Titel: Ueber die Bereitung und Anwendung des Natron-Wasserglases; von Prof. A. Buchner.
Fundstelle: Band 143, Jahrgang 1857, Nr. XII., S. 45
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XII. Ueber die Bereitung und Anwendung des Natron-Wasserglases; von Prof. A. Buchner. Aus den Berichten der naturwissenschaftlich-technischen Commission bei der k. bayer. Akademie der Wissenschaften. Buchner, über die Bereitung und Anwendung des Natron-Wasserglases. Es ist jetzt hinreichend bekannt und namentlich in der letzten Arbeit unseres unvergeßlichen v. Fuchs hervorgehoben, daß das Natron-Wasserglas in vielen Fällen mit Vortheil anstatt des früher ausschließlich benutzten Kali-Wasserglases angewendet werden könne. Jenes wird daher nun ebenfalls in mehreren chemischen Fabriken im Großen dargestellt, so z.B. war das schöne geschmolzene Wasserglas, welches Dr. Louis Kunheim von Berlin in der allgemeinen deutschen Industrie-Ausstellung zu München vor zwei Jahren ausgestellt hatte, reines Natron-Wasserglas. Allein nicht so einig scheint man über die zweckmäßigste Bereitungsweise dieses Productes im Großen zu seyn, weßhalb es den Fabrikanten chemischer Producte erwünscht seyn dürfte, wenn ich ihnen meine Erfahrungen hierüber mittheile. Es hat zwar dieselben schon v. Fuchs in seiner letzten Abhandlung über das Wasserglas angedeutet, aber dennoch möchte eine ausführlichere Mittheilung meiner Versuche nicht ohne Nutzen seyn. Die Methoden, welche bisher zur Darstellung des Natron-Wasserglases bekannt gemacht und befolgt wurden, sind dieselben, welche v. Fuchs als die tauglichsten zur Bereitung des Kali-Wasserglases ausgemittelt hat, nur mit dem Unterschiede, daß dem Kali eine äquivalente Menge Natrons substituirt wird. Man hat nämlich empfohlen, diese Verbindung darzustellen entweder durch Schmelzen eines Gemenges von Quarzpulver, wasserfreier Soda und Kohlenpulver in angemessenen Verhältnissen, oder durch Auflösen von amorpher Kieselerde in ätzender Natronlauge. Letzteres Verfahren, welches unstreitig am schnellsten zum Ziele führt, wird in neuester Zeit besonders von Kuhlmann im Großen befolgt, der sich hiezu des Feuersteines bedient, welcher in eisernen Kesseln unter einem Drucke von 7–8 Atmosphären in starker Natronlauge aufgelöst wird. Besonders vortheilhaft kann dazu, wie v. Liebig gezeigt hat, die in mehreren Gegenden, namentlich im Lüneburgischen in mächtigen Lagern vorkommende, fast nur aus amorpher Kieselerde bestehende, außerordentlich lockere Infusorienerde oder Kieselguhr benützt werden, weil dieselbe nicht erst gepulvert zu werden braucht und von der Aetzlauge besonders leicht aufgelöst wird. Da aber die ätzende Natronlauge aus Soda und diese durch einen Schmelzproceß aus Glaubersalz erzeugt wird, so ist klar, daß die in ökonomischer Beziehung vortheilhafteste Methode zur Erzeugung des Natron-Wasserglases diejenige seyn wird, welche die unmittelbare Benützung des Glaubersalzes hiezu gestattet. Es liegt also am nächsten, die mit so großem Erfolge in der Glasfabrication angewandte Erfahrung Gehlen's daß durch Zusammenschmelzen von schwefelsaurem Natron und Kieselerde unter Mithülfe von Kohle Natronsilicat erzeugt werden kann, auch auf die Darstellung von Natron-Wasserglas anzuwenden. Ich vermuthe sogar, daß die Gehlen'sche Methode in einigen Fabriken schon zu diesem Zwecke angewendet wird, allein öffentlich ist darüber meines Wissens noch nichts verhandelt worden. Es gereicht mir zum angenehmen Bewußtseyn, durch die nachstehenden, in dieser Richtung unternommenen Versuche einen der letzten Wünsche meines dahingeschiedenen theuren Lehrers und Freundes v. Fuchs befriedigt zu haben, indem derselbe noch kurz vor seinem Tode die Gehlen'sche Methode auf die Darstellung des Wasserglases angewendet wissen wollte. Es fragt sich zuerst, wie viel wasserfreies Glaubersalz und Kohle auf eine bestimmte Menge, z.B. auf 100 Theile Quarz zur