Titel: Ueber die Filtration der Luft in Beziehung auf Fäulniß und Gährung.
Fundstelle: Band 132, Jahrgang 1854, Nr. LXXXVI., S. 295
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LXXXVI. Ueber die Filtration der Luft in Beziehung auf Fäulniß und Gährung. Ueber die Filtration der Luft in Beziehung auf Fäulniß und Gährung. Die HHrn. Prof. H. Schröder und Dr. Th. v. Dusch in Mannheim, haben unter diesem Titel eine Abhandlung in den Annalen der Chemie und Pharmacie, Februarheft 1854, S. 232–243 veröffentlicht. Wir theilen darnach im Folgenden die Resultate mit, welche ihre interessanten Versuche über den Einfluß der Luft auf die Gährung und Fäulniß bis jetzt geliefert haben. Die Verfasser beginnen damit, die wesentlichen Thatsachen zusammenzustellen, welche sowohl über Gährung und Fäulniß, als über Filtration der Luft bekannt sind: „Im Jahre 1837 hat Dr. Th. Schwann in Berlin eine Reihe von Versuchen mitgetheilt,Poggendorff's Annalen Bd. XLI S. 184. aus welchen hervorgeht, daß eine frisch abgekochte Infusion von Muskelfleisch nicht in Fäulniß übergeht, und daß Weingährung in einer frisch abgekochten, vorher gährungsfähigen Flüssigkeit nicht eintritt, wenn man nur solche Luft hinzutreten läßt, welche vorher ausgeglüht worden ist. Es ist durch diese Versuche festgestellt worden, daß bei der Weingährung, bei der Fäulniß von Muskelfleischinfusion und ebenso bei der Schimmel- und Infusorienbildung nicht der Sauerstoff, wenigstens nicht allein der Sauerstoff der Luft es ist, welcher dieselben veranlaßt, sondern ein in der atmospärischen Luft enthaltener, durch Hitze zerstörbarer Stoff. Schwann hält es für wahrscheinlich, daß Gährung und Fäulniß durch von der Luft zugeführte mikroskopische Keime von Gährungspilzen und Infusorien eingeleitet werden, welche dann auf Kosten der gährenden oder respective faulenden Substanz fortwachsen und sich vermehren, und so den einmal begonnenen Proceß unterhalten. Diese in der frischen Luft enthaltenen Keime werden aber durch Ausglühen der Luft zerstört. Aehnliche Versuche mit ähnlichem Erfolge haben Ure und Helmholtz ausgeführt. – Andererseits hat schon Rigaud de l'Isle aus seinen Studien der miasmatischen Einflüsse der Pontinischen Sümpfe das Resultat gezogen, daß ein zwischenliegender Wald gegen diese schädlichen Einflüsse schützt.In seiner Abhandlung „über den Einfluß des bewaldeten und des nicht bewaldeten Bodens auf das Klima“ sagt Becquerel (polytechn. Journal Bd. CXXVII S. 459): „ein Wald, welcher den Zug eines feuchten, mit pestartigen Miasmen beladenen Luftstroms unterbricht, schützt manchmal alles, was hinter ihm liegt, gegen die Wirkungen dieses Luftstroms, während die frei vor ihm liegenden Strecken Krankheiten ausgesetzt sind. Die Bäume sieben also die inficirte Luft und reinigen sie, indem sie ihr die Miasmen entziehen.“ Endlich hat Löwel im vorigen Jahre eine Reihe merkwürdiger Versuche über die Krystallisation einer übersättigten Lösung von Glaubersalz mitgetheilt, und unter anderem nachgewiesen, daß eine solche Lösung, welche, wenn sie mit frischer atmosphärischer Luft in Berührung tritt, fast augenblicklich krystallisirt, gegen diesen Einfluß der Luft geschützt ist, wenn die Luft vorher durch eine Schicht Baumwolle filtrirt worden ist.