Titel: Beobachtungen und Erfahrungen über die Feuerwaffe; von E. Söderström, schwedischer Civilingenieur.
Fundstelle: Band 139, Jahrgang 1856, Nr. LXXIX., S. 321
Download: XML
LXXIX. Beobachtungen und Erfahrungen über die Feuerwaffe; von E. Söderström, schwedischer Civilingenieur. Mit einer Abbildung. Söderström's Beobachtungen und Erfahrungen über die Feuerwaffe. Als zu erstrebende Normal-Eigenschaft der Feuerwaffe habe ich die, dem Gewicht derselben entsprechende, möglichst große Schußweite angenommen, und durch nachstehende, auf vieljährige Beobachtungen gegründete Betrachtungen, wünsche ich eben diesem Ziele näher zu führen.Diese Abhandlung, am 14. Septbr. 1855 in der Ehstländischen literarischen Gesellschaft vorgetragen, wurde schon ein Jahr früher geschrieben, konnte aber eingetretener hindernder Umstände wegen erst jetzt veröffentlicht werden. Die Literatur dieser Waffe, die wohl schwerlich dem Privatmanne in ihrem ganzen Umfange zugänglich seyn dürfte, wußte ich nicht aufzufindenVor einigen Wochen fiel mir die 2te Auflage von Hrn. Rüstow's „Leitfaden durch die Waffenlehre“ in die Hände, und ich habe mir in beigefügten Noten einige darauf bezügliche Bemerkungen erlaubt. und bescheide mich daher gerne, daß diese Abhandlung wenig Neues darbieten mag. So viel steht aber fest, daß die Feuerwaffe öfters im schreiendsten Widerspruche zu den zu erfüllenden Bedingungen obiger Leistung gefunden wird; und das allein bewog mich, die Resultate meiner Beobachtungen zu veröffentlichen. Sollte auch nur dem Privatfabrikanten der Handfeuerwaffe ein Fingerzeig hinsichtlich der Construction der Büchse damit gegeben seyn, so dürfte ich es doch nicht ohne Nutzen gethan haben, da, wie ich aus eigener Beobachtung weiß, ihnen die Grundsätze, nach denen selbige, insofern ihre Leistung die oben erwähnte seyn soll, zu construiren ist, mehrentheils fremd sind, und die größere oder kleinere Schußweite des einen oder anderen Gewehres ganz anderen, auf diese Weise gar nicht influirenden Umständen zugeschrieben wird. Es gilt dieß von allen Büchsenmachern, die ich im Laufe von mehr als 20jährigem fleißigem Gebrauch dieser Waffe kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Daß diese Herren aber die Resultate ihrer Beobachtungen nicht systematisch zu ordnen und Grundsätze daraus abzuleiten verstanden, welche auf die zweckmäßige Ausbildung der Büchse von Einfluß seyn konnten, das darf man ihnen um so weniger zum Vorwurf anrechnen, da die Büchse, wie sie aus den Händen der gelehrten Männer des Faches als Kriegswaffe hervorgegangen ist, auf einer viel niedrigeren Stufe der Entwickelung steht, als sie öfters von Privatfabrikanten geliefert zu finden ist. Die Kanone und ihre Geschosse, deren Fabrication ich öfters zu beobachten und auch selbst zu leiten Gelegenheit hatte, habe ich vorläufig nur mit Bezug auf die ihnen bevorstehende Reform von der Kugel zum Spitzgeschoß bedacht, beabsichtige jedoch, beiden einen zweiten Abschnitt dieser Abhandlung, sowohl hinsichtlich obiger für die Büchse zu erstrebenden Leistung, als der äußeren Form der verschiedenen Geschosse und ihrer aus den gewundenen Zügen zu übertragenden rotirenden Bewegung, zu widmen. Die Büchse. Man hat in neuerer und noch in letzter Zeit vielfältige Abänderungen sowohl der äußeren Ausstattung als inneren Beschaffenheit der Büchse vorgeschlagen. Bald suchte man – in der irrigen Meinung an Schußweite zu gewinnen – das Kaliber unnütz zu vergrößern, bald verlängerte oder verkürzte man den Lauf, dann suchte man wieder das Kaliber möglichst zu verkleinern etc.; und dieß Alles, ohne daß man bis jetzt, wie es scheint, eine Normal-Büchse zu Stande brachte, die weitere oder allgemeine Verbreitung verdiente. Wie es mir scheint, ist man über die Anforderungen, welche an diese Waffe zu stellen oder wie sie zu erfüllen sind, nicht einig. Ist die Anforderung, wie oben erwähnt, die dem jedesmaligen Gewicht der Büchse entsprechende möglichst große Schußweite, so hoffe ich darthun zu können, daß sich diese Leistung wenigstens annähernd erreichen lasse. Gewicht der Büchse im Verhältniß zu deren Geschoß. Denkt man sich einen Büchsenlauf an beiden Enden offen, mit einer Pulverladung zwischen zwei gleich großen und schweren Geschossen in der Mitte der Länge des Laufes, so ist es klar, daß beide Geschosse beim Explodiren der Pulvermasse mit gleicher Kraft werden auseinander geschleudert werden. Denkt man sich statt des einen Geschosses eine unverrückbare Wand, so tritt derselbe Umstand mit dem Laufe und dem anderen Geschosse ein, nur mit dem Unterschiebe, daß, obwohl beide eine gleiche Bewegungsquantität beim Verbrennen des Pulvers empfangen, die Geschwindigkeit, mit welcher der Lauf zurückprallt, in dem Verhältniß geringer wie die des Geschosses seyn wird, als jener schwerer wie dieses ist. Denkt man sich schließlich den Lauf unverrückbar befestigt, oder dessen Masse im Verhältniß zu der des Geschosses unendlich groß, so versteht es sich von selbst, daß er nunmehr keine Kraft der explodirenden Gase verbrauchen wird, da er sich nicht bewegen kann, sondern diese von dem Geschosse allein in dem Maaße absorbirt werden muß, als dessen Widerstand im Laufe ein größerer oder kleinerer ist. Hieraus leuchtet also ein, daß, je leichter das Geschoß im Vergleich zur Büchse ist, desto größer – bis zur Gränze, wo der Lauf durch sein Gewicht die rückwirkende Spannung der Pulvergase ganz neutralisirt – die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses ausfallen muß. Obwohl es nun unausführbar seyn dürfte, den Rückstoß der Büchse – vorausgesetzt, daß die Pulverladung der Größe des Kalibers entspricht – ganz aufzuheben, so kann er doch auf dasjenige Minimum gebracht werden, welches die, dem Gewicht der Büchse entsprechende, möglichst große Schußweite bedingt.Unter den Vortheilen des Minié'schen Systems führt Hr. Rüstow in seinem „Leitfaden durch die Waffenlehre“ S. 170 an: „sehr geringer Rückstoß.“ Wodurch bedingt sich dieser, und ist der Rückstoß, wenn die dem Kaliber gehörige Pulverladung angewandt wird, nicht dem Gewichtsverhältniß des Geschosses zur Feuerwaffe proportional? Betrachtet man nun diese Verhältnisse der Büchse, wie sie gegenwärtig als Kriegswaffe construirt ist, so wird wohl niemand behaupten, daß diejenige Pulvermenge, die der Kalibergröße nach mit Vortheil angewandt werden könnte, auch wirklich anzuwenden ist, es sey denn, daß man durch die Schulter des Schützen die Unverrückbarkeit der Büchse herbeiführen wollte. Aber die Schulter des Schützen bietet dem Rückstoß der Flinte keinen festen, sondern nur einen retardirenden Widerstand, und kann daher deren fehlendes Gewicht nicht ersetzen. Mit welcher Bereitwilligkeit mag der Schütze auch wohl ans Werk gehen, wenn er für seine Bemühung das Ziel zu treffen, jedesmal von Seiten der Flinte mit einer derben Ohrfeige belohnt wird. Man wende hier nicht etwa ein, daß die Gewohnheit die Last trage, denn an Prügel hat sich noch niemand so gewöhnt, daß er sie mit Lust und Liebe empfienge. Hier muß also die Pulverladung nicht nach der Kalibergröße, sondern nach dem Gewicht der Büchse eingerichtet werden, und mithin die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses kleiner ausfallen. Je kleiner aber diese ist, desto mehr fällt