Titel: Ueber neue Verbesserungen beim Walzen großer Bleche und der Drähte; von Hrn. Director Tunner zu Leoben.
Fundstelle: Band 135, Jahrgang 1855, Nr. LXXXIX., S. 418
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LXXXIX. Ueber neue Verbesserungen beim Walzen großer Bleche und der Drähte; von Hrn. Director Tunner zu Leoben. Im Auszug aus dessen berg- und hüttenm. Jahrbuch, 1854, S. 301. Tunner, über neue Verbesserungen beim Walzen großer Bleche und der Drähte etc. Wiewohl das Walzen der Kesselbleche oder Platten und dasjenige der Drähte einerseits Gegensätze bildet, so hat es doch andererseits wieder die größte Uebereinstimmung unter den verschiedenen Walzeisensorten. Gegensätze bilden das Gewicht der auszuwalzenden Stücke und die Längenausdehnung derselben, denn Kesselbleche gehören zu den schwersten Stücken bei geringer Längenausdehnung, während gewalzter Draht zu den leichtesten, aber am meisten in die Länge ausgedehnten Walzeisensorten gehört. Bei der Walzarbeit zeigen beide jedoch darin eine Aehnlichkeit, daß während deren Dauer lange Zeitintervalle verlaufen, bis jede einzelne Stelle von Neuem die streckende Wirkung der Walzen erfährt. Dieß ist aber ein Uebelstand, weil sich das Eisen in den langen Zwischenzeiten sehr abkühlt, daher diese möglichst verkürzt werden müssen, wenn die Fabrication auf das Vortheilhafteste betrieben werden soll. In dieser Beziehung sind nun neuerlich wesentliche Verbesserungen gemacht worden, welche bei Blech und Draht in sehr verschiedenen Mitteln bestehen. Bei den Kesselblechen ist die Zeit von einem Walzendurchgange deßhalb so groß, weil bei den schweren Stücken von einigen bis zwanzig Centnern, das Zurückgeben des Walzstückes über die obere Walze, eine sehr schwere Arbeit ist. Man hat zu ihrer Erleichterung verschiedene Vorrichtungen projectirt. So hat man z.B. in England versucht, den Walzen eine abwechselnde vor- und rückwärtsgehende Bewegung zu ertheilen, welches man dadurch erreicht, daß eine mit der stets nach einer Richtung laufenden Schwungradwelle verkuppelte Achse eine Kurbelscheibe erhält, von welcher aus eine Zahnstange in horizontaler Richtung vor- und rückwärts bewegt wird, die in eines von den Kuppelungsgetrieben greift. Durch ein Verstellen der Warze auf der Kurbelscheibe kann der wirksame Kurbelhalbmesser innerhalb der Kurbelscheibengröße beliebig verlängert oder verkürzt werden, wodurch die Länge der horizontalen Bewegung der Zahnstange und folglich auch die Größe der Walzenbewegung nach dem Bedarf vor- und rückwärts abgeändert werden kann. Die auszuwalzende Kesselplatte wird daher vor- und rückwärts gewalzt und braucht nicht über die obere Walze zurückgegeben zu werden. Jedoch machen dieses Mittel zwei Umstände unpraktisch: 1) Aendert sich die Länge des zu bearbeitenden Stücks während der Walzarbeit selbst sehr bedeutend, es muß daher das Umsetzen der Bewegung für das fertige Blech eingerichtet seyn, so daß bei den ersten Durchgängen der größte Theil der Walzenbewegung unbenutzt bleibt, denn lange Bleche sind dabei überhaupt nicht darstellbar. 