Titel: Ueber Spitaler's Essigbilder; von Dr. H. Schweinsberg.
Fundstelle: Band 123, Jahrgang 1852, Nr. XXXIX., S. 240
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XXXIX. Ueber Spitaler's Essigbilder; von Dr. H. Schweinsberg. Aus dem Notizen- und Intelligenzblatt des österreichischen Ingenieur-Vereins, 1851, Nr. 8. Schweinsberg, über Spitalers Essigbilder. Seitdem man den Proceß der Essigbildung näher erkannt hat, ist auch die Erzeugung des Essigs wesentlich vereinfacht und verbessert worden, und die Namen Essigbrauerei und Essigsiederei haben ihre Geltung verloren. Boerhave hat bereits vor länger als einem Jahrhundert dadurch eine wichtige Verbesserung in dem Verfahren der Essigfabrication veranlaßt, daß er einen Apparat aus Weidenzweigen, Weinranken und Weinkämmen construirte, durch welchen er den zum Essig bestimmten Wein durchlaufen ließ. Dieser Apparat bezweckte offenbar: die zum Essigwerden bestimmte Flüssigkeit in viel kürzerer Zeit als sonst mit dem atmosphärischen Sauerstoff in Berührung zu bringen. Sicher hat diese Methode auch die nächste Veranlassung zur Anwendung spiralförmig gewundener Buchenspäne gegeben, welche einen Hauptfactor bei der Schnellessigfabrication bilden. Man kann bei der Essigbereitung zwei Bedingungen als wesentlich unterscheiden und bezeichnen: entweder nämlich wird eine alkoholhaltige, fermentfreie, oder eine Alkohol und Ferment enthaltende Flüssigkeit zur Essigerzeugung angewendet. Das erstere ist der Fall bei der sogenannten Schnellessigfabrication, wo man bloß eine Mischung aus Branntwein und Wasser durch die Buchenspäne laufen läßt. Hierbei spielen die letzteren eine ganz ähnliche Rolle, wie der Platinschwamm in Döbereiner's Zündapparat, indem sie den atmosphärischen Sauerstoff verdichten, d.h. aus seinem Gebundenseyn mit Wärme zum Theil befreien und ihn so befähigen den Alkohol zu oxydiren. Während also die Buchenspäne bei der Schnellessigfabrication als die Vermittler erscheinen, um den atmosphärischen Sauerstoff auf den Alkohol zu übertragen, und gewissermaßen nur eine mechanische Rolle zu spielen scheinen, tritt dagegen bei der Essigfabrication aus Flüssigkeiten, wie Wein, Bier und anderen nicht destillirten, Alkohol und Ferment (oder fermentbildende Körper) enthaltenden Flüssigkeiten eine andere Erscheinung auf; denn hier ist das Ferment derjenige Körper, welcher den Sauerstoff aufnimmt und ihn an den Alkohol wieder abgibt, indem derselbe im nicht oxydirten Zustande in den genannten Flüssigkeiten im aufgelösten Zustande sich befindet, durch sein Bestreben jedoch sich fortwährend zu verändern und den Sauerstoff hierzu zu verwenden, diesen aufnimmt, zum Theil wieder abgibt und in einen unlöslichen Zustand übergeht. Schon lange weiß man von der Holzkohle, daß sie die Eigenschaft in hohem Grade besitzt, luftförmige Körper zu verdichten, und daher ähnliche Erscheinungen zu veranlassen, wie Platinschwamm und andere poröse Substanzen; aber meines Wissens hat zuerst Dr. Spitaler von dieser Eigenschaft die interessante und nützliche Anwendung zur Essigbildung gemacht. Obzwar diese Verwendungsweise der Holzkohle schon lange hätte als bekannt vorausgesetzt werden können, so findet man doch nirgends eine Andeutung dazu, und selbst in Schubarths technischer Chemie 1851“ ist ebenfalls nichts darüber angezeigt. Hr. Apotheker Kramar hat zwar in Nr. 13 der „österr. Zeitschrift für Pharmacie 1851“ die Erfindung Spitaler's, die durch ein k. k. Privilegium geschützt ist, in einer Weise besprochen, welche schließen läßt, daß derselbe an das Ei des Columbus dabei nicht gedacht haben mag, aber den