Titel: Ueber das Benzin im Steinkohlengas; von Dr. Rudolph Pitschke.
Fundstelle: Band 141, Jahrgang 1856, Nr. XXXV., S. 140
Download: XML
XXXV. Ueber das Benzin im Steinkohlengas; von Dr. Rudolph Pitschke. Aus dem Journal für praktische Chemie, 1856, Bd. LXVII S. 415. Pitschke, über das Benzin im Steinkohlengas. Das von Jobard und Selligue vermittelst des bituminösen Mergelschiefers von Autun gewonnene Leuchtgas, so wie das in England nach dem White'schen Verfahren dargestellte hydrocarbon gas verdanken ihre Leuchtkraft den Dämpfen von flüchtigen und festen Kohlenwasserstoffen, die mit einem großen Ueberschuß nicht leuchtender, größtentheils aus Wasserstoff und Kohlenoxyd bestehender Gase gemengt sind. Letztere werden durch Einwirkung von Wasserdampf auf glühende Kohlen in einer eigenen Retorte dargestellt und dann in eine andere Retorte geführt, wo sie durch Aufnahme' von kohlenstoffreichen Dämpfen leuchtend gemacht werden. Das direct aus Steinkohlen erhaltene Leuchtgas hingegen verdankt, nach der bisherigen Ansicht, seine Leuchtkraft großentheils dem Gehalte an Elayl, obgleich man annimmt, daß die Dämpfe von condensirbaren Kohlenwasserstoffen nicht ohne Einfluß auf die Leuchtfähigkeit sind. Zum Aufklärung dieses Punktes unternahm ich folgende Untersuchung. Ich leitete Leuchtgas von der englischen Gesellschaft in Berlin mehrere Stunden nach der zur Bereitung des Chlor-Elayls vorgeschriebenen Weise mit Chlor zusammen. Ich erhielt nur eine unbedeutende Quantität Chlorelayl. Daß die geringe Quantität des erhaltenen Chlorelayls mit dem geringen Gehalte an Elayl im Leuchtgase in Verhältniß stand und nicht etwa durch störende Nebenumstände verringert war, davon überzeugte ich mich dadurch, daß, als ich dem Leuchtgase ein bestimmtes Volumen Elayl zugesetzt hatte und es nun mit Chlor in den Apparat leitete, eine entsprechend größere Menge Chlorelayl sich bildete. Die Versuche wurden oft und zu verschiedenen Zeiten wiederholt; stets gelangte ich zu demselben Resultate. Ich leitete darauf das Leuchtgas in wasserfreien Alkohol. Nachdem das Gas geraume Zeit den Alkohol durchstrichen hatte, wurde derselbe beim Versetzen mit Wasser milchicht trübe. Beim Verdunsten schieden sich Krystalle aus, welche sich durch die Untersuchung als Naphthalin zu erkennen gaben. Ich leitete darauf Leuchtgas durch tauchende Salpetersäure. Nach längerer Zeit bildete sich ein ölartiger Körper, welcher sich schon durch den bittermandelölartigen Geruch als Nitrobenzid charakterisirte. Durch Versetzen der Säure mit Wasser sowohl, als durch Destillation der vom Oel abgegossenen Flüssigkeit schied sich noch etwas Nitrobenzid ab. Ich schüttelte es mit Ammoniak, daraus mit Wasser. So gereinigt des Wirt es fast vollständig bei 213 C. über. Das Destillat wurde darauf nochmals zur vollständigen Reinigung der Destillation unterworfen. So bildete das Destillat eine etwas gelblich gefärbte Flüssigkeit von intensiv süßem Geschmack und einem bittermandelölartigen Geruch. Das spec. Gewicht betrug bei 15° C. 1,209. Die Elementaranalyse ergab die Zusammensetzung des Nitrobenzid. Ich stellte aus ihm Anilin und Binitrobenzid dar. Um unumstößlich zu beweisen, daß das Benzin wirklich im Leuchtgase präexistire und sich nicht erst durch Einwirkung der rauchenden Salpetersäure auf andere in demselben enthaltene Körper bilde, suchte ich das Benzin direct aus dem Leuchtgase zu erhalten. Ich leitete es längere Zeit in Aether, indem ich den verdunstenden stets ersetzte. Nach längerem Durchleiten blieb nach Verdampfung des Aethers ein ölartiger Körper zurück, der sich durch seine äußeren Eigenschaften als Benzin charakterisirte. Auch als ich eine dreißig Fuß lange spiralförmig gebogene Glasröhre in eine Kältemischung, deren Temperatur – 18° C. war, brachte, und das Leuchtgas, nachdem es über Chlorcalcium gestrichen, durch dieselbe leitete, schieden sich Benzin und Naphthalin, ersteres in nicht unbedeutender Quantität, an den Glaswänden ab. Das entweichende Gas brannte weniger hell, als das ursprüngliche. Ich füllte nun einen Gasometer mit Leuchtgas, leitete dieses langsam durch vier Woulf'sche Flaschen mit rauchender Salpetersäure und durch zwei Apparate mit Kalilauge in einen zweiten Gasometer. Das Gas hatte die Leuchtkraft vollständig verloren und brannte mit blauer Flamme wie das Grubengas. Der eigentümliche, das Leuchtgas bezeichnende Geruch war verschwunden. Beim Zusammenbringen mit Chlor erhielt ich zu wiederholten Malen, wenn auch nur in unbedeutender Quantität, das Chlorelayl. Das mit Salpetersäure behandelte Leuchtgas enthielt also noch Elayl. Ich setzte zu einem bestimmten Volumen desselben unter einer oben mit einem Hahne versehenen genau graduirten Glasglocke nach und nach vermehrte Volumina von Elayl, das ich vorher mit Chlor auf seine absolute Reinheit untersucht hatte, hinzu. Mit 6 Procent Elayl versetzt leuchtete das Gas fast gar nicht. Mit 10–12 Procent versetzt, war es dem natürlichen Leuchtgase noch nicht zu vergleichen. Nachdem ich durch Zusatz von mehr Elayl ihm die Leuchtkraft wieder ertheilt hatte, leitete ich es abermals langsam durch rauchende Salpetersäure. Die Leuchtkraft wurde dadurch nicht im Mindesten verringert. Aus diesen Versuchen geht auf das Unzweifelhafteste hervor, daß das Leuchtgas seine Leuchtkraft dem Benzin (wobei eine Mitwirkung des Naphthalins, und vielleicht noch anderer Kohlenwasserstoffe wohl nicht auszuschließen ist) verdankt; daß hingegen das Elayl durchaus nicht von der Bedeutung bei der Leuchtfähigkeit des Leuchtgases ist, als bis jetzt so allgemein angenommen wurde.