2) Wenn durch irgend einen Umstand in dem Vorgehen des zu walzenden Bleches eine Verzögerung eintritt, so muß die ganze Zeit einer vor- und rückwärtsgehenden Bewegung, also volle zwei Durchgänge, unbenutzt vorübergehen. – Ein anderes, nur projectirtes Mittel, besteht in drei übereinander liegenden Walzen, wie man sie bei den Feineisenwalzwerken hat; allein für den vorliegenden Zweck ist diese Einrichtung nicht passend, weil dabei das Aufheben des schweren Stücks um den ganzen Durchmesser der Oberwalze nicht zu vermeiden ist. Die zweckmäßigste Hülfe beim Walzen der Kesselbleche leisten eigenthümliche Vorrichtungen zum Heben, die in den belgischen, westphälischen und hin und wieder auch in den steierschen Hütten angewendet werden. Sie bestehen in einer gegitterten Brücke, von welcher auf der von den Walzen abgewandten Seite zwei Stangen vortreten, die sich um zwei feste Punkte mit Haspen drehen, und auf der gegenüber liegenden Seite, nahe bei den Walzenständern aus zwei Zugstangen, die entweder und gewöhnlich gerade aufstehen, oder abwärts gehen. Die Breite der Brücke ist der Walzenlänge fast gleich, die. Länge etwa 3 Fuß, d.h. in diesem Abstande befindet sich der letzte mit den Walzen parallel laufende Brückenstab; allein die genannten beiden Stangen reichen viel weiter, oder im Falle diese an der äußersten Seite angebracht wären, stehen ein Paar andere mehr vor, so daß auch viel längere Bleche aufliegen können. Da zwischen den vorspringenden Stangen ein Mann bequem stehen kann, so ist er im Stande, sich den Walzen bis auf einen Abstand von 3 Fuß zu nähern. Sowohl die Längsstäbe der Brücke, als auch die zwei vorspringenden Stangen sind an mehreren Stellen spaltartig durchbrochen und nehmen daselbst kleine eiserne Frictionsrollen auf, und namentlich sitzt eine solche auf jedem der den Walzen zugekehrten Enden der letzteren Stangen. Die in der Walzarbeit begriffene Platte ruht demnach auf den Röllchen, die oft eingeschmiert werden, damit sie sich leicht bewegen lassen, so daß die schwerste Platte von einem Arbeiter gezogen oder geschoben werden kann. Uebrigens ruht die Brücke auf den Tragestangen der sonst vorhandenen Walzenbank, indem sich die Enden der Längsstangen mit ihren Röllchen zwischen den einzelnen Abstreifmeißeln hineinlegen. Gestattet es die Räumlichkeit der Hütte, so erhalten die zwei vorspringenden Brückenstangen eine Länge von 12 bis 18 Fuß, und es ist zu dem Ende auf der Hüttensohle ein eigener Träger für die scharnierartige Befestigung der Stangenenden aufgestellt. Je länger diese Stangen sind, um so weniger weicht ihre Lage beim Aufheben der Brücke um die Dicke der Oberwalze von der horizontalen Lage ab, und desto leichter bleibt die Bewegung der Kesselplatte auf der Brücke. Bei ihrer tiefsten Stellung erhält die Brücke eine nach den Walzen zu etwas geneigte Lage und zwar so, daß sie in ihrer Mittlern Höhe eine fast horizontale Stellung erlangt, folglich in ihrer höchsten Stellung nur die halbe Steigung nach den Walzen zu, wodurch das Zurückschieben über die Oberwalzen sehr erleichtert wird. Läßt dagegen der Hüttenraum die Aufstellung eigener Träger auf seiner Sohle nicht zu, so werden die Scharniere durch Stangen getragen, welche in den Walzenständern befestigt sind, und dann erhalten die beiden Brückenstangen des Scharniers nur eine Länge von höchstens 6 Fuß, welches dann überhaupt die ganze Länge der Brücke ist. Sollen noch längere Platten ausgewalzt werden, so müssen einige Arbeiter mit Tragstangen zu Hülfe kommen. Das Aufheben der Brücke an den beiden erwähnten Zugstangen geschieht durch Menschenkraft, mittelst eines Hebelwerks mit Zugsträngen, so daß eine 5 bis 6fache Kraftvermehrung stattfindet und deßhalb 3 bis 4 Mann die schwersten Platten heben können. Wenn aber ein Walzwerk, wie z.B. zu Oberhausen, zur guten Hoffnungshütte unweit Mühlheim an der Ruhr gehörig, fortwährend