Titel: Ueber die Puddelstahl-Bereitung in Oesterreich.
Fundstelle: Band 128, Jahrgang 1853, Nr. LXXXV., S. 354
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LXXXV. Ueber die Puddelstahl-Bereitung in Oesterreich. Ueber die Puddelstahl-Bereitung in Oesterreich. Auszugsweise aus einer Abhandlung des Hrn. Director Turner in dem Berg- und hüttenmännischen Jahrbuch der k. k. Montan-Lehranstalt zu Leoben, Jahrgang 1853, S. 281. In Westphalen verbreitet sich die Fabrication des Puddelstahls immer mehr; in der amtlichen Productionsübersicht Preußens von 1851 werden im westfälischen Hauptbergdistrict und im Regierungsbezirk Arensberg zwölf Stahlpuddelöfen auf gewerkschaftlichen Hütten und einer auf einer Privathütte aufgeführt. Auch in Frankreich und Belgien hat man das Stahlpuddeln versucht, und zu Mägdesprung am Harz machte Hr. Hütteninspector Bischof schon vor 8 bis 9 Jahren Puddelstahl in einem Gaspuddelofen. In Oesterreich sind die ersten Versuche mit dem Stahlpuddelproceß in Kärnthen gemacht worden, nämlich zu Frantschach, im Jahre 1835; im folgenden Jahre erhielten die HHrn. Schlegel und Müller ein Privilegium auf den Proceß. Als Material wendete man damals in Frantschach graues und halbirtes, also dasselbe Roheisen wie zum Rohstahlfrischen an. Dasselbe wurde in einem Herde mit Holzkohlen umgeschmolzen, also wie beim kärnthnerischen Bodenreißen raffinirt und in Gänzen abgestochen. Dieser Raffinirproceß war sehr wesentlich für die Beschaffenheit des Puddelstahls. Von diesem Feineisen wurden nun 350 Pfund in einem gewöhnlichen Puddelofen, der mit lufttrocknem und gedörrtem Holz gefeuert wurde, eingetragen und mit starker Hitze eingeschmolzen, worauf man mit Heizen etwas nachließ. Sobald das Roheisen zu kochen anfing wurden Zuschläge, bestehend aus einem Gemenge von 5 Pfd. Kienruß, 4 Pfd. zerhackten Ochsenklauen und 1 Pfund zerriebenem Kochsalz in zwölf Partien, in Papiertuten, nach und nach auf das Bad geworfen und schnell untergerührt. Die Hitze war in dieser Periode mäßig, die Essenklappe wurde geschlossen. Sobald die Eisenmasse aber in einen starren Zustand gelangte, wurde durch vermehrten Zug die Hitze rasch gesteigert und das Luppenmachen beschleunigt. Während des Umwerfens und Luppenmachens wurden einige Schaufeln voll Kohlenklein auf die fertigen Luppen gestreuet, um diese vor der Oxydation und Entkohlung möglichst zu bewahren. – Die Luppen wurden mm vorsichtig unter dem Puddelhammer gezängt und zu Kolben ausgeschmiedet. Daß damals in Frantschach mit dem Puddelstahl nicht bessere Geschäfte gemacht wurden, hatte nachstehende Ursachen. Mall erwartete in Oesterreich von dem Puddelstahl eine ausgezeichnete Qualität, während man anderwärts denselben als eine geringere, weichere, aber billigere, zu vielen Zwecken sehr brauchbare Stahlsorte betrachtete und anwandte. Bei den theuren Holzkohlen und billigen Steinkohlen in Westphalen trat der Preisunterschied zwischen Schmelz- und Puddelstahl nothwendig bedeutender hervor als in Oesterreich; allein da hier die Holzkohlen immer theurer und immer mehr zur Feuerung der Puddelöfen taugliche mineralische Brennmaterialien aufgefunden werden, so wird auch die Puddelstahl-Bereitung immer wichtiger. Im J. 1849 wurden zu Eibiswald in Steyermark Versuche in einem Gaspuddelofen gemacht, aber wieder aufgegeben. – Als Hr. Tunner im Jahr 1851 von seiner Reise nach England und der Londoner Industrie-Ausstellung durch Westphalen zurückkehrte, lernte er das dortige Stahlpuddeln (beschrieben im polytechnischen Journal Bd. CXXIV S. 425) kennen und machte nach seiner Rückkehr in dem Puddelofen zu Eibiswald einige gelungene Versuche. Von dem erzeugten Stahl wurden zu Neuberg Spurkränze (tyres) ausgewalzt. Sobald die Neuberger Hütte umgebaut