Titel: Ueber die Temperaturen des Bodens im Vergleich mit jenen der Luft; von den HHrn. Malaguti und Durocher.
Fundstelle: Band 133, Jahrgang 1854, Nr. CXIII., S. 455
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CXIII. Ueber die Temperaturen des Bodens im Vergleich mit jenen der Luft; von den HHrn. Malaguti und Durocher. Aus dem Moniteur industriel, 1854, Nr. 1855. Ueber die Temperaturen des Bodens im Vergleich mit jenen der Luft. Das von Hrn. Rozet aufgestellte Gesetz, demzufolge die Temperatur der Erdoberfläche den Tag über eine höhere als diejenige der Luft ist, und vom Aufgang der Sonne bis 2 Uhr 30 Minuten Nachmittags zunimmt, ist im Allgemeinen im Sommer richtig, mit Ausnahme des Zeitpunkts der höchsten Temperatur, welcher je nach der Tiefe veränderlich ist und an der Oberfläche in der Regel etwas vor 2 Uhr 30 Min. eintritt. Im Winter aber trifft das Gesetz nicht mehr ein; so erhielten wir als Resultate mehrerer Reihen, im November, December, Januar und Februar zu Rennes angestellter Beobachtungen, in der Tiefe von 3 Millimetern Temperatur-Maxima, welche um 0,20 bis 1,70 Grad C. niedriger waren, als diejenigen der Luft. Vom Monat März an begannen aber die höchsten Temperaturen an der Erdoberfläche diejenigen der Luft wieder zu übersteigen. Ferner sind im Winter, wo die Maxima der Erdoberfläche niedriger als diejenigen der Luft sind, die Minima des Bodens gewöhnlich nicht so niedrig als diejenigen der Luft. Auch noch eine andere Beschränkung trifft die von Hrn. Rozet aufgestellte Regel: daß nämlich die Maxima der Erdoberfläche diejenigen der Luft nur an den Punkten übersteigen, welche den Sonnenstrahlen direct ausgesetzt sind; wo dieß nicht der Fall ist, findet das Gegentheil statt. So ergaben uns siebentägige Beobachtungen im April 1852 folgende mittlere Maxima: Für die Luft 18°,77 C. Für die Erdoberfläche (in 3 Millimeter Tiefe)     1) im Schatten einer gegen N. N. O. gelegenen Mauer 12°,41     2) an einer nicht beschützten Stelle 27°,84     3) am Fuß einer gegen S. S. O. gelegenen Mauer 32°,19 Wir wollen nun die mittlern Temperaturen betrachten, welche in physischer und agronomischer Hinsicht von größerer Wichtigkeit sind, als die höchsten. Wir haben zuerst nachgewiesen, daß die mittlere Temperatur der obern Theile eines vor den Sonnenstrahlen nicht geschützten Bodens bis auf eine Tiefe von mehr als 20 Centimetern beträchtlich höher als diejenige der Luft ist, und zwar nicht nur für das gesammte Jahr überhaupt, sondern auch für jeden Monat und jeden Tag in unserm Klima. Ferner nimmt der Ueberschuß der Temperatur, welche der Boden in Vergleich mit der Luft hat, von der Oberfläche angefangen, ab. Jenes Gesetz haben wir ermittelt, indem wir als mittlere Temperatur der Luft entweder die Temperatur um 9 Uhr Morgens oder das Mittel aus dem Maximum und dem Minimum nahmen. Bei zahlreichen Beobachtungsreihen, wovon jede mehrere Tage umfaßt, und welche sich auf alle Jahreszeiten erstrecken, fanden wir das Mittel vom Maximum und Minimum der Bodentemperatur in 3 Millimeter Tiefe, constant höher als die Temperatur der Luft.Wenn der Boden mit Schnee bedeckt ist, kann seine mittlere Temperatur sehr wohl niedriger seyn, als diejenige der Luft; dieß muß bei beginnendem Thauwetter nothwendig stattfinden. Der geringste Ueberschuß war 0°,77 C. (bei einer Versuchsreihe im Monat December 1852), und der größte Ueberschuß war 6°,26 C., nicht an einem einzelnen Tag, sondern bei einer Reihe von sechs Tagen im Monat September 1851; im Allgemeinen sind die Ueberschüsse im Winter am geringsten, auch sind sie bei wolkenbedecktem Himmel geringer als zu der Zeit wo der Himmel