssigkeit ist farblos. Da das reine Chromoxydhydrat in einer kalten Kalilösung sich mit grüner Farbe löst, so ließ mich schon dieser Versuch die Bildung einer Verbindung von Kalk und Chromoxyd vermuthen. Die Niederschläge, welche auf 1 Aequivalent Chromoxyd mehr als 2 Aequivalente Kalk enthalten, geben den Ueberschuß von Kalk an zuckerhaltiges Wasser ab, so daß die Verbindung von 1 Aeq. Chromoxyd und 2 Aeq. Kalk entsteht. Dieselbe Verbindung bildet sich in noch einfacherer Weise, wenn man Ammoniak an der Stelle von Kali anwendet, aber hier bleibt der überschüssige Kalk, statt sich niederzuschlagen, in Lösung. Der wohlausgewaschene Niederschlag gibt bei der Behandlung mit verdünnter Schwefelsäure und dann mit Weingeist einen weißen Niederschlag von schwefelsaurem Kalk, während aus der Flüssigkeit und dem Waschwasser auf Zusatz von Ammoniak Chromoxyd niedergeschlagen wird. Mehrere Analysen ergaben für die gewaschene Verbindung 1 Aeq. Chromoxyd auf 2 Aeq. Kalk. Der Chromoxyd-Kalk bildet einen grünen, schwach gallertartigen Niederschlag, ist ohne bemerkbaren Geschmack, in reinem Wasser, in Ammoniak und in Kali unlöslich; er wird viel langsamer und schwieriger als der Eisenoxyd-Kalk durch freie Kohlensäure und durch kohlensaure Salze zersetzt, er kann übrigens auch nicht ohne Zersetzung getrocknet werden. Bei dem Erhitzen an der Luft verwandelt er sich allmählich in chromsauren Kalk. Die Absorption des Sauerstoffs geht bei wenig erhöhter Temperatur, weit unter der Rothglühhitze, vor sich. Ich habe diese Thatsache mehrmals constatirt, indem ich Chromoxyd-Kalk in einem Oelbad erhitzte. Die Umwandlung wird dadurch bemerklich, daß die Verbindung nachher bei Behandlung mit Salzsäure Chlor entwickelt, wie es die chromsauren Salze thun. Wird der Chromoxyd-Kalk in einer offenen Röhre über einer Spirituslampe erhitzt, so bildet sich gleichfalls chromsaurer Kalk; aber der größte Theil des Chromoxyd-Kalks scheidet sich als ein grünes Pulver von krystallinischem Ansehen ab. Die Bildung dieser Verbindung von Chromoxyd und von Kalk unter den angeführten Umständen zeigt deutlich, daß man bei einer Analyse ungenaue Resultate erhalten würde, wollte man das Chromoxyd bei Gegenwart von Kalksalzen in der Hitze oder in der Kälte durch ein Alkali ausfällen. Ich sagte, daß die Verbindung von Chromoxyd und Kalk in einer kalten Kalilösung unlöslich sey; aber wenn der Gehalt an Kalk weniger als 2 Aequivalente auf 1 Aequivalent Chromoxyd beträgt, so löst das Kali nicht allein das Chromoxyd, sondern auch den Kalk auf; auch erhält man mittelst Kali Niederschläge, welche in einem Ueberschuß dieses Fällungsmittels löslich sind, wenn man eine Lösung von 20 Thln. Chromalaun und 1 Theil Marmor in Salzsäure, oder eine Lösung von 10 Thln. Chromalaun und 1 Theil Marmor fällt. Daß eine Mischung von Chromalaun und stark überschüssigem Chlorcalcium vollständig gefällt wird, erklärt sich bei genauerer Untersuchung vollständig; die über dem Niederschlag stehende Flüssigkeit enthält nur unwägbare Spuren von Kalk; aus den Kalksalzen wird nämlich durch überschüssiges Kali der ganze Kalkgehalt ausgefällt, und dieser Kalk mischt sich bei dem eben besprochenen Versuch dem Chromoxyd-Kalk einfach bei. Diese Unlöslichkeit des Kalks in alkalischen Flüssigkeiten ist bemerkenswerth genug, um die Aufmerksamkeit der Chemiker darauf zu lenken. Läßt man 1 Theil Aetzkali oder Aetznatron mit 100 Theilen Wasser und einem noch so großen Ueberschuß an Kalk, 10 Theilen z.B., kochen, so enthält die heiß oder kalt filtrirte Flüssigkeit nicht mehr als ein Fünfzigtausendstel Kalk. Wiewohl die Waage nicht leicht dazu dienen kann, so ungemein geringe Mengen Kalk zu bestimmen, so ist es doch gewiß, daß die vorhergehende Zahl eher zu groß als zu klein ist, denn auf Zusatz von oxalsaurem Ammoniak zu einer Lösung von 1 Thl. Kalk in 50000 Theilen Wasser entsteht ein merklich beträchtlicherer