Titel: Untersuchungen über die zur Berieselung dienenden Wässer; von Eug. Chevandier und Salvétat.
Fundstelle: Band 124, Jahrgang 1852, Nr. LXX., S. 306
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LXX. Untersuchungen über die zur Berieselung dienenden Wässer; von Eug. Chevandier und Salvétat. Aus den Comptes rendus, Februar 1852, Nr. 8. Chevandier, über die Wirkung des Wassers bei der Berieselung. Wir wählten für diese Arbeit sieben sehr nahe beisammen liegende Quellen im Vogesenthale, welche sich hinsichtlich der Lage, der Höhe über dem Meeresspiegel, der Temperatur und anscheinend der Reinheit in analogem Verhältniß befanden, ebenso war der von ihnen bewässerte Boden ganz gleich und die sehr geringen Verschiedenheiten, welche seine Analyse ergab, sind offenbar Folge der längern Einwirkung eben der Wässer, deren Einfluß wir kennen lernen wollten. Wir werden uns in diesem Auszug auf die summarische Darstellung der Resultate von zweien dieser Quellen beschränken. Ist die Fruchtbarkeit bewässerter Wiesen proportional der Menge des für sie verwendeten Wassers, woraus hervorginge, daß sie hauptsächlich eine Folge der eigenthümlichen Einwirkung des Wassers ist? Oder ist sie im Gegentheil in einem gewissen Grade von dessen Menge unabhängig und von dem Vorhandenseyn aufgelöster Substanzen abhängig, welche das Wasser den Pflanzenwurzeln zuführt? Dieß war die zu beantwortende Frage. Wir mußten uns daher Rechenschaft geben über die zur Bewässerung verwendete Wassermenge, über die Art Und Menge der darin gelösten Substanzen, über die Menge der geernteten Substanzen und über die Zusammensetzung der letzteren. Unsere Versuche wurden in den Jahren 1847 und 1848 angestellt. Im ersten Jahre geschah die Bewässerung in der Art, wie bisher nach den örtlichen Gewohnheiten. Die mit der schlechten Quelle bewässerte Wiese erhielt 255,744 Kubikmeter Wasser per Hektare, und die mit der guten Quelle bewässerte 164,281 Kubikmeter; das Gewicht der Ernte betrug bei der ersten Wiese 2312 Kilogr. per Hektare, bei der zweiten 7896 Kilogr. Im zweiten Jahr hingegen wandten wir zur Bewässerung gleiche Wassermengen an; nämlich von der schlechten Quelle 126,273 Kubikmeter per Hektare und von der guten 130,311 Kubikmeter. Das Gewicht der Ernte betrug bei der mit Wasser von der schlechten Quelle bewässerten Wiese 2749 Kilogr. und bei der mit dem guten bewässerten 10,469 Kilogr. Diese Ernten wurden, um so viel als möglich vergleichbare Bedingungen zu erhalten, an demselben Tage und von demselben Manne mit der Sense geschnitten. Indem wir die in möglichst kleine Stückchen zerschnittenen Producte, wenn sie nach mehreren auf einander folgenden Austrocknungen bei 140° C. im trockenen luftleeren Raum keinen Verlust mehr erlitten, als vollkommen trocken betrachteten, fanden wir, daß unser Heu zur Zeit der Ernte 21 bis 27 Procent Feuchtigkeit enthielt, das Grummet 24 bis 34 Procent, und daß nach einjährigem Aufbewahren im Magazin diese Feuchtigkeit beim Heu auf 12½ bis 14 und beim Grummet auf 14 bis 15 Proc. vermindert war. Die Elementar-Zusammensetzung des Heues und Grummets bot, mit Ausnahme des Stickstoffs, nur geringe Abweichungen dar. Die mineralischen Bestandtheile betrugen beim Heu 5–6, beim Grummet 9–10 Procent. Im Allgemeinen ersieht man, daß bei