heiter ist. In der Tiefe von 10 Centimetern ergaben unter zwanzig Beobachtungsreihen nur drei (im December 1850, Januar und Mär; 1852) die (aus dem Maximum und Minimum abgeleitete) mittlere Temperatur niedriger, als diejenige der Luft. Die größte Differenz betrug – 1°,04 C., zu einer Zeit wo das Wetter trüb war. Ferner ist die mittlere Temperatur in 10 Centim. Tiefe selten höher als diejenige der Oberfläche des Bodens; nur an kalten Tagen tritt dieser Fall ein; so überstieg bei einer sechstägigen Reihe von Beobachtungen im Februar 1853, wo die mittlere Temperatur der Luft – 1°,15 C. war, die Temperatur des Bodens, in 10 Centim. Tiefe, diejenige der Oberfläche um 1°,04, und diejenige der Luft um 3°,19. Dennoch betrug für unsere sämmtlichen Versuchsreihen zusammengenommen der mittlere Ueberschuß der Temperatur des Bodens, in 3 Millimeter Tiefe, gegen diejenige in 10 Centim. Tiefe, 1°,60, und der Ueberschuß dieser letztern gegen diejenige der Luft ungefähr ebensoviel. In der Tiefe von 20 Centim. war die mittlere Temperatur um 0°,20 niedriger als in 10 Centim. Tiefe. Man ersieht hieraus, daß die unserm Erdball von der Sonne zugesandte Wärme sich vorzüglich in der äußersten Erdrinde concentrirt, wo sie sich so anhäuft, daß die mittlere Temperatur der Oberfläche um beiläufig 3° über diejenige der Luft erhöht wird. Von der Oberfläche abwärts nimmt die mittlere Temperatur des Bodens ziemlich rasch ab; ihre Abnahme in der Tiefe wird jedoch unter 10 Centimetern eine sehr langsame, was wahrscheinlich bis auf einige Meter Tiefe fortdauert, von wo an die Temperatur bekanntlich im Verhältniß von 1° C. auf 30 Meter Tiefe steigt. Die Zahlen welche wir hier für die Differenzen zwischen den Temperaturen des Bodens in verschiedenen Tiefen und der Temperatur der Luft angegeben haben, können nur als annähernde und von den Verhältnissen, unter welchen wir unsere Beobachtungen angestellt haben, bedingte betrachtet werden; je nach dem Klima, der Beschaffenheit des Bodens und der mehr oder weniger großen Anzahl von Beobachtungen, die man zusammenstellt, werden sich die Resultate modificiren. Dessen ungeachtet stellen unsere Beobachtungen die sowohl in physikalischer als in landwirtschaftlicher Hinsicht interessante Thatsache fest, daß die von der Sonne gegen unsern Erdball ausgestrahlte Wärme sich im obern Theil des Bodens anhäuft, hauptsächlich in der einige Centimeter dicken Schicht, in welche die Wurzelfasern der Gewächse eindringen; sie spielt da eine wichtige Rolle, indem sie das Aufsteigen der nährenden Flüssigkeiten in den Pflanzengefäßen hervorruft. Diese Erscheinung der Wärme-Concentration steht ohne Zweifel in Zusammenhang mit der Veränderung, welche die leuchtende Wärme der Sonne erfährt, wenn sie in den Boden eindringt und sich daselbst in dunkle Wärme verwandelt, welche nur schwierig mehr durch die darüber liegende Luftschicht entweichen kann. Dieselbe Ursache erhöht auch bekanntlich die Temperatur gewisser Flüsse (Loire und Loir, nach Hrn. Renou) über die mittlere Luftwärme. Nach unseren Beobachtungen scheint der Ueberschuß der Temperatur der Erdoberfläche über diejenige der Luft noch größer zu seyn als bei den fließenden Wässern. Die höhere Temperatur des Bodens macht auch eine Thatsache begreiflich, welche noch nicht ganz befriedigend erklärt werden konnte, – daß nämlich die mittlere Temperatur der Quellen höher ist, als diejenige der Luft. In einer zweiten Abhandlung werden wir die Differenzen in der Temperatur verschiedener Bodenarten je nach ihrer mineralogischen Zusammensetzung, ihrer Lage und dem Zustand ihrer (nackten oder mit Rasen überzogenen) Oberfläche besprechen.