Titel: Ueber die Leuchtkraft und den Beleuchtungswerth der Paraffin-Kerzen; von Karl Karmarsch.
Fundstelle: Band 138, Jahrgang 1855, Nr. LII., S. 188
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LII. Ueber die Leuchtkraft und den Beleuchtungswerth der Paraffin-Kerzen; von Karl Karmarsch. Aus den Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins, 1855, Heft 5. Karmarsch, über die Leuchtkraft und den Beleuchtungswerth der Paraffin-Kerzen. Von mehreren Seiten ist bereits der aus Paraffin verfertigten Kerzen als eines ausgezeichneten Erleuchtungsmittels gedacht worden, sowohl was das vorzüglich schöne äußere Ansehen dieser Kerzen als die überraschend hohe Leuchtkraft ihres Materials betrifft. In letzterer Beziehung ist Folgendes anzuführen: 1) Kohlmann (Gewerbeblatt aus Württemberg, 1854, S. 298) verglich Paraffinkerzen, 5 Stück im Pfundpackete von 457 Gram, wirklichem Gewicht, mit Stearinsäurelichten, 6 im Pfundpackete von 348 Gram., und fand: a. daß die Flamme des Paraffinlichts 1,58 Mal so hell brannte, als jene des Stearinsäurelichts; b. daß dagegen in gleicher Brennzeit von Stearinsäure 1,2 Mal so viel verzehrt wurde, als von Paraffin. Aus Paraffin wäre demnach 1,58 × 1,2 oder 1,896 Mal so viel Licht entwickelt, als aus einer gleichen Gewichtmenge Stearinsäure. Der Preis eines Pfundpacketes wird für Paraffin zu 20 Sgr., für Stearinsäure zu 9 Sgr. angegeben; legt man die oben erwähnten wirklichen Gewichte des angeblichen Pfundes zu Grunde, so berechnet sich ein volles preuß. Pfund (467,71 Gram.) Paraffinlichte auf 20,47 Sgr. Stearinsäurelichte auf     12,09   „ Danach wären Paraffinkerzen zwar 1,69 Mal theurer als Stearinsäurekerzen, da sie aber laut des Vorstehenden fast 1,9 Mal so viel Licht entwickelten, so würde die Paraffinbeleuchtung doch noch im Vortheil stehen. 2) G. Karsten in Kiel (polytechn. Journal Bd. CXXXIV S. 366) untersuchte Paraffinkerzen (aus der Fabrik von A. Wiesmann und Comp. in Bonn) in Vergleichung mit Kerzen von verschiedenen anderen Materialien; seine Resultate sind dem Wesentlichen nach in folgender Tabelle zusammengestellt:      Gattung der Kerzen.  Lichtstärkeder Flamme. Materialverbrauch     in 1 Stunde.        Gram.    Verhältniß der  Lichtmenge ausgleich viel Material    (Leuchtkraft). Paraffin 4 im Pfd.     1000        7,244          1000 Wallrath 6  „    „       850        7,451            826 Wachs 4  „    „       473        7,616            450 künstl. WachsEine bessere Sorte Stearinsäure. 5  „    „       929        8,858            760 Stearinsäure 4  „    „       850      11,341            543 Talg 6  „    „       869      14,073            448 Eine genau zutreffende Berechnung der Kosten des Lichtes ist aus Karsten's Mittheilung nicht abzuleiten, da er das wirkliche Gewicht eines Kerzen-Pfundes für Paraffin gar nicht, für die übrigen Materialien etwas schwankend angibt. Setzt man indessen das Pfund Paraffinkerzen als vollwichtig voraus (was es beinahe seyn soll), nimmt für das Untergewicht der übrigen Arten einen Mittelsatz, und legt die in Hamburger Schillingen angegebenen Kieler Localpreise des nominellen Pfundes zu Grunde, so erhält man, auf preußisches Geld umgerechnet, für das volle Pfund Paraffin 22,5 Sgr. Wallrath 34,3  „ Wachs 21,2  „ künstliches Wachs    17,1  „ Stearinsäure 12,6  „ Talg   8,2  „ Der zur Erzeugung gleicher Lichtmengen erforderliche Kostenaufwand stellt sich hiernach schließlich folgendermaßen dar: Paraffin 1000 Wallrath 1845 Wachs 2094 künstliches Wachs    1000 Stearinsäure 1031 Talg   813 Hier tritt nun das sofort als unglaublich erscheinende Resultat auf, daß Beleuchtung mit Wachskerzen über doppelt so theuer seyn soll, als jene mit Paraffinkerzen, ungeachtet die Kerzen letzterer Art etwas theurer im Ankauf sind als Wachskerzen.Diese ungünstige Stellung des Wachslichtes rührt zum Theil davon her, daß Karsten unbegreiflicherweise die Leuchtkraft des Wachses – laut der oben mitgetheilten Tabelle – bedeutend geringer als die der Stearinsäure und nicht viel über halb so groß als die des Wallraths gefunden hat, worin seine Beobachtungen in starkem Widerspruch mit den Erfahrungen Anderer stehen. Ich will hierüber eine Zusammenstellung geben, unter welche ich auch frühere Beobachtungen von Karsten selbst (s. Mittheilungen des hannoverschen Gewerbevereins. 