Titel: Untersuchung des bituminösen Schiefers zu Werther bei Bielefeld; von Dr. Theoph. Engelbach, Assistent am chemischen Laboratorium zu Gießen.
Autor: Theophil Engelbach [GND]
Fundstelle: Band 138, Jahrgang 1855, Nr. XCVIII., S. 381
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XCVIII. Untersuchung des bituminösen Schiefers zu Werther bei Bielefeld; von Dr. Theoph. Engelbach, Assistent am chemischen Laboratorium zu Gießen. Mitgetheilt von den Besitzern dieser Schieferlager, der Gesellschaft Paulus zu Langenberg bei Elberfeld. Engelbach's Untersuchung des bituminösen Schiefers zu Werther bei Bielefeld. Die mir übersandten Schiefer zeigten hie und da eingesprengten Schwefelkies und gehörten verschiedenen Sorten an, wurden aber auf Wunsch nicht gesondert, sondern im Ganzen bearbeitet. Ihr Gewicht betrug beinahe 6 1/2 Pfund. Diese ganze Menge ist zum Zwecke der Untersuchung möglichst gleichförmig in haselnutzartige Fragmente zerklopft und nach sorgfältiger Mengung zur Anstellung der Versuche geschritten worden. Die Aufgabe die ich mir dabei stellte, war die Ermittelung: 1) der Menge von Gas, 2)   „        „      „   Theer und daraus darstellbarer Producte, die bei möglichst vorsichtig geleiteter Destillation erhalten werden; mit beiden im Zusammenhang die Menge des nicht flüchtigen Rückstandes, und 3) die Natur der Asche. I. 100 Gramme des gemengten Schiefers wurden in einem eisernen Cylinder bei möglichst gelind gehaltenem Feuer, das nur zuletzt zum Rothglühen gesteigert wurde, destillirt. Der Theer wurde in einer großen wohlabgekühlten Flasche aufgefangen und das entweichende Gas durch verdünnte Schwefelsäure und Kalkmilch geleitet. Erst als bei gelinder Hitze die Destillation flüssiger Producte und die Entwickelung des Gases aufhörte, wurde das Feuer allmählich zur Rothglühhitze verstärkt und bei dieser Temperatur unterhalten, bis die einzelnen Gasblasen nur nach minutenlangen Zwischenräumen entwichen. Die Producte dieser Operation waren: In der Waschflasche eine geringe Menge Ammoniaksalz und Spuren von Anilin. In der Kalkmilch eine beträchtliche Menge Schwefelcalcium. In den Recipienten 10 Gramme wässerigen Theers und 13 1/4 Liter Gas. Der Rückstand in der Retorte betrug 78 Gramme. Daß hierbei eine gewisse Menge Theer der Verdichtung entgangen war, ließ sich aus der Ablagerung einer braunen Schicht in den Waschflaschen und im Gasometer ersehen. Wenn man für das Gas die Dichte zu 0,5 annimmt, so wiegt ein Liter desselben 0,65 Gramme und                      13 1/4 Liter, folglich   8,61 Gr.                          Wässeriger Theer 10,00   „                                    Rückstand 78,00   „ Schwefelwasserstoff, Kohlensäure,    Ammoniak und Verlust   3,39. –––––––– 100,00. II. Ganz in derselben Weise wurden nun zwei Portionen von je 1500 Grammen = 3 Pfd. der Destillation unterworfen und zur möglichst vollständigen Gewinnung des Theers derselbe in drei auf einanderfolgenden Recipienten gesammelt; das entweichende Gas wurde in den verschiedenen Stadien der Destillation auf seine Leuchtkraft geprüft, nach seiner Menge aber aus Mangel an hinreichend großen Gasometern nicht weiter bestimmt. Es lieferten 1500 Gr. Schiefer      205 Gramme Theer 1500  „     „      197       „     „ ––––––––––––––––––– Sa. 402 Grm. wässerigen und durch übergerissene Kohle verunreinigten Theers. Derselbe schied sich nach mehrtägiger Ruhe in eine wässerige und eine obenaufschwimmende ölige Schicht, und wurde letztere durch Destillation in unreine Oele und pechähnlichen Rückstand geschieden. Die erhaltenen Oele wurden mit Schwefelsäure und chromsaurem Kali in der Wärme behandelt und wiederholt destillirt. Es sind auf diese Weise aus 402 Grm. Theer, entsprechend 3000 Grm. Schiefer, erhalten worden: 44 Gr. leichtes Oel, vom spec. Gewicht 0,879 und von + 110º bis 240º Celsius siedend. 