auf jede beliebige Distanz das Geschoß, desto mehr muß das Visir gehoben werden, desto genauer der Schütze die Entfernung seines Zieles kennen, und ist nach alledem das Treffen desto mißlicher. Je höher das Visir außerdem gehoben wird, um so genauer muß die Visirlinie in die Verticalebene der Kaliberachse fallen, widrigenfalls eine Abweichung der Flugbahn herbeigeführt wird, die auf größere Entfernungen nicht nach Zollen, sondern nach Ellen, ja Faden zu messen ist. Aus allen hier angeführten Gründen dürfte es zur Genüge erhellen, daß die erste Bedingung zur Erreichung der größtmöglichen Schußweite einer Büchse die ist, daß das Gewicht des Geschosses im Verhältniß zu dem der Büchse möglichst klein genommen wird. Hin und wieder wird selbst von Fachmännern die Behauptung aufgestellt, daß zur Erreichung der möglichst großen Austrittsgeschwindigkeit des Geschosses aus dem Laufe möglichst wenig Gase rund um dasselbe entweichen dürfen; und über diese, hier ziemlich unwesentliche Nebensache verlieren sie, wie es scheint, die Hauptsache ganz aus den Augen. Wenn das Geschoß mit dem Kolben einer Dampfmaschine verglichen werden könnte, so wäre allerdings die Erfüllung obiger Bedingung zur Erreichung der möglichst großen Schußweite nothwendig. Es waltet aber ein großer Unterschied in dieser Hinsicht zwischen beiden ob; denn fürs Erste wird der relative Effect der Dampfmaschinen nach der für einen gewissen Brennmaterialienverbrauch gegebenen Leistung gemessen, und dann übt der um den Kolben entwichene Dampf auf dessen Rückseite einen Gegendruck aus, der bei den um das Geschoß entwichenen Pulvergasen auf dessen Vorderseite ganz wegfällt. Wollte man sich diesen Gegendruck bei dem Dampfkolben wegdenken, so muß ja dessen Effect immer der auf ihn wirkenden Dampfspannung entsprechend seyn, einerlei, ob viel oder wenig Dampf entweicht. Kann soviel Dampf erzeugt werden, daß die Spannung unter dem Kolben auf der bestimmten Höhe erhalten wird, so kann ja in diesem Falle der Effect nicht geringer werden, als wenn kein Dampf um den Kolben entweichen würde. Und so verhält es sich auch wirklich bei der Büchse. Das von einem Fettlappen umgebene, vollkommen dicht schließende Spitzgeschoß, aus meiner Büchse geschossen, erreicht keine größere Schußweite als die ohne Fettlappen und keineswegs bis auf den Grund der Züge schließenden Geschosse es thun. Wie unverhältnißmäßig schwer die Geschosse der Militärbüchse im Vergleich zu deren Gewicht gegenwärtig sind, dürfte aus Folgendem hervorgehen: Ich besitze eine 10 Pfd.1 schwed. Pfund = 24,305 bayer. Loth.1 schwed. Fuß oder 12 schwed. Zoll = 11,352 rhein. Zoll;also 1 schwed. Zoll = 0,946 rhein. oder 1,017 bayer. Zoll.A. d. Red. schwere Büchse, deren Spitzgeschoß 1 1/2 Loth wiegt. Es verhält sich also das Gewicht des Geschosses zu dem der Büchse = (1 1/2)/32 : 10 = 1 : 213,3. Außerdem habe ich eine feinkalibrige Büchse, hier Erbsrohr genannt, von 8 Pfd. Gewicht, die mit 1/2löthigen Spitzgeschossen schießt. Hier ist also das obenerwähnte Verhältniß zwischen Geschoß und Büchse = 1/64 : 8 = 1 : 512. Wer nun glaubt – wie es früher als ausgemacht gegolten – daß die Büchse eine bedeutend größere Schußweite als das Erbsrohr haben müßte, würde gewaltig irren, denn lothrecht in die Höhe geschossen, ist die Dauer der Abwesenheit der Geschosse, nach einer Secundenuhr gemessen, unter übrigens gleichen Umständen, bei beiden gleich, wobei zu bemerken ist, daß die Pulverladung für beide die größtmögliche war, d.h. so, daß das Vergrößern derselben keine längere Abwesenheit der Geschosse herbeiführte. In ein und dasselbe Stück Holz hineingeschossen, ist zwischen beiden kein Unterschied zu bemerken, indem – je nach der ungleichen Beschaffenheit der von den Geschossen zerrissenen Holzfasern – bald das eine, bald das andere tiefer eindringt. Allein das Schießen mit dem Erbsrohr ist um Vieles angenehmer, erstens, weil es leichter zu handhaben, dann weil der Rückstoß unbedeutend ist und weil dessen Geschoß in Folge seiner größeren Geschwindigkeit um Vieles weniger fällt als das Büchsengeschoß. Ich schieße mit der größten Sicherheit in einer Entfernung von 400 Schritt kleinere Gegenstände von 18 bis 20 Quadratzoll Fläche, mit einer Hebung des Visirs von kaum 3 Linien. Wie groß die Schußweite mit einem Visir von 1 1/2 bis 2 Zoll Höhe – wie auf den Militär-Flinten – ausfallen würde, läßt sich hieraus schließen. Aber selbst ein noch stärkerer Abstand zwischen dem Gewicht der Büchse und dem des Geschosses bleibt nicht ohne Einfluß auf die Schußweite, wie daraus hervorgeht, daß das vorerwähnte 1/2löthige Spitzgeschoß, aus einem Erbsrohr von derselben Kalibergröße wie das meinige und 9 Pfd. Gewicht, in die Höhe geschossen, erst nach 45 Secunden zur Erde gelangt, während dasselbe Geschoß aus meinem Erbsrohr schon nach 40 Secunden wieder auffällt. Ich bin dennoch weit entfernt, behaupten zu wollen, daß ein Gewichtsverhältniß des Geschosses zur Büchse, wie an erwähntem Erbsrohr, das für jede beliebige Büchsenschwere normale seyn soll, denn je kleiner das Geschoß, desto größer ist im Vergleich zu dessen Masse die dem Widerstande der Luft ausgesetzte Fläche, desto mehr wird dessen Bewegung retardirt und desto mehr wird dasselbe durch den Seitenwind abgelenkt. Ich habe vielmehr darauf aufmerksam machen wollen, daß die möglichst große Schußweite nicht durch ein Gewichtsverhältniß des Geschosses zur Büchse, wie bei den Militär-Gewehren, das 1 : 100 selten übersteigt, erwartet werden darf. Es liegt am Tage, daß erwähntes Verhältniß – wenn anders möglichst große Schußweite die Eigenschaft der Büchse seyn soll – ein für jedes beliebige Gewicht derselben bestimmtes, festes seyn muß. Und dennoch behandelt man die Sache so, als ob sie unwesentlich wäre, da es kaum im Gebiete der ganzen Technik ein Instrument geben dürfte, mit dessen Gebrauch man so lange vertraut war, und dessen Verhältnisse so schwankend, als obige der Büchse, gefunden würden. Schließlich habe ich noch einiger Versuche, die ich mit einer englischen Büchse unternahm, zu erwähnen. Selbige wog 8 Pfd. und schoß mit 2löthigen Spitzgeschossen. Diese blieben bei lothrechtem Schießen in die Höhe, 30 Secunden weg; die Dauer der Abwesenheit aber vergrößerte sich mit der Pulverladung und betrug bei deren Verdoppelung 35 Secunden, wobei die Büchse jedoch dermaßen zurückprallte, daß man sie kaum in der Hand zu halten vermochte. Durch das Eingießen von 2 Pfd. Blei in den Kolben wurde die Abwesenheit des Geschosses mit der einfachen Pulverlabung auf 36 Secunden gebracht, aber selbst diese einfache Ladung ist auch jetzt, nachdem die Büchse um 2 Pfd. schwerer gemacht, zu groß, da sie noch stark zurückprallt, und ein festeres oder loseres Anhalten an die Schulter die Schußweite wechseln läßt. Größe des Kalibers. Zur Erreichung der möglichst großen Schußweite gehört sich auch möglichst viel Masse des Geschosses im Vergleich zu der, dem Widerstande der Luft ausgesetzten Fläche. Mit der Verminderung dieser Fläche aber verkleinert sich das Kaliber, und mit diesem der zur Aufnahme des Pulvers erforderliche Raum. Da nun aber jedes Geschoß zur Erreichung der durch das Verhältniß seines Gewichts zu dem der Büchse bedingten Geschwindigkeit auch ein entsprechendes Quantum Pulver erfordert, so