gleichen Wassermengen und unter sonst gleichen Umständen, ja selbst bei größeren Wassermengen von der schlechten Quelle, die Ernte von der durch letztere bewässerten Wiese nur ⅓ oder ¼ der Ernte betrug, welche mittelst des guten Quellwassers erhalten wurde. Mithin war es die Beschaffenheit und nicht die Menge des Wassers, worin wir die Ursache der so bedeutenden Verschiedenheit der Ernten zu suchen hatten. Wir analysirten daher die Gase, die mineralischen und die organischen Stoffe, welche in diesen Wässern aufgelöst oder suspendirt waren. Die Menge und Art der Gase war nahezu gleich; die mineralischen Stoffe zeigten hinreichende Aehnlichkeit, um annehmen zu können,.daß beide Quellen aus demselben unterirdischen Bassin kommen und nur auf ihrem Weg durch das Erdreich bis zur Oberfläche sich verändern, indem sie entweder den Erbschichten, durch welche sie dringen, einige ihrer Bestandtheile abgeben, oder wandelbare Mengen organischer Substanzen in sich aufnehmen. Letztere sind dunkelbraun und scheinen Huminsäure, Humin und Quellsäure zu seyn. Ammoniaksalze fanden wir nicht darin. Die in diesen Wässern aufgelösten Gase sind Kohlensäure, Sauerstoff, Stickstoff und Schwefelwasserstoff. Aber weder in der Natur noch in der Menge der gelösten Gase kann die Ursache der Verschiedenheiten welche die Ernten darboten, gesucht werden. Die mineralischen Stoffe sind Kieselerde, Chlor, Jod, Schwefelsäure, Phosphorsäure, Kohlensäure und arsenige Säure, Kali, Natron, Kalk, Talkerde, Thonerde, Eisen- und Manganoxyd. Der Gesammtgehalt derselben wurde durch langsames Abdampfen bedeutender Quantitäten der Flüssigkeit bestimmt. Diese Substanzen kamen in verschiedenen Zuständen vor: bald sind sie in Wasser, bald nur in Salzsäure löslich, bald endlich in beiden unlöslich; von den unter dieser letzteren Form auftretenden glauben wir, daß sie ohne Einfluß auf die Vegetation sind. Man mag nun die Gesammtmenge dieser Mineralstoffe berücksichtigen, oder den Einfluß derjenigen unter ihnen, die wir in merklicher Menge in einem in Wasser oder Säuren auflöslichen Zustande antrafen, so ist weder in ihrer Natur noch in ihren Mengenverhältnissen die Ursache der Verschiedenheiten in den Ernten aufzufinden. Wir konnten sonach die Lösung des Problems nur in den im Bewässerungswasser aufgelösten organischen Substanzen suchen. Zufolge der procentischen Zusammensetzung dieser Stoffe, welche in den beiden als Typus angenommenen Quellen gefunden wurden, befinden sich der Sauerstoff und der Wasserstoff in gleichem Verhältniß in denselben. Aber in der schlechtern Quelle enthalten die organischen Substanzen mehr Kohlenstoff, in der guten mehr Stickstoff. Der Stickstoff der guten Quelle verhält sich zu dem der schlechten wie 100 zu 42, während der Kohlenstoff der schlechten Quelle zu dem der guten sich verhält wie 100 zu 94. Diese beiden Verhältnisse würden aber zur Erklärung der Differenzen in der fruchbarmachenden Kraft nicht hinreichen, wenn man nur die Gesammtmasse der organischen Stoffe, oder selbst die Menge des darin enthaltenen Stickstoffs, welcher durch die Bewässerung einer Hektare zugeführt wurde, in Betracht ziehen wollte. Es lieferte nämlich im Jahr 1847 die schlechte Quelle einer Hektare 1677 Kilogr. organischer Stoffe, und die gute Quelle nur 953 Kilogr. Deßgleichen