1854, S. 42–43) aufnehme. Wegen der von Heeren und mir gefundenen Werthe kann man das Nähere in der altern Reihe obiger Mittheilungen, Lieferung 15 und 27, nachsehen.Textabbildung Bd. 138, S. 190 Gattungen der Kerzen; Durchschnittliche Leuchtkraft. (Lichtmenge aus gleichviel Material.); Peclet; Herren und Karmarsch; Karsten; früher; jetzt; Wachs; Wallrath; Stearinsäure; Talg; Hiernach ist es zu entschuldigen, wenn man für die Zuverlässigkeit der ganzen Untersuchung besorgt wird. Jedenfalls darf ich mein eigenes Bestreben, zur Aufklärung des Gegenstandes auf experimentellem Wege beizutragen, für gerechtigt halten. –––––––––– Ich gebrauchte zu den Versuchen, als deren Zweck ich die Ermittelung der Leuchtkraft des Paraffins mir vorsetzte, Paraffinkerzen aus derselben Quelle, von wo Karsten sie erhalten hatte, nämlich aus der Fabrik der Firma A. Wiesmann und Comp. zu Augustenhütte bei Bonn. Von diesen Kerzen waren 6 Stück von 11 Zoll Länge im Pfundpackete, dessen Nettogewicht 456 Gram. oder 31,2 Loth Kölnisch betrug. Ich verglich dieselben mit in Hannover angekauften Stearinsäure- und sehr guten gegossenen Talg-Kerzen, beide ebenfalls sogenannte Sechser, von welchen jedoch sechs Stück bedeutend weniger als 1 Pfund wogen, nämlich die Stearinsäurelichte (11 1/2 Zoll lang) nur 393 Gram. oder 26,9 Loth, die Talglichte (von 11 3/4 Zoll Länge) 435 Gram. oder 29 3/4 Loth. Von jeder der drei Arten nahm ich ohne besondere Wahl drei Stück, welche mit Nr. 1, 2, 3 bezeichnet, genau gewogen, 4 Stunden lang gebrannt und schließlich ebenfalls wieder sorgfältig gewogen wurden. Je drei Kerzen mit gleicher Nummer prüfte ich im Laufe der gedachten Brennzeit fünfmal auf die Helligkeit ihrer Flamme, wobei die Lichtstärke der Paraffinkerze als Einheit genommen wurde. Die Lichtmessung geschah mittelst des Rumford'schen Photometers (durch Schattenvergleichung), unter Beobachtung aller wohlbekannten und erforderlichen Vorsichtsmaßregeln; die Paraffinkerze stand jedesmal in 60 Zoll Entfernung von der schattenauffangenden Tafel, die Talg- oder Stearinsäurekerze wurde darnach entsprechend versetzt. Ich muß zum Lobe der Paraffinkerzen bemerken, daß dieselben mit sehr schöner, großer, weißer Flamme brannten und, zufolge der richtig bemessenen Stärke ihrer Dochte, ein vollkommenes Näpfchen bildeten, aus welchem nie eine Spur des geschmolzenen Materials ablief; sie zeigen dagegen den Fehler, bei unruhiger Luft (ganz vorzüglich im Herumtragen) ziemlich starken Rauch auszustoßen. Uebrigens ist kaum zu erwähnen nöthig, daß die Helligkeit der Flamme ziemlich erheblichen Schwankungen unterliegt: bei den Talglichten wegen des PutzensDie Talgkerzen trachtete ich stets im besten Zustande des Brennens zu haben, wenn ich die Lichtmessung vornahm: dieser tritt kurz nach einem mäßigen Putzen ein, worüber die Erfahrung bald belehrt., bei den Stearinsäure- und Paraffin-Lichten wegen der veränderlichen Krümmung und Länge des verkohlten Dochtendes, an welchem die Flamme sich hinzieht. Gerade deßwegen waren drei getrennte Versuchreihen angeordnet, um durch Ziehung eines Durchschnitts dem Richtigen so nahe zu kommen als möglich. Die Ergebnisse der Beobachtungen sind in nachstehender Tabelle aufgezeichnet.              