ist es klar, daß, wenn obiges Verhältniß festgestellt, das Kaliber auch so zu wählen ist, daß die zum Forttreiben des Geschosses erforderliche Spannung der Gase durch ein vollständiges Verbrennen erwähnten Pulverquantums entwickelt werden kann; denn mehr als eine der Kalibergröße genau entsprechende Pulvermenge kann nicht im Laufe verbrennen und führt daher keine Kraftvergrößerung herbei. Hiervon kann man sich bei lothrechtem Schießen in die Höhe mit Leichtigkeit überzeugen, indem die Abwesenheit des Geschosses durch eine noch so starke Vergrößerung der Pulverladung nie über eine gewisse (jedoch nach Beschaffenheit des angewandten Pulvers variirende) Dauer zu bringen ist. Es ist also nur innerhalb gewisser Gränzen, daß ein wachsendes Verhältniß zwischen dem Querschnitt und Gewicht des Geschosses die Schußweite vergrößert; wie sich solches auch durch die Erfahrung bestätigt, indem die Abwesenheit der Kugel 18, die des 1/2löthigen Spitzgeschosses 40 und die des 1löthigen 30 Secunden, aus meinem Erbsrohr in die Höhe geschossen, dauerte. Man würde vielleicht einwenden, daß das 1löthige Geschoß beim Herabfallen zufolge des günstigeren Verhältnisses zwischen dem Querschnitt und der Masse eine größere Geschwindigkeit erlange, durch welche die kürzere Dauer seiner Abwesenheit bedingt würde. Dem ist aber nicht so, denn zufolge der Lage des Schwerpunktes fällt dieses Geschoß nicht mit der Spitze voran, sondern mit der Längenachse in der Horizontalebene, und es bleibt sich daher beim Herabfallen das die Geschwindigkeit bedingende Verhältniß zwischen dem Querschnitt und der Masse des Projectils für beide Spitzgeschosse gleich. Je größer nun die Menge und Spannung der Pulvergase, die in dem Laufe entwickelt werden können, ist, desto größer kann im Vergleich zum Querschnitt das Gewicht des Geschosses seyn und desto größer fällt für ein gegebenes Gewicht der Büchse die Schußweite aus. Hierin ist auch der Grund zu der größeren Schußweite der Kanonen zu suchen, da mit der Vergrößerung des Kalibers die dem Widerstande der Luft ausgesetzte Fläche der Kugel nur quadratförmig wächst, während deren Masse kubikförmig zunimmt. Die Kalibergröße bestimmt sich daher, wenn das Gewicht der Büchse und des Geschosses festgestellt ist, durch die Güte des anzuwendenden Pulvers. Länge des Laufes. Diese spielt eine eben so wichtige Rolle als die übrigen Verhältnisse der Büchse, wird aber eben so schwankend angetroffen Ja es gibt sogar Büchsenmacher, die es sich zur Regel gemacht haben, für alle möglichen Kalibergrößen dieselbe Länge des Büchsenlaufes beizubehalten, und wiederum andere, welche die Sache ganz verkehren, und für das große Kaliber kürzere Läufe und umgekehrt wählen. Obwohl es nun Thatsache ist, daß sich trotz aller dieser Widersinnigkeiten mit der Büchse dennoch schießen und auch treffen läßt, so begreift es sich doch, daß die möglichst große Schußweite, sowohl in dieser als in jeder andern Hinsicht an normale Verhältnisse gebunden seyn muß. Denkt man sich ein Gas so lange comprimirt, bis eine Explosion des damit gefüllten Gefäßes erfolgt, so muß ja die Gewalt, mit der solches geschieht, der Spannung, welche das Gas im Augenblick der Explosion hatte, proportional seyn. Unter einem Druck von 100 Atmosphären werden also die Trümmer des Gefäßes mit einer größeren Geschwindigkeit auseinander geschleudert werden, als unter einem Druck von 50. Wendet man diese Thatsache auf die Bewegung der Geschosse durch die Pulvergase an, deren Ausdehnung das Geschoß keinen der Spannung entsprechenden Widerstand zu bieten vermag, und also einen dieser entsprechenden Stoß nicht empfangen kann, so müssen die Gase, wie es in dem Rohr der Feuerwaffe auch geschieht, durch fortfahrende Einwirkung die Kraft abgeben, die in dem ersten Augenblick nicht zur Anwendung kommen konnte. Aber je weiter das Projectil im Laufe einer Büchse fortbewegt und der Raum der Pulvergase vergrößert wird, desto mehr dehnen sie sich aus, verlieren an Spannung, und Kraft und Last halten einander das Gleichgewicht, wenn erstere gleich dem Widerstande des Geschosses ist. Ein stärkerer Widerstand des Geschosses führt daher selbstredend zu einem kürzeren Laufe als ein geringerer. Da die Spannung der Pulvergase zu einem großen Theil durch die beim Verbrennen des Pulvers entstandene Temperaturerhöhung bedingt ist, so ist es nicht gleichgültig, ob das Geschoß mit wenig Widerstand ein langes, oder mit stärkerem Widerstande ein kürzeres Rohr verläßt, da ersteres, vermöge der größeren Metallfläche mit der die Gase in Berührung kommen, zu einer stärkeren Abkühlung führt. Hieraus folgt, daß, je stärker der Widerstand des Geschosses im Laufe der Büchse ist und je kürzer dieser in Folge dessen seyn kann, desto besser die durch die Verbrennung des Pulvers erzeugte Kraft benutzt ist und zu einer desto größeren Schußweite führt. Durch Vergrößerung der Pulverladung an Spannung der Gase ersetzen zu wollen, was die Abkühlung durch das lange Rohr daran verloren gehen läßt, gelingt nicht, denn die Pulvermenge, die in dem Rohr zur Verbrennung kommt, vergrößert sich nicht in gleichem Verhältniß als das Rohr verlängert wird. Die vorhin erwähnte Büchse von 4 Linien Kalibergröße hatte ursprünglich 288 Linien Länge, mithin ein Verhältniß des Querschnitts zur Länge des Laufes wie 16 : 288 = 1 : 18, und die größte Schußweite, welche damals nur durch eine sehr geringe Reibung des Geschosses im Laufe zu erreichen war, betrug 32 Secunden Abwesenheit desselben Spitzgeschosses, das gegenwärtig durch einen stärkeren Widerstand und bei einer Länge des Laufes von 260 Linien auf 40 Secunden gebracht wird. Ich ließ nämlich, nicht um die Schußweite zu vergrößern, sondern weil der Lauf nach vorne überwog, 28 Linien desselben abschneiden, und es überraschte mich damals gewissermaßen, die Schußweite dadurch vergrößert zu finden. Aber selbst bei diesem Verhältniß des Kalibers zur Länge des Laufes ist eine zu starke Reibung möglich, da die Abwesenheit des Geschosses durch sehr starkes Klopfen desselben auf den Dorn mit dem Ladstocke von 40 auf 36 Secunden herabgebracht werden kann. Das mehrerwähnte Erbsrohr, von 2,8 Linien Kalibergröße, hat eine Länge des Laufes von 290 Linien, die aber für die mit diesem Kaliber zu erreichende Schußweite entschieden zu groß ist, da die Abwesenheit des Geschosses von 40 Secunden nur durch die möglichst geringe Reibung aus dem rein ausgewaschenen und geölten Laufe zu erreichen ist. Daß mit einem kürzeren Laufe und stärkeren Widerstande des Geschosses sich eine größere Schußweite erreichen ließe, unterliegt keinem Zweifel. Auf jeden Fall muß die Spannung der Pulvergase noch in dem Augenblick, wo das Geschoß aus dem Laufe tritt, nicht allein hinlänglich seyn, um den Widerstand desselben im Laufe zu überwinden, sondern noch etwas größer, wenn anders eine gleichmäßige Schußweite erzielt werden soll; eine Sache, die mit dem Erbsrohr nicht zu erreichen ist, indem dessen Geschoß hinsichtlich der Dauer der Abwesenheit von 1 bis 3 Secunden schwankt. Solches hingegen ist mit der Büchse nicht der Fall, deren Geschosse auf die Secunde nach gleichen Zeiträumen wieder zur Erde gelangen. Wollte man nun ein Verhältniß des Kaliberquerschnitts zur Länge des Laufes wie 1 : 15 als das normale annehmen, so