Titel: Ueber eine Locomotive mit Brennmaterial-Ersparung; von Hrn. Joseph Beattie zu London.
Fundstelle: Band 135, Jahrgang 1855, Nr. VI., S. 17
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VI. Ueber eine Locomotive mit Brennmaterial-Ersparung; von Hrn. Joseph Beattie zu London. Aus dem London Journal of arts, Octbr. 1854, S. 285. Vortrag desselben im Institut der mechanischen Ingenieure zu Birmingham. Beattie, über eine Locomotive mit Brennmaterial-Ersparung. Die Brennmaterial-Ersparung bei dem Locomotiv-Betriebe ist ein sehr wichtiger Gegenstand für das Eisenbahnwesen und hat schon seit Jahren bedeutende Aufmerksamkeit auf sich gezogen; allein zu keiner Zeit seit Einführung der Eisenbahnen war der Gegenstand von solcher Wichtigkeit als jetzt, weil bei der starken Nachfrage nach Steinkohlen deren Preise sehr steigen. Der Verfasser, bei einer Londoner Bahn betheiligt, welcher die Kohlen sehr hoch zu stehen kommen, beschäftigte sich mit der Brennmaterial-Ersparung bei den Locomotiven und mit der Dampferzeugung zu den geringsten Kosten. Dieser Zweck schien ihm dadurch erreichbar zu seyn, daß man Steinkohlen in einem Feuerkasten verbrennt, welcher mit dem gewöhnlichen Kohks-Feuerkasten der Locomotive in Verbindung steht. In dieser Ansicht wurde er durch Beobachtung des Betriebes der Verkohkungsöfen bestärkt, aus denen eine große Menge von Flammen und brennbaren Gasen ganz unbenutzt in die Essen entweicht; wenn man weiß, daß zur Gewinnung einer Tonne Kohks 1 1/2 Tonnen guter Backkohlen erforderlich sind, so hat man einen Begriff von der Menge der aus diesen entwickelten brennbaren Gase. Um die Vortheile zu realisiren, welche durch Benutzung von Steinkohlen in Verbindung mit Kohks bei der Dampferzeugung in Aussicht standen, hielt der Verf. nachstehende Einrichtung für zweckmäßig: Steinkohlen und Kohks werden in getrennten Oefen benutzt, welche eine solche Einrichtung haben, daß die aus den Steinkohlen sich entwickelnde Flamme und brennbaren Gase in den Ofen mit Kohksfeuer einziehen und über letzteres wegströmen; durch kurze Röhren treten sie dabei in eine Verbrennungskammer, welche zum Theil mitten zwischen zwei Reihen von Röhren in dem cylindrischen Theil des Kessels vorhanden ist; in dieser Verbrennungskammer wird die vollständige Verbrennung bewirkt. Diese Erfindung wurde bei einigen Locomotiven der London-Südwest-Bahn angewandt und die dabei erlangten Resultate als sehr genügend befunden. Eine derselben, die „Britannia“, mit Cylindern von 15 Zoll Durchmesser, 21 Zoll Kolbenhub und mit 7füßigen Triebrädern, war seit August 1853 im Betriebe und hat zwischen Southampton und London, auf der 78 3/4 engl. Meilen langen Bahn, mit der Geschwindigkeit der gewöhnlichen Personenzüge, 13600 englische Meilen durchlaufen. Der mittlere Verbrauch betrug 17 Pfd. per engl. Meile und bestand aus einem Drittel Steinkohlen und zwei Drittel Kohks (nach dem Gewicht). Ein genauer Versuch wurde am 26. October 1853 von Hrn. Eduard Wood mit dem Personenzuge zwischen den genannten Orten und ein anderer von Hrn. W. P. Marshall mit derselben Locomotive die einen Eilzug führte, zwischen denselben Stationen, hin und zurück, am 17. Januar 1854, angestellt. Die Details dieser Versuche sind in der nachstehenden Tabelle mitgetheilt:      1853,am 26. Octbr.         1854,am 17. Januar. Länge der doppelten Fahrt, mit Wagenzug.       Meilen    157 1/2     157 1/2     „       „        „            „        „   Maschine            „    161 1/2     161 1/2 Abfallende Fahrt, durchschnittl. Wagenzug.      Wagen      12,8       11,2         „             „     mittlere Geschwindigkeit:                                                        Meilen in der Stunde      31,4       28,3        „              „     Anzahl der Haltpunkte        8         8 Steigende Fahrt,  durchschnittl. Wagenzug.       Wagen      18,5       19,3        „         „         mittlere Geschwindigkeit:                                                        Meilen in der Stunde      29,4       27,5        „         „         Anzahl der Haltpunkte        7         7 Gesammtverbrauch von Kohks                         Centner      16       18               „                  „   Kohlen                             „        8         8 1/4               „                per Meile mit Wagenzug:                                                           Pfunde per Meile      17,1       18,6               „                  „       „   mit der Maschine     „      16,7       18,2 Verdampftes Wasser von 1 Pfd. Brennmaterial, Pfund        8,3         8,1      1853,am 26. Octbr.         