Titel: Verfahren, den beim Nachpressen des Runkelrübenbreies erhaltenen Saft mit Vortheil zu verarbeiten; von A. Cornill Woestyn.
Fundstelle: Band 127, Jahrgang 1853, Nr. XLVII., S. 226
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XLVII. Verfahren, den beim Nachpressen des Runkelrübenbreies erhaltenen Saft mit Vortheil zu verarbeiten; von A. Cornill Woestyn. Aus dem Moniteur industriel, 1853 Nr. 1722. Woestyn, Verfahren den nachgepreßten Saft der Runkelrüben mit Vortheil zu verarbeiten. Ich habe zum Verarbeiten des Safts, welchen man beim Nachpressen des Rübenbreies erhält, durch Versuche im Kleinen ein Verfahren ermittelt, welches bei seiner Anwendung im Großen in der Zuckerfabrik des Grafen Alexis Bobrinski zu Michailosski über alle Erwartung günstige Resultate lieferte. Daß bisher das Nachpressen des Rübenbreies sich unvortheilhaft erwies, scheint mir zwei Hauptursachen zugeschrieben werden zu müssen: 1) dem geringen Gehalt des beim Nachpressen erhaltenen Safts, welcher zu große Abdampfungskosten veranlaßte; 2) der Vermischung dieses Safts, welcher nothwendig schon mehr oder weniger verändert ist, mit dem frischen Saft, welchen das erste Pressen lieferte; man bringt so in ein Product von bester Qualität, ein Product von geringerer Qualität, und die dadurch erzielte größere Ausbeute wird oft durch die Verminderung des Werths der Waare mehr als compensirt. Das Verfahren, welches ich vorschlage, begegnet den erwähnten zwei Ursachen des bisherigen Mißlingens, und gestattet überdieß nicht unbeträchtliche Verluste zu vermeiden, welche man bei einzelnen Operationen täglich in allen Rübenzuckerfabriken erleidet. Es besteht darin: 1) die Verarbeitung des einmal abgepreßten Rückstands zu einer besondern Arbeit zu machen; 2) mit dem Saft, welcher daraus noch gewonnen werden kann, die Melassen anzureichern, welche nur dann noch eine vortheilhafte Krystallisation geben können, wenn man sie mit einem Product von größerem Zuckergehalt versetzt. Man erspart auf diese Weise die Abdampfungskosten, und während man bisher mit Schaden ein wenig von schlechter Waare in gute brachte, gewinnt man den Vortheil die schlechte Waare mit einem kleinen Quantum von guter zu verbessern. Ich gehe nun auf die Einzelnheiten des Versuchs über, welcher im Großen zu Michailosski (Regierungsbezirk von Tula) ausgeführt wurde. In 242 Hektoliter Saft von 4° Baumé, welchen man durch Nachpressen der Treber erhielt, rührte man 4080 Kilogr. Melasse von der dritten Krystallisation, welche ein Jahr im Hofe gestanden hatte; dadurch wurde der Saft auf 12° Baumé gebracht. Man läuterte ihn auf gewöhnliche Weise mit 6 Kilogr. Kalk auf eine Pfanne von 14 Hektolitern. Nach zwei Filtrationen, die eine bei 12° die andere bei 25° B., gab dieser eingedampfte Saft zum Füllen 5680 Kil. eingekochte Masse, welche in Krystallisirgefäße von 24 Hektolitern geschüttet wurde; die Temperatur des geheizten Raums war 26° Reaumur; 25 Tage nach dem Füllen konnte man die Oeffnung der Kästen räumen (das Abfließen dauerte anderthalb Monate); man sammelte so 3280 Kilogr. Melasse und 2400 Kil. gelben Pfannenzucker. Da 242 Hektoliter Saft von 4° B. bei der gewöhnlichen Arbeit nur 1000 Kilogr. gelben Pfannenzucker liefern, so wurden offenbar 1400 Kilogr. gelber Pfannenzucker von der Melasse abgegeben. Die in den Saft gebrachte Melasse wog 44° Baumé, hingegen die aus den Krystallirgefäßen abgeflossene nur 42° B., und schmeckte auch viel weniger salzig als erstere. Die nothwendige Folge dieser Abnahme im Grab ist eine nicht unbedeutende Verbesserung des Products. Um ein so unerwartetes Resultat zu erklären, will ich eine Hypothese wagen; vielleicht bewerkstelligt bei Gegenwart des Kalks der Eiweißstoff des Safts eine Klärung, mittelst deren gewisse alkalische Salze ausgeschieden oder verwandelt werden, so daß der durch diese Salze gebundene Zucker wieder in Freiheit gesetzt wird. Wir wollen uns jedoch bloß an die Resultate des Versuchs halten, und untersuchen welchen Mehrertrag dieses Verfahren in einer Fabrik liefern kann. In der Fabrik zu Michailosski liefert das Auspressen 80 Proc. Saft vom Gewicht der Rüben. Wenn man die einmal abgepreßten Säcke benetzt und dann nachpreßt, erhält man 10 Proc. Dieser neue Saft zeigte 4° Baumé, der anfängliche Saft der Runkelrüben 8° B. Den neuen Saft muß man durch Zugeben von Melasse auf 12° B. bringen. Bei der Verarbeitung von 9,600,000 Kilogr. Runkelrüben (wie sie dieses Jahr zu Michailosski stattfindet) wird man durch das Nachpressen 19,200 Hektoliter Saft von 4° B. erhalten, welche, auf die beschriebene Weise behandelt, 190,400 Kilogr. schönen gelben Pfannenzucker geben werden. Sollte man nicht so viel Melasse haben als dieses Verfahren erfordert, so könnte man den Saft vom Nachpressen zum Auflösen der dritten und selbst der zweiten Melassen benutzen. Um den Gang der Fabrik nicht zu stören, nimmt man diese Arbeit ganz für sich vor, und in der Regel wird die Fabrikeinrichtung dazu ausreichend seyn; als Anhaltspunkt bemerke ich, daß eine Fabrik welche 9 bis 10 Millionen Kilogr. Rüben verarbeiten soll, drei hydraulische Pressen, ein Saftreservoir mit Pumpe, eine Umschmelzpfanne und eine Schaumpresse haben, und daß der Apparat in 12 Stunden drei weitere Verkochungen machen können muß. Schließlich will ich noch hervorheben, daß man mittelst dieser ganz besonderen Arbeit den Verlusten begegnen kann, welche man täglich bei verschiedenen Arbeiten in den Rübenzuckerfabriken erleidet. Wurde z.B. eine Pressung schlecht ausgeführt, so ist der zurückgebliebene Saft nicht verloren, weil man ihn beim Nachpressen wieder erhält; blieben Syrupe in einem schlecht geleiteten oder schlecht gewaschenen Filter zurück, so benutzt man dieses Filter für das neue Product und der Verlust wird wieder ersetzt; überdieß kann man mit den letzten Waschwassern der Filter, welche so schwach sind daß sie das Abdampfen nicht lohnen, die Säcke für das Nachpressen tränken. Michailosski, den 13–25 December 1852.