“ Diese Thatsachen im Zusammenhang führten Einen der Verfasser auf die Vermuthung, daß eine frisch abgekochte organische Substanz in gehörig filtrirter Luft (welche von mikroskopischen Infusorien-Keimen befreit ist) gegen den Eintritt der Fäulniß oder Gährung geschützt seyn würde. Um diese Vermuthung auf die Probe zu stellen, haben die Verfasser eine Reihe von Versuchen ausgeführt, wobei sie als Filtrationsmittel Baumwolle anwandten, weil von dieser bekannt ist, daß sie ansteckende Krankheitsmiasmen auf ihrer Oberfläche zurückzuhalten und weithin zu verschleppen geeignet ist. Das Hauptergebniß dieser Untersuchung ist, daß die filtrirte Luft sich wie die ausgeglühte Luft verhält; sie ist unfähig die Gährung oder Fäulniß einzuleiten. Das von den Verfassern angewandte Filter besteht in einem Glasrohr von etwa einem Zoll Durchmesser und 20 Zoll Länge, welches lose mit Baumwolle gefüllt ist, die vorher einige Zeit im Wasserbade erwärmt wurde. Der Filtrationsapparat besteht in einem Glaskolben, welcher luftdicht mit einem in heißem Wachs getränkten Korke verschlossen ist, durch den zwei unter rechtem Winkel gebogene Glasröhren gehen; die eine dieser Röhren wird mit dem einen Ende des Filters (mittelst einer kurzen Glasröhre) verbunden. Die zweite Röhre dient als Aspirator; sie reicht im Kolben fast bis auf das Niveau der Probesubstanz hinab und ist mit einem Gasometer luftdicht in Verbindung gesetzt. Der Glaskolben enthält die gährungsfähige Substanz (Fleischbrühe mit Fleisch, Malzwürze u.s.w.); nachdem man sich überzeugt hat, daß alle Verbindungen luftdicht hergestellt sind, erhitzt man die im Kolben befindliche Substanz bis zum Kochen und erhält sie so lange im Sieden, bis die verschiedenen Verbindungsröhren heiß geworden sind; dann versichert man sich wiederholt, daß alle Verbindungen luftdicht sind, und regulirt den Hahn des Aspirators so, daß das Wasser tropfenweise ausfließt. a) Der erste Versuch wurde mit Fleisch gemacht, welchem Wasser zugesetzt war. Zur Controle wurde in einem zweiten Kolben Fleisch mit Wasser ebenfalls abgekocht und dasselbe offen neben den Filtrationsapparat hingestellt. Das Fleisch und die Fleischbrühe in dem offenen Probekolben fing schon in der zweiten Woche an, einen unerträglichen Fäulnißgeruch zu entwickeln und mußte deßhalb aus dem Laboratorium entfernt werden. In dem Kolben hingegen, durch welchen bloß filtrirte Luft gelangte, sah der Inhalt nach 24 Tagen völlig unverändert aus; es zeigte sich keine Spur von Geruch, beim Erwärmen aber der reine und charakteristische Geruch frischer ungewürzter warmer Fleischbrühe. b) Ein wiederholter Versuch würde bei wärmerer Jahreszeit begonnen; die Behandlung war die gleiche, nur wurde die filtrirte Luft während der Nacht nicht erneuert; der Versuch dauerte 24 Tage und das Resultat war ganz dasselbe. c) Bei einem dritten Versuch wurde das Baumwollfilter weggelassen, nämlich ein Kolben mit ebenso behandeltem Fleisch mit einem in Wachs getränkten Kork versehen, durch welchen eine etwa einen Schuh lange und eine Linie weite offene Glasröhre eingefügt war, um den Zutritt der frischen Luft zu verzögern. Auf der Fleischbrühe in diesem Kolben mit engem Glasrohr wurden nach 9 Tagen kräftig wuchernde Schimmelbildungen wahrgenommen. Nach 19 Tagen geöffnet, stieß er nur mulstrigen Schimmelgeruch aus, noch nicht den Geruch des faulen Fleisches. d) In einem vierten ähnlichen Kolben wurde Fleisch mit Wasser abgekocht und noch heiß mit einem losen Baumwollenpfropf versehen, über welchen ein größerer Baumwollenwulst übergestülpt und an den Hals des Kolbens mit Seidenschnur befestigt wurde. In diesen Kolben mußte schon während der Abkühlung frische Luft durch die Baumwolle nachfiltriren. Dieser Kolben, in welchen nur filtrirte Luft gelangen konnte, wurde ebenfalls nach 24 Tagen geöffnet. Es ließ sich an dem Fleisch weder Schimmelbildung noch sonst eine auffallende Veränderung erkennen; nur schien dasselbe an einzelben Stellen (wie auch im Versuch b) ein weißlicheres Aussehen