Titel: Ueber die Ausziehung des Zuckers aus Pflanzenstoffen durch Weingeist.
Fundstelle: Band 129, Jahrgang 1853, Nr. LXVI., S. 294
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LXVI. Ueber die Ausziehung des Zuckers aus Pflanzenstoffen durch Weingeist. Aus den Verhandlungen des Vereins für Gewerbfleiß in Preußen, 1853, 1ste Liefer. Ueber die Ausziehung des Zuckers aus Pflanzenstoffen durch Weingeist. Es ist mehrseitig versucht worden, die in den Laboratorien der Chemiker und Apotheker längst bekannte und befolgte Methode, verschiedene in Weingeist lösliche Stoffe durch letztern aus Pflanzensubstanzen auszuziehen, auch auf die Zuckergewinnung aus Runkelrüben im Großen anzuwenden. Es leuchtet ein, daß zu diesem Behufe die Rüben verher zerschnitten und getrocknet werden müssen, denn nur nach Beseitigung des größten Theils des in denselben enthaltenen Wassers, ist eine Behandlung mit Weingeist möglich. Was die Trocknung der Rübenschnitte betrifft, so ist diese Operation zwar an sich einfach, aber nicht so wohlfeil, als es beim ersten Blick erscheinen möchte, da das Trocknen nur vermittelst warmer Luft erfolgt, während wenn man Saft mittelst Dampf, welcher durch im Safte gelagerte Röhren circulirt, einkocht, die Wärme weit vortheilhafter benutzt wird. Ganz davon abgesehen, ist aber noch gar manche und nicht geringe Schwierigkeit zu überwinden, welche theils im Preise des in großen Mengen erforderlichen Weingeistes, in dem selbst bei der umsichtigsten Behandlung und steten Aufmerksamkeit nicht zu vermeidenden Verlust an letzterem, in der Feuergefährlichkeit eines bedeutenden Weingeist-Vorrathes u.a.m. ihren Grund haben. Bereits vor einigen 40 Jahren nahmen Cellier-Blumenthal und Laporte ein französisches Patent auf die Gewinnung des Zuckers aus Rüben durch Alkohol, welches in der Description des brevets expirés Tom. IV pag. 161, Tom. XLIV pag. 282 enthalten ist. Die Sache fand keinen merkbaren Anklang, um so mehr, als damals die Alkoholpreise weit höher waren als in heutiger Zeit. Nach einer langen Pause trat vor etwa 12 Jahren Schützenbach mit einem gleichen Project hervor, worüber das polytechn. Journal Bd. LXI S. 383, Bd. LXIV S. 458, Bd. LXIX S. 141, 319 nähere Mittheilungen enthält. Allein es blieb bei dem Vorschlage, und statt des Alkohols lehrte Schützenbach später die getrockneten Rüben mit heißem Wasser ausziehen, nach welcher Weise die nach den Angaben des Letztern arbeitenden Fabriken verfahren haben. Ungeachtet dieser ungünstigen Ergebnisse für die Anwendbarkeit des Weingeists behufs Extraction des Zuckers, ist im vorigen Jahre von Neuem in Frankreich ein Patent auf diesen Gegenstand von Seret-Hamoir, Duquesne und Comp. genommen worden. Das Verfahren besteht, wie sich von selbst versteht, in einer Ausziehung in geschlossenen Gefäßen, um Verlust an Weingeist vorzubeugen. Der Apparat ist derselbe, auf welchen Duquesne 1845 patentirt worden. Behufs Erwärmung sind innerhalb der Gefäße Röhren angebracht, durch welche Dampf oder heiße Luft geleitet werden kann; ebenso ist eine Verbindung mit einem Kühlapparat vorhanden, von deren Zweck weiter unten. – Ist die Maceration vollbracht, so wird die weingeistige Flüssigkeit, welche außer Zucker nur wenig organische und unorganische Stoffe enthält, nachdem die geringe saure Reaction durch etwas Kalk getilgt worden, welche Operation in einem geschlossenen, mit einer Rührvorrichtung versehenen Geräth vorgenommen wird, durch ein geschlossenes Kohlenfilter geleitet und in eine Vacuumpfanne gefüllt, welche als Destillirblase dient. Die geistigen Dämpfe, welche sich bei dem Eindicken entwickeln, werden in einen Condensator geleitet und als Weingeist wieder erhalten. – Die rückständige macerirte Pflanzensubstanz enthält in den Zellen und Poren nothwendig noch Weingeist, welcher dadurch gewonnen werden soll, daß in dem Macerationsgefäße derselbe durch Erwärmung in Dampf verwandelt und dieser letztere in einem Kühlapparate niedergeschlagen wird. Um die Condensation im Kühlapparate zu befördern, soll dieser möglichst luftverdünnt gemacht werden, wozu bekannte Mittel in Vorschlag gebracht werden. Da sämmtlichesämmliche einzelne Operationen des Processes in völlig dicht verschlossenen Gefäßen vor sich gehen, so kann, nach der Annahme der Patentträger, ein Verlust an Weingeist kaum stattfinden. Sie glauben daher, daß nunmehr durch ihren Apparat und ihre Methode ein günstiger Erfolg unzweifelhaft gesichert sey, woran wir uns zu zweifeln erlauben. Bei dieser Gelegenheit dürfte auch eine Bemerkung über die versuchte Anwendung des Weingeists zum Decken des Zuckers nicht am unrechten Orte seyn. Vor länger als 30 Jahren schlug Derosne dieses Mittel vor; es wurde unter andern auch in Berlin von unserm verstorbenen Mitgliede, dem Zuckersiedemeister Gußfeld, geprobt aber sehr bald aufgegeben. Nichtsdestoweniger ist es doch später hie und da wieder versucht worden, unter andern von einem Rübenzuckerfabrikanten in Schlesien. Zu diesem Behuf muß ein hoch-procentiger Alkohol verwendet werden, damit außer dem Syrupszucker möglichst wenig krystallisirbarer Zucker aufgelöst werde; die Formen müssen dicht geschossen seyn, damit nicht zu viel Alkohol durch Verdunstung verloren gehe; hermetischer Verschluß, selbst wenn er ausführbar wäre, würde das Hindurchfließen des Alkohols durch das Zuckerbrod, wenn auch nicht geradezu unmöglich machen, dennoch erschweren. Und abgesehen vom Verlust, welches Risico hinsichtlich der Feuersgefahr? Zudem noch die Kosten der Destillation. Wir glauben daher, daß wenig Aussicht vorhanden ist, daß die Anwendung des Alkohols zu diesem Behuf sich je Bahn brechen wird.