Titel: Lenoir's Verfahren zur Darstellung von Figuren vermittelst Galvanoplastik in hohler Form und in einem einzigen Stücke.
Fundstelle: Band 139, Jahrgang 1856, Nr. LXXXVI., S. 365
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LXXXVI. Lenoir's Verfahren zur Darstellung von Figuren vermittelst Galvanoplastik in hohler Form und in einem einzigen Stücke. Aus dem Cosmos, Revue encyclopedique, Februar 1856, S. 118. Mit einer Abbildung. Lenoir's Verfahren zur Darstellung, galvanoplastischer Figuren in einem Stück. Bisher war es nicht möglich, auf galvanoplastischem Wege ein Rundwerk oder eine Statue in einer Operation, nämlich sogleich als Ganzes zu erhalten; um eine Figur von kleinen Dimensionen herzustellen, theilte man die aus Gyps, Gutta-percha, Kautschuk, Leim, Stearin etc. angefertigte hohle Form in zwei Hälften und metallisirte jede Hälfte, indem man sie im Innern mit Graphit oder einem andern leitenden Pulver überzog; man tauchte jede Hälfte besonders in das mit der Batterie communicirende Kupfervitriol-Bad und vereinigte endlich die Hälften durch eine starke oder schwache Löthung. Man versuchte zwar mehrseitig, die beiden hohlen Hälften vor dem Eintauchen in das Bad zu vereinigen, um das Rundwerk oder die Figur sogleich als Ganzes zu erhalten; man brachte nämlich an den oberen und unteren Enden und an anderen Punkten der vollständigen Form Löcher an, damit die Lösung, welche unter dem Einfluß des Stroms das Kupfer ablagern mußte, Zutritt erhielt; der Niederschlag bildete sich aber nur sehr unvollkommen, sehr ungleich, bloß auf gewissen Stellen und nicht überall; das Gelingen der Operation war nur ein zufälliges. Offenbar wäre es höchst vortheilhaft, den Statuenguß durch die Galvanoplastik ersetzen zu können. Die gegossenen Statuen sind außerordentlich massiv und schwer, und erheischen ein fünf- bis zehnmal zu großes Metallgewicht; dagegen könnten die galvanoplastischen Statuen so leicht gemacht werden, als es überhaupt ihre Festigkeit zuläßt. Ueberdieß entspricht die gegossene Statue niemals genau den Dimensionen und Verhältnissen des Modelles; denn der Guß schwindet beim Erkalten sehr ungleichmäßig, an manchen Stellen bedeutend, an anderen kaum merklich; bei den galvanoplastischen Statuen würden hingegen die Verhältnisse und Dimensionen des Modelles genau beibehalten. Beim Guß sind die Wände der irdenen Form dem Druck des Metallstroms ausgesetzt, welcher, wenn er sich auch durch ihre Fugen keinen Ausweg öffnet, doch in der Regel ihre Oberflächen verändert, was ein langwieriges und kostspieliges Ciseliren nothwendig macht; der galvanische Niederschlag liefert hingegen vollkommen glatte Flächen, Fugen welche fast keiner Nachhülfe bedürfen etc. Man ersieht schon hieraus genügend, wie wünschenswerth es war, ein Verfahren zu entdecken, wodurch das Kupfer in der Form einer Statue oder eines sonstigen Rundwerks von beliebigen Dimensionen überall, in allen Winkeln und Ecken derselben, auf gleichförmige Weise mit Sicherheit abgelagert wird. Diese Aufgabe hat Hr. Lenoir zu Paris gelöst, und zwar auf eine höchst einfache Weise. Hr. Lenoir nahm am 20. Juli 1854 ein Patent auf folgendes Verfahren: In eine Kupferplatte oder in eine leitende Kohlenplatte schneidet man eine verkleinerte beiläufige Skizze des zu copirenden Gegenstandes; diese Modellskizze steckt man in das Innere der Form und verbindet sie, sowie die metallisirte innere Fläche der Form, mit dem negativen Pol der Batterie; das Ganze wird in das Kupfervitriol-Bad getaucht. Auf diese Weise wird der elektrische Strom nicht bloß von der Flüssigkeit geleitet und in allen Richtungen