Titel: Volumetrische Probe für die im Handel vorkommenden Säuren; von Hrn. Violette.
Fundstelle: Band 143, Jahrgang 1857, Nr. XLIX., S. 200
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XLIX. Volumetrische Probe für die im Handel vorkommenden Säuren; von Hrn. Violette. Aus den Comptes rendus, Nov. 1856, Nr. 21. Violette's volumetrische Probe für die im Handel vorkommenden Säuren. Mein Vorschlag geht dahin, den in allen Fabriken eingeführten Gay-Lussac'schen Alkalimeter auch zum Probiren der käuflichen Säuren anzuwenden; es genügt hierzu, den Reagentien für den Alkalimeter noch eine Auflösung von Zuckerkalk beizufügen, und mit denselben Geräthschaften und auf dieselbe Weise wie für die alkalimetrischen Proben zu operiren. Das Princip des Verfahrens ist folgendes: Wenn man mit den Quantitäten b und b' derselben Base die Quantitäten a und a' zweier verschiedenen Säuren sättigt (neutralisirt), deren Aequivalente e und e' sind, so hat man a/a' = e/e' × b/b'. Nimmt man für a 1 Gramm der zu probirenden Säure, für a' 1 Gramm Normal-Schwefelsäure, wie sie Gay-Lussac bei den alkalimetrischen Proben anwendet, für welche e = 612,50 ist, und bezeichnet man mit T den Procentgehalt der Säure a (d.h. die in 100 Theilen derselben enthaltene Menge wasserfreier Säure), so hat man die allgemeine Formel (1)      T = 100 × e/612,50 × b/b'. Die Werthe b und b' bestimmt man durch die Quantitäten von Zuckerkalk welche zum Sättigen der Säuren erforderlich sind; den Werth von e findet man in den chemischen Tabellen. Substituirt man letztern in der Formel (1) für jede Säure, so erhält man folgende Formeln, welche für jede Säure ihren Procentgehalt geben. Schwefelsäure: (2)         T = 100 × 612,50/612,50 × b/b' = 100 × b/b'. Salzsäure: (3)      T = 100 × 455,70/612,50 × b/b' = 74,40 × b/b'. Salpetersäure: (4)   T = 100 × 787,50/612,50 × b/b' = 128,57 × b/b'. Essigsäure: (5)        T = 100 × 750/612,50 × b/b' = 122,44 × b/b'. Und so fort für die anderen Säuren. Als Beispiel will ich das Verfahren beim Probiren einer gewöhnlichen käuflichen Salzsäure beschreiben, deren Dichtigkeit 1,17 ist. Erste Operation. – Man wiegt von der zu probirenden Salzsäure 50 Gramme ab, und verdünnt sie mit Wasser bis auf 1/2 Liter; man nimmt mit einer Pipette 50 Kubikcentimeter von dieser Lösung (in welchen 1 Gramm der angewandten Säure enthalten ist), röthet sie mit einigen Tropfen der Lackmustinctur, und gießt aus der alkalimetrischen Bürette tropfenweise eine Lösung von Zuckerkalk hinein, bis die in Blau umgeänderte Farbe anzeigt, daß die Sättigung vollständig ist; die Anzahl b der verbrauchten Bürette-Abtheilungen von Zuckerkalk war 24. Zweite Operation. – Man nimmt mit der Pipette 50 Kubikcentimeter Normal-Schwefelsäure (welche 1 Gramm einfach-gewässerter Schwefelsäure enthalten), röthet sie mit Lackmus und sättigt sie mit Zuckerkalk auf vorher angegebene Weise; die Anzahl b' der verbrauchten Bürette-Abtheilungen von Zuckerkalk war 53. Substituirt man die Werthe von b und b' in der Formel (3), so hat man T = 74,40 × 24/53 = 33,83 Procent. In Davy's Tabelle findet man, daß die Salzsäure, deren Dichtigkeit 1,17 ist, 34,34 Procent wasserfreier Säure enthält, was mit dem erhaltenen Resultat sehr nahe übereinstimmt. Die Bereitung der Reagentien ist in der Gay-Lussac' Anleitung zur AlkalimetriePolytechn. Journal, 1829, Bd. XXXII S. 190. beschrieben; den Zuckerkalk stellt man auf die Art dar, daß man 50 Gramme gebrannten Kalk löscht und in 1 Liter Wasser, welches 100 Gramme Zucker enthält, in der Kälte digeriren läßt. Man kann also den Gay-Lussac'schen Alkalimeter in Zukunft auch zum Probiren der Säuren anwenden; dieses Instrument kann daher den Fabrikanten bei der Erzeugung und beim Concentriren der Säuren leiten, er kann ferner damit die in den Fabrikrückständen, sauren Früchten etc. enthaltenen freien Säuren bestimmen.In den deutschen Fabriken ist das Probiren der Säuren, einerseits mittelst der Alkalimeterröhren durch eine titrirte Alkalilösung (kohlensaures Natron oder Ammoniakflüssigkeit), anderseits nach der Methode von Will und Fresenius, durch Neutralisiren mit doppelt-kohlensaurem Natron in deren Apparat, längst gebräuchlich; Dr. Mohr, welcher in seinem „Lehrbuch der chemisch-analytischen Titrirmethode, Braunschweig 1855“ die Acidimetrie ausführlich behandelt, verwendet Aetznatron als alkalische Normallösung, weil es für die acidimetrische Probe mit einer titrirten Lösung von kohlensaurem Natron unerläßlich ist, daß die saure Flüssigkeit während der Prüfung, und besonders gegen das Ende derselben, fast siedend heiß erhalten werde, damit nicht Kohlensäure absorbirt bleibt, welche die Flüssigkeit weinroth färbt und dadurch Täuschung oder Unsicherheit veranlaßt. A. d. Red.