schwere Platten zu Dampfkesseln und besonders zum Schiffsbau, auswalzt, so ist es zweckmäßig zum Heben der Brücke eine kleine über dem Walzgerüst angebrachte Dampfmaschine anzuwenden. Man läßt die aufgehobene und über die Oberwalze vorgeschobene Platte auf den Walzentisch der Einlaßseite fallen, indem durch die Erschütterung der Glühspan gelockert wird, so daß man ihn von der obern Fläche rasch abkehren kann, während er von der untern von selbst abfällt. Der Walzentisch auf der Einlaßseite besteht ebenfalls nur aus einzelnen, starken Eisenstangen und hat ein Fallen nach den Walzen zu, wodurch das Vorgeben der Platte wesentlich erleichtert wird, auch die Erschütterung der auffallenden Platte für den Vorwalzer weniger empfindlich wird. Um jeden Zeitverlust zu vermeiden, der durch das Stellen der Walzen nach jedem Durchgange entstehen muß, sind beide Stellschrauben mit zwei gleichen Zahnrädern versehen, in welche Schrauben ohne Ende eingreifen, die an einer gemeinschaftlichen Achse mit einer Handkurbel oder mit einem Sprossenrade sitzen. Die eine oder das andere werden durch einen Arbeiter bewegt, der auf einer Bühne, bei einem der Ständer steht. Beide Stellschrauben erhalten auf diese Weise eine ganz gleiche Stellung, welches eine nothwendige Bedingung ist, um gleich dicke Platten anfertigen zu können. Zur ersten Adjustirung dieser gleichen Stellung für beide Walzenzapfen, wie auch für den Fall daß aus besondern Gründen eine ungleiche Stellung nothwendig wäre, ist die Welle mit den beiden Schrauben ohne Ende, in ihrer Mitte mit einem kleinen Ausrückzeug versehen, so daß jede Stellschraube für sich allein bewegt werden kann und daher gewöhnlich an dem einen Ende eine Handkurbel, an dem andern ein Handsprossenrad angebracht ist. Die Welle muß also drei Lager, an jedem Ende eines und das dritte bei der Ausrückung erhalten; dieselben werden von einer Platte getragen, welche in ringförmigen Absätzen der Stellschrauben liegt. Auf diese Weise bleibt der Raum auf der vordern und hintern Seite der Walzen für den Vorwalzer und Hintermann ganz frei, das Aufheben und Rückgeben der Platte kann keine Verzögerung erleiden, das Vorgeben der Platte ist leicht, und das Walzen hat dabei einen so tactmäßigen ungestörten Verlauf, daß gegen das gewöhnliche Verfahren mehr als die Hälfte der Zeit erspart wird. Die schwersten Platten von mehr als 20 Centner werden in Einer Hitze vollendet und kommen noch sehr warm unter den Walzen hervor. Sehr wesentlich ist aber bei einem solchen Betriebe eine starke Triebkraft. –––––––––– Bei der Fabrication des Walzendrahtes unterscheidet Hr. Tunner das französische und das englische System; bei letzterm befinden sich sämmtliche Walzengerüste in einer Linie, und es machen die Walzen 230 bis 260 Umgänge in der Minute. Gegen das Ende des Walzens wird die Drahtruthe gleichzeitig an zwei, selten an drei Punkten gereckt. Beim französischen System sind die Walzgerüste meist in zwei Linien mit verschiedenen Geschwindigkeiten aufgestellt, die nur in der Vollendlinie eine etwas größere, in der Vorwalzlinie aber eine geringere Geschwindigkeit als die halbe des englischen Systems haben, während das Ausstrecken zuletzt gleichzeitig an fünf bis sechs Stellen erfolgt. Neuerlich hat man die Drahtwalzerei, z.B. in Neunkirchen unweit Saarbrücken, und im Siegenschen, durch Vereinigung beider Systeme zu dem der Schnellwalzerei verbessert. Es sind dabei fünf Walzengerüste in einer Linie aufgestellt, die