Titel: Ueber Jennings' patentirtes Verfahren zur Flachsveredlung.
Fundstelle: Band 135, Jahrgang 1855, Nr. XVIII., S. 72
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XVIII. Ueber Jennings' patentirtes Verfahren zur Flachsveredlung. Aus dem Dublin Journal of industrial progress, Decbr. 1854, S. 369. Ueber Jennings' Verfahren zur Flachsveredlung. Die meisten Verfahrungsarten, welche in der letzten Zeit zur Verwandlung der Leinstengel in feine spinnbare Faser patentirt wurden, gehören in die Classe derjenigen, wobei die Operationen, welche dazu dienen die Faser von den sie umhüllenden fremden Substanzen zu befreien, mit den geriffelten, übrigens aber noch ganz rohen, lufttrocknen Stengeln (dem sogenannten Strohflachs) beginnen; diese Operationen muß man aber nothwendig in der Nähe des Orts vornehmen, wo der Flachs gebaut worden ist, weil die Transportkosten bei einem Artikel welcher in unserm Lande (Großbritannien) in der Regel nicht über 3 bis 4 Pfd. Sterl. per Tonne verkauft wird, sehr in Betracht kommen. Viele von diesen Verfahrungsarten (d.h. die verbesserten Röstmethoden mit darauf folgendem Brechen und Hecheln) liefern allerdings einen ausgezeichneten Flachs; es kommen aber auch ungeheure Mengen Flachs von geringer Qualität im Handel vor, ja den größten Theil des bei uns eingeführten Flachses erhalten wir aus Ländern, wo die verbesserten Verfahrungsarten zur Vorbereitung der Faser sich noch lange nicht allgemein verbreiten werden. Ein Verfahren, wodurch wir die Qualität des auf den Markt gebrachten geringen Flachses zu verbessern vermöchten, wäre daher für den Leinenhandel unzweifelhaft von großer Wichtigkeit. Die patentirte Methode des Hrn. Francis M. Jennings zu Cork ist ein solches, denn sie ist bei dem Flachs anwendbar, wie er auf die Märkte von Belfast etc. kommt, oder wie er aus Rußland, Holland, Belgien, Frankreich etc. geliefert wird, so daß jeder Ort wo sich Flachsspinnereien befinden, oder wo es nicht an weichem Wasser fehlt, zur Ausübung dieses Veredlungsverfahrens geeignet ist; ein Material welches beiläufig 4 Pfd. Sterl. per Tonne werth ist, erlangt dadurch für die Spinnereien einen Werth von 30 bis 100 Pf. St. und darüber per Tonne. Das Verfahren ist sehr einfach und besteht darin, daß man auf die Flachsfasern eine kleine Menge DelD.h. die durch Verseifung von Oel entstandenen fetten Säuren. – Wahrscheinlich wendet der Erfinder Thranseife (grüne Seife) an. A. d. Red., nämlich 1 Loth auf das Pfund Flachs, niederschlägt; dieß geschieht dadurch, daß man den Flachs in einer alkalischen Seifenlauge (Mischung von Seife und Lauge) kocht, ihn dann mit Wasser wascht und hierauf in Wasser kocht welches schwach mit einer Säure gesäuert ist, wozu sich wohl am besten Essigsäure eignet, weil sie die Pflanzenfaser nicht schwächt. Die Säure zersetzt die zurückgebliebene Seife, deren Fettsäuren (oder vielleicht eine Mischung von saurer Seife mit einem kleinen Antheil freien Oels) in der Flachsfaser verbleiben und dieselbe allenthalben durchdringen. Nach dieser Behandlung wird der Flachs gewaschen, worauf er, ohne geschwächt worden zu seyn, eine vorzügliche Weichheit und einen seidenartigen Glanz erlangt hat, und sich nun zum Verspinnen viel besser eignet, daher sein Werth ein bedeutend größerer ist. Die Verbesserung seiner Qualität kann zu 8 bis 10 Pfd. St. per Tonne angeschlagen werden, und dürfte sich selbst auf das Doppelte steigern lassen. Durch diese Behandlung erleidet der Flachs einen geringen Gewichtsverlust, welcher verschieden ist, je nachdem der Proceß mehr oder weniger weit getrieben wurde; durch den größeren Werth, welchen der Flachs erlangt hat, wird jedoch dieser Gewichtsverlust mehr als ausgeglichen, abgesehen von den vielen anderen Vortheilen welche man erzielte, wovon wir folgende erwähnen wollen: 1) größere Leichtigkeit des Bleichens der Leinwand, weil die Faser schon im Zustand von Flachs durch die sie leicht und überall durchdringende Seifenlösung gereinigt worden ist; 2) geringerer Gewichtsverlust beim Bleichen der Leinwand und bei der nachherigen Appretur derselben; 3) geringerer Verlust beim Vorbereiten der Kette für das Weben. Wenn wir aber auch letztere Vortheile, obgleich sie für den Bleicher und Weber von der größten Wichtigkeit