Titel: Ueber Stahlpuddeln und die Verwendung des Puddelstahls; von Hrn. Director Tunner zu Leoben.
Fundstelle: Band 135, Jahrgang 1855, Nr. LXXIV., S. 355
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LXXIV. Ueber Stahlpuddeln und die Verwendung des Puddelstahls; von Hrn. Director Tunner zu Leoben. Im Auszug aus dessen berg- und hüttenmännischem Jahrbuche, 1854, Bd. IV, S. 293. Tunner, über Stahlpuddeln und die Verwendung des Puddelstahls. Wir haben bereits im polytechn. Journal Bd. CXXVIII S. 353 eine Abhandlung des Verfassers über Puddelstahlbereitung in Oesterreich mitgetheilt. Die hier folgenden Bemerkungen sind das Resultat einer Reise, welche derselbe im Herbst 1854 nach den Puddelstahlhütten in Siegen und Westphalen machte, wo er besonders zu Gaisweide in jenem und zu Haspe in diesem Kreise die Werke besichtigte. Die Seitenwände der Puddelöfen werden zur besseren Conservirung, da sie aus hohlem Gußeisen bestehen, entweder durch Wasser oder durch Luft gekühlt. Der Luftzug wird dadurch bewirkt, daß der etwa 7 Zoll hohe und 4 Zoll breite Canal mit dem, unter dem Herde befindlichen und zur gemeinschaftlichen, 135 Fuß hohen, Esse führenden Hauptcanal verbunden ist. Wenn mit Gasen gepuddelt wird, so ist es zweckmäßiger, die Luftkühlung durch einen Ventilator zu bewirken. Um die Böden gegen das Zerfressen durch dünnflüssige, rohe Schlacke abzukühlen, macht man sie zu Haspe nur 2 Zoll dick. Zum Zängen der Stahlluppen ist ein Dampfhammer am zweckmäßigsten, indem man mit demselben anfangs, wenn die Luppen noch recht heiß sind, recht langsame Schläge geben, und dann mit stärkeren fortfahren kann. Die gezängten Luppenstücke oder Masseln kommen wieder in den Puddelofen zurück, erhalten dort bei geöffneter Klappe eine Hitze von etwa 1/2 Stunde, werden einmal in dem flüssigen Schlackenbade gewendet und kommen, wenn sie gehörig ganz sind, zu den Walzen, während sie, wenn sie unganz ausgefallen, nochmals unter den Hammer und dann erst unter jene kommen. Unter den Walzen werden die Masseln mit etwa 8 quadratischen Kalibern zu Rohstahlstäben ausgewalzt, wenn man ihnen nicht sofort eine andere Form geben will. Die ersteren werden sogleich in den Härtetrog geworfen. Zu Haspe, wo das Puddeln ohne Unterbrechung wieder mit einer neuen Charge fortgesetzt wird, bringt man die Masseln in Partien von 8 bis 10 Centnern in einen Wärmofen, welcher wie ein Puddelofen eingerichtet ist, aber eine bis zur Arbeitsplatte erhöhete Schlackensohle hat. Diese erweicht sich, die Luppen erhalten durch Wenden auf derselben einen Ueberzug und gelangen dann nach einander zu den Luppenwalzen. Dünnere Stahlstäbe und besonders alle solche, die sogleich direct verwendet werden, kommen, nachdem sie durch die Streckwalzen gegangen, nochmals in einen gewöhnlichen Schweißofen mit Sandherd und erhalten eine zweite Hitze, die, obgleich höher als die erste, dennoch eine gelinde ist, da in einer scharfen der Stahl sogleich überhitzt und verdorben werden würde; gegerbt wird er weder in Haspe noch in Gaisweide. Auf der letzteren Hütte werden zu einer Stahlcharge 320 preußische Pfund Nebeneisen, d.h. mehr oder weniger halbirtes Holzkohlenroheisen und 80 Pfd. Spiegeleisen eingesetzt, und es werden wöchentlich in 13 zwölfstündigen Schichten, da nur am Sonntage nicht gearbeitet wird, mit 279 Ctr. Steinkohlen von der Ruhr, und 272 Ctr. Roheisen in 68 Chargen, 185 Ctr. 20 Pfd. Stahl und 32 Ctr. 85 Pfd. Eisen, in Summa 217 Ctr. 105 Pfd. erzeugt. Zu 100 Pfd. Stahl (und Eisen) sind daher 113,4 Pfd. Roheisen und 131 Pfd. Steinkohlen erforderlich. In