Titel: Ueber Wilhelm Siemens' Maschine mit regenerirtem Dampf; von Hrn. F. Moigno.
Fundstelle: Band 138, Jahrgang 1855, Nr. LXIII., S. 241
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LXIII. Ueber Wilhelm Siemens' Maschine mit regenerirtem Dampf; von Hrn. F. Moigno. Im Auszug aus dem Cosmos, Revue encyclopédique, Sept. 1855, S. 311. Mit einer Abbildung auf Tab. IV. Moigno, über Siemens' Maschine mit regenerirtem Dampf. Hr. Seguin sen. hat zuerst auf die großen Vortheile (hinsichtlich der Brennmaterial-Ersparniß) aufmerksam gemacht, welche Maschinen gewähren müßten, die fortwährend mit demselben Dampf betrieben würden, welcher abwechselnd erhitzt und gespannt, ausgedehnt und abgekühlt, wieder erhitzt und auf seine anfängliche Spannung gebracht wird etc. Er übergab eine diesen Vorschlag entwickelnde Abhandlung nebst einer Skizze einer derartigen Maschine (mit nur zwei Cylindern, ohne Anwendung eines Respirators) der französischen Akademie der Wissenschaften am 3. Januar 1855 (m. s. den Aufsatz im polytechn. Journal Bd. CXXXV S. 325). In Folge dieser Mittheilung schrieb Hr. Wilhelm Siemens an die Akademie: 1) daß er seit 1846 eine erste Maschine construirt habe, welche auf dem Princip der Umsetzung der Wärme in Triebkraft beruht, und zu deren Betrieb er dem ausgedehnten und durch die Erzeugung mechanischer Kraft abgekühlten Dampf seine anfängliche Wärme und Spannung wieder ertheile, nämlich mittelst Hüllen (Mänteln) welche auf einer hohen Temperatur erhalten werden, und mittelst des neuen Organs, welches zuerst von Stirling unter dem Namen „Respirator“, dann von Ericsson unter dem Namen „Regenerator“ angewandt wurde; 2) daß er von 1846 bis 1855 fortwährend mit der Vervollkommnung seiner Maschine beschäftigt gewesen sey und ein Modell von sechs bis acht Pferdekräften besitze, welches man auf der Pariser Industrie-Ausstellung sehen werde. Außer jenem Modell lieferte er in den Industriepallast aber auch eine Maschine von vierzig Pferdekräften. Hr. Wilhelm Siemens (welcher seit ungefähr 14 Jahren in England ansässig und der jüngere Bruder des um die elektrische Telegraphie so verdienten Hrn. Werner Siemens zu Berlin ist) hat seine theoretischen Ansichten, durch positive Versuche unterstützt, in zwei Abhandlungen auseinander gesetzt, wovon die erste am 29. Juni 1852 in der Versammlung des Vereins der Mechaniker zu Birmingham vorgetragen wurde, die andere am 17. Mai 1853 in der Versammlung der Gesellschaft, der Civilingenieure zu London. Die Grundsätze und Thatsachen, auf welchen die mechanische Theorie der Wärme hauptsächlich beruht, sind folgende: 1) die Wärme und die (mechanische) Kraft sind zwei Wirkungen, zwei Aeußerungen einer und derselben Ursache; sie setzen sich gegenseitig in einander um, und erzeugen sich eine aus der andern; derselben Wärmemenge entspricht unter allen Umständen dieselbe mechanische Arbeit und umgekehrt; 2) unter allen Umständen wo Wärme verschwindet oder in den latenten Zustand übergeht, wird sie durch Kraft oder Bewegung ersetzt; dieß findet bei den Feuermaschinen statt; der Dampf oder die heiße Luft spielt bei diesen Maschinen nur die Rolle des Vermittlers zwischen dem Wärmestoff und der Kraft, indem sie durch ihre Ausdehnung einen Verlust an Wärme, der sich in Kraft umsetzte, veranlassen; 3) unter allen Umständen wo Kraft verschwindet (gewissermaßen in latenten Zustand übergeht), wird sie durch Wärme ersetzt; dieß ist z.B. bei der Reibung der Fall; 4) durch die Versuche von Despretz, Regnault und Siemens ist genügend nachgewiesen, daß die Summe der gebundenen und freien Wärme des gesättigten Wasserdampfs bei verschiedenen Pressungen eine verschiedene ist; 