Titel: Die Versuche über die mechanischen Eigenschaften des Gußeisens von Stephenson, Fairbairn und Hodgkinson.
Fundstelle: Band 126, Jahrgang 1852, Nr. XX., S. 102
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XX. Die Versuche über die mechanischen Eigenschaften des Gußeisens von Stephenson, Fairbairn und Hodgkinson.Aus Liebig's und Kopp's Jahresbericht für Chemie, Physik, Mineralogie und Geologie, für 1851. Gießen 1852. Versuche über die mechanischen Eigenschaften des Gußeisens. Gelegentlich der Erbauung der Conway- und der Britanniabrücke sind eine große Anzahl von Versuchen über die mechanischen Eigenschaften des Gußeisens von Stephenson, Fairbairn und Hodgkinson angestellt worden, welche nun Couche Annales des mines, 4me serie, T. XX p. 427. mit Benutzung der englischen QuellenThe Britannia and Conway tubular bridges, byClarke, London 1850. – Report of the commissioners appointed to inquire into the application of iron to the railway structure (polytechn. Journal Bd. CXVI S. 120, 193 und 264). und mit Hinzufügung eigner Beobachtungsresultate zusammengestellt und zur Grundlage einer Discussion über jenen, im Verhältniß seiner wichtigen Anwendungen in der Technik noch zu wenig gekannten Körper gemacht hat. Die Zerreißungsversuche ergaben meist eine absolute Festigkeit von 10 bis 11 Kilogr. auf den Quadratmillimeter, doch schwankten die Resultate für verschiedene Eisensorten zwischen 9 und 18 Kilogr. Bei einer Festigkeit von nahe 11 Kilogr. betrug die Verlängerung im Augenblick des Zerreißens 0,00162. Couche bemerkt, daß die oberflächigen Schichten immer eine weit bedeutendere Festigkeit besitzen, als der Kern der Gußeisenmasse, welcher, je weiter von der Oberfläche, desto gröberes krystallinisches Gefüge zeige. Die Resultate der Versuche über den elastischen Widerstand, oder die Verlängerung von Gußeisenstäben, können mit großer Annäherung durch die Formel : P = 9754 . d – 2035202 . d² wiedergegeben werden, worin P die Belastung in Kilogrammen bedeutet, welche die Längeneinheit um den Bruch d ausdehnt. – Für das Gußeisen bestätigte sich in sehr auffallendem Grade die Beobachtung, welche W. Weber und Wertheim gemacht haben, daß eine Elasticitätsgränze eigentlich nicht existirt, sondern daß auch kleine Belastungen, wenn sie lange genug wirken, eine dauernde Verlängerung, also eine dauernde Veränderung im Innern der Masse erzeugen. Ein Stab von 15,24 Meter Länge nahm bei einer Belastung von 4,46 Kilogr. auf den Quadratmillimeter des Querschnittes noch eine dauernde Verlängerung von 0,6 Millimeter an. Die dauernden, sowie die elastischen Verlängerungen wachsen bei dem Gußeisen in weit stärkerem Verhältniß, als die Belastung. Interessant sind die von Couche angeführten und in einem ungewöhnlichen Maßstabe angestellten Versuche, welche beweisen, daß eine Gußeisenmasse, welche unter dem Einfluß einer Kraft eine dauernde Formänderung angenommen hat, durch gleich große oder kleinere Kräfte später nicht mehr verändert wird. Die zahlreichen Versuche über rückwirkende Festigkeit des Gußeisens wurden an Cylindern von 19 Millimeter Durchmesser und für jede Eisensorte von 19 Millimeter und 38,1 Millimeter Höhe angestellt. Im Mittel fand man dieselbe 5,7mal bedeutender als die absolute Festigkeit. Indessen schwankte diese Verhältnißzahl zwischen 4,75 und 7. – Die Versuche über die elastische und dauernde Zusammendrückung unter verschiedener Belastung mußten natürlich an längeren Stäben angestellt werden. Man fand, daß die elastische Verkürzung in stärkerem Verhältniß zunimmt als die Belastung. Die dauernden Verkürzungen sind von gleicher Ordnung mit den dauernden Verlängerungen, welche durch Zugkräfte hervorgebracht werden. Sie wachsen übrigens proportional dem Quadrat der Belastung. Die zahlreichen Versuche über relative Festigkeit stimmten schlecht mit den Werthen, welche aus den Dimensionen der Stäbe nach den gebräuchlichen Formeln sich ergeben; die beobachtete Festigkeit blieb im Allgemeinen um so mehr hinter der theoretischen zurück, je breiter, dicker und länger die Stäbe gewählt wurden. Couche bemerkt, daß die Theorie voraussetze, daß die sogenannte neutrale