sind, unberücksichtigt lassen, so genügt schon der größere Werth, welchen das Material erlangt hat, um das Verfahren der Beachtung der Flachsspinner zu empfehlen. Folgendes Schreiben der HHrn. Marshall, der großen Flachsspinner zu Leeds, an die irländische Gesellschaft für Flachsverbesserung, enthält hinsichtlich dieser Werthszunahme einige interessante Details. „Hrn. James Mac Adam jun., Esq. – Ich habe ein Packet Flachsproben an Sie abgesandt, wozu mich Hr. Jennings aufforderte, damit die Spinner von Belfast sehen können, welche Resultate sein Verfahren bei verschiedenen Flachssorten gibt; der Erfinder hofft, daß einige derselben von seinem patentirten Verfahren Gebrauch machen werden, wofür er mäßige Bedingungen stellt. Der Aufwand für Kufen etc. würde gering seyn. Die Verbesserung der Qualität des Flachses ist bedeutend, und die Festigkeit desselben wird nicht merklich vermindert. Ich verbleibe etc. Arthur Marshall. Leeds, den 12. Januar 1854. Proben von Flachsfaser, nach Hrn. Jennings' Verfahren entschlichtet (d.h. von kleberartiger Substanz befreit, steeped), ergaben folgenden Gewichtsverlust: Verlust per Cntr. (112 Pfd.) holländische Sorte                9,9 Pfd.         „           „          9,5   „ irländische Sorte          1,3   „        „           „ IX          1,3   „ Wir finden, daß das Entschlichten den Werth der erwähnten zwei holländischen Flachssorten um 11 bis 12 Pfd. St. per Tonne erhöht, und denjenigen der zwei irländischen Sorten um 11 Pfd. St. per Tonne. Dabei ist der Gewichtsverlust durch das Entschlichten in Abzug gebracht, jedoch nicht die Kosten des Entschlichtens, welche beiläufig 4 Shill. per Centner betragen. Wir haben auch den Flachs auf seine Festigkeit (durch Zerreißungsversuche) geprüft und dabei folgende Resultate erhalten: holländ. irl. IX irl. vor dem Entschlichten           273 236   192 nach  „           „         271 236 1/2   214 Wir nehmen zur Probe einen Strick von zwanzig Zoll Länge und einer Viertelunze Gewicht, und jene Zahlen sind das Mittel von vier Proben mit jeder Sorte. Wir haben ferner das mit entschlichtetem Material fabricirte Garn auf seine Festigkeit geprüft, und finden sie so gut wie bei Anwendung nicht entschlichteten Flachses zum Verspinnen.“ Die HHrn. Marshall in Leeds fabriciren nach diesem Verfahren wöchentlich eilf Tonnen veredelten Flachs, und vergrößern jetzt ihre Einrichtung so, daß sie das doppelte Quantum produciren können. Sie arbeiten nach diesem Verfahren bereits seit achtzehn Monaten, und in diesem Zeitraum konnte sich der praktische Werth desselben gewiß hinreichend erproben. Für diejenigen Flachsspinner, welche viel Garn exportiren, ist das Verfahren besonders wichtig, weil es sie in Stand setzt dem holländischen Flachs die bekannte goldgelbe Farbe desjenigen von Courtrai zu ertheilen. Es verdient auch erwähnt zu werden, daß der italienische Hanf, wenn man ihn nach dem Hecheln diesem Verfahren unterzieht, von dem feinsten Flachs kaum unterschieden werden kann, ohne daß er an Festigkeit verlor. Dieses Verfahren ist in allen Flachs producirenden Staaten des europäischen Kontinents patentirt.Man hat schon längst zur Flachsveredlung das Kochen mit einer Mischung von Seife und Lauge angewandt, welche die beim Rösten unzerstört gebliebene kleberartige Substanz auflöst, durch deren Entfernung sich manche noch zusammenhängende Fasern von einander lösen, wodurch der Flachs wesentlich verfeinert wird und zugleich mehr Weiße, Weichheit und einen seidenartigen Glanz erhält (m. s. Karmarsch's Handbuch der mechanischen Technologie, 1851, Bd. II S. 1177). Zum Betriebe dieses Verfahrens in großem Maaßstabe ließ sich L. W. Wright einen Dampfkochapparat patentiren (polytechn. Journal Bd. CXIV S. 62). Wenn man dieses Kochen aber erst nach dem Hecheln verrichtete, so mußte der gekochte und wieder getrocknete Flachs durch Bürsten gereinigt werden. Diese sehr umständliche Operation wird bei Jennings' Methode auf ökonomische Weise dadurch ersetzt, daß man den mit Seife gelaugten Flachs nach dem Waschen noch in säuerlichem Wasser kocht, wobei man überdieß den Vortheil erlangt, daß die in geringer Menge in der Faser zurückbleibenden ausgeschiedenen Fettsäuren das Verspinnen des Products auf Maschinen erleichtern. A. d. Red.