Titel: Ueber die wohlfeilste Art Wasserstoffgas zu technischer Anwendung behufs Heizung und Erleuchtung zu erzeugen.
Fundstelle: Band 127, Jahrgang 1853, Nr. XCI., S. 429
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XCI. Ueber die wohlfeilste Art Wasserstoffgas zu technischer Anwendung behufs Heizung und Erleuchtung zu erzeugen. Nach einer Abhandlung von Jacquelain im Bulletin de la Société d'Encouragement, Juli 1852 S. 474, frei bearbeitet von Hrn. Prof. Schubarth. Aus den Verhandlungen des Vereins für Gewerbfleiß in Preußen, 1852, fünfte Lieferung. Ueber die wohlfeilste Art Wasserstoffgas zur Heizung und Erleuchtung zu erzeugen. Das Wasserstoffgas, von Cavendish, in London, 1766 entdeckt, kann auf verschiedene Weise aus Wasser dargestellt werden. Man leitet einen elektrischen Strom durch Wasser, wobei sich das Wasserstoffgas am – Pole abscheidet, oder man zerlegt dasselbe mittelst Eisen (Zink) und Schwefelsäure, oder endlich man treibt Wasserdämpfe durch glühende, mit Kohlen oder Eisen gefüllte Röhren, in welch letzterem Falle sich neben dem Wasserstoffgase noch Kohlenoxyd- und mehr oder weniger kohlensaures Gas erzeugen. Letztere Methode rührt von Fontana her, und wurden die Producte dieses Zersetzungsprocesses bereits vor fünfzig Jahren von englischen und französischen Chemikern studirt (Gilbert's Annalen der Physik Bd. IX S. 85 u. f., ferner Bd. XXII S. 64.). Donavan, in Dublin, erfand eine Beleuchtungsart mittelst Wasserstoffgas, auf die vorstehende Weise aus Wasser und Kohle in senkrechten eisernen Retorten erzeugt, welches Selligue in Frankreich vor fünfzehn Jahren einführte (polytechn. Journal Bd. LXVIII S. 198, Bd. LXXI S. 29, Bd. LXXVII S. 137). Auf die in der ersten Röhre enthaltenen Holzkohlen fließt ein dünner Wasserstrahl stetig herab; die hierdurch erzeugten Gase strömen aus der ersten in die zweite Retorte, die weit stärker beheizt ist. Aus letzterer gelangt das Gemisch von Wasserstoff- und Kohlenoxydgas in eine dritte mit Ketten erfüllte Röhre, auf welche ein dünner Strahl Schieferöl fließt. Das mit den Dämpfen einer Kohlenwasserstoff-Verbindung gesättigte Gasgemisch wird sodann durch einen Kühlapparat geleitet, in welchem dasselbe den überschüssigen Kohlenwasserstoff (Schieferöl) absetzt; hierauf gelangt es in den Gasometer. Bekanntlich brennt Wasserstoffgas mit einer wenig leuchtenden Flamme, so daß man dieselbe bei hellem Tageslichte kaum bemerkt; dieselbe entwickelt aber eine außerordentliche Wärme, weßhalb ein Platindraht in der Flamme des brennenden Wasserstoffgases hell weißglühend wird und ein überaus kräftiges Licht erzeugt. Das Product der Verbrennung ist Wasserdampf, ein völlig unschädlicher Körper, während, wenn Kohlenwasserstoffgase brennen, neben dem Wasser auch kohlensaures Gas sich bildet. Entweicht auf irgend eine Weise Wasserstoffgas, so ist es nicht so gefährlich als die Kohlenwasserstoff-Verbindungen. Es ist bekannt, daß Holzkohle, selbst Kohks den Wasserdampf zerlegen, wenn dieselben zur Kirschrothglühhitze gebracht worden sind. Nach von Jacquelain angestellten Versuchen entbinden gewisse Anthracitkohlen, ohne Dazwischenkunft von Wasserdampf, in der Rothglühhitze Wasserstoffgas, das Kilogramm 240 Liter des letzteren, während belgische Steinkohlen von Commentry bei Mons 230 bis 250 Liter des gewöhnlichen Beleuchtungsgases (von bekannter Mengung) liefern. Thran gibt 830 Liter, endlich 1 Kilogramm Wasser nebst einem Liter leichtem Schieferöl 2100 Liter Gas zur Beleuchtung anwendbar. Durchs Verbrennen des Wasserstoffgases wird eine Hitze erzeugt, deren Intensität größer