würde für ein Kaliber von 6 Linien, wie bei den Militärbüchsen, die Länge 36 × 15 = 540 Linien ausfallen. Da diese Länge das Handhaben der Büchse zu sehr erschweren würde, so sind die in letzterer Zeit unternommenen Abänderungen, die alle einen vergrößerten Widerstand des Geschosses im Laufe bezwecken, wohl berechtigt, nicht aber die Beibehaltung eines Kalibers, das mit so widersinnigen Verhältnissen hinsichtlich des Gewichts des Geschosses und der Länge des Laufes verknüpft ist. Man würde vielleicht einwenden, daß, da die Militärbüchse als Angriffswaffe zugleich eine Länge des Laufes von 350 Linien haben muß, ein kleineres Kaliber nicht zulässig ist, und daß die Austrittsgeschwindigkeit des Geschosses in Folge der längeren Einwirkung der Pulvergase hier – wo das Kaliber mehr als hinlänglich groß für die Länge des Laufes ist – größer seyn müßte, als bei einer Länge von etwa 260 Linien erwartet werden kann. Wenn ein solcher Einwurf überhaupt berechtigt wäre, so könnte es nur dann seyn, wenn die Rückwirkung der Pulvergase auf die Büchse durch das Gewicht der letztern aufgehoben würde. Sonst erreicht eine solche lange nicht die Schußweite der meinigen, von 10 Pfd. Gewicht, 4 Linien Kalibergröße und 260 Linien Länge, wie es sich aus Versuchen mit einer Militärbüchse von 11 Pfd. Gewicht, 6 Linien Kalibergröße und 350 Linien Länge, die mit 3 1/2löthigem Minié-Geschosse schoß, aufs deutlichste herausstellte, indem erwähnte Geschosse, deren Gewichtsverhältniß zum Querschnitt ungefähr dasselbe als das der zu meiner Büchse gebrauchten 1 1/2löthigen war, durchschnittlich nach 25 Secunden wieder zur Erde gelangten. Obwohl ich meine Büchse nur auf 800 Schritte eingeschossen habe, so zeigt es sich doch, daß ihr Längenschuß, verglichen mit dem der vorerwähnten Militärbüchse, mit der längeren Dauer, die ihr Geschoß wegbleibt, übereinstimmt; da diese Schußweite unter einem viel kleineren Winkel der Kaliberachse gegen die Schußlinie erreicht wird, als solches bei der Militärbüchse der Fall war, und außerdem eine Strichhaltigkeit gewährt; wie sie von den Herren, die mich auf diese Entfernung schießen sahen und die an die Leistungen der Militärbüchse gewohnt waren, kaum für möglich gehalten wurde. Unter einem Winkel der Kaliberachse gegen die Schußlinie, wie solches mit der mehrerwähnten Militärbüchse auf eine Entfernung von 1000 Schritten geschieht, geschossen, ging in der Entfernung von 1300 Schritten, seinem Pfeifen nach zu urtheilen, das Geschoß meiner Büchse 20 bis 30 Fuß hoch über dem Ziele weg. Die Schußweite der Militärbüchse wechselte um 10 Secunden und unter 10 Schüssen fanden sich nicht zwei, die hinsichtlich der Dauer der Abwesenheit der Geschosse gleiche Resultate lieferten. Dennoch aber soll mit dieser Büchse und deren schwankenden Schußweite, der Eintheilung des Visirs nach zu urtheilen, noch auf 1100 Schritte geschossen werden können. Nun darf man wohl fragen, was in letzterer Zeit für die Vervollkommnung der Büchse – die Einführung der Spitzgeschosse ausgenommen – geschehen ist? Die Militärbüchsen aller Nationen, die ich zu sehen Gelegenheit hatteVon dem Vorhandenseyn des S. 168 in Hrn. Rüstow's „Leitfaden durch die Waffenlehre“ angeführten Schweizer-Stutzen wußte ich damals nichts., alle sind sie mit den widersinnigen Verhältnissen des Geschosses zur Büchse behaftet, und deren größere Leistungen wurden, allen bombastischen Berichten zum Trotz, wie es scheint, nur durch die größere Erhebung des Visirs erreicht. Es ist interessant zu sehen, wie schon vor fünfzig Jahren und noch länger zurück die Praxis in dieser Hinsicht das Rechte herausfand, und man kann behaupten, daß die Büchse erst dann verpfuscht wurde, als sie ansing Patient der gelehrten Committeen zu werden. Bei den Bewohnern der finnischen, ehstländischen, livländischen und schwedischen Küsten und Scheeren, deren Hauptnahrungszweig die Seehundsjagd ausmacht, findet man Büchsen von dem eben erwähnten Alter, die nie ein geringeres Gewichtsverhältniß der Kugel zur Büchse wie 1 : 400 haben. Größtentheils fertigen diese Leute ihre Gewehre selbst an, und man findet bei ihnen Büchsen von allen möglichen Kalibergrößen, die öfter sogar nach einem noch stärkeren Verhältniß als das oben erwähnte angefertigt wurden. Die Verachtung, mit der ein solcher Jäger die Militärbüchse betrachtet, kommt nur der Zärtlichkeit gleich, mit der er sein eigenes erprobtes Rohr in die Hand nimmt. Seine Anforderungen an die Büchse, obwohl hinsichtlich der Schußweite gering, da er nie über 150 Schritte, und das nur in Ausnahmsfällen, sich sein Ziel stellt, sind dennoch durch keines der modernen Gewehre zu befriedigen; denn auf diese Schußweite will er von keiner Erhebung des Visirs wissen. Er faßt sein Ziel auf dieselbe Weise, möge es 100 oder 50 Schritte von ihm entfernt seyn, ins Auge und verfehlt es nie. Es sey ferne von mir, das Verdienst einiger bei der Büchse eingeführten Detailveränderungen abläugnen zu wollen. Zu solchen rechne ich die verschiedenen Spitzgeschoß-Systeme und die Einführung des Domes. Aber alle diese ohne Widerspruch Verbesserungen zu nennenden Abänderungen führen zu gar nichts, wenn die Hauptverhältnisse der Büchse selbst nicht mit ihnen in Uebereinstimmung gebracht werden. Mit dem Spitzgeschosse verdoppelt sich das dem Kaliber gehörige Projectil an Gewicht und das Gewicht der Büchse blieb unverändert, ja es wurde sogar verringert oder, was dasselbe ist, das Kaliber vergrößert. Es ist eine dem Laien geläufige Vorstellung, daß die größere Schußweite des Spitzgeschosses durch die zum Durchschneiden der Luft mehr geeignete Form desselben bedingt ist. Es dürfte aber zweifelhaft seyn, ob der Widerstand, den das Spitzgeschoß durch die Luft erleidet, seiner Querschnittsfläche nach geringer seyn wird als bei der Kugel; denn was dort möglicherweise durch die spitzzulaufende Vorderfläche gewonnen seyn könnte, das geht wieder an der Hinterfläche verloren, hinter welcher bei der großen Geschwindigkeit sich eine vollständigere Luftleere als hinter der Kugel bilden muß. Die größere Schußweite des Spitzgeschosses bedingt sich nur durch die, im Vergleich zum Querschnitt, größere Masse, und ist daher ein kleineres Verhältniß des Gewichts der Büchse zum Geschoß für das Spitzgeschoß als für die Kugel in keinerlei Weise berechtigt.Mit Bezug hierauf führt Hr. Rüstow in seinem „Leitfaden durch die Waffenlehre“ S. 203 an: „Sie überwinden, besonders wenn sie vorn spitz, den Widerstand der Luft leichter als Kugeln, weil sie keilartig in dieselbe eindringen, ihr das Entweichen längs der Spitze erleichtern – erhalten in Folge dessen eine stetigere Geschwindigkeit, mithin einen längern und flacher gekrümmten niedersteigenden Ast zu Gunsten der Größe des bestrichenen Raumes.