31 Gr. schweres Oel, vom spec. Gewicht 0,955 und über + 240º Cels. siedend. 11 Gr. Paraffinhaltiges in sehr hoher Temperatur destillirendes, in der Kälte butterartig erstarrendes Product. –––––– 86 Gramme. Der bei der Destillation des Theers und der Rectification der unreinen Producte gebliebene Rückstand ist in der Wärme dickflüssig und kocht unter Ausstoßen dicker gelber Dämpfe; in der Kälte erstarrt er zu einer brüchigen Masse. Sein Gewicht betrug 26 Gramme. 100 Theile des Schiefers liefern demnach:   78 Theile fixen Rückstand mit Kohle und   14    „ einer wässerigen Brühe, woraus sich ––––––––––– gewinnen     lassen 1,47 Theile1,03    „0,37    „0,87    „ leichten   Oels von 0,879 sp. Gew.schweren   „     „   0,955 sp. Gew.butterartigen Fettesasphaltähnlichen Pechs. Die so erhaltenen Destillate, anfangs kaum gefärbt, enthalten noch einen leicht oxydirbaren Körper, der bei Luftzutritt die dunklere Färbung nach kurzer Zeit hervorruft. So gern ich sie einer weiteren Reinigung unterworfen hätte, so habe ich dieß doch unterlassen, einestheils weil es zwecklos schien, und anderntheils weil bei der Bearbeitung so geringer Mengen jede weitere Manipulation von einem verhältnißmäßig großen Verlust begleitet ist. Aus demselben Grunde habe ich auf die Reindarstellung des Paraffins gänzlich verzichten müssen. Das bei den beiden letzterwähnten Destillationen, deren jede etwa 6 Stunden in Anspruch nahm, erhaltene Gas zeigte während der ersten Hälfte dieser Zeit eine schön weißleuchtende Flamme, deren Glanz dann aber bald abnahm und in dem letzten Drittheil der Destillation in ein reines Blau überging. Das in dem ersten Versuche aus 100 Grm. erhaltene und im Ganzen aufgefangene Gas brennt mit blauer, an der Spitze weißgesäumter Flamme, sein Gehalt an ölbildendem Gase und flüchtigen Kohlenwasserstoffen ist gering, wie seine unternommene Analyse gezeigt hat, deren Resultate unten mitgetheilt werden. Da 100 Grm. Schiefer 13,25 Liter Gas liefern, so geben 50,000 Grm. = 100 Pfd., 6,625 Kubikmeter, welche entsprechen 233 9/10 engl. Kubikfußen. III. Zur Bestimmung der Asche wurden etwa 100 Grm. desselben Schiefergemenges, das zu den andern Bestimmungen verwandt worden, fein gepulvert und bei + 100º Cels. getrocknet. 1,2255 Grm. dieses Pulvers hinterließen nach vorsichtigem und vollständigem Einäschern 0,8375 Grm. entsprechend 28,797 Proc. Glühverlust71,203    „     Asche. Diese röthliche weiß gefärbte Asche besteht wesentlich aus Kieselsäure,ThonerdeGyps undEisenoxyd                         und enthält geringe Mengen Phosphorsäure, Magnesia,Mangan und Alkalien. Der Gehalt an Eisenoxyd beträgt 13,845 Proc. Analyse des aus demselben Schiefer durch Destillation erhaltenen und im Ganzen gesammelten Gases. Nachdem dasselbe durch längere Berührung mit verdünnter Schwefelsäure und Kalilauge von einem etwaigen Rückhalte von Ammoniak, Kohlensäure und Schwefelwasserstoff befreit worden, wurde es der Analyse nach der Bunsen'schen Methode unterworfen. Dieselbe hat, mit der größten Sorgfalt ausgeführt, die in der folgenden Tabelle zusammengestellten Werthe geliefert. Im Absorption-Eudiometer. Temperat.Grad Cels.         Corr. Gas-Volumen.   Barometerstand    in Par. Linien. Barometerst. in   Millimeter auf   0° reducirt.   Unterschied derQuecksilberstände.    Trockenes Gas in0° Cels. und 1 Met.   