seyn wird, soll das Stahlpuddeln zur Anfertigung von Spurkranzstäben in schwunghaften Betrieb gesetzt werden. – Zu Steffanau und Witkowitz in Mähren soll das Stahlpuddeln auch im Gange seyn. Große Mühe, dasselbe in Kärnthen einzuführen, gibt sich der Hütteninspector des Grafen Ferd. v. Egger zu Klagenfurt, Jacob Scheließnig; er ist der Meinung, daß der Puddelstahl besser als der Brescian-Schmelzstahl, ja daß er vorzüglicher, härter und fester als Gußstahl sey – eine Ansicht, die Hr. Tunner keineswegs theilt. Auf der v. Friedau'schen Hütte zu Mautern in Steyermark ist ein eigentümliches, geheim gehaltenes Verfahren des Stahlpuddelns seit 1852 eingeführt und wird mit günstigem Erfolge im Gaspuddelofen ausgeführt. Steyermark mit seinem vorzüglichen Stahlroheisen wird ohne Zweifel in Zukunft hinsichtlich des Puddelstahls die Stellung einnehmen, welche es so lange bezüglich des Schmelzstahls behauptete, und auch Kärnthen und Krain werden nicht zurückbleiben. Hr. Tunner begründet zuvörderst seine Ansicht von der geringem Qualität des Puddelstahls. Hierbei muß im voraus bemerkt werden, daß die fragliche Qualität nur mit dem Schmelz- und dem Cementstahl verglichen werden kann, welche aus demselben Roheisen dargestellt worden sind, indem die Vorzüge eines bessern Roheisens einer jeden dieser drei verschiedenen Stahlsorten zu gute kommen. Bekanntlich wird der Herdfrisch- oder Schmelzstahl in Inner-Oesterreich wesentlich dadurch gebildet, daß das Roheisen tropfenweise in einem solchen Maaße vor der Form niedergeschmolzen wird, daß die einzelnen Tropfen am Frischboden angekommen, nur noch kurze Zeit flüssig bleiben, dann aber unter mäßigem Aufkochen, von einem dünnflüssigen Schlackenbade bedeckt, zur bereits fertigen Stahlmasse sich verbinden. Die erste Periode bis zur erlangten Bildung eines tauglichen Frischbodens ausgenommen, kann der Proceß wann immer unterbrochen werden, stets wird bei normalem Feuergang die im Herde befindliche Masse fertiger Stahl seyn. Das Innere dieser Stahlmasse enthält nur sehr wenig, in der Regel eine kaum entdeckbare Menge von der während des Processes beständig sehr flüssig gehaltenen Schlacke; diese äußerst geringe Schlackenmenge in der Stahlmasse kann bei den folgenden Ausheiz- und Schmiedearbeiten vollständig entfernt werden, ohne den Kohlegehalt des Stahls merklich zu vermindern. Gänzlich verschieden ist der Vorgang im Puddelofen. Hierbei wird und muß beständig die ganze Masse des eingeschmolzenen Roheisens geändert werden, und mehr oder weniger, besonders in den letztern Stadien, mit der Schlacke innigst vermengt, von ihr durchdrungen seyn. Nothwendig muß im Puddelofen wie im Frischherde der Proceß bis zur Schweißbarkeit des eingeschmolzenen Gutes getrieben werden, denn früher haften die einzelnen Theilchen nicht an einander. Um aus dem ganzen Einsatze einen harten, gleichartigen Stahl zu erhalten, müssen nahe genug folgende zwei Bedingungen erfüllt werden: erstens muß die ganze Masse gleichmäßig in das verlangte erste Stadium der Schweißbarkeit gebracht werden, und zweitens nach Erreichung dieses Stadiums darf in derselben keine merkliche chemische Aenderung weiter vorgehen. Um der ersten Bedingung nachzukommen, wird der Proceß durch hitziges Einschmelzen, Vermeidung der gewöhnlichen gahrenden Zuschläge und dergl. absichtlich verlängert, um desto mehr Zeit zum gleichförmigen Durchrühren zu erlangen; und da die beginnende Schweißbarkeit schon eintritt, so lange die Masse noch mit der Krücke gut durcheinander gemengt werden kann, so wird der Anforderung der Gleichförmigkeit bis zu diesem Momente um so mehr Genüge geleistet und der Augenblick des Aufhörens nach einiger Erfahrung richtig erkannt werden können, als der ganze Vorgang offen