Titel: Die Hohöfen des Ingenieurs Fabry.
Fundstelle: Band 138, Jahrgang 1855, Nr. LVI., S. 207
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LVI. Die Hohöfen des Ingenieurs Fabry. Aus dem Journal des Mines, Jahrg. 1855, Nr. 37. Fabry's Hohöfen. Von der Sambre erhalten wir eine Neuigkeit, welche alle Ingenieure, Eisenhüttenbesitzer und Kohksproducenten Belgiens in Verwunderung gesetzt hat. Demzufolge scheint die Eisenfabrication in eine ganz neue Phase getreten zu seyn, in eine Phase der hoffnungsvollen Zukunft und großen Gewinnes. Seit langer Zeit hat man sich mit der inhaltsschweren Frage beschäftigt, ob man nicht noch bei der Eisenfabrication die Kohks durch rohe Steinkohlen ersetzen könne. Diese höchst interessante, von dem belgischen Ingenieur Hrn. Fabry wieder aufgenommene Frage hat bei den Eisen- und Kohks-Producenten, welche von ihm zu einem Vortrage auf dem Stadthause zu Charleroi eingeladen waren, eine große Aufregung veranlaßt, indem jener tüchtige IngenieurUnsere Quelle sagt nicht, ob dieß derselbe Hr. Fabry ist, welcher die trefflichen Wettermaschinen erfunden hat, die jetzt in Belgien so häufig und mit bedeutenden Leistungen angewendet werden und die im polytechn. Journal, 1853, Bd. CXXX S. 336 mitgetheilt wurden.H. ihnen dort die auf unwiderlegbare Thatsachen gestützte Theorie seines neuen Hohofensystems auseinandersetzte. Die von Hrn. Fabry vorgetragenen Ideen sind, wie er selbst gesteht, nicht ganz die seinigen, da schon auf mehreren Hütten in England (Wales und Schottland) die Kohks sehr genügend durch Steinkohlen (Anthracit) ersetzt worden sind. Hrn. Fabry eigenthümlich sind die bei den Eisen-Hohöfen, so wie sie jetzt angewendet werden, angebrachten Verbesserungen, welche als neue Erfindung angesehen werden können. Versuche, die Kohks durch Steinkohlen zu ersetzen, sind zu verschiedenen Malen sowohl in Belgien als auch in Frankreich gemacht worden; sie mißlangen aber sämmtlich wegen der jetzigen Beschaffenheit der Oefen, die zur Erleichterung der Luftcirculation ganz ungeeignet sind, in Folge der dichten Rinde, welche die rohen Kohlen durch ihre Verbrennung bilden. Um die von den Reformatoren des Roheisenschmelzprocesses gesuchten Resultate zu erreichen, mußte man Mittel aufsuchen, um die Luft in den Oefen so circuliren zu lassen, daß sie die Verbrennung der Steinkohlen befördert. Diese Aufgabe nun hat Hr. Fabry zu lösen gesucht und es ist ihm dieß auf eine genügende Weise gelungen. Bei den jetzt gebräuchlichen Hohöfen tritt der Wind unten in den Ofen, strömt von dort nach oben und in dieser Richtung durch den ganzen Ofenraum. Der Hohofen Fabry's ist einer mit umgekehrten Flammen, welcher mittelst der Luftvertheilung in allen seinen Theilen den Steinkohlengasen sich zu entwickeln gestattet und das Brennmaterial verhindert zusammen zu backen oder zu zerspringen und Staubmassen zu bilden. Der Wind würde mittelst übereinanderliegender, den Hohofen gänzlich umgebender und von oben bis unten angebrachter Röhren in denselben eintreten, jedoch der Art, daß die Verbrennungsproducte, d.h. die Flamme, statt wie jetzt durch die Gichtöffnung auszuströmen, bis zum Boden des Hohofens gehen, daher die ganze Höhe desselben durchströmen und durch einen das Gestell ersetzenden horizontalen Canal über dem Herde weggehen und in eine Zugesse gelangen. Da auf diese Weise der Wind von allen Seiten in den Hohofen strömt, so würde er auch jedes Zusammenbacken und Zerspalten der Steinkohlen verhindern. Diese kurze Darstellung des Fabry'schen Systems wird für Fachmänner hinreichend seyn, um ein Urtheil über die Vortheile und Nachtheile der Erfindung zu fällen. In der Versammlung am 5 September d. J. zu Charleroi fanden sich eine Anzahl von Ingenieuren, Eisenhüttenleuten und Kohksfabrikanten ein; um das System des Hrn. Fabry kennen zu lernen. Es wurden dagegen Einwürfe mit derjenigen Bitterkeit gemacht, welche jede neue Idee unvermeidlich veranlaßt, wenn sie die Empirie, veraltete Vorurtheile und besonders wenn sie die materiellen Interessen angreift. Man hat Hrn. Fabry den Einwurf gemacht, daß bei der Einrichtung seines Hohofens teigige und halbgeschmolzene Substanzen in den zum Herde führenden Canal fallen, denselben verstopfen und das Ausströmen der Flamme verhindern würden. Hält man aber den Herd stets von Schlacken rein, so wird dieser Nachtheil nicht eintreten können. Andere gemachte Einwürfe sind von keinem Belang und vermindern den Werth des neuen Systems der Roheisenfabrication durchaus nicht. Die Vortheile, welche der Hohofen mit umgekehrter Flamme darbietet, sind sehr bedeutend. Nach Fabry's Angaben kann man Steinkohlen jeder Art und Größe anwenden, von denen der Centner in Belgien 3,2 Sgr. kostet, während Kohks nicht unter 9,6 Sgr. anzuschaffen sind; auch kann die entweichende Flamme zur Puddelofen-Feuerung benutzt werden. – Gelingen die Versuche Fabry's auch im Großen, so wird der Preis des Eisens eine wesentliche Verminderung erfahren und die Production desselben wird dadurch sehr erleichtert werden. Der Referent im Journal des Mines verspricht die Sache im Auge behalten und wieder darüber berichten zu wollen.