Druck reducirt     I. Feuchtes Gas   15,2     128,59       331,6      746,00          90,5         78,283    II. Nach der Behandlung mitPhosphor und Kali trocken   15,4     122,90       331,0      744,60          92,6         77,764   III. Nach der Behandlung mitrauchender Schwefelsäure u.Kali trocken   15,3     117,70       328,85      739,77          98,5         73,389   IV. Nach abermaliger Behandlungmit Phosphor und Kali trocken   15,4     114,00       330,25      743,03         101,75         71,0825                                      Im großen Eudiometer    V. Feuchtes Gas   16,35         103,65           329,50      741,11         562,45         16,115   VI. Nach Zutritt von Luft feucht   16,40     245,76       329,60      741,26         418,60         71,583 VII. Nach Zutritt von Sauerstofffeucht   16,80     330,45       330,0      742,40         332,40       123,197 VIII. Nach der Verpuffung feucht   17,00     301,40       329,80      741,70         353,70       106,185   IX. Nach der Absorption derKohlensäure trocken   16,60     287,15       327,95      737,54         370,09       100,174   X. Nach Zulassung vonWasserstoff trocken   17,10     430,30       327,60      736,70         227,80       206,066 XI. Nach der Verpuffung feucht   17,00     201,60       328,80      739,44         271,22         51,353 Hieraus leiten sich folgende Werthe ab. Die im kleinen Eudiometer untersuchten 78,283 Volume, die durch Kali keine Raumverminderung erlitten, wie ein besonderer Versuch gezeigt hat, enthielten:   2,826 Sauerstoff,   4,375 ölbildendes Gas und dampfförmige Kohlenwasserstoffe, 71,082 Volume blieben unabsorbirt, –––––––––– 78,283. 16,115 Volume dieses unabsorbirt gebliebenen Rückstandes haben im Verpuffungs-Eudiometer gegeben:   4,744 Stickstoff, 11,371 brennbare Gase (Wasserstoff, Kohlenoxyd und Grubengas)   6,011 gebildete Kohlensäure, und 11,652 verbrannten Sauerstoff. Aus diesen Rechnungselementen leitet sich die folgende Zusammenstellung der angewandten 16,115 Volume ab: 4,744 Stickstoff, 5,360 Wasserstoff, 3,977 Grubengas, 2,034 Kohlenoxyd. Die beobachtete Contraction bei der Verpuffung, die in die Berechnung nicht eingeht, beträgt 17,012 (Volumen VIII – Vol. VII); aus der eben angegebenen Zusammensetzung berechnet sich die Contraction zu 16,975. Die ursprünglich angewandten 78,283 Volume bestehen somit aus:   2,826 Sauerstoff,   4,375 ölbildendem Gas und dampfförmigen Kohlenwasserstoffen, 20,924 Stickstoff, 23,642 Wasserstoff, 17,542 Grubengas,   8,973 Kohlenoxyd, und 100 Volume des Gases enthalten:     3,60 Volume Sauerstoff,   26,72      „ Stickstoff,     5,59      „ ölbildendes Gas etc.,   30,22      „ Sauerstoff,   22,40      „ Grubengas,   11,47      „ Kohlenoxyd, ––––––––––––– 100,00 Volume. Diese Zusammensetzung stimmt nahe überein mit der eines von Hrn. Professor Kolbe untersuchten Leuchtgases, welches enthielt:     3,23 Volume Sauerstoff,   26,71      „ Stickstoff,     2,50      „ Kohlensäure,     5,73      „ ölbildendes Gas etc.,   23,86      „ Wasserstoff,   17,13      „ Kohlenoxyd,   20,84      „ Grubengas, –––––––––––– 100,00 Volume. Das Gas ist mithin als Leuchtgas anwendbar, und wird dieß in noch höherem Grade seyn, wenn bei einer fortgesetzten Destillation im Großen die atmosphärische Luft der Gefäße weniger stört, als dieß bei dem Gase meiner Destillation der Fall war, und woraus der bedeutende Stickstoffgehalt abzuleiten ist; und wenn bei einem einfachen Verfahren ohne die White'sche Modification, die Destillation nicht bis zur äußersten Gränze fortgeführt wird.Die Gesellschaft Paulus beabsichtigt diese bituminösen Schieferlager zu verkaufen oder zu deren Ausbeute und Verarbeitung auf Oel, Paraffin etc., mit den Käufern eine Actiengesellschaft zu bilden. Nähere Auskunft ertheilt Hr. L. Vette in Langenberg bei Elberfeld.A. d. Red. Gießen, den 8. October 1855.