Titel: Verfahren die augenblicklichen Lichtbilder (Amphitypbilder) darzustellen; von H. F. Talbot, Mitglied der k. Gesellschaft der Wissenschaften zu London.
Fundstelle: Band 123, Jahrgang 1852, Nr. XI., S. 51
Download: XML
XI. Verfahren die augenblicklichen Lichtbilder (Amphitypbilder) darzustellen; von H. F. Talbot, Mitglied der k. Gesellschaft der Wissenschaften zu London. Aus den Comptes rendus, Decbr. 1851, Nr. 22. Talbot's Verfahren die augenblicklichen Lichtbilder darzustellen. Im Monat Juni v. J. schrieb ichPolytechn. Journal Bd. CXXI S. 158. an die (franz.) Akademie der Wissenschaften, daß es mir gelang das Lichtbild eines auf einer Scheibe befestigten mit Lettern bedruckten Papiers zu erhalten, während diese Scheibe außerordentlich schnell umgedreht wurde, indem ich sie nämlich momentan durch den Funken einer elektrischen Batterie erleuchtete. Ich beschreibe nun die Methode, wodurch ich den Glasplatten die große Empfindlichkeit ertheilen konnte welche zum Gelingen dieses Versuchs erforderlich ist. 1. Man nimmt den klarsten Theil vom Weißen der Eier, vermischt ihn mit seinem gleichen Volum Wasser, überzieht damit die Glasplatte so gleichförmig als möglich, und trocknet sie dann gut am Feuer. Selbst eine starke Wärme welcher diese erste Schichte ausgesetzt wird, ist nicht schädlich. Die getrocknete Eiweißschicht muß kaum sichtbar seyn. 2. Man versetzt eine wässerige Auflösung von salpetersaurem Silber mit Alkohol in starkem Verhältniß, so daß nur drei Gran Silbersalz in einer Unze der geistigen Mischung enthalten sind. Ich habe mehrere Verhältnisse versucht, von einem Gran bis zu sechs, und bin bei der Zahl von drei Gran stehen geblieben; ich komme unten darauf zurück, denn das Verhältniß hat einen großen Einfluß auf das Resultat. 3. Man taucht das mit Eiweiß überzogene Glas kurze Zeit in diese schwache Silberauflösung; man zieht es heraus und läßt es freiwillig trocknen. Man sieht dann auf dem Glas schwache prismatische Farben. Man kann leicht nachweisen, daß das salpetersaure Silber sich chemisch mit dem Eiweiß verbindet, denn letzteres wird viel härter, und unauflöslich in Flüssigkeiten welche es vorher auflösten. 4. Man wäscht mit destillirtem Wasser, um das überflüssige salpetersaure Silber zu beseitigen; dann überzieht man die Platte mit einer zweiten Schicht von Eiweiß, wie das erstemal; man muß sie aber jetzt bei geringerer Wärme trocknen, weil sonst das salpetersaure Silber eine anfangende Zersetzung erleidet. 5. Man versetzt eine wässerige Auflösung von Eisenjodür (jodwasserstoffsaurem Eisenoxydul) zuerst mit 1 gleichen Volum Essigsäure, dann mit 10 Volumen Alkohol. Man läßt diese Mischung zwei bis drei Tage lang ruhig stehen. Nach Verlauf dieser Zeit hat das Jodür, welches anfangs gelb war, seine Farbe verändert und ist fahl geworden; zugleich ist der Geruch sowohl der Essigsäure als des Alkohols verschwunden, und die Flüssigkeit hat einen angenehmen weinartigen Geruch angenommen. In diesem Zustand wende ich die Mischung an. 6. Man taucht die Glasplatte in das so bereitete Jodür bloß einige Augenblicke, was hinreicht um ihr eine gelbliche Färbung zu ertheilen. Alle diese Operationen können beim gewöhnlichen Tageslicht vorgenommen werden, wobei man jedoch die directen Strahlen der Sonne vermeiden muß. 7. Man bereitet eine wässerige Auflösung von salpetersaurem Silber, welche beiläufig 70 Gran Silbersalz in einer Unze Wasser enthält. Zu drei Theilen dieser Lösung setzt man zwei Theile Essigsäure. Man taucht die Glasplatte rasch einmal oder zweimal in diese Silberlösung. Diese Operation gibt ihr sogleich eine sehr große Empfindlichkeit. Man darf dann nicht zu lange säumen, sie in die camera obscura zu bringen. 