einerlei Geschwindigkeit von 230 bis 250 Umgängen in der Minute haben. In dem ersten Gerüste liegen drei Vorwalzen übereinander, zwischen denen das 6/4 bis 7/4 Zoll starke, 10 bis 20 Pfd. per Stück wiegende Materialeisen 7 bis 8 Durchgange macht. Das vorletzte oder letzte Kaliber in diesen Vorwalzen ist das erste, und zwar mit geriffelter Bahn versehene Ovalkaliber, und befindet sich die Ruthe bei den letzten Durchgängen daselbst schon gleichzeitig in zwei Kalibern. In den darauf folgenden Gerüsten sind zwar stets nur zwei Walzen eingelegt, aber unten oder oben ist die Stelle der dritten Walze, mit alleiniger Ausnahme des letzten Gerüstes, durch eine Kuppelungsrolle ersetzt, damit auch in diesen Gerüsten abwechselnd vor- und rückwärts gewalzt werden kann. Nimmt man also an, daß in dem ersten Gerüst 8 Durchgänge, d.h. vier vor- und vier rückwärts erfolgen, so geschieht der 9te Durchgang im zweiten Walzgerüst und zwar vorwärts, der 10te Durchgang im dritten Gerüst rückwärts, der Ute wieder im zweiten Gerüst vorwärts, der 12te abermals im dritten Gerüst rückwärts, der 13te wieder im zweiten Gerüst vorwärts, der 14te im vierten Gerüst und zwar rückwärts, der 15te Durchgang endlich im fünften Walzgerüst und zwar wieder vorwärts. Dabei wird die Ruthe gegen das Ende der Arbeit an vier bis fünf verschiedenen Stellen gleichzeitig gestreckt, indem sie in horizontaler Richtung mehrmals um senkrecht in der Hüttensohle befestigte Säulen umgebogen und unter die Walzen zurückgeführt wird. Ein Verschlingen ist hierbei weniger zu fürchten, als wenn dieselbe Ruthe wieder nach den Kalibern zwischen der zweiten und dritten Walze zurückgeführt wird, und zur größeren Vorsicht sind noch einige Jungen mit Leithaken versehen, um jede Verschlingung sofort zu verhindern. Da außer dem ersten Gerüst alle anderen nur zwei Walzen haben, so lassen sich dieselben leichter und genauer stellen. Die Walzen im zweiten Gerüst haben quadratische, die im dritten und vierten Gerüst ovale Kaliber. Die fertig gewalzte Ruthe wird auch hier auf eine Trommel aufgewunden, der gebildete Drahtkranz schnell abgenommen und in einen Kühlcylinder gelegt, in welchem Kranz über Kranz liegt; durch diese langsame Abkühlung wird die Oxydation vermindert. Das Auswalzen einer Ruthe dauert höchstens 5/4 Minuten, so daß die Drahtkränze noch glühend in die Kühlcylinder gelangen. Der Draht bleibt dadurch so weich und so rein an der Oberfläche, daß er sogleich an die Drahtzüge abgegeben werden kann. Die einzelnen Ruthen haben eine Länge von 130 bis 150 Fuß und eine Dicke von 2 bis 3 Linien. Sobald ein auszuwalzendes Stück das erste Gerüst passirt hat, rückt gleich ein zweites aus dem Schweißofen nach, so daß sich stets zwei Ruthen gleichzeitig in Arbeit befinden, und da nun außerdem jede Ruthe gleichzeitig durchgeht, so erklärt es sich daß eine solche Drahtwalzlinie eine Triebkraft von 50 bis 60 Pferden erfordert. Für zwei solche Walzenlinien sind z.B. in Neunkirchen drei Schweißöfen im Betriebe und jeder Ofen liefert bei ungestörtem Gange stündlich eine Charge von 4 bis 5 Centner. Durch den so sehr beschleunigten Betrieb wird es möglich aus 115 bis 118 Pfd. rohem Puddeleisen 100 Pfd. Walzdraht mit einem Steinkohlenaufwande von 100 Pfd. darzustellen. – Maschinen und Menschen arbeiten gleich behende und letztere müssen noch dabei sehr vorsichtig seyn, damit sie keinen Fehltritt thun und von der Drahtruthe ergriffen werden, was die traurigsten Folgen haben würde.