Titel: Ueber die Wirkung der Gallussäure und des Gerbstoffs beim Färben, und über Mittel zum Conserviren gerbstoffhaltiger Extracte; von F. Crace Calvert, Professor der Chemie zu Manchester.
Fundstelle: Band 136, Jahrgang 1855, Nr. LV., S. 222
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LV. Ueber die Wirkung der Gallussäure und des Gerbstoffs beim Färben, und über Mittel zum Conserviren gerbstoffhaltiger Extracte; von F. Crace Calvert, Professor der Chemie zu Manchester. Aus dem Edinburgh new philosophical Journal, April 1855, S. 265. Calvert, über die Wirkung der Gallussäure und des Gerbstoffs beim Färben. Persoz bemerkt in seinem Traité de l'impression des Tissus (vol. I p. 262): „es wäre sowohl in technischer als wissenschaftlicher Hinsicht wünschenswerth, bestimmt zu wissen, ob beim Färben mit Galläpfeln der Körper welcher die Hauptrolle spielt, Gallussäure oder Gerbstoff (Gerbsäure) ist.“ Diese Bemerkung, und andererseits die Thatsache, daß die Fabrikanten von Farbstoff-Extracten es nicht wagen dürfen, Gerbstoff-Extracte in großem Vorrath zu bereiten, weil letztere Extracte sich sehr bald verändern, veranlaßten mich zu den folgenden Untersuchungen, in der Hoffnung den Gegenstand aufzuklären. Die ersten Versuche wurden in der Absicht angestellt, die Wirkung von Gallussäure und Gerbstoff in der Färbeflotte zu ermitteln. Zu diesem Zweck tauchte ich 100 Quadratzoll mit Eisenoxyd gebeizten Baumwollzeuges in Bäder welche aus 20 Gran Gallussäure oder Gerbstoff, und 30 Unzen Wasser bestanden, und ließ das Färben in der Kälte während 24 Stunden vor sich gehen. Es ergab sich, daß die Gallussäure rasch die Eisenbeize färbte, aber die Farbe verschwand bald, während mit dem Gerbstoff das Schwarz sich zwar langsamer bildete, hingegen beständig blieb. Diese Versuche wurden hierauf in der Weise wiederholt, daß man die Temperatur des Bades während 1 3/4 Stunden nach und nach auf 66° R. erhöhte und dann während einer halben Stunde auf 80° R. Im Allgemeinen erhielt man ähnliche Resultate, der Unterschied bestand nur darin, daß das Anfangs mit der Gallussäure erzeugte Schwarz rascher und vollständiger verschwand als bei den Versuchen welche bei der Temperatur der Atmosphäre gemacht wurden. Diese Thatsachen brachten mich auf die Vermuthung, daß die Gallussäure auf das in dem Zeug als Beizmittel befestigte Eisenoxydhydrat reducirend wirkte. Um darüber Gewißheit zu erhalten, untersuchte ich eine Quantität Flüssigkeit aus dem Bad worin das Färben vorgenommen worden war; dabei fand ich, daß sie eine große Menge Eisenoxydul aufgelöst enthielt; wogegen bei dem Färben in Gerbstofflösung keine Reduction des Eisenoxyds stattgefunden hatte. Ich versetzte auch die erwähnte Lösung von gallussaurem Eisenoxydul mit ein wenig Chlorkalk; dadurch wurde nicht nur eine gewisse Menge von schwarzem gallussaurem Eisen gefällt, sondern die Flüssigkeit lieferte überdieß ein beständiges Schwarz auf einem frischen Stück mit Eisen gebeizten Kattuns, was beweist, daß der Chlorkalk das Eisen der Beize im Zustand von Oxyd erhalten hatte. – Nun bot sich eine sehr wichtige Frage dar, nämlich ob die Gegenwart einer freien Säure das Reductionsvermögen der Gallussäure erhöht? Um diesen Punkt zu entscheiden, wurde eine schwache Lösung von schwefelsaurem Eisenoxyd mit etwas Gallussäure gemischt, wobei man fand, daß der zuerst gebildete blaue Niederschlag im Verhältniß zum Säure-Ueberschuß rasch verschwand, indem er im Glasgefäß eine braun gefärbte Flüssigkeit hinterließ, welche ein Salz von Eisenoxydul und Oxyd enthielt. Ich fand ferner, daß der Zusatz einer