Titel: Preise, welche die Sociéte d'Encouragement in Paris für Versuche und Untersuchungen über den Ursprung und Verlauf der Traubenkrankheit und die Mittel zu deren Verhütung und Heilung ausgesetzt hat.
Fundstelle: Band 129, Jahrgang 1853, Nr. LXXXIX., S. 387
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LXXXIX. Preise, welche die Sociéte d'Encouragement in Paris für Versuche und Untersuchungen über den Ursprung und Verlauf der Traubenkrankheit und die Mittel zu deren Verhütung und Heilung ausgesetzt hat. Aus dem Bulletin de la Société d'Encouragement, Juni 1853, S. 300. Ueber die Traubenkrankheit. Wir theilen den wesentlichen Inhalt des Programms dieser Preisaufgaben mit, welches von dem Präsidenten der Gesellschaft, Prof. Dumas, im Auftrag der vereinigten Comités für Landwirthschaft und chemische Gewerbe redigirt wurde. Die Fragen sind so gestellt, daß, wenn auch die Preise nicht errungen werden und es jedem Concurrenten nur gelingt einzelne Thatsachen in ein helleres Licht zu setzen, zu hoffen ist, daß die Vereinigung aller dieser Thatsachen ein Ganzes liefern werde, dessen Veröffentlichung einigen Nutzen verspricht. Es ist bekannt, daß die zuerst im Jahr 1845 in englischen, dann in belgischen und später in französischen Treibhäusern beobachtete Krankheit sich nachher auch in den Weinbergen der Umgebung von Paris, und indem sie jedes Jahr zonenweise Boden gewann, nach einander in den Weinbergen von Mâcon, dem südlichen Frankreich, Piemont, Italien, Spanien und dem Orient zeigte. Ihr auffallendstes Merkmal ist bekanntlich die Erscheinung eines Schimmels, Kryptogams, welcher die Traube und die Blätter des Weinstocks überfällt und sie zu Grunde richtet; dieser Schimmel verbreitet sich immer weiter vermittelst mikroskopisch kleiner Samen von der Form eines Eies, welche über glatte Flächen hinrollen und ihren Weg weithin durch die Luft nehmen, aber auf feuchten Flächen sich anhängen, auf denen sie sich, wenn sie von der Traube oder dem Blatt des Weinstocks erzeugt sind, entwickeln können. Ueber die Rolle dieses Schimmels sind die Naturforscher verschiedener Ansicht. Die einen glauben, daß der Weinstock selbst von einer Krankheit befallen wird, welche die Gewebe oder den Saft desselben entartet, und daß das Erscheinen des Schimmels nur secundärer Art, ein Symptom, aber nicht das Wesen des Uebels sey. Andere, und zwar die Mehrzahl, betrachten den Schimmel als die eigentliche Ursache der Krankheit. Sie sagen nicht, derselbe entwickle sich auf den Weinstöcken und pflanze sich darauf fort, weil diese schwach, kraftlos, krank sind, wie bekanntlich viele Schmarotzergeschöpfe sich eines Organismus bemächtigen, der dann dahinsiecht und abstirbt; sie behaupten im Gegentheil, daß der Weinstock in vollster Gesundheit die Samen- (oder Keim-) körperchen des Schimmels aufnehmen könne, und daß diese, wenn sie auf die jungen Trauben und die jungen Triebe fallen, sich auf Kosten derselben entwickeln, ihr Wachsthum hemmen, ihre Säfte verderben, ihre Gewebe entarten, sie unfruchtbar machen und tödten. Nach dieser letztern Ansicht braucht man nur die Entwickelung des Schimmels zu verhindern, die Keimkörnchen zu vertilgen, um die Krankheit aufzuheben. Sollte aber dieser Schimmel eine Species seyn, welche in den Ländern, wo der Weinstock schon seit Jahrhunderten angebaut wird, der Beobachtung entging? Ist er nicht wahrscheinlicher eine besondere Race