Erzeugung eines guten Wasserglases genommen werden muß. Angenommen, die Kieselerde sey SiO₂ (Si = 14,24), so wird das Wasserglas höchst wahrscheinlich ein vierfaches Silicat seyn, so daß die Zusammensetzung des Natron-Wasserglases durch die Formel NaO + 4 SiO₂ ausgedrückt würde. Bei dieser Annahme berechnet sich auf 4 Mg. Kieselerde (121) 1 Mg. wasserfreies schwefelsaures Natron (71,2) und 4 Mg. Kohle (24), mithin werden zur Schmelzung in runden Zahlen genommen werden dürfen: 100 Theile Quarzpulver,   60     „ entwässertes Glaubersalz,   20     „ Kohle. Die Rechnung verlangt eigentlich nur 58,8 Glaubersalz, allein da dieses gewöhnlich nicht ganz rein und wasserfrei ist und auch außerdem ein geringer Alkali-Ueberschuß der Güte des Productes nicht schadet, so wurde dafür die Zahl 60 eingesetzt. Auch ein geringer Ueberschuß von Kohle, welche ohnehin nicht reiner Kohlenstoff ist, braucht hier um so weniger vermieden zu werden, als das Product ohnehin im Wasser aufgelöst werden muß und dadurch von dem Kohlen-Ueberschuß befreit wird. Die gehörig fein gepulverten Ingredienzien wurden nun zu einem Schmelzversuch in dem oben angegebenen Verhältnisse gemengt und in einem Tiegel zum Glühen gebracht. Das Gemenge schmolz bald und leicht zu einer zähen teigartigen Masse zusammen, welche unter öfterem Durchkneten mit einer eisernen Stange so lange im weichen Zustande erhalten wurde, bis kein Geruch nach schwefliger Säure mehr wahrzunehmen war und auch sonst die Anzeichen des beendigten Processes vorhanden waren. Man braucht, um dieses zu erkennen, nur eine Probe aus dem Tiegel zu nehmen, zu zerreiben, mit Wasser zu kochen und die filtrirte Flüssigkeit mit Salmiaklösung zu vermischen. Entsteht dadurch ein starker gallertartiger Niederschlag, so ist das ebenfalls ein Beweis, daß die Wasserglasbildung gelungen ist. Ist die Entschwefelung ganz beendigt, so wird auch die Flüssigkeit beim Vermischen mit Salzsäure keinen Schwefelwasserstoff mehr entwickeln und auf Zusatz von Bleilösung keinen schwarzen, sondern einen weißen Niederschlag geben. Indessen ist es gar nicht nothwendig, das Glühen so lange fortzusetzen, bis aller Schwefel verbrannt ist, sondern es ist besser, die letzten Spuren Schwefels beim Auskochen der Masse durch einen Zusatz von etwas Kupferhammerschlag oder Kupferasche zu entfernen, wodurch der Schmelzproceß bedeutend abgekürzt wird. Der Glasteig konnte leicht aus dem Tiegel genommen werden, auf dessen Boden nur eine geringe Menge der Einwirkung entgangenen und herausgekneteten Quarzpulvers zurückblieb. Die glasartig erstarrte, von überschüssiger Kohle schwarz gefärbte Masse wurde gepulvert und in einem eisernen Kessel mit Wasser gekocht, worin sie sich nach und nach zum größten Theil löste. Da sie noch eine geringe Menge Schwefelnatriums enthielt, so wurde vor Beendigung des Kochens zur vollständigen Entschwefelung etwas Kupferhammerschlag zugesetzt. Die filtrirte Flüssigkeit opalisirte nach dem Erkalten ein wenig, zum Zeichen, daß das Wasserglas gehörig mit Kieselerde gesättigt war; außerdem hatte sie alle Eigenschaften einer guten Wasserglas-Lösung. Es wurde dieser Versuch mit der Abänderung wiederholt, daß nun 62 anstatt 60 Theile Glaubersalz auf 100 Theile Quarz und 20 Theile Kohle genommen wurden. Auch dießmal war das Resultat ein ganz günstiges; den Quarz fand man vollkommen verglast, die Wasserglas-Lösung war nicht opalisirend, sondern ganz klar, ohne Zweifel, weil dießmal ein geringer Ueberschuß von Alkali vorhanden war. Bei der Annahme, daß die Kieselerde SiO₃ (Si 21,3) sey, wird wohl das Wasserglas als ein dreifaches Silicat angenommen werden dürfen, so daß dem Natron-Wasserglas die Formel NaO + SiO₃ zukäme. Jedenfalls möchte dieß bei solcher Annahme der einfachste Ausdruck für die Zusammensetzung dieses Productes seynDie nach den beiden oben aufgestellten Formeln berechnete procentische Zusammensetzung des Natron-Wasserglases