Niederschlag, als in dem vorhergehenden Fall. Es geht aus diesem Versuche hervor, daß das Kali und das Natron weder im festen Zustand, noch selbst in sehr verdünnter Lösung je kalkhaltig seyn können, selbst wenn diese Alkalien mittelst eines noch so großen Ueberschusses an Kalk und mit sehr kalkhaltigem Wasser bereitet wurden. Wie ich nach den so eben angezeigten Beobachtungen erwarten konnte, bringt eine vollkommen kohlensäurefreie Lösung von Kali oder Natron in selbst sehr verdünntem Kalkwasser einen reichlichen Niederschlag hervor. Dieser Niederschlag, welcher dem durch Kohlensäure hervorgebrachten dem Ansehen nach sehr ähnlich ist, scheint nur Kalk zu seyn; seine Bildung beruht auf seiner Unlöslichkeit in alkalischer Flüssigkeit. Aus dieser Unlöslichkeit folgt, daß bei dem Zusatz von Kalkwasser zu der Flüssigkeit, welche durch Einwirkung von gelöschtem Kalk auf kohlensaures Kali oder Natron erhalten wird (welcher Zusatz den Grad des Aetzendseyns der Alkalien kennen lehren soll), stets ein weißer Niederschlag sich bilden muß, so daß die äußerste Gränze der Darstellung von Aetzkali oder Netznatron keineswegs, wie angegeben wurde, durch die Abwesenheit jedes Niederschlags angezeigt werden kann, und daß zu ihrer Erkennung andere Reactionen zu Hülfe gezogen werden müssen. Ich habe gesucht, ob das Ammoniak mit dem Kali und dem Natron die Eigenschaft theile, den Kalk unlöslich zu machen. Da das Ammoniak bei analytischen Arbeiten häufig angewendet wird und es im Zustand als kohlensaures Salz gewisse Nachtheile hat, so war es von Nutzen, festzustellen, ob der gelöschte Kalk ihm die Kohlensäure entzieht, ohne selbst in Lösung überzugehen. Schüttelt man Kalkhydrat mit Ammoniakflüssigkeit, welcher kohlensaures Ammoniak zugesetzt ist, so wird die Kohlensäure vollständig als unlösliches kohlensaures Salz ausgeschieden, aber ein Theil des Kalks bleibt in dem Ammoniak gelöst. Ich führe dieses Verhalten an, weil es bei der chemischen Analyse Fälle gibt, wo das Ammoniak von Kohlensäure befreit seyn muß, während ein kleiner Gehalt an Kalk nicht nachtheilig ist. Kalk und Thonerde. Der Kalk vereinigt sich mit der Thonerde unter denselben Umständen, wie mit den Oxyden des Eisens und des Chroms. Löst man 2 Theile Alaun in Wasser und setzt eine wässerige Lösung von 10 Theilen reinen Aetzkalis zu, so bildet sich auf Zusatz von Chlorcalcium ein weißer gallertartiger Niederschlag von Thonerde-Kalk, welcher alle Thonerde in sich enthält. Wie alkalisch auch die Flüssigkeit seyn mag, so enthält sie keine Thonerde; erst bei dem Erhitzen tritt diese wieder auf. Kalk und Phosphorsäure. Auf Zusatz von Chlorcalcium zu einer Mischung von phosphorsaurem Natron und Aetzkali wird die Phosphorsäure ganz vollständig ausgefällt. Kalk und Kieselsäure. Der Kalk vereinigt sich mit der Kieselsäure zu einem weißen unlöslichen Niederschlag, wenn man Chlorcalcium zu einer Mischung von kieselsaurem Kali mit überschüssigem Aetzkali setzt. Die Lösung enthält dann keine Kieselerde mehr; denn nach dem Sättigen mit einer Säure und Abdampfen zur Trockne ist der Rückstand in Wasser vollständig löslich. Kalk, Thonerde und Kieselsäure. Setzt man Chlorcalcium zu einer Lösung von Alaun und kieselsaurem Alkali, welche überschüssiges Aetzkali enthält, so bildet sich ein reichlicher Niederschlag, welcher Kieselsäure, Thonerde und Kalk enthält; die überstehende Flüssigkeit gibt nach dem Uebersättigen mit Salpetersäure auf Zusatz von Ammoniak keinen Niederschlag, und enthält somit keine Thonerde. Wird sie mit einem Ueberschuß von Säure zur Trockne abgedampft und bei 200° C. getrocknet, so löst sich der Rückstand in säurehaltigem Wasser vollständig auf, was beweist, daß diese Flüssigkeit auch keine Kieselsäure enthält. Es schlägt sich also in dem eben angeführten Versuch eine Substanz nieder, welche dieselben Bestandtheile enthält, wie der kalkhaltige Feldspath.