von einem auf andern Pflanzen lebenden Schimmel, welcher, unfähig auf dem im Großen gebauten Weinstock zu keimen, sich gewöhnt hat unter den besondern Umständen der erzwungenen Cultur des Weinstocks in Treibhäusern auf dessen Kosten zu leben? Sollten vielleicht die feuchten und warmen Treibhäuser, in welchen der Weinstock in kältern Ländern gezogen wird (ohne eine Species auf dem Wege der generatio spontanea schaffen zu können) im Stande seyn eine bekannte, auf andern Pflanzen lebende Species zu modificiren und sie in eine neue Race umzugestalten, welche den Weinstock zu Grunde zu richten vermag? Offenbar ist die Lösung dieser Frage in Verbindung mit der Naturgeschichte des Oïdium in allen Stadien seines Lebens von großer Wichtigkeit. Die Gesellschaft nimmt alle Arbeiten an, welche sich die Auffindung eines Verhütungs- oder Heilmittels der Krankheit zur Aufgabe stellten. Vor allem wünscht sie, daß die Frage der schwankenden Lage entzogen wird, worin sie sich jetzt noch befindet, indem man bald sagt, daß der Weinstock krank sey und das Oïdium nur zufällig Hinzutrete, bald, daß das Erdreich erschöpft sey; bald, daß es Insecten seyen, welche die Trauben verzehren, und daß das Oïdium sich nur auf ihren Wunden festsetze, bald wieder, daß das Uebel vom Regen, vom Nebel oder sonst einer Naturerscheinung herrühre. Der Weinbauer, dadurch verwirrt, versucht von Allem etwas und läßt, ohne großes Vertrauen, bei der Wahl seines Hülfmittels gegen die Krankheit, wie bei einem Lotterieloos den Zufall walten. Jedenfalls ist es höchst wahrscheinlich, daß das Oïdium die wahre Ursache der Krankheit ist; man gehe daher bei der Wahl der Mittel von dieser Annahme aus und versuche alle diejenigen welche notorisch dem Schimmel schädlich sind. Man empfiehlt den Bewerbern insbesondere die Beachtung des schon erprobten Schwefels und der Sulfuride sowie der flüchtigen Oele, beide als natürliche Feinde jedes Schimmels bekannt. Vorzüglich wird gewünscht, daß man versucht, an den Fuß der Reben Dünger oder Gemenge zu bringen, welche schwefelwasserstoffsaures Ammoniak entwickeln können, oder selbst Bayle's rauchende Flüssigkeit, um die Weinstöcke beständig in eine Schwefelwolke eingehüllt zu erhalten. Hinsichtlich der flüchtigen Oele sind die Weinstöcke besonders zu beobachten, welche nahe bei starkriechenden Pflanzen stehen, wie bei Rosmarin, Salbey, Lavendel, Thymian, Quendel, Raute, Lorbeer, Orange und grünen Bäumen, ebenso ist der Einfluß der Nachbarschaft von Gasanstalten, von Holzsäure- und Kautschuk-Fabriken zu beobachten. Ferner werden Versuche mit Riechstoffen verlangt, z.B. daß an den Fuß der Rebstöcke Theer von der Leuchtgasbereitung, Blätter von harzigen Holzarten, an flüchtigen Oelen reiche Pflanzen gelegt werden. Auch soll man versuchen, um die Weinstöcke herum Oele von der Destillation der Steinkohlen, des Schiefers, Torfs und Holzes, sowie Steinöl zu verbreiten, oder solche auf den Weinstöcken selbst, jedoch in geringer Menge, mit Wasser und Luft zu Nebel zertheilt, zu verbreiten. Seifenwasser, auf dieselbe Art angewandt, verspricht ebenfalls Erfolg; besonders verdient die Auflösung sehr harzreicher Seife versucht zu werden. Ferner wünscht man die Wirkung ähnlicher Besprengungen mit Wachs oder Terpenthin in Form einer Emulsion oder enkaustischen Flüssigkeit kennen zu lernen; denn es scheint, daß wenn die Oberfläche der Trauben oder des Blattes mit