Titel: Der elektrochemische Telegraph von Hrn. Pouget-Maisonneuve, Inspector der franz. Telegraphenlinien.
Fundstelle: Band 140, Jahrgang 1856, Nr. XLI., S. 185
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XLI. Der elektrochemische Telegraph von Hrn. Pouget-Maisonneuve, Inspector der franz. Telegraphenlinien. Aus dem Traité d'Électricité par M. M. Becquerel, Paris 1856, t. III. p. 309. Mit Abbildungen auf Tab. III. Pouget's elektrochemischer Telegraph. Derjenige elektrochemische Telegraph, dessen Anwendung am meisten verbreitet ist, gründet sich auf die elektrochemische Zersetzung von Kaliumeisencyanür (Blutlaugensalz) und auf die Bildung von Berlinerblau am positiven Pol, am Ende einer eisernen Elektrode; das Berlinerblau setzt sich auf der Papierfläche ab und bildet die telegraphischen Zeichen. Man stelle sich vor, man habe an der Abgangsstation einen Manipulator, z.B. einen Morse'schen Schlüssel, dessen Function lediglich darin besteht, einen elektrischen Strom in größeren oder kleineren Intervallen zu unterbrechen. Angenommen nun, man hätte an der andern Station eine eiserne Spitze, welche den positiven Pol einer Batterie bildet, und gegen einen beweglichen, mit einer Auflösung von Blutlaugensalz angefeuchteten Papierstreifen sich legt, so wird bei jeder Unterbrechung des Stroms das Eisen keine Spur seiner Bahn auf dem Papier zurücklassen, dagegen in dem Augenblicke wo die galvanische Kette geschlossen wird, einen blauen Strich auf dem Papier markiren. Nach diesem Princip hat Hr. Pouget-Maisonneuve einen Schreibapparat, ähnlich dem Morse'schen, jedoch ohne Elektromagneten construirt, bei welchem der eiserne Stift immer mit einem feuchten Papierband in Berührung ist. Der in Fig. 22 dargestellte Schlüssel ist demjenigen des Morse'schen Telegraphen ganz ähnlich. Durch Herabdrücken des Knopfes D gegen den kleinen Metallkegel E schließt man die Kette; je nachdem man nun diesen Schluß nur momentan oder auf längere Zeit bewerkstelligt, erzeugt man in dem Schreibapparat einen Punkt oder einen Strich. Der Knopf C steht einerseits mit der mittleren Metallmasse G andererseits mit dem nach der nächsten Station führenden Telegraphendraht in leitender Verbindung. B communicirt mit dem Metallkegel E und durch einen Draht mit einem der Pole der Batterie, deren anderer Pol mit dem Erdboden in Verbindung gesetzt ist. So oft man nun durch Niederdrücken des Knopfes D den metallischen Contact zwischen D und E herstellt, geht der Strom durch den Draht der mit C communicirenden Linie. Die Klemmschraube A steht unterhalb des Bretes mit einem Metallstück F in leitender Verbindung, mit welchem eine an dem Schlüssel G, D befestigte Schraube durch die Feder I in Berührung erhalten wird, so lange der Schlüssel in Ruhe ist. Andererseits steht die Klemmschraube A durch einen Draht mit dem zurückbleibenden Telegraphendraht in Verbindung, welcher die zweite Station mit der ersten in Communication setzt, und in dessen Kette der neben dem Manipulator angeordnete Schreibapparat eingeschaltet ist. Man ersieht hieraus, daß, wenn der Manipulator ruht, die Kette zwischen A, C geschlossen ist. Arbeitet D, so ist die Kette geöffnet; da aber dieser Apparat nicht für die gleichzeitige Transmission von Depeschen eingerichtet ist, so ist es gleichgültig, daß der zweite Manipulator nicht gleichzeitig mit dem ersten arbeiten kann. Diese Anordnung ist getroffen, damit der Bedienstete nicht nöthig hat, sich eines Commutators zu bedienen, um die Kette einer Telegraphenlinie zu schließen, und damit diese für den Dienst stets in Bereitschaft sey. Der vollständige Schreibapparat ist in Fig. 23 dargestellt. J ist das Relais, welches durch den oben beschriebenen Manipulator in Thätigkeit gesetzt, die Kette einer Localbatterie schließt, welche auf den Schreibapparat A, B, C wirkt. Ein in dem Gehäuse D befindliches Uhrwerk treibt die beiden Cylinder B' und B, welche ein Papierband C vorwärts ziehen. Dieses ist mit einer Auflösung von Blutlaugensalz getränkt und um den in einem Kästchen eingeschlossenen Cylinder A gewickelt. Die Bewegung des Uhrwerks wird durch einen Hebel