Achse bei der Biegung stets durch den Schwerpunkt gehe, während eine Verrückung dieser Achse aus dem Schwerpunkt nach bis jetzt noch ganz unbekannten Gesetzen stattfinde, wenn die Biegung eine gewisse Gränze überschritten habe; namentlich bei dem Gußeisen sey diese Verrückung stark. Die elastische Biegung gußeiserner Stäbe nimmt nach Hodgkinson in stärkerem Verhältniß zu, als die Belastung. Die dauernde Biegung p fand derselbe von der Größe f der elastischen Biegung in folgender Weise abhängig : p = 1,25 . f², wenn der Meter hierbei als Einheit genommen wird. Dieser empirische Ausdruck sagt, daß gußeiserne Stäbe, durch Belastung in der Mitte um gleichviel gebogen, eine gleiche dauernde Biegung behalten, welches auch ihre Dimensionen seyen. Die Versuche über die relative Festigkeit gußeiserner Röhren von verschieden geformtem Querschnitt gaben zwar unter sich übereinstimmendere Resultate als die Versuche mit soliden Stäben, allein die Werthe wichen von den nach den Formeln berechneten bedeutend ab, wie die folgenden Mittelzahlen beweisen, bei welchen die relative Festigkeit für gleichen Querschnitt angegeben ist: Nach der Beobachtung Nach der Theorie. Quadratische Röhre             1           1 Kreisförmige   „             1,06           1,28 Rechteckige    „             1,07           2,13 Elliptische       „             1,54           2,73 Bei jeder Art von Röhren gab die nämliche Belastung ungefähr gleiche elastische Biegung; die Proportionalität derselben hörte bei Zunahme der Belastung bald auf, erhielt sich aber bei der elliptischen Röhre am längsten. Bei gleicher Belastung nahmen die Biegungen in folgender Reihe ab: quadratische, kreisförmige, rechteckige, elliptische Röhre, und zwar in um so stärkerem Verhältniß, je größer die Belastung war, wie folgende Zahlen beweisen:                         Biegung bei einfacher Belastung    dreifacher Belastung Quadratische Röhre             1             1 Kreisförmige   „             0,931             0,824 Rechteckige    „             0,769             0,717 Elliptische       „             0,696             0,532 Die Theorie gibt an, daß die Kraft, mit welcher prismatische Stäbe dem Zerbrechen durch einen gegen ihre Mitte geführten Stoß widerstehen, ihrem Volum proportional ist. Allein durch Verbindung eines Prisma's mit andern schweren Massen kann seine Widerstandskraft gegen den Stoß vermehrt werden. Zahlreiche Versuche mit Prismen aus Gußeisen bestätigten die theoretische Folgerung. Der Widerstand war der Masse proportional. Es wurde eine gleiche Stoßkraft erfordert, um einen quadratischen Stab von 76,2 Millim. Seite, oder einen rechteckigen Stab von 252 auf 38 Millim. Seite zu zerbrechen. Zwei solche rechteckige Stäbe leisteten gleichen Widerstand, der Stoß mochte gegen die schmale oder die breite Seite geführt werden. Die Biegungen durch den Stoß sind sehr nahe den Stoßgeschwindigkeiten proportional. Ein gußeiserner Stab wurde durch 4000 Stöße, deren jeder nur 1/3 des Biegungsmaximums bei ruhender Belastung hervorbrachte, nicht merklich verändert, während der Bruch jedesmal durch eine geringere Anzahl von Stößen herbeigeführt wurde, wenn die Biegung bis zu 1/2 jenes Maximums ging. Zahlreiche Beobachtungen über den Einfluß, welchen längs eines Stabes sich bewegende Lasten auf die Biegung und das Zerbrechen des Stabes äußerten, gaben die folgenden allgemeinen Resultate: Die Biegung durch ein bewegtes Gewicht ist größer, als wenn das nämliche Gewicht in der Mitte des Stabes auf Gesetzt wird. Mit der Geschwindigkeit wächst die Biegung, und ihr größter Werth rückt zugleich aus der Mitte nach dem unteren Ende hin. Bei sehr großen Geschwindigkeiten ist das zum Zerbrechen nöthige Gewicht nur ein kleiner Bruchtheil der zu der nämlichen Wirkung erforderlichen statischen Last. Das Zerbrechen findet nicht in der Mitte, sondern oft an drei oder vier Punkten gleichzeitig statt. Couche bemerkt noch, daß diese Resultate nur auf solche biegsame Stäbe Anwendung finden, wie sie bei den Versuchen gebraucht worden waren; daß sie aber nicht für starre, unbiegsamere Systeme, wie sie z.B. bei den Brückenbauten vorkommen, gelten können.