der ersten Wochenschicht werden zuerst gewöhnlich einige Eisenchargen gemacht, um den Ofen anzuheizen; und im Verlauf der Woche werden zur leichtem Regulirung des Schlackenherdes ebenfalls noch einzelne Eisenchargen vorgenommen, wenn es erforderlich ist. Vom rohen Puddelstahl, wie er in der ersten gelinden Hitze ausgewalzt erhalten wird, kosten die 1000 Pfd. 45 bis 50 Thlr. auf der Hütte; das ordinäre Roheisen 19 bis 20 Thaler, das Spiegeleisen 24 Thaler. In Haspe, wo beständig fünf Puddelöfen auf Stahl gehen, wird per Charge 350 Pfd. Holzkohlen-Roheisen, darunter 1/4 bis 1/3 Spiegeleisen, eingesetzt, und es werden in 12 Stunden acht Chargen gemacht. Beim Puddeln beträgt der Abbrand 7 bis 8, beim Hitzen der Luppen 4 bis 5, zusammen also, wie in Gaisweide, 11 bis 13 Procent. Auch der Steinkohlenverbrauch ist derselbe; für feinere Stäbe, die einer nochmaligen Hitze bedürfen, vermehrt sich der Abbrand um 10 Procent und der Preis steigt auf 55 bis 62 Thlr. – Der raffinirte Puddelstahl kostet 65 bis 80 Thlr., der Edelstahl, die beste Sorte des Schmelzstahls, 66 Thlr.; der Mittelkühr, übereinstimmend mit dem steierschen Mock, 60 Thlr. unraffinirt. Der rohe Puddelstahl ist daher um 30 bis 37 Procent billiger als der rohe Schmelzstahl. Die Benutzung des Puddelstahls vermehrt sich immer, jedoch nicht zu Schneidewaaren, Klingen etc., ebenso wenig zu harten Stahlwaaren, wie Feilen, verstahlten Zeugarbeiten etc., und ebenso wenig zu Federn und Sägen, weil er dazu nur raffinirt verbraucht werden kann und man sich überzeugt hat, daß dazu gewisse Schmelzstahlsorten weit zweckmäßiger sind. Dagegen ist der Verbrauch zu nachstehend erwähnten Artikeln sehr bedeutend und steigt von Jahr zu Jahr.Nach amtlichen Angaben betrug die Puddelstahl-Erzeugung 1853 zu Haspe 20981 Ctr., zu Gaisweide 2596 Ctr., in ganz Preußen 57055 Ctr. mit einem Werthe von 4 Thlr. 23 Sgr. der Ctr. Davon kommen nur 5022 Ctr. auf ein Werk in Oberschlesien, alles Uebrige aufanf die Provinz Westphalen. Im Jahre 1852 wurden 12303 Ctr. weniger producirt und der Werth eines Centners stand 14 1/3 Sgr. niedriger. H. Eine ziemlich bedeutende Puddelstahlmenge wird nämlich zu Blechen ausgewalzt, die zum Anfertigen der Stahlbeschläge verschiedener Galanterieartikel, z.B. der Geldtäschschen u.s.w. verwendet werden; eine neue und sehr beträchtliche Verwendung findet der Puddelstahl ferner als Material zur Fabrication ordinärer Gußstahlartikel von großem Volum, z.B. großer Achsen, Kurbeln u. dgl. Eine der bedeutendsten Verwendungen ist aber die zu Spurkranzreifen (Tyres), zu welchem Zweck in Hörde 6 bis 8 und in Haspe ebenfalls mehrere Puddelöfen im Betriebe sind. Das Verfahren bei der Fabrication der Stahltyres ist folgendes: die Luppen werden unter dem Dampfhammer in prismatische Stücke geformt, von denen bei einer Charge gewöhnlich nur das letzte Stück durch Härten und Brechen in Beziehung auf seine Beschaffenheit untersucht wird. Ist dieses genügend hart, so kann das bei den früher herausgenommenen Luppen um so mehr erwartet werden. Von diesen gezängten Stücken werden meist drei übereinander zu einem Schweißpackete in den Ofen gebracht, unter dem Hammer zusammengeschweißt und abermals zu einem flachen Prisma ausgeschmiedet. Von diesen letztern kommen, je nach dem erforderlichen Gewichte, wieder 2 bis 3 in ein Schweißpacket, aus welchem sofort das Tyrestück erst geschmiedet, dann in gelinder Hitze zwischen Kaliberwalzen ausgewalzt, und nachdem die Enden abgesägt, gerollt wird. Bei der Packetirung und dem Rollen muß berücksichtigt werden, daß der