Titel: Ueber die Einführung einer auf dem Wunderbaum in Indien lebenden Seidenwürmerspecies, des Bombyx Cynthia, in Frankreich; von Hrn. Milne Edwards.
Fundstelle: Band 135, Jahrgang 1855, Nr. LI., S. 225
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LI. Ueber die Einführung einer auf dem Wunderbaum in Indien lebenden Seidenwürmerspecies, des Bombyx Cynthia, in Frankreich; von Hrn. Milne Edwards. Aus den Comptes rendus, August 1854, Nr. 9. Edward's über die Einführung des Bombyx Cynthia, in Frankreich. Bekanntlich ist der Seidenwurm des Maulbeerbaums nicht die einzige Bombyx-Art, welche in Indien von den Landleuten in ihren Häusern behufs der Gewinnung des Spinnstoffs gezogen wird, sondern es gibt unter diesen noch Arten, deren Product man in Europa kaum kennt, worunter namentlich der Arrindy arria der Hindu oder Bombyx cynthia der Entomologen beachtenswerth ist. Die Raupe desselben lebt auf dem Wunderbaum (Ricinus communis), und die Seide, welche er liefert, ist, obgleich nicht so schön wie diejenige des Maulbeerseidenwurms, doch eine sehr nützliche, weil sie sehr dauerhaft ist. Sie scheint in mehreren Gegenden Indiens zur gewöhnlichen Kleidung der ärmem Classen und allgemein zur Winterkleidung benutzt zu werden. „Der aus solcher Seide gewobene Zeug, berichtet Dr. Roxburgh, ist von Ansehen schlaff und grob, hat aber eine außerordentliche Dauerhaftigkeit. Das Leben einer Person reicht selten hin, um ein Kleid aus solcher Seide abzutragen, so daß ein und derselbe Zeug oft von der Mutter auf die Tochter übergeht.“ Transactions of de Linn. Society, Vol. VII. Auch ist zu erwähnen, daß der Seidenwurm des Wunderbaums sehr productiv ist. Er wächst schnell heran und die Generationen folgen so rasch auf einander, daß im Jahr in der Regel 6–7 Seide-Ernten erhalten werden.Nach Helfer soll diese Species sogar bis zwölf Ernten jährlich geben. (Journal of the Asiatic society of Bengal 1837, und Annales des sciences natur. 2me. Série t. X. p. 52. 1839) Zu bemerken ist noch, daß die Pflanze, deren Blätter dieser Würmerspecies zur Nahrung dienen, nicht nur in Indien, sondern auch in Frankreich leicht zu cultiviren, überdieß wegen des Oeles, welches ihre Samen geben, schätzbar ist. Die mit der Einführung dieses neuen Seidenwurms in Frankreich und namentlich in Algerien verbundenen Vortheile konnten der Aufmerksamkeit der Naturforscher nicht entgehen; die kurze Zeit, nach welcher die Eier schon auskriechen, und die kurze Verpuppungszeit, schienen aber die Ueberführung dieses Seidenwurms von Indien nach Europa sehr schwierig zu machen. Gegenwärtig ist jedoch das gewünschte Resultat erzielt, und ich beehre mich der Akademie eine Anzahl in meinem Zimmer im (Pariser) Pflanzengarten gezogener Wunderbaum-Seidenwürmer vorzulegen. Ueber den Antheil an den Bestrebungen, um zu diesem Ziel zu gelangen, kann ich für heute nur mittheilen, daß Sir William Ried, Gouverneur von Malta, diese Specis daselbst zuerst gezogen und dann in einigen Gegenden von Italien fortgepflanzt hat, und daß es dem Hrn. Professor Savi zu Pisa zu verdanken ist, daß ich diesen Seidenwurm zum Vortheil der Landwirthschaft in Frankreich einführen konnte. Von Hrn. Savi erhielt Hr. Decaisne am 24. Julius ein kleines Packet solcher Eier, welche er mir zustellte. Ich versetzte sie sogleich in den Zustand, welcher mir für das Auskriechen derselben der günstigste zu seyn schien, und am 2. August begannen die kleinen Räupchen sich zu zeigen; am andern Tage kam die Auskriechung zu Ende und ich erhielt so ungefähr 50 vollkommen ausgebildete Stücke. Die Sterblichkeit war von da an sehr gering. Meine Würmer haben sich viermal gehäutet (28. August);Die erste Häutung fand vom 9. auf den 10.; die zweite am 15.; die dritte am 21. und die vierte am 27. August statt. In ihrem ersten Lebensalter waren die Ranpen von blaßgelber Farbe, der Kopf, der Obertheil der Vorderbrust und die fleischigen Warzen von schwarzbrauner Farbe. Im zweiten Lebensalter wurden sie viel blässer; der Kopf war noch schwärzlich, aber die vier hinteren Warzenreihen waren weißlich geworden. Im dritten Lebensalter waren sie beinahe ganz grünlichweiß und im vierten Lebensalter sind sie von sehr heller blauer Farbe. Auch ist zu bemerken, daß ihre Haut mit einem weißen Staub bedeckt ist, welcher aus einer wachsähnlichen Substanz zu bestehen scheint. sie wechseln sehr wenig den Ort und scheinen mir sehr gut aufzuziehen zu seyn. Um die ihrer Entwickelung günstigen Umstände besser kennen zu lernen, versetzte ich sie unter verschiedene Umstände. Die einen wurden in freier Luft auf große Blätter eines in bestem Wachsthum befindlichen Wunderbaumstocks gebracht, und nur mit einem mit Musselin überzogenen Rahmen bedeckt; andere wurden in meinem Zimmer, in welchem die Temperatur ziemlich constant 16 bis 19º R. betrug, mit abgepflückten und auf eine Hürde gelegten Blättern gefüttert; wieder andere brachte ich in denselben Raum, aber auf Wunderbaumblätter, deren Stiel in Wasser tauchte, um das schnelle Abwelken des Blattrandes zu verhindern. Alle scheinen mir gut fortgekommen zu seyn; die letzteren aber sind die stärksten und, wie es scheint, die kräftigsten. Diese Raupen werden sich bald einspinnen und verpuppen und wahrscheinlich ihre Metamorphosen bald durchgemacht haben; wenn ich dann viele befruchtete Eier erhalte, so werde ich nicht nur neue Zuchten vornehmen, sondern auch Eier zu Versuchen im südlichen Frankreich und in Algerien vertheilen.