5) Regnault hat durch directe Versuche gezeigt, daß wenn ein heißes Gas aus einer ersten Hülle bei derselben Temperatur in eine zweite größere übergeht, so daß es einen größern Raum einnimmt, aber ohne eine mechanische Arbeit hervorzubringen, in diesem Falle weder Erniedrigung noch Erhöhung der Temperatur stattfindet. Daß hingegen, wenn man das in die zweite Hülle tretende Gas eine mechanische Arbeit vollbringen läßt, eine Abkühlung stattfindet, welche stets der erzeugten Arbeit proportional ist. Wir wollen nun den Mechanismus und das Spiel der so genannten „Maschine mit regenerirtem Dampf“ beschreiben, und zwar nach dem Modell oder der Londoner Maschine mit zwei einander gegenüber befindlichen horizontalen Cylindern und einem verticalen Cylinder; dieselbe wird jetzt in der Fabrik des Hrn. Moussard, rue Jean Goujou zu Paris, fortwährend in Betrieb bleiben. (Die Maschine von vierzig Pferdekräften, welche im Anbau des Industriepallasts aufgestellt wurde, hat drei verticale Cylinder.) Beschreibung der Maschine, Fig. 15. – M und M' sind zwei Feuerräume, die mit Kohlen gespeist werden, welche man in die zwei Rümpfe schüttet. NN, N'N' sind zwei Kessel, welche den innern Mechanismus allenthalben, oben und unten, einhüllen. OO, O'O' sind cylindrische Wände, welche der Flamme des Feuerraums ihre Richtung zu geben haben. H, H' sind zwei Mäntel von Gußeisen, welche unaufhörlich von der Flamme oder den heißen Gasen bespült werden; ihre Böden sind eingetieft und gerundet, um eine größere Heizfläche zu erzielen; die inneren Wände dieser Mäntel sind gänzlich mit rauhen Theilen oder Spitzen bekleidet, damit sie dem Dampfe, welcher in ihnen sich regeneriren (d.h. seine anfängliche Temperatur und Pressung wieder erlangen) muß, die Wärme besser mittheilen. GG, G'G' sind zwei cylindrische Flächen, ebenfalls von Gußeisen, auf ihrer vordern und hintern Seite offen, und allenthalben von den Mänteln H, H' umgeben. AF, A'F' sind die Kolben, aus zwei mit einander verbundenen Hälften bestehend; die ersten Hälften A, A' sind die eigentlichen Arbeitskolben, welche wie gewöhnlich aus Metallringen bestehen; sie bewegen sich in Cylindern hin und her, welche stets die Temperatur von denen der gewöhnlichen Dampfmaschinen haben: dieser Bedingung mußte nothwendig entsprochen werden, weil die tägliche Erfahrung lehrt, daß wenn ein Kolben sich in einem Cylinder von hoher Temperatur bewegt, die Metallringe bald zerstört werden. Die zweiten Hälften F, F' der Kolben sind Ansätze oder Muffe, im Innern hohl und mit Kohlenstücken (als schlechten Wärmeleitern) ausgefüllt; ihr Zweck ist, die Cylinder und die Arbeitskolben A, A' soviel als möglich gegen die große Hitze des Bodens der Mäntel zu schützen; diese Muffe bewegen sich frei und ohne dichte Berührung in den cylindrischen Flächen G, G'. Man wird bemerken, daß die Durchmesser der Ansätze (Muffe) F, F' zweimal so groß als die Durchmesser der Arbeitskolben A, A' sind; folglich sind die ringförmigen Flächen (die Dampfräume) an den Arbeitskolben die Hälfte der Hinteren Flächen dieser Ansätze; und weil der in den Mänteln enthaltene Dampf, wegen des den Muffen in den cylindrischen Räumen G, G' gelassenen Spiels, gleichzeitig auf die vorderen und Hinteren Seiten der Muffe wirkt, so ist die resultirende Wirkung (die Differenz der zwei Wirkungen in entgegengesetztem Sinne) diejenige, welche der Dampf auf die Basis des Arbeitskolbens ausüben würde. Die Stangen der Arbeitskolben gehen durch Stopfbüchsen E, E' und sind in der Mitte B der Maschine mit Kurbeln verbunden, welch die abwechselnde geradlinige Bewegung in eine stetige Kreisbewegung umsetzen und der Welle C die Drehbewegung ertheilen. Die