gehemmt, welchen ein zur Seite des Cylinders angebrachter Knopf in Thätigkeit setzt, und da der nämliche Knopf den Stiel des Stahls trägt, welcher auf das Papier sich legen soll, so ist es, um den Apparat in Thätigkeit zu setzen, hinreichend, den Knopf zu drehen, worauf sich das Papier abwickelt und der stählerne Stift gegen dasselbe sich lehnt. Des besseren Verständnisses wegen ist der letztere Theil in Fig. 24 in größerem Maaßstabe dargestellt. A ist der bewegliche Knopf, welcher mit Hülfe eines Hebels die Bewegung des Uhrwerks hemmt, wenn der Apparat in Ruhe ist. C, D ist der erste Metallcylinder, über den das feuchte Papier sich hinwegbewegt. a, b ist ein Stück Uhrfeder, welches als Stahlstift dient, und dessen Druck mittelst einer Schraube regulirt wird. Wenn das Relais die Localbatterie mit dem Schreibapparat in Verbindung setzt, so muß der positive Pol der Batterie mit A und der negative mit dem Cylinder C, D in Verbindung stehen. Das durch die Wirkung des Stromes zersetzte Blutlaugensalz gibt alsdann auf dem Papier Punkte oder Striche, je nach der Art der Handhabung des Manipulators. Man bedient sich des bei dem Morse'schen Telegraphen in Anwendung kommenden Alphabetes. Auf dem Kästchen des Schreibapparates befindet sich eine Boussole E, um sich von dem Vorhandenseyn des Stromes überzeugen zu können; dieselbe ist jedoch entbehrlich. Das Papier, auf welches die Depesche niedergeschrieben wird, muß vorher mit einer Auflösung von folgender Zusammensetzung getränkt werden: Wasser 100 Theile krystallisirtes salpetersaures Ammoniak   150    „ gelbes Blutlaugensalz     5    „ Das salpetersaure Ammoniak macht das Papier hinreichend hygroskopisch, so daß dasselbe stets den zur Entstehung der telegraphischen Schrift erforderlichen Grad von Feuchtigkeit besitzt. Der elektrochemische Telegraph ist einfacher als der Morse'sche; denn der Schreibapparat reducirt sich auf ein Uhrwerk und ein Stück Stahlfeder als Schreibstift, welches sich stets gegen das zu beschreibende Papier lehnt. Der Hebel mit dem Stift, der Elektromagnet mit seiner Armatur, also die zartesten und kostspieligsten Theile des Morse'schen Telegraphen, Fällen beim elektrochemischen Telegraphen ganz hinweg.Hr. Pouget-Maisonneuve hat der franz. Akademie der Wissenschaften im vorigen Jahre einen Aufsatz über seine Zubereitung des elektrochemischen Papiers und das Princip seines Schreibapparats ohne Elektromagneten übergeben, welche im polytechn. Journal Bd. CXXXVIII S. 43 mitgetheilt wurde. Die Redaction der Eisenbahnzeitung fügte in Nr. 49 ihres Blattes demselben Aufsatz folgende Bemerkungen hinzu:„Bei unserer Anwesenheit in Paris, Anfangs October 1855, zeigte uns Hr. Pouget-Maisonneuve mehrere nach seiner Methode präparirte Papierrollen, welche nach mehrmonatlicher Aufbewahrung noch vollkommen feucht waren. In einen hiezu vorgerichteten Morse'schen Apparat gebracht, zeigten diese Papierstreifen die mit einigen Daniell'schen Elementen hervorgebrachten Schriftzeichen in tiefblauer Färbung so deutlich, als man nur wünschen kann. Nach zweimonatlicher Aufbewahrung im trockenen Zimmer waren diese Zeichen unverändert, wo nicht noch dunkler, die Streifen aber waren ganz ausgetrocknet, und das Salz zum Theil an der Oberfläche krystallinisch ausgeschieden.Es unterliegt keinem Zweifel, daß der so verbesserte elektrochemische Schreibapparat große Vorzüge vor dem gewöhnlichen Morse'schen Apparat besitzt; allein ein von Hrn. Pouget nicht berührtes großes praktisches Hinderniß gegen die Einführung des chemischen Apparates bleibt der Umstand, daß die Zeichen ganz geräuschlos hervorgebracht werden, also der Beginn des Telegraphirens nicht durch das Gehör wahrgenommen wird, und der bei dem gewöhnlichen Morse'schen Apparat so bequeme Anruf bei dem chemischen durch eine besondere Weckervorrichtung ersetzt werden müßte. Auch ist, unseres Wissens, noch keine Methode angegeben worden, nach welcher das Uebertragen der Depeschen mit dem chemischen Apparate eben so gut und einfach wie mit den gegenwärtigen Morse'schen Apparaten möglich wäre.“ A. d. Red.

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