Titel: Untersuchung einiger Sorten württembergischer Weine; von Dr. Paul Bronner in Stuttgart.
Fundstelle: Band 146, Jahrgang 1857, Nr. XXXVI., S. 144
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XXXVI. Untersuchung einiger Sorten württembergischer Weine; von Dr. Paul Bronner in Stuttgart. Aus dem Wochenblatt für Land- und Forstwirthschaft, 1857, Beilage 13. Bronner's Untersuchung einiger Sorten württembergischer Weine. Die neuere chemische Literatur enthält eine große Zahl von Untersuchungen europäischer und außereuropäischer Weine, namentlich spanischer, französischer, ungarischer, Pfälzer und Rheinweine. Ueber württembergische Weine ist mit dagegen keine vollständigere Arbeit bekannt geworden, wohl aber sind Bestimmungen des specifischen Gewichtes, des Zucker- und Säuregehalts von Weinmosten vorhanden. Es schien mit deßhalb kein ganz unnützes Beginnen zu seyn, württembergische Weine aus guten Lagen auf ihren Alkohol-, Säure-, Extract- und Zuckergehalt zu untersuchen. Das Material wurde mit durch die Munificenz der kgl. Hofkammer aus deren Keller zur Verfügung gestellt. Nr. 3 war in Flaschen, alle übrigen in Fässern. Durch diese Untersuchung suchte ich mit zugleich Gewißheit zu verschaffen, ob die Balling'sche saccharometrische Weinprobe hinreichend genaue Resultate liefert, um wenigstens für die Praxis – namentlich die Weinveredlung – anwendbar zu seyn. Die unten folgende Tabelle enthält nun: a) Das specifische Gewicht des frischen Weins bei 12,5° R. = 15,6° C. b) Das specifische Gewicht des auf etwa 1/3 eingekochten und mit Wasser wieder bis zum ursprünglichen Gewicht verdünnten Weins. c) Den Alkoholgehalt in Gewichtsprocenten ausgedrückt, durch Destillation bestimmt. 100 Kubikcentim. Wein wurden unter Zusatz von etwas Kreide (um die etwa vorhandene Essigsäure zurückzuhalten) auf etwa 1/3 abdestillirt, das Destillat mit Wasser wieder auf 100 Kubikcentim. und auf die Temperatur 15,6° C. gebracht und mm das specifische Gewicht desselben bestimmt. Offenbar hat der so erhaltene verdünnte Weingeist genau denselben Gehalt an absolutem Alkohol, wie der Wein. Die Tabelle von Drinkwater (Muspratt's technische Chemie S. 271) gibt die dem specifischen Gewicht entsprechenden Gewichtsprocente an absolutem Alkohol an. Ich wählte die Drinkwater'schen Bestimmungen, weil diese durch die Zahlen von Fownes (das. S. 281) vollkommen bestätigt worden sind, während die Tabelle von Meißner mit den Beobachtungen Anderer weniger genau übereinstimmt. d) Den Alkoholgehalt, durch Rechnung aus a und b gefunden. Bekanntlich drückt, wenn a und b die oben angegebene Bedeutung haben, 1 + ab das specifische Gewicht eines Weingeists aus, der denselben Gehalt an absolutem Alkohol besitzt wie der Wein. Die Zahlen c und d mußten also übereinstimmen; da dieß bei vier Bestimmungen hinreichend genau der Fall war, so habe ich das fernere Destilliren unterlassen. e) Den Alkoholgehalt, nach Balling's Formeln berechnet. Bezeichnet m die Saccharometeranzeige des frischen Weins, n die des gekochten und wieder auf sein ursprüngliches Volumen gebrachten, c; die Attenuationsdifferenz, so ist der Alkoholgehalt A = (nm)c. f) Den Extractgehalt, direct bestimmt. 20 Kubikcentim. Wein wurden im Wasserbad eingedampft, der Rückstand noch 2 Stunden lang der Temperatur des kochenden Wassers ausgesetzt, unter eine Glasglocke über concentrirte Schwefelsäure gebracht und nach 6 bis 8 Stunden die Menge des Extracts bestimmt. g) Den Extractgehalt nach Balling; es ist die Saccharometeranzeige n des gekochten Weins. h) Die Menge des Zuckers, oder, richtiger gesagt, die Menge sämmtlicher auf alkalische Kupferlösung reducirend einwirkender Substanzen des Weins, als wasserfreier Traubenzucker berechnet. Zur Erkennung der Beendigung der Reaction mußte die Kersting'sche Probe (Blutlaugensalzpapier