“ Der Vergleich beider Systeme mit Bezug auf die Bewegung der Geschosse ist unläugbar richtig, daß aber das keilartige Eindringen des Spitzgeschosses in die Luft dessen stetigere Geschwindigkeit herbeifuhren sollte, diese Behauptung beweist, daß eine Vorstellung, die ich nur dem Laien zum Vorwurf zu machen mir getraute, noch bei den Fachmännern wurzeln kann. Wäre auf Seiten des Spitzgeschosses kein anderer Vorzug als das angeführte keilartige Eindringen in die Luft, so könnte man getrost die Kugel wieder einführen, da sie hinsichtlich des Luftwiderstandes ihrer Querschnittsfläche nach mit allen Spitzgeschossen, deren Hinterfläche senkrecht zur Längenachse steht, wetteifern kann; wie man sich auch mit Leichtigkeit zu überzeugen im Stande seyn wird, wenn man die in dieser Hinsicht zu vergleichenden Geschosse vor der Düsen-Oeffnung eines Gebläses aufhängt. Faßt man nun das Ganze des Angeführten zusammen, so gehen daraus die Grundsätze, nach denen die Büchse zu construiren ist, so einfach hervor, daß man über die Befangenheit derjenigen, denen die Vervollkommnungen derselben oblagen, erstaunen müßte, wenn es sich nicht überall durch die Erfahrung bestätigte, daß die Wahrheit in der Regel, und läge sie auch noch so nahe, erst nach langen Umwegen gefunden wurde. Zur Steuer derselben bin auch ich das Geständniß schuldig, daß mir erst nach etwa 20jährigem Nachkommen einer Liebhaberei, die mich manchmal, den verbrauchten Pistonschachteln nach, etwa 5 bis 8000 Schüsse jährlich nach der Scheibe machen ließ, die Wahrheit zu dämmern anfing. Aber nicht das Scheibenschießen war es, das mich zum Nachdenken in dieser Hinsicht brachte, sondern die so oft beim Anschleichen des Wildes, durch falsche Taxation der Entfernung veranlaßte getäuschte Hoffnung. Als mir dann durch das lothrechte Schießen in die Höhe ein Maaßstab der relativen Schußweiten gegeben wurde, fing ich erst an, so systematisch als Zeit und Mittel es mir erlaubten, an die Ausarbeitung der zur Construction der Büchse gehörigen Grundsätze zu gehen, die unter der Voraussetzung, daß jedes Kaliber mit der möglichst großen Pulverladung anzuwenden ist, folgende sind: 1) die möglichst vollständige Aufhebung des Rückstoßes durch das Gewichtsverhältniß des Geschosses zur Büchse; 2) der, mit Berücksichtigung des anzuwendenden Pulvers, möglichst kleine Querschnitt des Geschosses im Vergleich zu dessen Masse; und 3) die, mit Rücksicht auf den Widerstand des Geschosses zu bestimmende Länge des Laufes. Diese drei Bedingungen, deren gemeinschaftliche Berücksichtigung allein die größte Schußweite herbeiführen kann, machen aber eine Reihe und zwar mit wissenschaftlicher Schärfe geführter Versuche nothwendig, die aber den Ausschlag dermaßen herbeiführen müßten, daß kein Zweifel entstehen könnte, ob diese oder jene Kalibergröße, diese oder jene Länge des Laufes für eine Büchse von gegebenem Gewicht zu wählen sey. Wie aber und mit welchem Maaßstabe für die Schußweite sind diese Versuche ins Werk zu setzen? – Das elektromagnetische Chronoskop, so schätzenswerth es auch zur Ermittelung der Geschwindigkeit seyn mag, halte ich dennoch für weniger geeignet, um ausschließlich dem Zwecke zu dienen, da es nur die Geschwindigkeit ist, die sich dadurch messen läßt. In welchem Verhältniß aber die Geschosse retardiren und zwar auf größere Entfernungen, läßt sich dadurch schwer ermitteln. Uebrigens will ich mich jedes Urtheils in dieser Hinsicht enthalten, da ich keine Gelegenheit gehabt habe, das Chronoskop in Anwendung zu bringen. Die Dauer der Abwesenheit eines lothrecht in die Höhe geschossenen Geschosses liefert zwar keinen directen Maaßstab für die Schußweite, aber sie läßt sich doch relativ daraus ableiten, wenn solches mit Berücksichtigung des jedesmal obwaltenden Barometerstandes, des Gewichtsverhältnisses zum Querschnitt des Geschosses und des specifischen Gewichts der Masse, aus der es angefertigt worden, unternommen wird. Dieser Mühe habe ich mich nicht unterwerfen können. Ich habe ganz einfach geschlossen, daß, wenn von zwei Geschossen aus derselben Masse und in derselben Form gegossen, das eine länger als das andere wegbleibt, es auch einen längeren Weg zurückgelegt haben muß. Und ich dehne diese Annahme auch auf Geschosse aus, welche, obwohl an Masse verschieden, mit derselben äußeren Form ein gleiches Verhältniß des Gewichts zum Querschnitt verbinden. Innere Beschaffenheit des Büchsenlaufes. Die vortheilhafteste innere Beschaffenheit des Laufes, insofern sie die Züge betrifft, dürfte noch zu ermitteln seyn. Bis jetzt ist es mir nicht gelungen, an dem einen oder dem anderen Büchsenlaufe einen Vorzug zu finden, der auf die Beschaffenheit der Züge gesetzt werden könnte. Nur so viel scheint ausgemacht zu seyn, daß das Geschoß, um consequent in seiner Bahn fortzugehen, sich drehen muß. In welchem Verhältniß aber dessen Winkelgeschwindigkeit zur Längengeschwindigkeit am vortheilhaftesten stehen müßte, ist mir unbekannt, und scheint es den Männern von Fach eben so zu seyn; denn es dürfte schwer halten, zwei Läufe aus verschiedenen Fabriken zu finden, die in dieser Hinsicht gleich wären. Von Büchsenmachern habe ich die Ansicht aussprechen hören, daß die Züge am vortheilhaftesten sich 3/4 Mal im Laufe winden müßten, einerlei ob der Lauf lang oder kurz wäre. Kann dieser Grundsatz auch für geringere Schußweiten ohne Nachtheil festgehalten werden, so kann solcher auch keinen Vortheil bringen, sondern beweist nur, daß das Verhältniß zwischen der Winkel- und Längengeschwindigkeit für solche Fälle innerhalb ziemlich weit liegender Gränzen ohne Nachtheil schwanken kann. Denn je länger der Lauf, desto kleiner, und je kürzer derselbe, desto größer fällt ja auf diese Weise die Winkelgeschwindigkeit aus. Da die rotirende Bewegung des Geschosses eben so gut, als dessen Längenbewegung durch den Widerstand der Luft retardirt wird, so ist es klar, daß, je länger die Flugbahn, desto rascher die anfängliche Winkelbewegung des Geschosses seyn muß, um noch am Ziele die Einflüsse einer nicht centralen Lage des Schwerpunktes zu paralysiren. Da aber jede Bewegung Kraft absorbirt, so ist es von Wichtigkeit, daß auch hier diejenige Uebereinstimmung zwischen der Längen- und Winkelgeschwindigkeit gefunden wird, welche die größtmöglich strichhaltige Flugbahn gewährt, und ich erlaube mir, für die Lösung dieses Problems nachstehend eine Methode vorzuschlagen. Man nehme an, die Normal-Büchse von z.B. 10 Pfd. Totalgewicht wäre nach den angeführten Grundsätzen und mit Benutzung des jetzt üblichen Dralles gefunden, und es stände nur noch zu ermitteln, wie schwach letzterer seyn darf, um auf der ganzen Schußweite die vorhin erwähnten Einflüsse einer nicht centralen Lage des Schwerpunktes auszugleichen. Zu diesem Zweck lasse man etwa 10 Läufe gleich dem der erwähnten Büchse, aber alle mit verschiedenem Drall so Herrichten, daß sie von gleichem Gewicht in denselben Schaft hineinpassen. In diesem Schaft an einem elastischen Stab lothrecht aufgehängt, schieße man in die Höhe und bemerke sich jedesmal die Stelle wo das Geschoß auffällt. Es ist deutlich, daß wenn der Richtungswinkel jedesmal bei demselben Laufe derselbe und die Bahn des Geschosses strichhaltig war, es, für den Fall daß die Schußweite nicht wechselt, auf denselben Fleck wieder auffallen muß, es sey denn daß es durch Windstöße abgeführt wurde. Man wähle daher zu solchen Versuchen am besten einen stillen und hellen Wintertag bei hohem Barometerstande, und stelle sie auf einer, mit etwa einem Zoll tiefen Schneelage bedeckten, durchaus unbetretenen Eisfläche an. Es könnte hier eingewandt werden, daß, da das Spitzgeschoß mit der Längenachse in der Horizontalebene fällt und dessen Hinterfläche scharfkantig ist, ein Verrücken nach eben der Seite durch den Widerstand