I. Reihe.             II. Reihe.           III. Reihe. Paraffin   Nr. 1. Stearins  Nr. 1. Talg Nr. 1.     Paraffin   Nr. 2. Stearins  Nr. 2. Talg Nr. 2.     Paraffin   Nr. 3. Stearins  Nr. 3. Talg Nr. 3. Helligkeit; Versuch 1   1000   1000  825   1000    856  950   1000    795  894      „             „       2   1000     795  737   1000    967  910   1000    856  879      „             „       3   1000     856  810   1000    991  983   1000    758  887      „             „       4   1000     879  894   1000    871  840   1000    825  795      „             „       5   1000     989  934   1000    924  934   1000    770  818 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Durchschnittliche Helligkeit   1000     904  840   1000    922  923   1000    801  855 –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––   Gram.   Gram. Gram.   Gram.   Gram. Gram.   Gram.   Gram. Gram. Materialverbrauch in 4 Stunden   33,52   37,82 31,62   32,17   39,69 30,60   32,71   35,86 30,00            „                „  1 Stunde     8,38     9,45   7,90     8,04     9,92   7,65     8,18     8,96   7,50 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Relative Leuchtkraft, oder Verhältniß   der Lichtmenge aus gleichem Gewichte    Brennstoff   1000     801  890   1000    747  970   1000    731  932 Somit wäre also – die Leuchtkraft des Paraffins = 1000 angenommen – jene der beiden anderen Leuchtmaterialien wie folgt: Stearinsäure.   Talg. Nach Versuchsreihe I.      801  890   „               „           II.      747  970   „               „          III.      731  932   ––––––– –––– und im Gesammtdurchschnitte      760  931 Beiläufig stellt sich hier zwischen Talg und Stearinsäure ein solches Verhältniß heraus, daß die von mir angewendeten Talglichte als besonders gut, dagegen die Stearinsäurelichte als von ziemlich geringer Qualität angesehen werden müssen.Daß Talg eine größere Leuchtkraft entwickelt als Stearinsäure, ist zwar eine nicht gewöhnliche Erscheinung, wurde indessen doch schon in anderen Fällen auch beobachtet. Aus eigenen Versuchen (s. Lief. 27 der ältern Reihe der Mittheilungen des hannov. Gewerbevereins S. 501) weiß ich, daß – die Leuchtkraft des besten Wachslichtes = 1000 gesetzt – die Leuchtkraft der verschiedenen Arten von Kerzen in folgender Weise schwankt:Wachszwischen  855und1000Wallrath     „1045  „1066Stearinsäure     „  759  „  880Talg (im günstigsten Falle)     „  856  „  921 Trotzdem ergibt sich die Leuchtkraft der Paraffinkerzen nur in dem Verhältnisse von 1000 zu 760 oder von 1316 zu 1000 größer als jene dieser mittelmäßigen Stearinsäurekerzen. Dieß ist genau das Resultat, welches Karsten rücksichtlich der so genannten künstlichen Wachskerzen erhielt; wogegen nach ihm die „gewöhnlichen Stearinsäurekerzen“ ein Verhältniß = 543 : 1000 oder 1000 : 1841 darbieten, womit das von Kohlmann gefundene (1000 : 1896) nahe übereinstimmt. Ohne nun die Versuche dieser beiden Beobachter als ungenau bezeichnen zu wollen, bin ich doch geneigt den meinigen einen größern Werth beizumessen, weil sie mit drei Kerzen von jeder Gattung angestellt sind, also eher die durchschnittliche Beschaffenheit offenbaren können. Zum Schlusse noch eine Berechnung in Betreff des Kostenpunktes. – Das 6 Stück enthaltende Packet der von mir jetzt geprüften Stearinsäurekerzen kostet 9 Ggr. 4 Pf., und da es 393 Gram. wiegt, so kommt das volle Pfund (467,71 Gram.) auf 11 Ggr. 1 Pf. zu stehen. Von den Talgkerzen wurde das gezählte Pfund (435 Gram.) mit 6 Ggr. bezahlt, wonach sich für das gewogene oder wirkliche Pfund der Preis zu 6 Ggr. 5 Pf. ergibt. Ist nun die Lichtmenge aus gleichem Gewichte Brennstoff für Paraffin = 1000,  „  Stearinsäure =   760,  „  Talg =   931, so erfordert diejenige Menge Licht, welche 1 volles Pfund Paraffinkerzen ausgibt, von Stearinsäurekerzen 1,316 Pfd., deren Preis 14 Ggr.   7 Pf.   „   Talgkerzen 1,074   „     „    „   6   „ 11  „ Die Paraffinkerzen kosten in der Fabrik selbst 15 Sgr. (12 Ggr.) das Pfundpacket von Netto 456 Gram. In Hannover sind dieselben zur Zeit noch nicht käuflich; angenommen aber, hiesige Kaufleute würden sie führen und könnten sie zu 16 Ggr. ablassen, so käme das vollwichtige Pfund auf 16 Ggr. 5 Pf. zu stehen, und es wären dann die Kosten für Erzeugung gleich großer Lichtmengen mittelst Paraffin 16 Ggr.   5 Pf. oder 1000      „     Stearinsäure   14   „   7  „   „   888      „     Talg   6   „ 11  „   „   421 (während Karsten für Stearinsäure 1031 und für Talg 813 berechnet). Nachtrag. In der Absicht, die Leuchtkraft der Paraffinkerzen noch bestimmter zu ermitteln, habe ich dieselben ferner auch mit Wachskerzen verglichen, wie sie mir eben – nicht von vorzüglicher Qualität – zu Gebote standen. Diese, 6 Stück im Pfunde und 12 1/2 Zoll lang, wogen Netto 409 Gram. oder 28 Loth, und kosteten 14 Ggr., was für das vollwichtige Pfund 16 Ggr. ergibt. Zwei dieser Wachskerzen und zwei Paraffinkerzen aus demselben Packete welchem die vorher geprüften entnommen waren, wurden auf die oben beschriebene Weise geprüft, wobei ich folgende Resultate erhielt:         IV. Reihe.        V. Reihe. Paraffin.     a. Wachs.     a. Paraffin.     b. Wachs.     b. Helligeit, Versuch 1   1000    530   1000    562      „           „       2   1000    514   1000    613      „           „       3   1000    588   1000    575      „           „       4   1000    581   1000    640      „           „       5   1000    613   1000    613 –––––––––––––––––––––––––––––– Durchschnittl. Helligkeit   1000    565   1000    600 ––––––––––––––––––––––––––––––   Gram.   Gram.   Gram.   Gram. Materialverbrauch in 4 Stdn.   33,48   27,01   33,65   26,99             „              „  1 Stde.     8,37     6,75     8,41     6,75 –––––––––––––––––––––––––––––– Relative Leuchtkraft   1000    700   1000    748 Die Leuchtkraft des Paraffins zu 1000 angenommen, fand sich jene der Wachskerzen nach Reihe IV      700   „      „       V 748 –––– im Mittel = 724, also selbst noch etwas geringer, als jene der Stearinsäurekerzen bei den oben beschriebenen Versuchen – ein Beweis mehr für die schon im Ansehen sich kundgebende untergeordnete Güte des hier geprüften Wachses. Demzufolge würde die Leistung von 1 wirklichen Pfund Paraffin durch 1,38 wirkliche Pfund Wachs hervorgebracht werden; und da ersteres zu 16 Ggr. 5 Pf. angenommen wird (S. 194), letzteres aber 16 Ggr. kostet, so findet man den Geldaufwand für gleiche Lichtmengen aus Paraffin = 16 Ggr. 5 Pf. oder 1000   „   Wachs = 22   „ 1  „    „   1345; d.h. Wachsbeleuchtung stellt sich um ein Drittel kostspieliger als Paraffinbeleuchtung. Fasse ich endlich die Resultate aller meiner hier beschriebenen Versuche, rücksichtlich der Leuchtkraft verschiedener Kerzen mit denen Karsten's zusammen, und beziehe ich sie sämmtlich auf die Leuchtkraft der Wachskerzen als 1000, so ergibt sich folgende Uebersicht: Textabbildung Bd. 138, S. 196 Leuchtkraft; nach Karsten; nach mir.; Wachs; Paraffin; Stearinsäure; Talg In Betreff des Talglichts darf nicht vergessen werden, daß die für dasselbe aufgeführte hohe Zahl keineswegs einen in der Praxis wirklich zu gewinnenden Lichtertrag ausdrückt, sondern nur dann diese Bedeutung haben würde, wenn es möglich wäre, den im günstigsten Momente des Brennens entwickelten Grad von Helligkeit fortdauernd zu erhalten (vergl. die Anmerkung auf S. 191). Die durchschnittliche Helligkeit während der ganzen Brennzeit (rechtzeitiges Putzen vorausgesetzt), also die praktisch nutzbare Leuchtkraft, muß wenigstens um ein Achtel geringer veranschlagt werden.