einem fetten oder harzigen Körper überzogen werden könnte, sie den Samenkörnchen des Oïdium schwer zugänglich wäre. Die Treibhäuser anbelangend, ist einerseits zu bemerken, daß sie sich ganz besonders zur Beobachtung des Oïdium und zu Versuchen über die Möglichkeit der beliebigen Ansäung und Inoculirung desselben eignen; solche Versuche sind sehr wünschenswerth, denn wenn man das Erscheinen und die Entwickelung der Krankheit in der Gewalt hätte, so könnten leicht alle erforderlichen Versuche zu ihrer Bekämpfung angestellt werden. Andererseits wird aber auch die Angabe eines guten Mittels gewünscht, um die Treibhäuser vor der Krankheit zu schützen, und es fragt sich insbesondere, welche polizeilichen Maaßregeln den Besitzern von Treibhäusern, in denen Weincultur getrieben wird, vorgeschrieben werden könnten, um die Wiederkehr des Oïdium bei der erzwungenen Cultur des Weinstocks zu unterdrücken. Nachdem wir hier die Motivirung untenstehender Fragen soweit mitgetheilt haben, als wir dieß für nothwendig erachteten, bemerken wir noch, daß die auf ihre Lösung gesetzten Preise ansehnlicher ausgefallen wären, wenn die Gesellschaft im Augenblick über größere Mittel verfügen könnte, und andererseits nicht beabsichtigt worden wäre jeden Verzug zu vermeiden, um den Weinbergbesitzern noch hinsichtlich ihrer Ernte im Jahr 1854 nützlich werden zu können. Ausgesetzte Preise. I. Ein Preis von dreitausend Franken dem Verfasser der besten Arbeit über die Natur der den Weinstock befallenden Krankheit. II. Ein Preis von dreitausend Franken dem Erfinder des wirksamsten Verhütungs- oder Zerstörungsmittels der Krankheit des Weinstocks. III. Ermunterungspreise, und zwar drei, jeder von tausend Franken, und sechs, jeder von fünfhundert Franken, für die Verfasser der besten Abhandlungen über folgende Gegenstände: 1) Ursprung der Krankheit und ihr Verlauf) dem Aufsatz sollten Karten beigegeben werden, welche ihren jährlichen Fortschritt darstellen; 2) Entdeckung eines Mittels, das Oïdium nach Belieben anzusäen oder es zu inoculiren; 3) Entdeckung der für die Ueberwinterung des Oïdium geeigneten Umstände; 4) genaue und mit glaubwürdigen Belegen versehene, geschichtliche Darstellung der durch die Anwendung der verschiedenen Düngerarten erreichten Wirkungen, insbesondere jener Dünger, welche schwefelhaltige Dünste ausgeben. 5) Angabe der Veränderungen, welche die Krankheit je nach den Rebensorten, dem Clima, der Lage der Weinberge, dem Boden und den meteorologischen Umständen darbietet; 6) genaue und mit glaubwürdigen Belegen versehene, geschichtliche Darstellung der negativen sowohl als positiven Wirkungen, welche durch die bis jetzt vorgeschlagenen und versuchten Heilmittel erzielt wurden; 7) Untersuchung des Einflusses welchen bezüglich der Krankheit auf den Weinstock die ihm nahestehenden Pflanzen oder Bäume haben, insbesondere die an flüchtigen Oelen reichen und stark riechenden; 8) Erfindung leicht anwendbarer Vorrichtungen, um bei dem Weinstock Waschungen, Tropf- oder Gieß-Bäder, und Nebel- oder Staubbader anwenden zu können; 9) Angabe der Maaßregeln, welche die Behörden vorschreiben könnten, um die Treibhäuser gegen die Krankheit zu schützen und die Verheerungen durch dieselbe auch in freien Weingärten zu begränzen. Die Bewerbung ist mit dem 31 December 1853 geschlossen und die Preise werden in der allgemeinen Sitzung der Gesellschaft im Jahr 1854 zuerkannt.