Beweis für seine Behauptung, als sey diese Anwendungsweise nicht neu, ist derselbe noch schuldig geblieben. Der Erfinder, Dr. Spitaler, hat sich mit dieser Anwendungsart der Holzkohle seit langer Zeit beschäftigt, und verkauft nun, nachdem er sich von der praktischen Ausführbarkeit und Nützlichkeit seines Verfahrens überzeugt hat, unter dem Namen K. K. a. p. Essigständer Gefäße, welche Holzkohlen, die mit Essigsäure getränkt sind, enthalten, von verschiedener Größe, um zur Essigbereitung im Großen und Kleinen angewendet werden zu können, und diese seine Erfindung hat bereits gerechte Anerkennung der Art gefunden, daß diese Essigständer gegenwärtig in großer Anzahl und in die verschiedensten Gegenden versandt werden. Ein solcher Essigständer von Spitaler, dessen ich mich seit längerer Zeit bediene, um Essig zu meinem Bedarfe zu erzeugen, ist ein gläserner, bis oben mit gröblicher Holzkohle gefüllter Cylinder von 10 Zoll Höhe und 8 Zoll Durchmesser und faßt ungefähr 5 Maaß Wasser. Oben ist derselbe mit einem gläsernen Deckel der Art geschlossen, daß der atmosphärischen Luft ein angemessener Zutritt gestattet ist, ohne eine besondere Verflüchtigung zuzulassen, während unten eine Oeffnung zum Abfließen des gebildeten Essigs befindlich ist. Bei einer Temperatur zwischen 14 bis 20° R. liefert dieser Ständer jeden Tag 6 Unzen eines vollkommen farblosen, wasserklaren Essigs von angenehmer Säure, von dem eine Unze 34 1/2 Gran chemisch reines, wasserfreies Kali-Carbonat neutralisirt. Jeden Abend werden 6 Unzen eines Gemisches aus 1 Maaß Weingeist von 34° B. und 11 Maaß Wasser langsam und in einem dünnen Strahle gleichmäßig über die Kohlen gegossen, das Gefäß wieder zugedeckt und am andern Morgen ist dieselbe Quantität Essig von oben angezeigter Stärke im untergesetzten Gefäße enthalten. Was diesen Essig noch außer seinem angenehmen Geschmack und seiner Farblosigkeit vortheilhaft vor jedem anderen Essig auszeichnet, ist seine Haltbarkeit und Unveränderlichkeit; er wird weder trüb noch rahmig oder schimmelig, und gleicht ganz einem Gemische aus reiner Essigsäure und Wasser. Die Wohlfeilheit dieses Essigs dürfte ebenfalls zu beachten seyn.Nach einer Bekanntmachung des Hrn. Dr. F. Spitaler zu Braunau in Oberösterreich, sind seine Essigständer mit dreierlei Schichten an Größe verschiedener, mit Essigsäure imprägnirter Kohlenstückchen gefüllt. Das Geschirr der größeren Essigständer ist von Eichenholz, inwendig mit Wachs eingelassen; das Geschirr der kleinsten ist von Glas. Seine Essigständer eignen sich übrigens nicht nur, um in den Haushaltungen den Essig erzeugen zu können, da sie zu ihrer Wirksamkeit keine höhere als die gewöhnliche Wohnzimmerwärme erfordern, sondern sie sind auch zur Essigfabrication im Großen anwendbar.A. d. Red. In wie fern ein Gehalt des anzuwendenden Weingeists oder Branntweins an Fusel einen Einfluß auf die Beschaffenheit des daraus erzeugten Essigs haben dürfte, ist noch nicht entschieden; ich habe fuselhaltigen Weingeist angewendet, aber im Product nichts besonderes wahrnehmen können. Es läßt sich indessen denken, daß ebenso gut wie der Weingeist (Aethyloxydhydrat) in Essigsäure übergeht, auch das Fuselöl (Amyloxydhydrat) in Baldriansäure übergehen wird, die wohl in jener geringen Menge nicht von besonderem Belange seyn dürfte. Einen Verlust durch Verflüchtigung habe ich nicht wahrgenommen; wenn auch in den ersten 8 Tagen nicht gleich dieselbe Quantität Essig gewonnen wird, welche man erwarten müßte, so hat dieß seinen Grund darin daß die Fohlen so lange von der Flüssigkeit aufsaugen, bis sie vollkommen durchnäßt sind.