und verdünnte Säure) zu Hülfe genommen werden, da die überstehende Flüssigkeit stets gelblich oder bräunlich gefärbt war. Nur bei ziemlichem Ueberschuß an caustischer Natronlauge konnten übereinstimmende Resultate erlangt werden. Trotzdem ist die Bestimmung des Zuckers nicht ganz zuverlässig. i) Die Menge der freien Säure, als Weinsäurehydrat berechnet. Die Bestimmung geschah durch Titriren mit kohlensäurefreier Natronlauge, die auf Zehntelnormalkleesäure gestellt war. Jeder Kubikcentimeter dieses Zehntelnormalnatrons entsprach daher 0,0075 Grm. Weinsäurehydrat. Die Beendigung der Reaction ist, der dunkeln Färbung wegen, die der Wein annimmt, nicht mit Lackmustinktur, sondern mit Lackmuspapier zu erkennen. k) Das specifische Gewicht des Weinmosts (die Grade an der Kinzelbach'schen Mostwaage), in den betreffenden Jahrgängen bestimmt. Textabbildung Bd. 146, S. 146 Specifisches Gewicht; Alkohol in Gewichtsprocenten; Extract in Procent.; Zucker in Proc.; Freie Säure in Proc.; Specifisches Gewicht des Weinmosts k; a des frischen Weins.; b des gekochten Weins.; c durch Destillation; d durch Rechnung aus a u. b; e nach Balling's Formeln; f direct; g nach Balling; h als wasserfreier Traubenzucker; i als Weinsäurehydrat; k; Nr. 1 1783r Carmeliter, dunkelgelb; Nr. 2 1811r Kleinheppacher, weiß; Nr. 3 1846r Untertürkheimer Rißling; Nr. 4 1854r; Nr. 5 1855r; Nr. 6 1855r gemischt, weiß; Nr. 7 1855r Mundelsheimer Rißling; Nr. 8 1855r gemischt, weiß; Nr. 9 1855r Clevner; Nr. 10 1856r Trollinger; Nr. 11 1856r Clevner; Nr. 12 1856r Untertürkheimer Rißling; Nr. 13 1856r Mundelsheimer Rißling Aus dieser Zusammenstellung lassen sich nun, wie mit scheint, folgende Schlüsse ziehen: a) In Bezug auf die Weine selbst. Die rothen Weine haben ein größeres specifisches Gewicht und, damit zusammenhangend, einen größeren Extractgehalt als die weißen. Bei Nr. 1 und 2 ist das specifische Gewicht durch das Alter und die damit verbundene Concentration (in den Fässern) größer geworden, als es ursprünglich war. Auffallend ist der geringe Alkoholgehalt der beiden ältesten Weinsorten 1 und 2; ohne Zweifel war derselbe ursprünglich größer, denn nur stärkere Weine konnten sich so lange Zeit gut erhalten. Der Alkoholgehalt hat also durch das Zehren bedeutend abgenommen; es verhalten sich demnach die Wände der Fässer durchaus nicht in gleicher Weise zum Wein wie die Thierblase (in den bekannten Sömmering'schen Versuchen). Es wäre durch Versuche zu entscheiden, ob dem Zehren durch äußerliches Ueberziehen der Fässer mit Wasserglas entgegengewirkt werden könnte, ohne dadurch der Qualität des Holzes zu schaden, d.h. ohne es zum „Ersticken“ zu disponiren. Wenn man von Nr. 1 und 2, als abnormen Qualitäten, absieht, so erkennt man, daß die besseren württembergischen Weine einen Gehalt an freier Säure zwischen 0,5 und 0,8 Proc. und einen Alkoholgehalt von über 8 Gewichtsprocenten zeigen. Beim Veredeln der Weine ist demnach hierauf Rücksicht zu nehmen. Der Zucker macht nur einen kleinen Theil des Extracts aus, in obigen Weinen höchstens 1/11 desselben. Uebrigens scheint es mit zweifelhaft, ob der Körper, welcher auf alkalische Kupferlösung reducirend wirkt, wirklich Zucker ist; denn es ist schwer einzusehen, wie sich eine so geringe Zuckermenge neben einer verhältnißmäßig bedeutenden Menge hefebildender Stoffe, die in jedem nicht sehr alten Wein immer noch vorhanden sind, unzersetzt hätte erhalten sollen. Setzt man nämlich zu abgelagerten Weinen (denen sogar durch mehrmalige Schönung ein beträchtlicher Theil ihrer hefebildenden Substanzen entzogen werden kann) käuflichen Traubenzucker (d.h. mittelst Schwefelsäure bereiteten Stärkezucker) zu, so geräth der Wein bei geeigneter Temperatur früher oder später in erneuerte Gährung. Nr. 4 enthielt noch so viel hefebildende Stoffe, daß 