vier Linien II, I 'I', welche man zwischen den cylindrischen Flächen G, G' und den Seitenwänden der Mäntel H, H' sieht, bedeuten auch cylindrische Flächen, welche durch mehrmals um sich selbst gerollte Drahtgewebe gebildet sind; man nennt sie Respiratoren, weil ihre Bestimmung ist, die Wärme des Treibedampfs abwechselnd anzusaugen und wieder auszuathmen; sie müssen nämlich an den Dampf welcher zum (innern) Boden der Mäntel geht, die in ihnen aufgespeicherte Wärme abgeben; dagegen müssen sie dem Dampf welcher aus den Arbeitscylindern tritt (um, wenn er von links kommt, unter, wenn er von rechts kommt, über den Arbeitskolben eines dritten verticalen Cylinders D zu gelangen), die Wärme entziehen um diese vorräthig zu halten. Die Stange des verticalen Kolbens D ist unten verlängert und mit derselben Kurbel verbunden welche die Welle C dreht, aber rechtwinkelig mit den Stangen der zwei horizontalen Kolben, um deren Bewegung fortzusetzen. Der Cylinder D ist also, wie die Abbildung zeigt, in freier Verbindung, durch seinen untern Theil mit dem Mantel H, durch seinen obern Theil mit dem Mantel H'. Er ist das charakteristische Organ der neuen Maschine; Hr. Siemens nennt ihn Regenerator, weil durch seine Vermittlung der Dampf regenerirt (auf seine anfängliche Temperatur und Pressung gebracht) wird. P ist die Esse; Q ein mit Ventil versehenes Rohr, durch welches der Dampf in die Maschine gelangt; R der Vertheilungsschieber; S ein Ventil, durch welches der verlorne Dampf in die Esse zieht, um den Zug zu befördern. In Gang setzen der Maschine. – Man zündet das Feuer an und wartet bis die Temperatur des Bodens der Mäntel H, H' (welche man mit einem Luftthermometer messen kann) auf beiläufig 400° C. gestiegen ist; der Druck des Wasserdampfs in den Generatoren (Kesseln) beträgt alsdann beiläufig fünf Atmosphären. Wenn also der Manometer einen inneren Druck von fünf Atmosphären anzeigt, so weiß man auch, daß der Boden der Mäntel die Temperatur von 400° erreicht hat, und die Maschine kann folglich in Gang gesetzt werden. Untersucht man in diesem Zeitpunkt die Temperatur der Respiratoren oder Cylinder von Drahtgewebe, so wird man finden, daß sie an demjenigen Ende welches dem Boden am nächsten ist, die Temperatur dieses Bodens haben, während an ihrem andern Ende ihre Temperatur nur 150° C. beträgt. Daraus folgt, daß wenn der Dampf mit einer Temperatur von 100° in den Mantel dringt, indem er durch den zwischen dessen Wänden und den Geweben des Respirators begriffenen Raum zieht, seine Temperatur unaufhörlich steigen wird, so daß er am (innern) Boden des Mantels mit einer Temperatur von 400° und mit fünf Atmosphären Druck ankommen wird; daß hingegen, wenn der Dampf mit 400° vom Boden des Mantels herkommt und denselben Raum sowie den Respirator in entgegengesetztem Sinne durchzieht, er nach und nach seine überschüssige Wärme an die Drahtgewebe abgeben und mit einer Temperatur von ziemlich 150° austreten wird. Die Erfahrung hat gezeigt, daß diese Temperatur-Austauschung zwischen dem Dampf und den Geweben des Respirators in sehr kurzer Zeit stattfindet, in zwei Fünfteln einer Secunde, also 150 Mal in der Minute; oder sogar in einem Fünftel einer Secunde, also 300 Mal in der Minute. Da jede doppelte Wärme – Austauschung zwischen dem Dampf und den Geweben einem Kolbenschub entspricht, so könnte die Maschine 300 Kolbenschube in der Minute machen. Spiel der Maschine. – Erste Periode. Wenn die Temperatur und der Druck die erforderlichen sind, nämlich erstere 400° C. und letzterer fünf Atmosphären beträgt, die Maschine überdieß die in der Figur angegebene Stellung hat, d.h. die drei Kolben am Ende ihres Weges, am Boden