1854,am 17. Januar. Durchschnittlicher Dampfdruck, abfallende Fahrt:                                                           Pfunde per Meile        105            „                        „          steigende Fahrt:                                                           Pfunde per Meile        100 Größter Druck während der Fahrten        128 Geringster  „        „        „            „           (die letzten 10 Meilen weggelassen)          82 Mittlerer Druck bei einer 17 Meilen langen Steigung    von 1/250, zwischen Bishopstoke and Basingstoke        122 Die Wirkung der Steinkohlen- und der Kohks-Feuerkasten ist folgende: Der Kohlen-Feuerkasten ist an dem hintern Theil des gewöhnlichen Feuerkastens der Locomotive und zum Theil auch unter der Fußplatte angebracht. Der Wasserraum dieses Kastens steht mit demjenigen des Kohks-Feuerkastens, durch zwei Röhren am Boden und durch zwei am Deckel, in Verbindung. Die sich vom Kohlenfeuer entwickelnden Flammen und Gase strömen in den Kohks-Feuerkasten durch Röhren welche innerhalb des zwischenliegenden Wasserraums angebracht sind. Zur Beförderung der Verbrennung der Gase, indem man mehr Zeit zur bessern Mischung läßt, ist eine gekrümmte Brücke aus feuerfesten Ziegeln, die eine Art Verbrennungskammer bildet, in dem Kohks-Feuerkasten angebracht und zwar vor den Röhren, welche von dem Steinkohlen-Feuerkasten herkommen; diese Brücke verzögert die Geschwindigkeit der Flammen bei ihrem Uebergange über die Oberfläche des Kohksfeuers. Der Steinkohlen- und der Kohks-Feuerkasten sind jeder mit einem besondern Aschenkasten und mit dicht schließenden Registern (Schiebern) versehen, so daß der Zug in jedem Feuerkasten sehr genau, und unabhängig von dem andern, regulirt werden kann. Der Schieber des Kohks-Feuerkastens wird gewöhnlich fast gänzlich geschlossen gehalten und nur bei Zügen von 20 bis 24 Wagen etwa 1 1/2 Zoll geöffnet; dagegen ist der Schieber des Steinkohlen-Feuerkastens gewöhnlich gänzlich geöffnet, um einen recht starken Zug zu veranlassen, so daß das Steinkohlenfeuer lebhaft brennt, damit die Gase nebst Flamme in das Kohksfeuer strömen müssen und mit ihnen erhitzte Luft; das Kohksfeuer wird dadurch auf einer hohen Temperatur erhalten und die Folge ist eine vollkommenere Verbrennung. Da der Rauch vollständig verbrannt wird, so ist er kaum bemerkbar. Ein wichtiger praktischer Vortheil wird auch dadurch erlangt, daß die gewöhnliche Kohks-Feuerthür fast immer geschlossen gehalten wird, da man sie auf der Fahrt von 78 3/4 engl. (17 deutschen) Meilen nur dreimal zum Einschüren von Kohks zu öffnen braucht; dadurch wird das Einströmen von kalter Luft in den Kohks-Feuerkasten vermieden, wodurch sonst Feuerkasten und Röhren abgekühlt und letztere in der Wand von ersterm leicht lose werden. In dem vorliegenden Fall wird sämmtliche in den Steinkohlen-Feuerkasten einströmende atmosphärische Luft stark erhitzt, ehe sie mit dem Hauptfeuerkasten und den Röhren in Berührung kommt. Der nächste Gegenstand welcher des Verfassers Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, war der Umstand, daß alles Wasser, womit der Kessel beim Betriebe gespeist wird, jetzt kalt hineingelangt. Um diesen Nachtheil zu vermeiden, hat man bereits Versuche gemacht, das Wasser in dem Tender durch Dampf aus dem Kessel zu wärmen, ehe die Maschine abgeht. Dieß geschah aber auf Kosten des Brennmaterials und ließ sich auch nur bei der ersten Wassermenge in dem Tender, womit der Kessel gespeist wird, anwenden; die nächste, in dem Tender aufgenommene Wassermenge mußte natürlich kalt verwendet werden, da die auf der Fahrt begriffene Maschine keinen Dampf zur Erhitzung des Wassers hergeben konnte; ein bedeutender Zeitverlust beim Fahren war aber die Folge dieses Betriebes mit kaltem Wasser. Zur Hebung dieses Uebelstandes sind verschiedene Pläne entworfen und versucht worden, und ein solcher kam bei der