der Luft stattfinden müßte; aber sey es nun, daß das Geschoß durch eben diesen Widerstand mit der Längenachse in der Horizontalebene rotirt, gewiß ist es, daß die mehrerwähnten 1 1/2löthigen Geschosse meiner Büchse bei solchen Versuchen, wenn sie mit der gehörigen Genauigkeit ausgeführt wurden und die Witterung günstig war, fast auf demselben Fleck wieder auffielen. Form des Geschosses. Obwohl ich eine Menge Geschosse durchprobirt habe, von verschiedenen Formen, die darauf berechnet waren, den Widerstand der Luft möglichst zu verringern, so bin ich dennoch zuletzt bei dem Dorngeschoß, dessen Widerstand im Laufe sich nach dessen Länge modificiren läßt, stehen geblieben, da es sowohl hinsichtlich der Schußweite als Konsequenz des Schusses die besten Resultate lieferte. Was das so vielfältig gerühmte Minié-Geschoß betrifft, insofern das an dem hinteren Ende mit einer conischen Blechkapsel (Treibspiegel, culot) versehene Spitzgeschoß, das von Minié eingeführte seyn soll, so ist dessen Anwendbarkeit nicht zu läugnen. Daß es aber einen Vorzug vor mehreren anderen und namentlich vor dem erwähnten Dorngeschoß haben sollte, bin ich weit entfernt zugeben zu wollen. Sollte etwa der Umstand, daß der Schwerpunkt des Minié-Geschosses mehr nach der Spitze hin verlegt ist, als ein Vorzug hervorgehoben werden, so läßt sich dieser an dem Dorngeschoß eben so gut erreichen, indem dann dem Dorne dieselbe Form als der hohle Raum an dem Minié-Geschoß gegeben, und das Geschoß selbst mit einem solchen Raume gegossen wird, der um so viel, als zu seiner Erweiterung erforderlich, kleiner wie der Dorn ist.Hr. Rüstow nennt S. 170 die Construction des Minié-Geschosses eine ausgezeichnete und weist hinsichtlich dessen den Leser an die sechste Abtheilung seines Werkes, wo es mit Bezug auf die, den cylindrischen Theil des Geschosses umkreisenden Vertiefungen heißt, „daß sie der Luft Widerstände bieten, welche gegen das Bestreben des Geschosses sich um seinen Schwerpunkt zu drehen, reagiren, seine Längenachse tangential zur Flugbahn stellen, was, besonders wenn der Schwerpunkt des Geschosses weit vorn liegt, zu einer höchst günstigen Abflachung der Flugbahn führt.“Ob die erwähnten Vertiefungen wirklich eine solche Rolle spielen, muß ich dahin gestellt seyn lassen, ich habe ihnen wenigstens keinen andern Vortheil abgewinnen können, als daß sie das, zu einer gleichmäßigen Reibung zwischen Geschoß und Feldern durchaus erforderliche Talgquantum aufnehmen. Daß aber die Verlegung des Schwerpunktes nach vorn, auf die Flugbahn eines um seine Längenachse rotirenden Geschosses den angeführten Einfluß ausüben sollte, bin ich eben so wenig zu fassen im Stande, als ich je so etwas wahrnehmen konnte. Sind die anfänglichen Geschwindigkeiten der zu vergleichenden Geschosse einander gleich, so flacht ja dessen Bahn sich am meisten ab, dessen Bewegung am wenigsten retardirt war und das also im Vergleich zur Masse den geringsten Widerstand der Luft zu erleiden hatte. Dieses hinwiederum kann ja bei Geschossen, deren Masse und Querschnitt gleich sind, nur von der den geringsten Widerstand der Luft bedingenden äußeren Form abhängig seyn, und man wird mir hoffentlich zugeben, daß von zwei Spitzgeschossen desselben Querschnitts, Gewichts und vorderer Gestaltung dasjenige, welches die geringste Totaloberfläche hat, diesen Vortheil in sich trägt. Je mehr aber der Schwerpunkt, sowohl des Minié- als Dorngeschosses, nach vorn verlegt wird, um so mehr vergrößert sich diese Fläche, und es ist daher schwer zu begreifen, wie solches zur Abflachung der Flugbahn beitragen sollte, da jedes strichhaltige Spitzgeschoß, und zwar vermöge seines Rotirens um die Längenachse, diese in die Tangente der Flugbahn stellt, möge der Schwerpunkt, wie bei dem Minié-Geschoß mehr nach vorne, oder wie bei dem, auf einen Dorn von dem halben Kaliberdurchmesser ausgedehnten Dorngeschoß, mehr nach hinten versetzt seyn. Will Hr. Rüstow damit sagen, daß je mehr der Schwerpunkt des Geschosses nach vorn liegt, um so schwächer kann der Drall seyn und um so mehr flacht sich dadurch die Bahn des Geschosses ab, so würde die Behauptung allenfalls einen Sinn haben; aber einerseits ist der von ihm unter „Aenderungen die während des Druckes eingetreten sind“ angeführte und, wie er es nennt, sehr günstige schwache Drall (ein Umgang auf 59 1/2 Zoll) für das Dorngeschoß vollkommen ausreichend, da es ungefähr derselbe Drall ist den meine Büchse hat, und andererseits dürfte es die Frage seyn, ob das, was an Schußweite durch die möglichst starke Versetzung des Schwerpunktes nach vorne und den dadurch ermöglichten schwächeren Drall gewonnen seyn könnte, nicht wieder durch die vergrößerte Totaloberfläche des Geschosses verloren geht. Das Minié-Geschoß kann für ursprünglich glatte, zu gezogenen umgeänderte Gewehre als ein ausgezeichnetes Geschoß gelten, für die Normalbüchse aber, bei der es darauf ankommt, innerhalb der möglichst geringen Querschnitts- und Totaloberfläche des Geschosses möglichst viel Masse zu nehmen, kann es, mit Beanspruchung auf die Erreichung der, dem Kaliber gehörigen, möglichst großen Schußweite nicht zur Anwendung kommen. Daß aber hierdurch ein Vortheil hinsichtlich der Schußweite erreicht wäre, habe ich nicht finden können. An dem Kapselgeschoß habe ich das zu tadeln, daß dessen Widerstand im Laufe, wenigstens wenn es gegossen, nie derselbe war, indem die Dauer der Abwesenheit, wenn dasselbe lothrecht in die Höhe geschossen wurde, fortwährend schwankte. Mit dem Dorngeschoß aber läßt sich ein vollkommen gleichmäßiger Schuß auf die Weise erzielen, daß es durch einen schweren messingenen Ladstock, den man, je nach Umständen, ein- oder mehreremal darauf fallen läßt, auf den Dom comprimirt wird. Ein kräftigeres Aufsetzen des Ladstockes, als seine eigene Fallgeschwindigkeit es mit sich bringt, kann den Dorn gefährden und gewährt außerdem keine gleichmäßige Ausdehnung des Geschosses, die aber dadurch herbeigeführt, so wie der um die Geschoßspitze sich sonst bildende zackige Rand vermieden wird, wenn der Ladstock unter einem stumpferen Winkel, als die erwähnte Spitze geformt ist, ausgetrichtert wird. Den zum Erweitern des Geschosses erforderlichen Dorn habe ich dicker und dünner, von 1/4 bis zur Hälfte des Kaliberdurchmessers gehabt, ohne einen Unterschied an der Schußweite wahrnehmen zu können. Es erklärt sich dieses daraus, daß, da das Pulver im ganzen Laufe verbrennt, die Beschaffenheit des Pulverraumes nur wenig Einfluß auf die Schußweite ausüben kann, da er im Vergleich zum Raumgehalt des ganzen Laufes sehr klein zu nennen ist. Für die Dauerhaftigkeit des Dornes, wie für den Widerstand des Geschosses im Laufe ist es am vortheilhaftesten, selbigen von wenigstens dem halben Kaliber zu nehmen, weil sich das Geschoß auf einem dickeren Dorne immer besser comprimiren läßt als auf einem dünnen. Was aber die Länge betrifft, so kann ich denjenigen nicht beipflichten, die einen großen Raum zwischen dem Pulver und Geschoß haben wollen, da ich immer mit dem möglichst kleinen die größte Schußweite erlangte. Leider darf dieser Raum, des sich ansammelnden Pulverrückstandes wegen, nicht so klein genommen werden, als es für die Schußweite am vortheilhaftesten wäre, weil dann nach einigen Schüssen das