8. Man nimmt die Platte aus der camera, wenn man ihr unsichtbares Bild zum Vorschein bringen will. Hierzu muß man eine Auflösung von Eisenvitriol (schwefelsaurem Eisenoxydul) anwenden. Man versetzt nämlich einen Theil gesättigter Eisenvitriol-Auflösung mit zwei oder drei Theilen Wasser. Mit dieser Flüssigkeit füllt man ein Gefäß und taucht die Glasplatte, welche mit dem unsichtbaren Lichtbild versehen ist, hinein. Dieses Bild kommt sogleich zum Vorschein. 9. Nachdem man die Platte gewaschen hat, gießt man auf sie eine Lösung von unterschwefligsaurem Natron, welche schnell auf das erhaltene Bild wirkt, indem sie den Schleier beseitigt welcher es überzog, so daß das Bild mit einem neuen Glanz erscheint. 10. Man wäscht die Platte nochmals mit destillirtem Wasser ab, und die Operation ist beendigt. Um jedoch das Bild gehörig zu schützen, namentlich gegen die Feuchtigkeit welche es zerstören könnte, überzieht man es mit einer Schicht Firniß, oder auch noch einmal mit Eiweiß. Dieses Verfahren scheint langwierig zu seyn, es ist aber bei einiger Uebung ziemlich schnell ausführbar. Das so auf dem Glase erhaltene Bild besitzt Eigenthümlichkeiten welche bemerkenswerth sind. Obgleich es beim durchgehenden Licht betrachtet negativ ist, so ist es doch positiv wenn man es beim schief auffallenden Tageslicht betrachtet. Mit einem Daguerre'schen Bild hat es das gemein, abwechselnd positiv oder negativ zu erscheinen, je nach dem Licht unter welchem man es betrachtet. Zu der Zeit wo ich diese Erscheinung entdeckte, hielt ich sie für neu und schlug für diese Bilder den Namen Amphitypbilder vor, um auszudrücken daß sie doppelter, nämlich zugleich positiver und negativer Natur sind. Seitdem wurde ein neues photographisches Verfahren bekannt, welches ähnliche Bilder mittelst des Collodion liefert. Im Vergleich mit denselben besitzen aber meine Amphitypbilder die Eigenthümlichkeit, daß die empfindliche Schicht so hart und das Bild ihr vom Licht so stark eingedrückt ist, daß man beim letzten Waschen Nr. 10 das Bild mit Baumwolle und Wasser reiben kann, und zwar ziemlich stark, was seinen Glanz nur erhöht, indem aller Staub und sonstige Unreinigkeiten beseitigt werden; versucht man hingegen das auf diese Art mittelst Collodion erhaltene Bild zu reiben, so verschwindet es sogleich, wie fast alle nach den bekannten photographischen Verfahrungsarten dargestellten Bilder, welche, um einige Dauerhaftigkeit zu erlangen, gut ausgetrocknet und dann mit einem schützenden Ueberzug versehen werden müssen. Wenn man bei einem meiner Amphitypbilder abwechselnd das positive und das negative Bild betrachtet, so fällt sogleich auf, daß ersteres wenigstens zehnmal sichtbarer ist als letzteres. Man kann sogar diesen Unterschied noch weiter treiben, denn man erhält nicht selten Platten, auf denen man beim durchgehenden Licht fast nichts sieht, während man beim reflectirten Licht ein deutlich