ist als die auf irgend eine andere Art hervorgebrachte Wärme. Hierauf beruht die Anwendung der Knallluft (eines Gemenges von 2 Volum Wasser- und 1 Volum Sauerstoffgas) um die streng schmelzbaren Körper zu schmelzen (Newman's Knallgasgebläse). Handelt es sich nun um die Darstellung des Wasserstoffgases im Großen, um es entweder zu Beleuchtungszwecken, oder als Brennmaterial anzuwenden, so kommt es darauf an, die Erzeugungskosten so niedrig als irgend möglich zu stellen, damit es mit dem Kohlenstoffe concurriren könne. Unter allen Brennmaterialien entwickelt nämlich das Wasserstoffgas beim Verbrennen die größeste Wärmemenge, nämlich, nach Dulong, 34,742 Einheiten, während Sumpfluft nur 14,063, ölbildendes Gas 9,720, reiner Kohlenstoff 7,170 und Kohlenoxydgas 2,487 entwickeln. Hieraus folgt, wenn man nach Maaßgabe der chemischen Beschaffenheit des aus Steinkohlen erhaltenen Beleuchtungsgases und der Qualität der Steinkohlen eine Rechnung aufmacht, daß, um gleiche Hitze zu erzeugen, als 100 Kil. Wasserstoffgas geben, verbrannt werden müssen: 247 Kilogr. Sumpfluft, 357 Kilogr. ölbildendes Gas, 359 Beleuchtungsgas in der ersten Stunde gewonnen, 463 Kil. Steinkohlen mittler Art, und 1400 Kil. Kohlenoxydgas. Hieraus folgt, daß der Preis eines Kubikmeters jener Gase, bei 0° und 28 Zoll Barometerhöhe, damit die respectiven Gewichtsmengen gleich hoch in der Erzeugungsanstalt zu stehen kommen, als 463 Kilogr. Steinkohlen mitteler Qualität (1000 Kilogr. in runder Summe zu 15 Francs angenommen), betragen darf für       Name der Gase. Kostenpreis eines Kubikmeters, Frcs. Wasserstoffgas                        0,13 Sumpfluft                        0,44 Oelbildendes Gas                        0,53 Beleuchtungsgas erste Stunde                        0,50          „               fünfte    „                        0,20 Berechnet man nun die Kosten der Darstellung des Wasserstoffgases, wenn Eisen und Schwefelsäure von 53° B. angewendet werden, so kostet der Kubikmeter 0,91 Francs, d. i. siebenmal mehr als wenn Kohlen und Wasserdampf angewendet werden. Um 100 Kilogr. Wasserstoffgas zu gewinnen, sind 5634 Kil. Säure zu 53° nöthig (100 Kil. 13 Frcs.) macht   732 Frcs. 2800  „ Eisen (100  „ 10    „   )    „   280   „ –––––––– 1012 Frcs. Hiervon gehen ab für 12000 Kil. Eisenvitriol (100 Kil. 7 Frcs.)   910   „ ––––––––            Also kosten 100 Kil. Wasserstoffgas (1120 Kubikmet.)   102 Frcs. Alle Berechnungen, welche aufgestellt worden sind, um den Kostenpreis der verschiedenen gasförmigen Brennmaterialien auf den der Steinkohle zurückzuführen, sind auf die Hypothese begründet, daß die Heizkraft eines Brennmaterials, wenn man nur einen gehörigen Ueberschuß anwendet, auf die des Wasserstoffgases gebracht werden könne. Allein diese Hypothese ist in der Praxis nicht zulässig, weil bei vollständiger Verbrennung die erzeugte Wärme bei jedem Brennmaterial für dieselbe Menge desselben gleich bleibt, mag das Verbrennen in der Luft bei größerem oder geringerem Luftdrucke als 28 Zoll Quecksilber, oder im Sauerstoffgase stattfinden. Man kann Jahre lang Holzkohlen auf den zweckmäßigst eingerichteten Herden brennen lassen, ohne je die Temperatur zu erlangen, welche zum Schmelzen von Eisen oder Platin nöthig ist. Es würde unter gewissen Umständen höchst vortheilhaft seyn, sehr hohe Hitzegrade durchs Verbrennen von Wasserstoffgas zu erlangen, selbst wenn letzteres fünfmal theurer zu stehen käme, als vorstehend berechnet worden ist. Unbedingt würde aber das Gas vor allen anderen Brennmaterialien den Vorzug haben, wenn es im Großen zu 0,15 Fr. der