1/10 seines Gewichts an Traubenzucker, den ich innerhalb 10 Tagen nach und nach zusetzte, vollständig vergohr; möglich, daß die gährungerregende Kraft des Weins dadurch' nicht erschöpft war, denn ich führte den Versuch nicht zu Ende. b) In Bezug auf die Untersuchungsmethoden. Die Zahlen c und d stimmen, wie zu erwarten stand, gut überein. Die Zahlen e nach Balling's Formeln sind dagegen, mit Ausnahme von Nr. 3, sämmtlich zu hoch. Der Unterschied ist jedoch unbedeutend und nicht größer als der Unterschied zwischen d und denjenigen Zahlen, die man bei Zugrundelegung der Meißner'schen Tabelle statt der Drinkwater'schen erhalten haben würde. Man wird daher, wenigstens für die Praxis, die durch ihre große Einfachheit sich auszeichnende Balling'sche Methode anwenden können. Die Uebereinstimmung zwischen f und g ist ebenfalls vollkommen befriedigend. Eine genaue directe Bestimmung des Extractgehalts ist äußerst zeitraubend; sobald nämlich das Extract Syrupconsistenz angenommen hat, hält es mit großer Hartnäckigkeit Wasser zurück, so daß nur eine über 100° C. steigende Temperatur oder mehrstündiges Erhitzen im Wasserbad und darauf folgendes längeres Verweilen über Schwefelsäure zu constanten Zahlen führt. Es wird deßhalb der Extractgehalt zweckmäßiger nach Balling, als direct bestimmt. Aus der Anzahl der Grade, die der Weinmost an der Kinzelbach'schen Waage zeigt, kann, wie man sieht, der Alkoholgehalt des künftigen Weins nicht mit Sicherheit abgeleitet werden, denn die Zahl, mit welcher man diese Gradanzahl zu multipliciren hat, um den Alkoholgehalt zu bekommen, schwankt in den einzelnen Nummern zwischen 0,092 und 0,102. Die Formel, welche Balling angegeben hat, um die ursprüngliche Mostconcentration zu berechnen: p = (nm)/(q – 1) + n, wo n und m die bei e) angegebene Bedeutung haben und q den Attenuationsquotienten vorstelltest nicht richtig. Balling addirt zwar zu dieser Formel noch die constante Größe 0,5, um so dem Einfluß des Weinsteins auf Vergrößerung des specifischen Gewichts des Weinmosts, welch ersterer sich bei der Gährung und dem Lagern zum größten Theil ausscheidet, einigermaßen Rechnung zu tragen; allein auch die so corrigirte Formel gibt Resultate, die mit der directen Beobachtung keineswegs übereinstimmen. Man erhält nämlich mittelst dieser Formel für das specifische Gewicht des Mosts bei Nr. 3 1,0810 statt beobachteter 1,094 bei Nr. 4 1,0784   „          „ 1,092 bei Nr. 5 1,0756   „          „ 1,086 u.s.w. Es ist dieser Mangel an Uebereinstimmung auch leicht erklärlich; denn Balling hat den sicherlich ganz bedeutenden Einfluß der im Traubensaft enthaltenen hefebildenden Stoffe auf Vergrößerung seines specifischen Gewichts nicht berücksichtigt, deßhalb sind seine Zahlen stets zu niedrig. Man sieht, daß die für die Praxis allerdings nicht besonders wichtige, aber wissenschaftlich interessante Aufgabe, aus einem gegebenen Wein dessen ursprüngliche Mostconcentration zu bestimmen, noch nicht gelöst ist. In Bezug auf die von Kletzinsky in der Wiener medicinischen Wochenschrift aufgestellte Behauptung, daß die Menge der Phosphorsäure im Wein ein ganz richtiges Maaß zur Beurtheilung seiner Güte abgebe, besser noch als die Menge des Extracts und Alkohols, untersuchte ich Nr. 1 auf Phosphorsäuregehalt. 100 Kubikcentim. Wein wurden mit Salmiak und Ammoniak vermischt, wodurch jedoch nicht reine phosphorsaure Ammoniak-Magnesia, sondern ein Gemenge derselben mit einem stockigen dunkelroth-braunen Niederschlag abgeschieden wurde, das, gewaschen und geglüht, 0,067 Grm. wog. Dieß beträgt, als reine phosphorsaure Ammoniak-Magnesia angenommen, nahezu 0,07 Proc. – eine Menge, die so gering ist, daß eine fernere Bestimmung der Phosphorsäure (oder vielmehr der phosphorsauren Magnesia) in den übrigen Weinsorten als sehr überflüssig erscheinen mußte.