bekommen zu haben, wenigstens war den Verfassern dasselbe von Anfang nicht aufgefallen. Die Flüssigkeit welche das Fleisch umgab, besaß alle Eigenschaften der frischen ungewürzten Fleischbrühe und röthete, wie solche, das Lackmuspapier schwach. Durch diese Versuche ist daher festgestellt, daß mit Wasser frisch abgekochtes Fleisch nicht fault, und daß frisch gekochte Fleischbrühe während mehrerer Wochen völlig unverändert bleibt, wenn nur solche Luft Zutritt hat, welche vorher durch Baumwolle filtrirt worden ist. Uebereinstimmende Resultate wurden mit süßer gährungsfähiger Malzwürze erhalten; die Versuche, welche im Sommer angestellt wurden, dauerten stets 24 Tage; in dem offen gebliebenen Controlkolben hatte schon nach 8 Tagen Schimmelbildung begonnen und die Flüssigkeit desselben trübte sich, während diejenige, welche nur mit filtrirter Luft in Berührung kam, vollkommen klar und schimmelfrei blieb. Als man aber die Baumwolle aus dem Rohr nahm, so daß letztere nach 24 Tagen vollkommen klar und unverändert gebliebene Flüssigkeit mit der freien Luft in Berührung kam, trat die Schimmelbildung bald ein; sie begann genau an der Stelle auf welche die nicht filtrirte Luft traf. Auf frisch abgekochte Milch zeigte dagegen unter gleichen Umständen die filtrirte Luft keinen Einfluß; sie verzögerte das Gerinnen derselben nicht; nach längerer Zeit trat auch der stinkende Geruch des faulenden Käsestoffs gleichzeitig wie in der an offener Luft stehenden Milch ein; nur die Schimmelbildung auf der Oberfläche der Misch war durch die Filtration der Luft verhütet. Ebenso gaben alle Versuche mit bloßem, in einem Kolben im Wasserbade erhitzten Fleisch, welchem kein Wasser zugesetzt wurde, wenn der Kolben noch heiß mit einem Baumwollenpfropf verschlossen und mit einem dickeren Baumwollenwulst überbunden wurde, nur negative Resultate; das Fleisch wurde ebenso schnell stinkend, als eben so behandeltes im offenen Kolben. Der einzige Unterschied war, daß die grünlichbraune Flüssigkeit, welche sich in dem offenen Kolben um die faulenden Fleischstückchen sammelte, unter dem Mikroskop von Infusorien wimmelte, während in der ähnlichen Flüssigkeit des Fleisches, welches in filtrirter Luft faulte, Infusorien nicht mit Sicherheit zu erkennen waren. Die Verfasser glauben jedoch, daß bei diesen Versuchen das Fleisch nicht hinreichend bis in seine inneren Theile erhitzt werden konnte, und daß die Versuche daher in anderer Weise wiederholt werden müssen. „Es scheint sich herauszustellen, bemerken die Verfasser schließlich, daß es freiwillige Zersetzungen organischer Substanzen gibt, wie das Faulen von Fleisch ohne Wasser und des Käsestoffs der Milch, ferner die Verwandlung des Milchzuckers in Milchsäure in der Milch, welche zu ihrem Beginne lediglich des Sauerstoffs der Luft bedürfen; und daß es andere Gährungs- und Fäulnißerscheinungen gibt, welche mit jenen mit Unrecht in Eine Kategorie gestellt worden sind, wie die Gährung von Malzwürze und das Faulen von Fleisch unter Fleischbrühe, welche zu ihrem Beginne außer dem Sauerstoffe auch noch jene unbekannten Beimischungen der atmosphärischen Luft erfordern, welche nach Schwann's Versuchen durch Erhitzen der Luft (nach obigen Versuchen durch Filtration derselben über Baumwolle) aus ihr entfernt werden können. Es wird zu untersuchen seyn, ob gewisse Filtrationssubstanzen nicht die Eine Art von Gährungs- oder Fäulnißerscheinungen hemmen können, während sie die andere nicht zu hindern im Stande sind, und es werden sich vielleicht die Filtrationsmittel selbst (Kohle, Schwefelblei, Bimsstein, Gyps u.s.w.) hiernach in verschiedene Classen bringen lassen.“