ergaben sich im Jahr 1847, wenn man nur die Bewässerung im Frühjahr berücksichtigt, für die in der organischen Materie des zur Bewässerung einer Hektare verwendeten Wassers enthaltenen Quantitäten Stickstoff: bei der schlechten Quelle 40 Kilogr. und bei der guten nur 33 Kilogr.; und doch verhielt sich das Heu von der guten Quelle zu dem von der schlechten wie 3 : 1. Hier fällt also die größere Production mit der geringern absoluten Menge von organischer Materie oder Stickstoff zusammen. Damit eine Quelle fruchtbarmachender sey als eine andere, genügt es also nicht, daß sie mehr organische Materie liefert, oder daß die in letzterer enthaltene absolute Menge Stickstoffs größer sey. Wenn man aber statt der absoluten die relativen Mengen des Stickstoffs und Kohlenstoffs, welche in den organischen Stoffen enthalten sind, berücksichtigt, so findet man, daß 100 Theile Kohlenstoff in guten Quellen im Mittel 11 Stickstoff und in den schlechten Quellen höchstens 4 Stickstoff entsprechen, woraus hervorgeht daß die befruchtenden Eigenschaften unserer guten Quellen beständig darauf beruhen, daß sie im Verhältniß zum Kohlenstoff dreimal mehr Stickstoff enthalten. 1000 Kilogr. Mistjauche enthalten in ihren organischen Stoffen 600 Gramme Stickstoff. Nach Boussingault's und Payen's Aequivalenten-Tabelle der Düngerarten beträgt die jährliche normale Düngung für eine Hektare 66000 Kilogr. Mistjauche; 1 Hektare empfängt sonach 40 Kilogr. Stickstoff. Dieß ist genau das Resultat, wozu wir im Jahr 1848 mit der guten Quelle gelangten, als wir zur Bewässerung einer Hektare 130 Millionen Kilogr. Wasser verwendeten. 1000 Kilogr. des guten Quellwassers, welche nahezu 1 Kubikmeter entsprechen, enthalten nämlich 0,33 Gramme Stickstoff; die angewandten 130 Millionen Kilogr. repräsentiren folglich 43 Kilogr. Stickstoff. Die Folge dieser Bewässerung war die größte Befruchtung welche einer Wiese verliehen werden kann, was gar nicht zu verwundern ist, weil das verwendete Wasser als eine sehr verdünnte Mistjauche betrachtet werden kann. Es fragt sich nun, ob alles Wasser, nachdem es zur Bewässerung gedient hat, der in ihm enthaltenen organischen Stoffe, oder der fruchtbarmachenden stickstoffhaltigen Materie völlig beraubt ist? Wir glauben dieß nicht; offenbar wurde aber ein gewisser Theil davon absorbirt. Schlüsse. 1) Von zwei ähnlich gelegenen Quellen, deren Wässer zur Bewässerung in gleichen Mengen angewandt wurden, und die verschiedene Ernten erzeugten, scheinen die guten Wirkungen der die Fruchtbarkeit erhöhenden Quelle nicht herzurühren: von den im Wasser aufgelösten Gasen; von darin enthaltenen löslichen alkalischen und erdigen Salzen; von der Kieselerde; vom Eisen; von der im Wasser aufgelösten Menge organanischer Stoffe. 2) Diese fruchtbarmachenden Eigenschaften scheinen im Verhältniß zu dem Stickstoff zu stehen, welcher in den organischen Substanzen des Wassers enthalten ist. 3) Es genügt aber nicht, die absolute Menge des Stickstoffs zu berücksichtigen, sondern es muß noch das Verhältniß des Stickstoffs zum Kohlenstoff der im Wasser enthaltenen organischen Substanzen in Erwägung gezogen werden. 4) Wenn man die mineralischen Stoffe nicht berücksichtigt, so ist eine fruchtbarmachende Quelle mit einer sehr verdünnten Mistjauche zu vergleichen.