Pulver, von dem Geschoß comprimirt, an Entzündlichkeit und mithin an Kraft verlieren würde. Hinsichtlich der Dauerhaftigkeit des Dornes kann man sich, wenn er aus Gußstahl gemacht, sorgfältig eingeschraubt und unabgehärtet gelassen wird, vollkommen beruhigen. Ich habe aus meinem Erbsrohr mit ein und demselben Dorn wohl an 20,000 Schüsse gemacht, ohne an demselben eine Beschädigung wahrzunehmen, die eine Umwechslung nöthig machte.Hr. Rüstow führt S. 169 als Nachtheil dieses Systemes die Schwierigkeit die Pulverkammer zu reinigen an. Da ich schon seit mehr als drei Jahren diese Schwierigkeit beseitigt habe, und sowohl Pulverkammer als Dorn eben so leicht reinige, als wenn letzterer nicht vorhanden wäre, so dürfte es nicht ohne Interesse seyn, wenn ich meine Methode anführe. Fig. A zeigt die Schwanzschraube, die nicht wie sonst für die Pulverkammer ausgebohrt ist, sondern an deren Boden das Ende des Laufes stumpf aufliegt. Die Züge laufen um den Dorn herum bis auf den BodenTextabbildung Bd. 139, S. 337der Schwanzschraube fort. Hierdurch wurde es ermöglicht, den Wischer, der, wenn die Pulverkammer den Durchmesser der Züge hatte, im Aufgehen, und wenn sie gleich dem der Felder war, im Niedergehen anhakte, bis auf den Grund des Pulverraumes oscilliren zu lassen. Fig. B zeigt den Wischer. Auf das eine Ende des Ladstockes aufgeschraubt, wird er dergestalt angewandt, daß er auf einen runden, mit Speichel benetzten Tuchlappen, den man auf die Mündung des Laufes legt, aufgesetzt und in den Lauf hineingestoßen wird. Die beiden hervorstehenden Ränder a, a des Wischers halten den Lappen fest, der, bis zum Dorn hingelangt, von selbigem durchgestoßen wird. Es reinigt sich auf diese Weise sowohl Dorn als Lauf und Pulverkammer vollständig. Ist der Lauf sehr verschmiert, so braucht man wohl 2 bis 3 mit Speichel benetzte Lappen hintereinander, denen 3 bis 4 trockene Lappen folgen müssen. Man thut daher am besten, die Lappen, die für ein Kaliber von 4 Linien höchstens 1 1/2 Zoll Durchmesser haben dürfen, mit einem Pfropfenhauer auszuschlagen. Schießt man mit bewickelten Geschossen, so ist das Laden äußerst einfach, indem das Pulver dann von oben eingeschüttet werden kann. Der am hinteren Ende des Geschosses in eine Nuth eingewickelte wollene Faden preßt sich nämlich in die Züge und fegt beim Einstoßen des Geschosses das im Laufe sitzen gebliebene Pulver nach unten. Von dem Jäger aber, der sich selbst seine Geschosse bewickeln muß, würde dieser Vortheil mit zuviel Zeitaufwand erkauft werden. Ihm bleibt daher die alte Methode, das Pulvermaaß im Ladstocke zu haben, aus welchem es, ohne die Wände der Büchse zu berühren, direct in die Pulverkammer ausgeschüttet wird, die am wenigsten beschwerliche, und sie gewährt mit gehörig eingefetteten Geschossen einen ebenso strichhaltigen Schuß als jede andere Methode. Ich habe öfters wohl an 30 bis 50 Schüsse hinter einander auf diese Weise gemacht, ohne daß ein Auswischen des Laufes erforderlich wurde. Oefter findet man Dornbüchsen mit hölzernen Ladstöcken, auf denen die Tiefe, bis zu welcher das Geschoß hineingestoßen werden soll, abgemerkt ist. Abgesehen davon, daß das Klopfen mit einem hölzernen Ladstocke beschwerlich ist, so gewährt diese Methode nur unter der Voraussetzung, daß sowohl Dorn als Ladstock vollkommen rein sind, einen gleichmäßigen Schuß; beide werden aber nach einigen Schüssen bedeutend verschmiert, und die auf dem Ladstock bemerkte Tiefe entspricht dann einer viel stärkern Comprimirung des Geschosses als vordern. In letzterer Zeit hat man die Kugel der glattgebohrten Militärgewehre durch einen, an der Vorderfläche kugelförmig abgerundeten und an der Hinterfläche nach Art des Miniégeschosses gerade abgeschnittenen und ausgehöhlten Cylinder von demselben Querschnitt und Gewicht wie die Kugel desselben Kalibers verdrängen wollen. Da dieses Projectil zufolge seiner geraden Hinterfläche einen stärkeren Widerstand der Luft erleidet als die Kugel, so ist es auch, hinsichtlich der Schußweite mit letzterer verglichen, im Nachtheil, wie es sich bei lothrechtem Schießen in die Höhe bestätigte, indem die Dauer der Abwesenheit jenes Geschosses 22 und die der Kugel 27 Secunden gab, wobei noch zu bemerken ist, daß die Zeiträume der Abwesenheit des ersteren bedeutend schwankender ausfielen als die der letzteren. Wahrscheinlich hat man der Ablenkung des Projectils durch den Widerstand der Luft, der nur bei einer vollkommen sphärisch geformten und durch ihre ganze Masse homogenen Kugel gleichmäßig um den Schwerpunkt herum vertheilt seyn kann, durch die Verlegung eben dieses Punktes nach der Vorderfläche hin entgegen arbeiten wollen; aber einerseits ist das Uebergewicht des Schwerpunktes zu gering, um das Umschlagen dieses Geschosses, sey es nun durch den Widerstand der Luft oder durch ein ungleichmäßiges Vibriren des Laufes, zu verhüten, da ein großer Theil derselben wirklich umschlägt; und dann ist man ja im Stande, durch sorgfältiges Pressen die Kugeln möglichst homogen in ihrer Masse und sphärisch geformt zu liefern, in welchem Zustande sie jedenfalls vor ersteren, sowohl hinsichtlich der Schußweite als Strichhaltigkeit, so lange den Vorzug behaupten werden, als die jetzigen Verhältnisse des Gewichts, der Kalibergröße und Länge des Laufes bei dieser Waffe vorherrschen.Hr. Rüstow führt in seinem mehrerwähnten Werke auch unter „Aenderungen die während des Druckes eingetreten sind“ an: „Das in Paragraph 369 beschriebene glatte Infanteriegewehr Modell 39 wird nach dem in Paragraph 338 beschriebenen Minié'schen System umgeändert und dadurch in ein gezogenes Gewehr verwandelt, welches sich ebenso leicht wie ein glattes ladet, letzteres hingegen in der Wirkung weit hinter sich zurück läßt und alle anderen Gewehre an Trefffähigkeit übertrifft.“ Wodurch bedingt sich eine solche Leistung des in Frage stehenden Gewehres? Selbiges ist sammt dem Bajonett zu 10 Pfund und dessen Geschoß zu 3 Loth Gewicht angegeben, mithin ein Gewichtsverhältniß zwischen beiden wie 320 : 3 = 106,66 : 1. Das Geschoß hat 0,67 Durchmesser = 44,89 Querschnitt, und es verhält sich also dieser in Linien zu dessen Gewicht in Loth, wie 44,89 : 3 = 14,96 : 1. Die S. 168 angeführte Schweizer-Büchse gehört aber auch unter die gezogenen Gewehre, die von dem umzuändernden Gewehr übertroffen werden sollen, und wenn ihr Gewicht so wie das des Geschosses angegeben wäre, könnte es von Interesse seyn, die erwähnten Verhältnisse mit denen des letztern zu vergleichen Leider ist das nicht der Fall; aber wenn selbige, wie überhaupt die Handfeuerwaffe für den Krieg, etwa 10 Pfund wiegt, so vergleiche man die schon angeführten Verhältnisse meiner Büchse, die von gleichem Kaliber mit dem Schweizer-Stutzen ist, mit denen des umzuändernden Gewehres, und man wird finden, daß der Vergleich sowohl mit Bezug auf das Gewichtsverhältniß des Geschosses zur Büchse als auch des Querschnitts zur Masse bedeutend zu Gunsten der Schweizer-Büchse ausfallen muß. Nochmals, wodurch bedingt sich die, alle anderen gezogenen Gewehre übertreffende Leistung des in Frage stehenden Gewehres? Material des Büchsenlaufes. Was nun das für die Büchsenläufe zu wählende Material betrifft, so sey es mir, bevor ich mich darüber ausspreche, erlaubt, einige Betrachtungen über