ist nicht sehr verschieden, wie folgende Vergleichung zeigt:NaO + 4 SiO₂ NaO + SiO₃Natron     20,50      18,66Kieselerde           79,50      81,34––––––––––––––––––––––––  100,00    100,00.. Auf 3 Mg. Kieselerde (136) berechnet sich 1 Mg. wasserfreies schwefelsaures Natron (71,2) und 4 Mg. Kohle (24). In runden Zahlen wären dann zu nehmen 100 Theile Quarzpulver,   53     „ wasserfreies Glaubersalz,   18–20 Theile Kohle. Ein nach diesen Verhältnissen gemachter Schmelzversuch fiel ebenfalls ganz befriedigend aus; die Verglasung ging in kurzer Zeit und vollkommen vor sich; die erhaltene Wasserglaslösung opalisirte schwach. Aus den mitgetheilten Versuchen ergibt sich also, daß sich die Gehlen'sche Methode ebenso vortheilhaft zur Darstellung des Natron-Wasserglases wie zu jener des Natronglases selbst anwenden läßt. Ferner geht daraus hervor, daß die verschiedenen Ansichten über die Constitution der Kieselerde und des Wasserglases auf das praktische Ergebniß keinen Einfluß haben, indem man mit beiden, von einander ohnehin nur wenig abweichenden Mischungsverhältnissen ein gleich gutes Resultat erhält. Da ein geringer Alkali-Ueberschuß der Güte des Productes gewiß nicht nachtheilig ist, so halte ich das zuerst angegebene Verhältniß von 100 Theilen Quarz,   60     „ wasserfreiem Glaubersalz und   20     „ Kohle für ganz geeignet zur Darstellung des Wasserglases im Großen, welche am vortheilhaftesten in Glasfabriken betrieben werden kann. Durch die Benützung des Glaubersalzes hiezu wird sich dieses nützliche Product so billig herstellen lassen, daß dadurch seine mannichfaltigen Anwendungen gewiß noch mehr erleichtert werden. Durch die vielen Versuche, welche ich auf v. Fuchs's Veranlassung über die Benützung des Wasserglases angestellt habe, bin ich zu der Ueberzeugung gekommen, daß das Natron-Wasserglas anstatt des theuern Kali-Wasserglases in allen den Fällen angewendet werden kann, in welchen die stattfindenden Auswitterungen von kohlensaurem NatronHerrührend von dem zersetzenden Einflusse der atmosphärischen Kohlensäure auf das Wasserglas, wobei diesem das Alkali als kohlensaures Alkali entzogen und Kieselsäure oder ein unlösliches übersaures Silicat ausgeschieden wird. Auf dieser Zersetzung beruht im Wesentlichen die technische Anwendung des Wasserglases. keinen Nachtheil haben, also außer der Stereochromie fast in allen Fällen. So habe ich mich überzeugt, daß ein Stück Kreide, in eine Auflösung von Natron-Wasserglas gelegt, eben so hart wird, wie in einer Auflösung von Kali-Wasserglas. Natron-Wasserglas gibt mit gröblichem Marmor- oder Dolomitpulver einen vortrefflichen steinharten Wasserglas-Mörtel. Um Holzwerk etc. mit einem haltbaren und zugleich feuerfesten Anstrich zu versehen, wird es kaum ein besseres Mittel geben als Kreide, namentlich die wohlfeile, bei uns unter dem Namen Mittenwaldner oder Scharnitzer Grundkreide bekannte dolomitische Kreide, mit gehörig verdünnter Natron-Wasserglaslösung angemacht und mittelst eines Pinsels in dünner Schichte aufgetragen. Die Adhäsion dieses Anstriches an das Holz etc. ist außerordentlich stark; er darf aber nicht zu dick aufgetragen werden, weil er sonst beim Trocknen Risse bekommt. Da das Natron-Wasserglas leichter schmilzt als das Kali-Wasserglas, so ist ersteres geeigneter als das letztere, um brennbare Stoffe, wie Holz, Leinwand, Stroh etc., vor Feuer zu schützen. Allein einen vollkommenen Schutz gegen Verbrennung bildet das Natron-Wasserglas allein doch auch nicht; die damit getränkten Stoffe müssen, wie ich gefunden habe, noch einer weiteren Behandlung unterworfen werden, um sie ganz unverbrennlich zu machen, worüber ich später etwas mitzutheilen gedenke.Natron- und auch Kali-Wasserglas können sowohl fest als auch in concentrirter Lösung stets sehr billig und im völlig tadellosen Zustande bezogen werden aus der chemischen Fabrik von Carl Buchner, Karlsstraße Nr. 40 in München.