kleinen Menge von schwacher Salzsäure, Schwefelsäure oder Oxalsäure, die reducirende Wirkung sehr erhöhte. Wenn man hingegen eine Gallussäure-Lösung mit einem Ueberschuß von reinem Eisenoxyhydrat versetzte, selbst nach mehreren Tagen, so blieb der anfangs entstandene dunkelblaue Niederschlag beständig, und in der Lösung bildete sich kein Eisenoxydul. Wenn man die Mischung jedoch erwärmte, so konnte man in der Flüssigkeit Eisenoxydul entdecken. Diese Thatsachen zeigen klar, daß die Gallussäure nicht färbt, wenn man sie in Ueberschuß oder bei Gegenwart irgend einer andern Säure anwendet. Der Gerbstoff hingegen, unter denselben Umständen angewendet wie die Gallussäure, reducirt das Eisenoxyd nicht, weder bei gewöhnlicher Temperatur, noch unter dem Einfluß der Wärme. Eine Umwandlung des Eisenoxydhydrats in Oxydul wurde bei dem Gerbstoff nur in dem Fall beobachtet, wenn man die Flüssigkeit mit einem großen Ueberschuß von Salzsäure, Schwefelsäure, oder Oxalsäure versetzte. Ich vermuthe daher, daß unter dem Einfluß eines großen Ueberschusses von Mineralsäure der Gerbstoff sich in Zucker und Gallussäure spaltet, und daß letztere Substanz die erwähnte reducirende Wirkung hervorbringt. Diese Resultate dürften uns die vor einigen Jahren von Professor J. Girardin in Rouen beobachtete Thatsache erklären, daß nämlich zur Erzielung eines guten Schwarz, ein Wasser, welches viel kohlensauren Kalk enthält, vortheilhaft ist; wahrscheinlich neutralisirt der Kalk die in der angewandten gerbstoffhaltigen Substanz vorkommende Gallussäure und verhindert so letztere, ihre reducirende Wirkung auf die Eisenbeize auszuüben, was die Färbung durch den Gerbstoff beeinträchtigen würde. Ich wollte nun auch die verschiedene Wirkung von Gallussäure und Gerbstoff auf Thonerde kennen lernen. Ich benutzte dazu zwei Kattunstücke von je 100 Quadratzoll, welche vorher mit Thonerde gebeizt und nach hinreichendem Hängen in der Luft im Kuhkothbad behandelt worden waren; den einen Zeug brachte ich in ein Bad welches 20 Gran Gallussäure, den andern in ein Bad welches 20 Gran Gerbstoff enthielt; diese Bäder wurden im Verlauf von 2 1/4 Stunden nach und nach bis zum Siedepunkt erhitzt. Die Zeugstücke wurden dann herausgenommen, in destillirtem Wasser gewaschen und hierauf mit Krapp gefärbt. Es ergab sich, daß das Stück welches im Gallussäure-Bad gewesen war, fast farblos blieb; das vorher mit Gerbstoff behandelte Stück hatte sich hingegen satt roth gefärbt. – Dieselben Resultate erhielt ich, als ich ein mit Thonerde gebeiztes Kattunstück in einem Bade färbte welches aus 30 Unzen Wasser, 12 Gran St. Martensholz und 8 Gran Garancin, nebst 20 Gran Gerbstoff, oder 20 Gran Gallussäure bestand. – Um keinen Zweifel über die relative Wirkung der Gallussäure und des Gerbstoffs auf die Thonerde übrig zu lassen, brachte ich in zwei Röhren reines Thonerdehydrat mit einer Lösung der einen und des andern; nach wenigen Tagen wurden die überstehenden Flüssigkeiten untersucht, wobei ich fand, daß nur die Gallussäure Thonerde aufgelöst hatte, der Gerbstoff aber gar keine, so daß letzterer, wenn nicht als eine neutrale Substanz, jedenfalls als eine sehr schwache Säure zu betrachten ist. Ich versuchte auch Roth und Schwarz mit einem Sumach-Extract zu färben, welches einige Zeit aufbewahrt worden war; dieß gelang mir aber nicht, ohne Zweifel weil sich dessen Gerbstoff in Gallussäure umgewandelt hatte, denn ich erhielt dieselben Resultate wie mittelst obiger freien Säuren. Diese rasche Umwandlung des Gerbstoffs in Gallussäure in dem Sumach-Extract ist merkwürdig, da sie in dem Extract nur