Kubikmeter dargestellt werden könnte. Hinsichtlich der Beleuchtung gewähren zwar die gewöhnlich angewendeten Leuchtmaterialien, Talg, Talgsäure, Wachs, Walrath, Oele u.a.m. den Vortheil, innerhalb eines kleinen Raumes eine bedeutende Menge von Licht spendendem Material zu enthalten, sie führen aber nicht unbedeutende Uebelstände mit sich. Hierher gehört z.B. das Laufen der Lichte, welches Verluste mit führt; das Reinigen und Füllen der Lampen ist unangenehm, zeitraubend und nicht ohne Substanzverlust zu bewirken. Der durchs unvollkommene Verbrennen der Leuchtmaterialien entstehende Rauch oder Dunst ist unangenehm und führt unverbrannte Theilchen davon, welche der Erzeugung von Licht entzogen worden. Vergleichen wir hiermit das Verhalten der Gase, so ergibt sich deren unbestreitbarer Vorzug für die Zwecke der Beleuchtung und Heizung. Der Ort, wo die Gase erzeugt werden, kann in bedeutender Entfernung von dem Verbrauchsorte liegen, dieselben können von dort aus in allen Richtungen nach jedem beliebigen Punkt hin geleitet werden, ohne daß die vorstehend gerügten Mängel eintreten. Endlich muß auch noch als ein großer Vorzug anerkannt werden, daß durch eine geringe Bewegung eines Hahnes sowohl die Quelle des Lichtes als der Wärme nach Willkür zum Versiegen gebracht werden kann. Trügt nicht alles, so ist die Behauptung, daß die Darstellung des Wasserstoffgases im Großen dereinst eine ebenso wichtige Rolle spielen wird, wie die Gasbereitung aus Steinkohlen, oder nach Selligue's Weise, wohl gerechtfertigt. Könnte man dasselbe ebenso wohlfeil darstellen als die letzteren, so würde es unbedingt schon deßhalb den Vorzug verdienen, weil es nicht, wie diese, Kohlenoxydgas enthält, welches selbst in sehr kleinen Mengen der Luft beigemischt eine gefährliche Einwirkung auf die Gesundheit äußert. Bei dem Gebrauche von Wasserstoffgas würden die großen Reinigungsapparate entbehrlich, welche man jetzt beim Kohlengas gebraucht; es würde, da beim Verbrennen nur Wasserdampf entsteht, weder Kohlensäure noch Essigsäure, noch unangenehm riechende und schädliche Gase, noch Staub und Rauch erzeugt. Durch die Anwendung jenes Gases würde der Gesundheitszustand gewinnen, die Reinlichkeit in den Wohnungen befördert, Zeit und Brennmaterial sowohl bei den Feuerungen in Küchen als auch bei Gewerbsanlagen gespart; die Wäsche würde länger halten, die Gemälde conservirt werden; deßgleichen würden alle Verzierungen und Schmucksachen aus edlen Metallen und Bronze, die Waaren aus zarten Stoffen gefertigt in den Läden der Putzhändler nicht so leicht leiden, wie jetzt der Fall ist. Endlich würde die Straßenbeleuchtung an Helligkeit gewinnen. Um nun den niedrigsten Preis zu ermitteln, für welchen das Wasserstoffgas aus Wasser mittelst HolzkohlenNach Gillard's Verfahren, polytechn. Journal Bd. CXVI S. 224. gewonnen werden kann, wurden von Jacquelain Versuche angestellt, deren Resultate im Nachstehenden zusammengestellt sind. Erster Versuch. Während 4 Stunden wurden bei 765 Millim. und 30° C. gewonnen 64,267 Kubikmet. Gas     „ 2     „ zu Anfang 34,291         „     „ 2     „ zu Ende 29,976         „ Gasvolum auf 11° (die mittlere Wärme in Paris) gebracht und nach Abzug des Wasserdampfes 58,148         „     „ bei 0°       deßgl.           deßgl. 