vor Augen liegt. In dieser Beziehung ist mithin die Puddelarbeit im Vortheil gegenüber der Herdfrischerei, obgleich die letztere jeden Augenblick durch rascheres Nachschmelzen des Roheisens ein Mittel an der Hand hat, selbst zu gahr gewordene Partien wieder roher zu machen. Bis hierher hat der Proceß im Puddelofen mithin wenig Schwierigkeiten; desto größer aber sind diese im weitern Verlauf, bis jede einzelne Stahlluppe zum Hammer geschafft ist. Die Schwierigkeiten rücksichtlich der zweiten Bedingung erwachsen aus dem Umstande, daß es nicht möglich ist die Einwirkung der Schlacke, von welcher die ganze Masse innig durchdrungen' ist, plötzlich aufzuheben, und die oxydirende Wirkung der unzersetzten atmosphärischen Luft ganz zu verhindern, indem diese vielleicht niemals vollkommen und sicher nicht für die ganze Dauer des weiteren Processes vom Innern des Puddelofens ausgeschlossen werden kann. Die unausbleibliche Folge dieser fortdauernden Einwirkung ist ein weiteres Fortschreiten der Entkohlung, und zwar in den äußeren Theilen mehr als in den innern, und somit ein weicher ungleicher Stahl. Ueberall, wo man das Stahlpuddeln ohne gründliche Kenntniß desselben versuchte, hat man daher entweder, wenn mit dem Rühren zu früh aufgehört wurde, rohe nicht zusammenhaftende Brocken, oder schweißende Ballen eines ungleichen eisenschüssigen Gutes, anstatt des gesuchten Mittels zwischen beiden erhalten. Um guten Puddelstahl zu erhalten, muß die Schlacke nach beendetem Rühren eine solche Zusammensetzung haben, daß ihre weitere entkohlende Wirkung auf das Kleinste gebracht, und sie zugleich sehr dünnflüssig ist. Der Puddelofen, gleichviel ob ein Gas – oder Rostofen, mit horizontalem oder geneigtem (Treppen-) Roste, muß so gebaut seyn, daß man den Zug vollkommen beherrschen und nach Belieben die unverbrannten, rauchenden Gase bei den Fugen der Arbeitsöffnung herausdrängen kann. Wird unter solchen Umständen mit der nöthigen Behendigkeit unter thunlichst gehemmtem Zuge das Luppen- oder Ballenmachen ausgeführt und jede fertige Luppe schnell zum Drücken gebracht, so kann der Stahl ziemlich gut ausfallen, allein immer noch nicht die durchschnittliche Härte des bessern Schmelzstahles erlangen, welcher während seiner ganzen Bildung nur wenig über der Gränze der beginnenden Schweißbarkeit stehen bleiben konnte, während der Stahl im Puddelofen nach erlangter Schweißbarkeit nothwendig etwas von seinem Kohlegehalt verlieren mußte. Letzterer muß überdieß auch nach dem Zangen noch mehr von eingemengter Schlacke enthalten als der Schmelzstahl, und deßhalb zwar leicht schweißen, dabei aber in der Härte wieder mehr zurückgehen, also ein gut schweißender, minder harter, für viele Zwecke gleichwohl ausgezeichneter Stahl seyn. Am meisten Schwierigkeit bei Erzeugung dieses immerhin gut zu nennenden Stahles macht die Erlangung der gewünschten Schlacke, von deren entsprechender Zusammensetzung das Gelingen des Stahlpuddelns hauptsächlich abhängt. Eine plötzliche Aenderung der Schlacke im Momente der erlangten Schweißbarkeit des Kohleneisens ist nicht möglich, sie muß daher allmählich herbeigeführt werden. Um diese Aenderung der Schlacke in die Gewalt des Stahlpuddlers zu geben, sind passende Zuschläge nothwendig, von denen nach Bedarf Gebrauch gemacht werden muß, da sich nicht ein für allemal gültige Regeln über deren Menge geben lassen. Bloß über die Art dieser Zuschläge sollen einige Worte beigefügt werden. Die Zuschläge der Stahlarbeit in Frischherden sind theils gar nicht brauchbar, wie Roheisenblatteln oder Bröckchen, theils nicht ausreichend, wie Rohschlacken oder Quarz und Thon. Von letzteren wird, namentlich bei der Darstellung des ordinärsten Puddelstahles, öfters Anwendung gemacht, noch häufiger