der Mäntel und des regenerirenden Cylinders angelangt sind, so öffnet man das den Dampf aus dem Generator zulassende Ventil Q; der Dampf langt am Schieber an, welcher ihn gegen den Mantel links H richtet; er dringt durch den Raum, welcher zum Theil mit den Drahtgeweben des Respirators gefüllt ist, erhitzt sich immer mehr, langt am (innern) Boden des Mantels an, verbreitet sich vor und hinter dem Muff, drückt aber mehr auf die hintere Basis des Muffes, wegen ihres zweimal größeren Durchmessers; der Arbeitskolben A wird fortgeschoben und ertheilt der Kurbel eine halbe Umdrehung. Da in dem Maaße als der Kolben vorrückt, der Dampf welchen er vor sich her treibt, wieder zum Boden des Mantels gelangt, indem er theils zwischen dem Cylinder und dem Muff durchgeht, theils neuerdings durch die Drahtgewebe dringt, so nimmt er die Wärme wieder auf, welche er verloren hatte, und in Folge dieser Wiedererhitzung behält der Dampf während des Kolbenschubes, und obgleich er endlich den doppelten Raum einnimmt, nahezu seinen Druck von fünf Atmosphären. Zweite Periode. Wenn der Arbeitskolben A das Ende seines Weges erreicht hat, tritt der Dampf mit dem Kolben des regenerirenden Cylinders D in Verbindung und beginnt ihn zu heben. In dem Maaße als letzterer Kolben steigt, dringt der Dampf in den leeren Raum, welcher sich hinter ihm bildet; da dieser vom (innern) Boden des Mantels H herkommende Dampf die Drahtgewebe in entgegengesetztem Sinne durchzieht, so gibt er seine Wärme an dieselben ab und geht aus dem Zustande des überhitzten Dampfes in den des bloß gesättigten Dampfes über. Nun ist der Durchmesser des regenerirenden Cylinders aber zweimal so groß als derjenige des Arbeitscylinders, daher sich der Dampf auch auf den doppelten Raum ausdehnt; und in Folge der combinirten Wirkung der Abkühlung und der Ausdehnung sinkt sein Druck, welcher anfänglich 4 bis 5 Atmosphären betrug, auf beiläufig 1 Atmosphäre herab. Dritte Periode. Wenn in Folge der Expansion des Dampfes der Kolben des regenerirenden Cylinders D am Ende seines Weges oder an seinem todten Punkt angelangt ist, so beginnt der Arbeitskolben A – welcher in diesem Moment auf jeder seiner zwei Flächen den atmosphärischen Druck erleidet, weil er durch die eine mit dem auf 1 Atmosphäre zurückgebrachten Dampf, durch die andere mit der äußern Luft communicirt – durch den Impuls des Schwungrades, ohne merklichen Widerstand, zurückzutreten. In demselben Augenblick bewirkt der Vertheilungsschieber, daß Dampf aus dem Generator zum Boden des Mantels H' gelangt; dieser zweite Dampf überhitzt sich seinerseits und schiebt den Arbeitskolben A' vorwärts, wie der erste den Arbeitskolben A vorgeschoben hatte. Wenn der Kolben A' am Ende seines Weges angelangt ist, beginnt der Dampf, welcher ihn bewegte, an den Deckel des regenerirenden Cylinders hinaufzudringen; der Kolben D dieses Cylinders muß alsdann niedergehen, indem er den expandirten und abgekühlten Dampf vor sich her durch den Respirator zum Boden des Mantels H treibt. Zu derselben Zeit, wo der vom Mantel H' gekommene Dampf auf die obere Fläche des Kolbens D drückt und auf diesen Kolben als Kraft wirkt, wirkt der durch die untere Fläche dieses Kolbens in den Mantel H getriebene Dampf auf ihn als Widerstand. Der Kraft-Dampf hat anfangs einen hohen Druck, 5 Atmosphären, sein Druck vermindert sich nachher fortwährend bis zum atmosphärischen. Der Widerstand-Dampf hingegen hat anfangs bloß den atmosphärischen Druck, aber sein Druck nimmt unaufhörlich zu und erreicht 5 Atmosphären wenn er in den Mantel H gedrungen ist. Da der Kraft-Dampf anfangs der stärkere ist und der Widerstand erst im letzten Moment sein Maximum