wenige Wochen oder Monate Zeit erfordert, während sie erst nach Jahren bei dem in der Pflanze eingeschlossenen Gerbstoff eintritt. Dieser Unterschied ist ohne Zweifel der Gegenwart von Wasser zuzuschreiben, welches chemische Wirkungen erleichtert. Die rasche Zersetzung der gerbenden Substanzen in Extract-Form ist der Grund weßwegen bei den Seidenfärbern und Gerbern jene (flüssigen) Extracte als Surrogate der festen gerbstoffhaltigen Materialien nicht in Aufnahme kommen konnten. Ich hielt es daher für nützlich, eine Reihe von Versuchen anzustellen, um wo möglich eine Substanz zu entdecken, welche diese eigenthümliche Gährung verhindert, denn die Untersuchungen von Delaroque und Robiquet jun. haben klar gezeigt, daß der Gerbstoff unter dem Einfluß des Pectinferments in Gallussäure umgewandelt wird. Ich habe drei Substanzen entdeckt, welche die Eigenschaft besitzen (flüssige) Gerbstoff-Extracte von 1,250 spec. Gew. vor Gährung zu schützen, und ich mache dieselben zum Nutzen der betheiligten Industriellen bekannt; sie sind: Chlorkalk, Quecksilberchlorid (Sublimat), insbesondere aber Karbolsäure (Phenylsäure). Wie wirksam die Karbolsäure ist, ersieht man daraus, daß ein Sumach-Extrcet welches ich vor 12 Monaten mit wenigen Procenten dieser Säure mischte, jetzt noch so unverändert wie damals ist. Die ersten zwei Substanzen entsprechen sehr gut, aber die letzte hat den großen Vortheil, für die verschiedenartigen Anwendungen des Extracts von Gerbematerialien gar nicht hinderlich oder schädlich zu seyn.In der Praxis wird man die gerbstoffhaltigen Extracte behufs des Conservirens natürlich mit dem aus Steinkohlentheer dargestellten Kreosot des Handels versetzen, welches größtentheils Karbolsäure (Phenylsäure) ist. – Schon Larocque, welcher zuerst die Umwandlung des Gerbstoffs in Gallussäure unter die Gährungen stellte, hatte gefunden daß Kreosot, Quecksilberchlorid, Terpenthinöl etc. sich jener Umwandlung widersetzen.A. d. Red. Die Eigenschaft der Gallussäure, das Eisenoxyd- und Thonerdehydrat leicht aufzulösen, veranlaßt mich ihre Wirkung, so wie auch die des Gerbstoffs, auf metallisches Eisen zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurden 1000 Gran Wasser, 25 Gran Gallussäure oder Gerbstoff, und 100 Gran Eisendraht in Röhren gebracht, in der Art daß alle Luft ausgeschlossen wurde und die entwickelten Gase in die pneumatische Wanne gelangten. Nach wenigen Tagen fand man, daß die Röhre mit Gallussäure mehrere Kubikzolle Gas abgegeben hatte, welches sich als beinahe reines Wasserstoffgas erwies, während die Flüssigkeit farblos zurückblieb und in Berührung mit der Luft nur eine schwache schwärzlichblaue Färbung annahm; das herausgenommene Eisen, sorgfältig getrocknet, ergab einen Gewichtsverlust von 1,4 Gran. Die Gallussäure hat daher die Eigenschaft Eisen aufzulösen. In der Röhre mit Gerbstoff entwickelte sich kein Gas und es wurde auch kein Eisen aufgelöst; diese Lösung hatte nur eine schwache Purpurfarbe angenommen, wahrscheinlich von einer Spur Eisenoxyd. – Ich machte eine ähnliche Reihe von Versuchen, wobei ich anstatt der 1000 Gran Wasser, 1000 Gran einer Zuckerlösung von 1,090 spec. Gewicht anwandte; dabei wirkte die Gallussäure auf vorher angegebene Weise, der Gerbstoff griff aber unter dem Einfluß des Zuckers das Eisen an und erzeugte einen voluminösen schmutzig purpurfarbigen Niederschlag. Ich beabsichtige später letztere Reaction zu untersuchen, sowie auch die eigenthümliche Verbindung welche durch die Oxydation der Gallussäure gebildet wird, wenn dieselbe mit einem sauren Eisenoxydsalz in Berührung ist.