beste Stahl in die Lauffläche der fertigen Bandagen zu liegen kommt. Obgleich der Puddelstahl durch das wiederholte Wärmen sehr viel von seiner ursprünglichenursprünglicheu Härte verliert, so sind solche Kränze dennoch immer härter als die aus Puddeleisen verfertigten, wogegen aber der innere Theil durch die beträchtliche Härteabnahme gewöhnlich so weich ist, daß er nicht aus Eisen hergestellt zu werden braucht, zumal man bei der Packetirung leicht auf die innere Fläche recht weichen Stahl bringen kann, wie man ihn beim Puddeln oft genug erhält. – Auch zu den Schienenköpfen kann solcher weicher Stahl mit Vortheil angewendet werden. Zu Haspe werden auch die Laschen, womit man die Enden der aneinander stoßenden Schienen verbindet, aus Puddelstahl gewalzt, während man sonst nur weiches Puddeleisen dazu nimmt. Die stählernen bedürfen eines geringeren Querschnittes als die eisernen und kosten daher weniger, da die gleiche Anzahl der erstern weit leichter ist als die der letztern. Das Lochen kann nur nach einem Ausglühen, jedoch kalt geschehen. Die Art und Weise des Stahlpuddelns hat vor den verschiedenen Schmelzstahlfrischmethoden den wesentlichen Vortheil, daß bei jenem durch geringe Abänderungen des Verfahrens härterer oder weicherer Stahl dargestellt werden kann. Ebenso kann man auch auf einem Mittelwege zwischen dem Stahlpuddeln und dem Eisenpuddeln körniges Eisen zu Weißblech, Draht, Gewehrläufen etc. erzeugen. Es kann daher an der Wichtigkeit des Puddelstahls nicht mehr gezweifelt werden, allein er wird für alle solche Zwecke, zu denen ein vorzüglich harter Stahl verlangt wird, den Schmelz- und Cementstahl nicht verdrängen können. Nach allen vorliegenden Erfahrungen ist der Puddelstahl nur dazu bestimmt, die weite Lücke zwischen dem steierschen und kärnthenschen, so wie anderm Schmelzstahl und dem weichen Puddeleisen auszufüllen, welches nur in mehreren, jedoch nicht in allen Fällen mit dem Cementstahl geschehen kann. Um in jedem Falle das entsprechende Material zu haben, müssen alle drei Methoden der Stahlerzeugung ausgeführt werden, und in Westphalen, wo früher auch nur Schmelzstahl producirt wurde, ist dieß auch wirklich der Fall. Letzterer wird noch erzeugt, und wird forterzeugt werden, allein in viel geringerer Menge als früher, im Ganzen aber wird jetzt dort weit mehr Stahl producirt.Nach amtlichen Angaben wurden in dem westphälischen und in dem rheinischen Hauptbergdistrict, d.h. in Westphalen, Siegen und (in geringer Menge) im Saarbrück'schen, im Jahre 1853 folgende Stahlquantitäten producirt: 80,445 Ctr. Schmelzstahl, 52,054 Ctr. Puddelstahl, 55,401 Ctr. Gußstahl, zusammen 185,900 Centner. Dieß sind 92,2 Proc. von der ganzen Stahlproduction Preußens. Im Jahre 1847, welches vor der Revolution die höchste Produktion hatte, wurden in ganz Preußen 112,672 Ctr. Schmelzstahl, einschließlich einer geringen Menge Cementstahl, und 4357 Ctr. Gußstahl, zusammen 117,029 Ctr., 1853 aber im ganzen Staate 201,699 Ctr. aller drei Sorten erzeugt. H. Der Stahlverbrauch muß dort ebenfalls immer noch zunehmen, indem Artikel aus Stahl gemacht werden, welche sonst nur aus Eisen verfertigt werden konnten, weil der Schmelz- und selbst der Cementstahl dazu entweder zu theuer oder zu hart war. Da die Grundlage der gesammten Stahlfabrication in Siegen und Westphalen das aus den Spatheisensteinen jenes Landes bei Holzkohlen erblasene Rohstahleisen ist, dieses Material aber in Steiermark und Kärnthen von vorzüglichster Güte vorhanden ist, so empfiehlt Hr. Tunner wiederholt Puddelstahlerzeugung in Innerösterreich.