die an einem Büchsenlaufe beim Abfeuern des Schusses stattfindende mechanische Erschütterung anzustellen. Vor etwa 25 Jahren wurden bei der Hütte zu Finspong in Schweden circa 2000 Schüsse aus einer Kanone gemacht und selbige nachher gesprengt, wobei es sich ergab, daß längs des ganzen Canales inwendig wellenförmige Vertiefungen entstanden waren, die in der Längenachse regelmäßig abgetheilt, jede für sich die ganze Peripherie des Laufes einnahmen. Daß hier also die vibrirenden Wände des Canales an die Kugel jedesmal und gleichmäßig anschlugen, scheint außer Zweifel zu seyn. Diese Vibration des Laufes wiederholt sich bei jeder Feuerwaffe, und man kann sich mit Leichtigkeit davon überzeugen, wenn man vor dem Schießen einen bleiernen Ring auf einen Flintenlauf fest aufschiebt, indem selbiger durch den Schluß schlottrig wird. Die Büchsenmacher nennen diese Vibration die Federkraft des Laufes und wollen aus dem mehr oder weniger Schlottrigwerden des bleiernen Ringes auf die Tödtlichkeit des Schusses schließen. Da es aber für die Sicherheit und Tragweite des Schusses nicht als nothwendig gedacht werden kann daß der Lauf vibrire, sondern im Gegentheil mehr oder weniger beide dadurch beeinträchtigt werden müssen, so geht hieraus die Nothwendigkeit hervor, das Material so zu wählen, daß die Vibration möglichst gleichmäßig, sowohl in der Längenachse als in der Peripherie stattfinde, und hierzu gehört ein vollständig homogenes, sich durch die ganze Masse gleich bleibendes Material. Diesen Anforderungen entspricht Schmiedeisen am wenigsten, am meisten Gußeisen, dann Gußstahl und Kanonenmetall. Gußeisen würde von diesen Metallen bestimmt die größte Strichhaltigkeit gewähren, jedoch ist dessen relative Festigkeit zu gering, um bei Bajonettangriffen auszureichen. Gußstahl ist für die Büchsenfabrication ein vortreffliches Material. Es ist, richtig behandelt, vollkommen homogen zu nennen, besitzt sowohl absolute als relative Festigkeit in hohem Grade, und läßt sich kalt besser bearbeiten als Schmiedeisen. Will man aber nothwendig Schmiedeisen zu den Büchsenläufen haben, so muß die Fabrication auf einen ganz anderen Fuß wie gegenwärtig eingerichtet werden; denn aus obigen Betrachtungen über das Verhältniß zwischen dem Gewicht und Kaliber der Büchse ist zu vermuthen, daß die möglichst weittragende Büchse bedeutend dickwandiger als die gegenwärtig im Gebrauch befindliche ausfallen wird. Es kann daher von einem aus Platinen zusammengeschweißten Laufe nicht die Rede seyn, weil, je dicker die Wände des Laufes, desto schwieriger das Zusammenschweißen wird, ohne daß hie und da im Laufe sich Schweißnähte zeigen, die jedesmal den Lauf unbrauchbar machen. Die Läufe müssen aus sorgfältig gewählten, in Gestalt von Büchsenläufen ausgeschmiedeten soliden Stangen ausgebohrt werden. Eine solche Fabrikation gewährt den Vortheil von weniger Ausschuß und würde hinsichtlich des Zeitaufwandes der gegenwärtigen um nichts nachstehen, da das Zusammenschweißen wegfällt. Die Kanone. Im Vergleich zur Büchse ist die Kanone als eine theoretisch unvollkommene Maschine zu betrachten, da der Widerstand des Geschosses und die Länge des Laufes nicht in diejenige Harmonie, welche die Kalibergröße bedingt, zu bringen sind; sie kann aber immer und selbst mit Beibehaltung des gegenwärtigen, jeder beliebigen Kugelschwere gehörigen Gewichts, in demselben Verhältniß wie die Büchse, durch die Einführung des Spitzgeschosses an Schußweite gewinnen, und zwar aus dem schon angeführten Grunde, weil die dem Widerstande der Luft ausgesetzte Fläche nur halb so groß als die der Kugel desselben Gewichts ist. Hieraus ist aber ein für die Construction der Spitzgeschoß-Kanone ganz besonders wichtiger Umstand zu entnehmen, nämlich daß – wenn sich auch alle übrigen Verhältnisse bei dem Kanonensystem für ein gegebenes Gewicht des Geschosses gleich bleiben – sich der Kaliberdurchmesser = d der Spitzgeschoß-Kanone zu dem = D der gewöhnlichen Kanone wie d² : 2 D² verhalten muß, welches außerdem bei einem gleichen Gewicht der beiden Kanonengattungen für die des Spitzgeschosses noch den Vortheil einer größeren Wandstärke gewährt. Daß obige, für die Herstellung der möglichst weitschießenden Büchse zu beobachtenden Grundsätze sonst auch für die Kanone in soweit gelten, als sie sich der Handhabung wegen befolgen lassen, versteht sich von selbst. Eine Reform der Feldartillerie, mit der es bei den jetzigen Leistungen der Büchse fast unmöglich wird wirksam aufzutreten, thut wohl im wahren Sinne des Wortes Noth, denn selbst dem Laien muß es einleuchten, wie wenig eine Feuerwaffe, zu deren Manövrirung vier Pferde und Gott weiß wie viele Menschen erforderlich sind, die hinsichtlich der Schußweite nur einigermaßen und in der Sicherheit des Treffens gar nicht mit der Büchse zu concurriren vermag, den jetzigen Anforderungen entspricht. Das Beschießen von Truppen dürfte wohl der Hauptzweck der Feldartillerie seyn und zu diesem Zweck bedient man sich gegenwärtig der Shrapnels. Ich möchte aber gerne wissen, wie man mit diesem Hohlgeschoß hinsichtlich der Schußweite mit der Büchse concurriren will, da es mit der Vollkugel nur unvollständig geschieht. Die Shrapnels lassen sich aber ebenso gut in Spitzgeschoß- als in Kugelform anwenden, und es würde dadurch ihr Kernschuß den jetzigen Ricochettschuß der Vollkugel bedeutend an Weite übertreffen. Kurz, die Artillerie aller Gattungen ist durch die Einführung des Spitzgeschosses einer bis hierzu kaum geahnten Ausbildung fähig. Das Werfen des Spitzgeschosses setzt aber immer eine um die Längenachse desselben rotirende Bewegung voraus, ohne welche überhaupt kein vollständig gleichmäßiger Schuß denkbar ist; denn, daß die Kugel durch den Widerstand der Luft nicht aus der Bahn gelenkt werden kann ist wohl mathematisch, aber – auch dann, wenn die Möglichkeit der Darstellung der genauen Sphäre zugegeben wird – nicht physisch richtig, da sie durch die ganze Masse nicht von gleicher Dichtigkeit herzustellen ist und folglich den Schwerpunkt nie in der Mitte hat. Es kann also, da die dem Stoße der Pulvergase und Widerstande der Luft ausgesetzte Fläche nicht gleichmäßig um den Schwerpunkt herum vertheilt ist, von einem richtigen Schuß nicht die Rede seyn. Die drehende Bewegung ist es, die diesen Widerstand um den Schwerpunkt – desto vollständiger je rapider sie ist – egalisirt, und daher ist diese Bewegung sowohl für die Kugel als für das Spitzgeschoß zum richtigen Schuß unumgänglich nothwendig. Die Lancaster'sche Methode – durch einen ovalen gewundenen Lauf das Geschoß in Rotation zu bringen – verdient deßhalb keine Nachahmung, weil sie sich für die Dauer unmöglich anders als mit bleiernen oder mit Blei belegten Geschossen bewähren kann; denn gußeiserne Flächen, die mit einer solchen Gewalt und Temperaturerhöhung wie hier, auf einander reiben, werden zu rasch angegriffen. Daß also der Impuls des Rotirens, wenn anders die Kanone erhalten werden soll, auf das Geschoß durch ein weicheres Material als Gußeisen übertragen werden muß, wird die Erfahrung lehren. Die für das Spitzgeschoß bei der Büchse angewandten Methoden sind aber aus leicht begreiflichen Gründen bei der Kanone nicht anwendbar, da Gußeisen, woraus das Geschoß bestehen soll, nicht wie Blei dehnbar ist.