aber werden selbe durch quarzige oder thonige Eisensteine ersetzt, die bekanntlich ebenfalls eine rohere Schlacke geben. Besser als diese wirken die dem Schafhäutl'schen Patentpulver analogen Zuschläge, Braunstein und Kochsalz. Der Braunstein in den ersteren Perioden des Rührens zugesetzt, wirkt durch seinen frei werdenden Sauerstoff wie ein Windstrom energisch auf die Abscheidung der fremden Bestandtheile, und das übrig bleibende Manganoxydul trägt zur Bildung einer dünnflüssigen Schlacke bei; das Kochsalz wirkt sonder Zweifel durch das entwickelte Chlor auf die Verflüchtigung mancher schädlichen Bestandtheile des Roheisens, während dessen Basis sich theilweise mit Thonerde verbinden dürfte und jedenfalls eine dünnflüssige Schlacke verursacht. Außerdem scheint das Natriumoxyd auch wesentlich zur Cyanbildung beizutragen, wodurch die Stahlbildung mittelst Cementation selbst nach beendeter Rührperiode mächtig befördert wird. Der zuletzt erwähnte Umstand ist von der größten Wichtigkeit, sobald es sich darum handelt, einen möglichst harten Puddelstahl zu produciren, weil die Cementation noch in jener Periode wirkt, wo alle übrigen Umstände nur auf die Entkohlung des ohnedieß schon schweißbaren Stahles influiren. Entschieden stärker in dieser Richtung als Kochsalz wirkt jedoch die Potasche durch ihren Kaliumgehalt, worüber Hr. Tunner directe Versuche bei der Cementstahlbereitung zu Eibiswald im Großen angestellt hat. Einen noch energischeren Einfluß in dieser Beziehung muß man von jenen Zuschlägen erwarten, welche selbst Cyan liefern können, wie Ochsenklauen und ähnliche thierische Abfälle, und als das allerbeste Mittel hierzu stellt sich das eisenblausaure Kali (Ferrocyankalium) dar, welches schon gebildetes Cyan enthält. In diesen Zuschlägen liegt meist das große Geheimniß der Stahlpuddler, und es ist ihnen die Geheimthuerei um so mehr zu verzeihen, da ihnen selbst bei der Neuheit, des Gegenstandes noch vieles geheim ist, und sie auf mehr oder weniger kostspielige Experimente angewiesen sind, um das zweckmäßigste Verfahren auszumitteln. Würde bei dem oben erwähnten Müller'schen Zuschlage weniger Kienruß, dafür mehr Kochsalz und etwas Potasche nebst einer nahe gleichen Menge gepulvertem Braunstein, mindestens für die am ersten einzutragenden Partien, gegeben, so dürfte dieß ein ganz vortrefflicher Zuschlag zur Erzeugung des härtesten Puddelstahls seyn. Der so mittelst des Cementationsprocesses dargestellte Puddelstahl kann allerdings von gleicher Härte mit den härteren Schmelzstahlsorten ausfallen; allein von gleicher Dichte und Reinheit an eingemengter Schlacke werden die gebrückten Puddelstahlluppen doch nie ausfallen, und darum ist Hr. Tunner der Ansicht, daß auch dieser Puddelstahl immer mehr als der Schmelzstahl zum Abstehen geneigt seyn wird. Hr. Tunner weist in dieser Beziehung auf die Thatsache hin, wie schwer es hält, ein möglichst schlackenfreies Puddeleisen zu produciren, und daß dieses hierin immer noch hinter dem bessern Herdfrischeisen bleibt. – Bezüglich der Gestehungskosten, ist nicht zu verkennen, daß bei den in neuester Zeit so sehr gestiegenen Holzkohlenpreisen der Puddelstahl billiger als der Schmelzstahl dargestellt werden kann. Indessen wer glaubt, daß der Puddelstahl in gleichem Preise oder wohl gar billiger als das Puddeleisen dargestellt werden könne, irrt jedenfalls sehr, denn die größern Kosten des erstem werden nicht sowohl durch die nöthigen Zuschläge, von denen im Ganzen nicht viel gebraucht wird, als vielmehr durch die geringere Erzeugung, die öfteren Bodenreparaturen und die unsicheren Qualitätsausfälle bedingt; es findet dabei sonach ein ähnliches Verhältniß statt, wie zwischen Stahl- und Eisengestehungskosten bei der Herdfrischarbeit.