Locomotive „Britannia“ in Anwendung. Diese Vorrichtung besteht in einem länglich-viereckigen Kasten, welcher in dem Rauchkasten angebracht, mit der Exhaustionsröhre aus einem Stück gegossen und mit dem obern Theil des gewöhnlichen Blaserohrs verbunden ist; dieser Kasten enthält eine Reihe enger Röhren, die an beiden Enden mit Röhrenplatten verbunden sind und mit Ein- und Auslaß-Kammern in Verbindung stehen, welche ihrerseits mit der Maschine, der Pumpe und dem Kessel communiciren. Von diesem länglichviereckigen Kasten geht eine Zweigröhre zu einem äußern Condensationsapparat, der vorn an der Esse angebracht ist; er besteht aus drei aufrecht stehenden Röhren, die auf einem gußeisernen Fundament stehen und, oben durch eine hohle Kappe verbunden sind. Zwei von diesen Röhren sind mit Einspritzungen versehen, welche die Kaltwasserpumpe liefert, die das Wasser direct aus dem Tender saugt. Mittelst einer Ueberlaufröhre, gelangt das Wasser, nachdem es erhitzt ist, zu der Heißwasserröhre, und eine Ueberlaufröhre führt in den Tender zurück, um alles überflüssige Wasser, welches von der Heißwasserpumpe nicht aufgenommen wird, wieder nach dem Tender laufen zu lassen. Die dritte senkrechte Röhre ist mit einem Scheiben- oder Drosselventil versehen, durch welches der ausströmende benutzte Dampf aus der untern Kammer in den Condensator gelangen kann. In der Mitte der Oeffnung des Blaserohrs ist eine Luftröhre, mit einer trichterförmigen Mündung am untern Ende angebracht, um die Luft aufzufangen und das Ausblasen zu befördern. Die Wirkung dieses Apparates ist folgende: Wenn die Locomotive im Betriebe ist, so füllt der benutzte Dampf, welcher aus der Auslaßröhre strömt, ehe er die Oeffnung des Blaserohrs erreicht, die untere Kammer oder den gußeisernen Kasten an, bildet rings um die kleinen Röhren, durch welche das Wasser in den Kessel gelangt, ein Dampfbad, und strömt aufwärts in den äußern Condensator, wo er durch die Einspritzungen aus der Kaltwasserpumpe condensirt wird. Dieses Wasser, sammt demjenigen, welches von dem verdichteten Dampf erlangt ist, und welches auf den Boden des Condensators fällt, wird von der erwähnten Ueberlaufröhre der Warmwasserpumpe zugeführt, welche es durch die engen Röhren in der untern Kammer treibt. Da das Wasser auf feinem Wege nach dem Kessel nur langsam durch diese Röhren geht, so absorbirt es Wärme von dem Dampf, welcher nach dem Condensator strömt, um dort verdichtet zu werden, und gelangt folglich mit einer sehr hohen Temperatur in den Kessel, so daß die Dampferzeugung in demselben gar nicht abgeschreckt wird und die Maschine daher fortwährend ihre volle Kraft behält. Der mittlere Druck betrug bei dem Versuch, während der abfallenden Fahrt, 105 Pfd. und bei der steigenden Fahrt 100 Pfd.; die ganze Schwankung des Drucks war also sehr gering. Die Vortheile der beschriebenen Verbesserungen zeigen sich besonders wenn lange Steigungen befahren werden müssen, da man ein hohes Verhältniß der Expansion benutzen kann, denn man kann den Dampf bei 5 Zoll Kolbenschub (der ganze beträgt 21 Zoll) absperren, d.h. bei weniger als einem Viertel des ganzen Schubes, wodurch eine wesentliche Ersparung erlangt wird. Auf der London-Southampton-Linie sind bereits sechs Locomotiven nach obigem Princip zum Brennen von Steinkohlen und Kohks eingerichtet und die „Britannia“ ist eine derselben. Diese sechs Maschinen haben zusammen 100,360 engl. Meilen durchfahren und dabei durchschnittlich jede per Meile 15,6 Pfund an Steinkohlen und Kohks verbraucht; die „Britannia“ hat Fahrten in einer Gesammtlänge von 13,600 engl. Meilen gemacht und dabei 17 Pfd. Brennmaterial per Meile verbraucht. Schließlich muß noch bemerkt werden, daß niemals eine von diesen Maschinen an denjenigen Theilen, welche die Verbesserungen betreffen, einen Unfall erlitten hat; dieß gilt auch von den 14 anderen Locomotiven welche mit dem Wärm- und Condensationsapparat versehen sind, obgleich sie im täglichen Gebrauch stehen. Sollte jedoch ein Unfall vorkommen, so kann der Locomotivführer die Verbindung mit dem Wärmapparat augenblicklich absperren, damit der Kessel auf die gewöhnliche Weise gespeist und die Maschine auf die gewöhnliche Weise betrieben wird, ohne daß es nöthig wäre deren Gang zu unterbrechen.