fortgepflanzt, sondern auch von der Modellskizze; letztere nähert ihn zugleich jedem Punkt der leitenden Fläche, und veranlaßt die Fällung des Kupfers in den tiefsten und entferntesten Höhlungen. Dieses Verfahren gelang schon sehr gut, war jedoch nur eine unvollständige Lösung des Problems. Zwei Monate später ließ sich Hr. Lenoir eine viel glücklichere und wirksamere Methode patentiren; er ersetzte die Modellskizze aus Metall oder massiver Kohle, durch ein leichtes Gerippe, welches bloß durch Drähte von Kupfer, Platin, Gold, Silber oder einer sonstigen die Elektricität leitenden Substanz gebildet wird. Dieses Gerippe wird, wie früher die Modellskizze, in der Form angebracht; die geraden oder krummlinigen Drähte dieses Gerippes in der Form zeichnen annähernd deren Umrisse und sind für sie gleichsam ein Nervensystem; alle diese Drähte werden an einem ihrer Enden zu einem Bündel vereinigt, und diesen Bündel (wie früher die Modellskizze) bringt man, sowie die innere Fläche der Form, mit dem negativen Pol der Batterie in Verbindung; das Ganze wird in das Bad getaucht. Noch besser als die Modellskizze leitet das Drahtgerippe den elektrischen Strom bis in die letzten Verzweigungen der Form. Diese Drähte sind zugleich wahre Elektroden, welche die Zersetzung der Salzlösung befördern. Während die gewöhnlichen Bäder anscheinend ganz passiv sind und gar keine Gasentbindung zeigen, sind Lenoir's Bäder sehr thätig und unaufhörlich bersten Gasblasen an ihrer Oberfläche. Der metallische Niederschlag bildet sich mit vollkommener Regelmäßigkeit und Gleichförmigkeit, so daß man annähernd die Zeit berechnen könnte, nach welcher das Rundwerk die gewünschte Dicke haben wird. Die Form ist gewöhnlich in zwei Theile getheilt, aber die zwei Hälften sind vollkommen verschmolzen und durch eine scharfe Kante von Kupfer getrennt, ähnlich den Schnittflächen der Hauptstücke einer in Gyps geformten Statue. Lenoir hat nach seinem Verfahren Figuren von drei Fuß Höhe ausgeführt; eine Gesellschaft, unter der Leitung des Hrn. Gautier, errichtet in der rue Popincourt zu Paris große Ateliers, um Statuen und Rundwerk aller Art nach dieser Methode anzufertigen. Textabbildung Bd. 139, S. 367 Vorstehende Figur zeigt den galvanoplastischen Kasten, welcher mit gesättigter Kupfervitriol-Auflösung gefüllt ist; die Flüssigkeit ist vor dem Kasten mit dem positiven Pol der Batterie in Verbindung gesetzt; die zwei Formen sind hinter dem Kasten mit dem negativen Pol verbunden; die aus Gutta-percha bestehenden zwei Formen der kleinen Statue und der Büste haben innerlich das Gerippe oder Skelett aus Drähten von Platin (dem geeignetsten Metall), welche sich zu einem einzigen Bündel vereinigen, der mit einer leitenden Platte communicirt, die vom negativen Pol der Batterie ausgehend, über dem Kasten isolirt ist. F. Moigno. Hr. Babinet hat der französischen Akademie der Wissenschaften kleine Statuen von Bronze vorgelegt, welche von Lenoir nach dem beschriebenen Verfahren dargestellt wurden. Außer dem Kupfer sind auch alle anderen Metalle der Galvanoplastik bei dieser Methode anwendbar. Hr. Babinet versicherte sich, indem er die Stücke mit der Feile oder Schere zerschnitt, daß der metallische Niederschlag von außerordentlich gleichförmiger Dicke ist. Man kann der Ablagerung, womit sich das Innere der Form überzieht, eine beliebige Stärke geben, oder selbst zwei Metalle über einander anbringen, z.B. außen Silber und innen Kupfer. Bei einer der kleinen Statuen, welche der Akademie übergeben wurden, hat das Metall nur die Dicke eines Papierblatts, und doch ist es überall gleich stark. (Comptes rendue, Februar 1856, Nr. 6.)