Titel: Verfahren zur Entdeckung des Mutterkorns im Mehle; von Dr. Wittstein.
Fundstelle: Band 139, Jahrgang 1856, Nr. CIX., S. 456
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CIX. Verfahren zur Entdeckung des Mutterkorns im Mehle; von Dr. Wittstein. Wittstein's Verfahren zur Entdeckung des Mutterkorns im Mehle. Die bisher empfohlenen Verfahrungsweisen zur Entdeckung des Mutterkorns im Mehle befriedigten den Verfasser nicht, weil sie zur Nachweisung kleiner Mengen von Mutterkorn, wie sie im Mehl und Brod doch immer nur vorkommen können, die erforderliche Schärfe und Entschiedenheit nicht besaßen. Er hoffte daher von der Propylaminreaction mehr Nutzen ziehen zu können, und es wurden daher folgende Versuche angestellt: 1) Reines Roggenmehl, mit gewöhnlicher Kalilauge von 1,33 spec. Gewicht angerührt, entband einen schwachen, widrig süßlichen laugenartigen Geruch; auch nach längerem Stehen in dem Reagensglase, worin sich der Brei befand, konnte von Häringsgeruch (dem charakteristischen Geruche des Propylamins) nicht die Spur wahrgenommen werden, und beim Erwärmen trat nur der widrige, laugenartige Geruch deutlicher hervor. 2) Roggenmehl, welches 1/50 Mutterkorn enthielt, gab mit Kalilauge anfangs auch bloß den erwähnten widrig süßlichen laugenartigen Geruch, aber nach einigem Stehen trat derselbe etwas in den Hintergrund und dafür zeigte sich nun ein schwacher Häringsgeruch, welcher durch Einwirkung gelinder Wärme noch deutlicher hervortrat. 3) Roggenmehl, welches 1/25 Mutterkorn enthielt, entwickelte mit Kalilauge alsbald einen deutlichen Häringsgeruch. Die das Gemenge enthaltende Proberöhre wurde mit einem Kork verschlossen und bis zum anderen Morgen bei Seite gestellt, aber auch jetzt konnte man noch deutlich den Häringsgeruch wahrnehmen. 4) Man ließ ein Laib Brod aus 1/50 Mutterkorn enthaltendem Roggenmehle backen. Es wog jetzt um die Hälfte mehr als das Mehl, enthielt folglich nur noch 1/75 seines Gewichts Mutterkorn. Die Krume war im Ansehen und Geschmack von der eines reinen Roggenbrodes gar nicht zu unterscheiden; als aber ein kleiner Theil davon mit Kalilauge versetzt wurde, entwickelte sich nach einigem Stehen, schneller beim Erwärmen, Häringsgeruch. 5) Ein Laib Brod, welches aus 1/25 Mutterkorn enthaltendem Roggenmehle gebacken und dadurch um die Hälfte schwerer als das Mehl geworden war, folglich nur noch 1/37 seines Gewichts Mutterkorn enthielt, unterschied sich im Ansehen und Geschmack der Krume gleichfalls gar nicht von reinem Roggenbrod. Mit Kalilauge übergossen, roch es aber bald deutlich häringsartig; und bei Anstellung des Versuchs in einer Proberöhre konnte man noch nach mehreren Tagen an dessen Inhalte den erwähnten Geruch wahrnehmen. Da bis jetzt keine, möglicherweise im Mehl oder Brod vorkommende Substanz ein ähnliches specifisches Verhalten zu Kalilauge zeigt, so kann man, vorstehenden Versuchen zufolge, das Mutterkorn selbst noch da, wo es dem Gewichte nach nur 1/75 irgend eines Gemenges (Pulvers, Gebäcks) ausmacht, an dem Häringsgeruche, welchen es auf Zusatz von Kali entwickelt, sicher erkennen. (Aus des Verfassers: Vierteljahresschrift für prakt. Pharmacie, Bd. IV S. 536.)