erreicht, so überwindet diesen der Kolben D, in Folge seiner erlangten Geschwindigkeit, leicht und erreicht das Ende seines Weges. Wie hieraus ersichtlich, hat dieser Kolben, auf welchen zwei Kräfte in entgegengesetztem Sinne wirkten (eine Kraft und ein Widerstand, welche beiderseits die Pressionen von 1 bis 5 Atmosphären durchliefen), keinen Nutzeffect hervorgebracht, welcher denjenigen der Arbeitskolben A, A' vergrößern könnte; er hat aber sehr vortheilhaft dazu gedient, den expandirten und abgekühlten Dampf in den Mantel H zurückzuführen, damit er darin regenerirt wird, seine anfängliche Temperatur und Pressung wieder erlangt. Dieß ist im Wesentlichen das ganze Spiel der Maschine; es besteht in einem ersten positiven Schub, demjenigen des Arbeitskolbens A; in einem zweiten positiven Schub, demjenigen des Arbeitskolbens A'; in einem weder positiven noch negativen Schub, dem Null-Schub des regenerirenden Kolbens D. Der Nutzeffect der zwei positiven Schube erfolgte während der Expansion des Dampfes, indem dieser mittelst der ihm von den Drahtgeweben des Respirators und dem Boden des Mantels abgegebenen Wärme den doppelten Raum einnahm, während er auf demselben Druckgrad, 4 bis 5 Atmosphären, erhalten wurde. Die Wärme welche sich in Kraft umgesetzt hat, ist genau dieselbe, welche man dem Dampfe hätte beifügen müssen, damit er diesen doppelten Raum bei gleichbleibendem Druck einnimmt. In dem Zeitpunkt wo wir jetzt angelangt sind, ist die erste Dampfmasse welche in die Maschine zugelassen wurde, wieder in den Mantel H gelangt, nachdem sie durch den Respirator drang, welcher ihr die anfängliche Temperatur von 400° wieder ertheilte; und die zweite Dampfmasse füllt den regenerirenden Cylinder, mit 150° Temperatur und dem atmosphärischen Druck; es kann jetzt ein zweiter positiver Schub des Arbeitskolbens A erfolgen, und zugleich oder hernach ein zweiter Null-Schub des Kolbens D, welcher die zweite Dampfmasse in den Mantel H' treibt, endlich ein zweiter positiver Schub des Arbeitskolbens A'. Es hat den Anschein, daß das Spiel der Maschine sich auf diese Weise beständig fortsetzen könnte; zahlreiche Versuche ergaben, daß die Maschine durch die aufeinanderfolgende und abwechselnde Abkühlung und Wiedererhitzung der zwei ersten mittelst des Vertheilungsschiebers eingelassenen Dampfmassen wirklich eine Viertelstunde oder eine halbe Stunde in Gang bleiben kann. Aber diese Versuche ergaben auch, daß nach einiger Zeit die Kolbenschube langsamer auf einander folgen und endlich das Spiel der Maschine aufhört. Wie sich nachweisen läßt, entspricht dieser langsamere Gang einer steten Verminderung der Differenz zwischen den Temperaturen der Hinteren und vorderen Enden der Drahtgewebe des Respirators. Im anfänglichen und normalen Zustand ist diese Differenz, wie bereits erwähnt, beiläufig 250°, am Boden beträgt nämlich die Temperatur der Gewebe 400° und am Ende 150°; nach einigen Kolbenschuben erhitzen sich aber die Enden immer mehr und erreichen selbst 400°; die Maschine steht dann still. Man würde sich sehr irren, wenn man diese Krafterlöschung einer materiellen Unvollkommenheit der Maschine zuschreiben wollte; sie ist im Gegentheil eine physikalische Notwendigkeit und hängt mit der Thatsache zusammen, daß der Dampf welcher sich freiwillig ausdehnt, ein mit Wärmestoff übersättigter Dampf ist, oder ein Dampf dessen Temperatur im Verhältniß zu seinem Druck zu hoch ist. In dem regenerirenden Cylinder D hat nämlich der Dampf nur den Druck von 1 Atmosphäre, während seine Temperatur 120 bis 150° C. beträgt; er enthält folglich einen Ueberschuß freier Wärme, welche er nothwendig an die Drahtgewebe abgeben muß, wenn er in