55,843         „ Zur Erzeugung dieser Gasmenge waren in einer Stunde erforderlich: Holzkohlen für zwei Retorten   4,170 Kilogr. Steinkohlen zur Heizung derselben 11,300    „ Kalk 40,075    „ Das gesammelte Gas bestand in 100 Raumtheilen aus: Wasserdampf     2,0 Kohlensäure     2,0 atmosphärische Luft     5,0 Kohlenoxyd   16,2 Wasserstoff   74,8 ––––– sind 100,0 Als 2/3 der Gasmenge bereits erzeugt waren, trat ein bedeutender Verlust an Wasserdampf ein, wodurch die Menge des Wasserstoffgases zu gering und die des Kohlenoxydgases etwas zu groß in 100 Raumtheilen des Gemenges ausgefallen ist. Zweiter Versuch. Während 2 Stunden wurden bei 760 Millimet. und 3° C. gewonnen 23,699 Kubikm. Gas Gasvolum auf 11° C. reducirt, nach Abzug des Wasserdampfes 21,282          „        „        bei  0°            deßgl.                deßgl. 20,032          „ Zur Erzeugung der Gasmenge wurden in der Stunde verbraucht: Holzkohlen für zwei Retorten     4,925 Kilogr. Steinkohlen zur Heizung     7,175    „ gelöschter Kalk im Ueberschuß 101,100    „ Das gesammelte Gas bestand in 100 Raumtheilen aus: Wasserdampf     2,0 Kohlensäure     2,0 atmosphärische Luft     5,0 Kohlenoxyd   14,7 Wasserstoff   76,3 ––––– sind 100,0 Bei diesem Versuche hatte der Retortenofen den nöthigen Hitzgrad nicht erlangt, woraus sich die geringere Gasproduction, sowie der geringere Verbrauch an Brennmaterial erklären. Obschon nun die beiden Versuche kein gleiches Resultat, weder was die Menge, noch was die Mischung des Gases anlangt, gegeben haben, weßhalb eine genaue Vergleichung mit der Lichtintensität einer Normallampe für das Gas beider Versuche kein übereinstimmendes Resultat geben kann, so wurde doch eine solche Untersuchung unternommen. Die dazu gebrauchte Carcel'sche Lampe verzehrte in der Stunde 39 Gramme Oel. Die Gaslampe hatte einen Docht von Platin, dessen oberer Durchmesser 20 Millimeter, dessen unterer 17, dessen Höhe 21 Millimeter betrug, der Brenner 16 Strahlen (jets). Zur Vergleichung der Lichtstärken wurde ein Schatten-Photometer gebraucht, und vorher die Fehlergränze bestimmt; sie betrug noch unter 1/70 der Entfernung. Es ergab sich nun, als das Gas des zweiten Versuchs (vergleiche Vorstehendes) mit der Carcel'schen Lampe verglichen wurde, sowohl während der Beobachtung in einer halben, als ganzen Stunde, daß gleiche Helligkeit in nachstehenden Entfernungen erzeugt wurde: durch Carcel's Oellampe in 79,8, durch Wasserstoffgas in 92,5 Centimeter; also verhalten sich die Lichtintensitäten = (79,8)² : (92,5)², d. i. wie 10 zu 13. Folglich sind 10 Wasserstoffgasbrenner im Stande dieselbe Lichtmenge zu geben, als 13 Carcel'sche Lampen gleichen Dochtdurchmessers. Dabei wurden in der Stunde 227,25 Liter Gas unter einem Druck einer Wassersäule von 84 Millimeter Höhe verbraucht. Legt man nun bei folgender Berechnung die Resultate der Gaserzeugung beim ersten Versuche zum Grunde, so geben zwei Retorten stündlich 16,066 Kubikmeter, also in 6 1/4 Stunde 100 Kubikmeter, welche 440 Brenner eine Stunde lang speisen können. Um letztere Quantität Gas zu gewinnen, sind aber erforderlich:   25,950 Kilogr. Holzkohlen  (11 Frcs. 100 Kilogr.) = 2,85 Fr.   70,330   „        Steinkohlen (3,20  „     –      „    ) = 2,25  „ oder 2,81 bei 4 Fr. 179,630   „        gebr. Kalk  (5,22  „     –      „    ) = 8,98  „ Lohn einem Heizer für 6 1/4 Stund. (3,5 Fr. für 12 St.). = 1,82  „ Zinsen vom Anlagecapital des Apparats (1,5 Fr. d. Tag) = 0,75  „ –––––––––––––– 16,65 bis 17,21 Fr. Es kostet folglich der Kubikmeter 16,66 oder 17,21 Centimen. Schließlich bemerken wir noch, daß der Preis eines Kubikmeters Leuchtgas, nach obiger Weise erzeugt, sich nur unter sehr ungünstigen Verhältnissen auf 16 Centimen stellen, dagegen unter günstigen bis auf 10, ja vielleicht noch unter 10 herabgehen wird, wenn man eine Fabrik mit den besten Apparaten ausrüstet und auf die umsichtigste Weise leitet.