gezeichnetes, glänzendes Bild mit allen Details sieht. Die zweite Eiweißschicht Nr. 4 hat bei meinem Verfahren hauptsächlich den Zweck, dieses reflectirte positive Bild zu erhalten. Merkwürdigerweise kann man nämlich, indem man die Verhältnisse der chemischen Substanzen abändert, nach Belieben bewirken, daß das definitive Bild entweder ganz negativ oder fast ganz positiv ist. Diese letztere Methode muß man wählen, wenn man den Versuch mit der sich drehenden Scheibe machen will, weil sonst das übertragene Bild nicht sichtbar genug ist, man müßte denn einen sehr starken Funken angewandt haben. Ich gehe nun auf eine andere Eigenthümlichkeit meiner Amphitypbilder über. Bisher glaubte man, daß ein Lichtbild entweder positiv oder negativ seyn müsse, und daß ein Mittel nicht existirt. Aber diese Amphitypbilder zeigen noch eine dritte Art neuen Bildes. Um es zu erklären, muß ich erinnern, daß im Allgemeinen das Amphitypbild beim durchgehenden Licht negativ erscheint, und positiv im reflectirten Licht. Durch abgeändertes Neigen gelingt es aber leicht eine Lage zu finden, wo das Bild positiv und doch gut beleuchtet ist, obgleich es von dem durchgegangenen Licht hervorgebracht ist. Schon dieß ist eine Thatsache welche erklärt zu werden verdient. Sehr sonderbar ist es aber, daß bei diesem neuen Bild, nämlich dem vom durchgegangenen Licht erzeugten positiven Bild, die hellsten Gegenstände (d.h. diejenigen welche es wirklich sind und in dem durch das reflectirte Licht erzeugten positiven Bild als solche erscheinen) gänzlich fehlen; das Bild erscheint wie durchlöchert und man sieht durch diese Löcher die hinten angebrachten Gegenstände. Wenn diese sonderbare Erscheinung bei allen Stellungen der Platte stattfände wo sich das Bild positiv bildet, so würde ich ihre Ursache in der Wirkung eines zu starken Lichts suchen, welches seinen anfangs hervorgebrachten photographischen Effect vermindert oder vernichtet hätte. Da sich die Erscheinung aber nur bei dem mittelst des durchgegangenen Lichts hervorgebrachten positiven Bild zeigt, und keineswegs bei dem ebenfalls positiven Bild welches reflectirt ist, so muß ich gestehen daß ich den Grund dieser sonderbaren optischen Wirkung nicht einsehe. Ich habe noch zu bemerken, daß wenn man meine Lichtbilder im Winter darstellt, man die Platten vor dem Einbringen in die camera obscura schwach erwärmen muß. Der zarte Versuch mit der sich drehenden Scheibe gelingt nur mit einem Eisenjodür welches sich in einem bestimmten chemischen Zustande befindet. Dieses Präparat zeigt jedoch Wandelbarkeiten und Anomalien welche auf das Resultat einen großen Einfluß haben; wer daher meinen Versuch wiederholen will, muß seine Aufmerksamkeit hauptsächlich auf das Eisenjodür richten. Bei Verfolgung meiner Versuche war ich erstaunt, welches weite Feld sie der physikalischen Optik eröffnen. Wenn man die mit Eiweiß überzogenen Glasplatten mit den Auflösungen verschiedener Metallsalze etc. behandelt, so erhält man die prachtvollsten Farben der Newton'schen oder dünnen Plättchen. Oft sind auch die aus der camera obscura genommenen Bilder gefärbt, aber nicht in den Farben der natürlichen Gegenstände; nur die Farbe des Himmels macht davon eine Ausnahme, welche ich bei meinen Versuchen öfters in sehr natürlichem Lasurblau erhielt. London, den 24 November 1851.