Folge des Niedergangs des Kolbens D durch dieselben dringt um wieder zum Mantel zu gelangen. Auf diese Weise nimmt die Temperatur jener Gewebe gegen ihr vorderes Ende unaufhörlich zu, bis sie 400° erreicht. Diesem Umstand ist aber leicht abzuhelfen; um nämlich dem Dampf im Cylinder D den Ueberschuß freier Wärme zu benehmen, läßt man einen Theil dieses überhitzten Dampfes durch das Ventil S in die Esse P abziehen, und ersetzt ihn durch eine gleiche Menge neuen und feuchten Dampfes aus dem Kessel. Hr. Siemens hat sich durch zahlreiche Versuche überzeugt, daß auf diese Weise der Zweck vollständig erreicht wird und die Maschine vollkommen in Gang bleibt, wenn man ein Zehntel des zu heißen Dampfes im Cylinder D in die Esse treibt, um ihn durch ein Zehntel neuen Dampfes zu ersetzen. Er erneuert daher zu einem Zehntel, bei jedem Kolbenschub, den schon einmal in die Mäntel eingeführten Dampf, welcher sich hernach expandirt und abkühlt, sich wieder erhitzt und seine Pressung wieder erlangt, und so abwechselnd fort. Dieses Erneuern des Dampfs zu einem Zehntel gewährt nebenbei den doppelten Vortheil, daß der in Folge der unvermeidlichen Undichtheiten stattfindende Verlust ausgeglichen und der Zug der Esse verstärkt wird. Im Vorstehenden dürfte der Mechanismus und das Spiel der neuen Dampfmaschine genügend erläutert seyn. Bei derselben geht keine Kraft verloren durch Pressungen die in entgegensetztem Sinne stattfinden. Der Dampf gelangt in die Mäntel und Treibecylinder zurück, ohne daß man ihn mittelst einer Luftpumpe (mit beträchtlichem Kraftverlust) anzusaugen und zurückzustoßen braucht. Alle Verbindungstheile, die Kolben und die Stopfbüchsen, sind in Berührung mit gesättigtem Dampf von der Temperatur desjenigen der gewöhnlichen Dampfmaschinen, und nicht mit überhitztem Dampf umgeben. Die Mäntel, welche stets auf einer sehr hohen Temperatur bleiben, können in Folge ihrer Gestalt und Anordnung ihren Dienst sehr lange ohne Benachtheiligung versehen. Die Wirkung der Respiratoren ist so constant und sicher, daß bei einer der Versuchsmaschinen die Anzahl der Kolbenschube während mehrerer Monate fast constant dieselbe blieb, nämlich 110 bis 120 per Minute. Die Temperatur der Mäntel ist stets proportional dem Druck des Dampfes; der Heizer kann sich daher nach dem Zeiger des Manometers und dem Wasserstand richten. Man wird nun mit der im Anbau des Industriepallasts aufgestellten Maschine von vierzig Pferdekräften, welche drei verticale Cylinder hat, Bremsversuche anstellen, ihren Kohlenverbrauch und die verdampfte Wassermenge, die Anzahl der Kulbenschube, den Nutzeffect etc. bestimmen. Gegenwärtig müssen wir uns begnügen die Resultate mitzutheilen, welche man mit der ersten von Benjamin Hick u. Sohn in Bolton erbauten Maschine des neuen Systems erhielt. Versuch am 8. December 1854. 100 Umdrehungen in der Minute; Dampfdruck im Mantel, 5 Atmosphären; dynamische Kraft, mit Naught's Indicator gemessen, 25,1 Pferde; Brennmaterial-Verbrauch per Pferdekraft in der Stunde, nachdem die Maschine vorher in Gang gesetzt war, 2,54 engl. Pfund (1,15 Kilogr.). Versuch am 11. December 1854. 100 Umdrehungen in der Minute; Dampfdruck, 5,6 Atmosphären; gemessene dynamische Kraft, 25,1 Pferde; Brennmaterial-Verbrauch, nachdem die Maschine in Gang gesetzt war, durchschnittlich 2,23 engl. Pfund (1 Kilogr.) per Stunde und Pferdekraft. Versuch im Januar 1855. Dampfdruck, 65,75 engl. Pfund, 4,38 Atmosphären; effective Kraft, durch Bremsen der Welle gemessen, 6,14 Pferde; verbrauchtes Brennmaterial, 2,5 engl. Pfund (1,14 Kilogr.) per Stunde und Pferdekraft.

Tafeln

Tafel Tab. IV
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