Titel: Neues Verfahren bei der Kohksbereitung, um die nachtheiligen Bestandtheile der fossilen Kohlen für metallurgische Zwecke unschädlich zu machen; von Dr. Hermann Bleibtreu auf der Alaunhütte auf der Hardt bei Bonn.
Fundstelle: Band 147, Jahrgang 1858, Nr. LXXXV., S. 295
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LXXXV. Neues Verfahren bei der Kohksbereitung, um die nachtheiligen Bestandtheile der fossilen Kohlen für metallurgische Zwecke unschädlich zu machen; von Dr. Hermann Bleibtreu auf der Alaunhütte auf der Hardt bei Bonn. Aus der Zeitschrift „der Berggeist“, Nr. 45. Bleibtreu's Verfahren bei der Kohksbereitung. Die bei Steinkohle, welche in der Metallurgie immer mehr statt der vegetabilischen Brennstoffe angewendet werden muß, dargestellten metallurgischen Producte stehen durchgehend an Güte hinter den mit Holz oder Holzkohle gewonnenen beträchtlich zurück. Man bemüht sich vielfach, die Steinkohle für Schmelzprocesse und dergl. durch besondere Vorbereitung tauglicher zu machen, und zwar hauptsächlich durch Verkohkung, wodurch einerseits die Entfernung bituminöser Substanzen, andererseits eine Verminderung des Schwefelgehaltes bezweckt wird, indem sich der Schwefelkies in Einfach-Schwefeleisen umwandelt, welches durch Ablöschen mit Wasser noch theilweise weiter zersetzt werden kann. Insbesondere auch sucht man an manchen Orten durch ein Zerkleinern und Waschen der Kohlen vor der Verkohkung auf eine Verbesserung des Productes hinzuwirken, indem man durch diese Vorbereitung die leichteren Kohlentheile von den schwereren Schwefelkies- und Schieferthontheilen zu sondern sich bestrebt. Die genannten Operationen erfüllen jedoch nur mangelhaft den Zweck, die Kohlen von den schädlichen Bestandtheilen, Schwefelkies und Asche (Schieferthon) zu befreien; denn selbst gut bereitete und gut abgelöschte Kohks enthalten noch einen beträchtlichen Antheil Schwefel, und auch durch vorhergehendes sorgfältigstes Waschen ist weder der Schieferthon, noch der Schwefelkies vollständig zu entfernen, da ersterer theilweise in feiner Zertheilung suspendirt bleibt und letzterer namentlich meist nur als dünner Anflug auf den Kluftflächen der Steinkohle anhaftet. Die nachtheilige Einwirkung solchen unreinen Brennmaterials auf metallurgische Processe liegt offenbar zu Tage. Beim Hohofenprocesse z.B. verschlechtert sich die Qualität des Roheisens durch Aufnahme des aus den Kohks herstammenden Siliciums, Aluminiums und Schwefels, so daß bei sonst gleichen Erzen stets ein weit geringeres Product als mit Holzkohlen erzielt wird. Daß überhaupt noch mit fossilem Brennstoff ein brauchbares Product erzeugt wird, verdanken wir der vorgeschrittenen hüttenmännischen Technik, die mit theilweisem Erfolge im Hohofen selbst die nachtheiligen Wirkungen der unreinen Kohks zu paralysiren sucht. Insbesondere wendet man hohe Kalksteinzuschläge an, die in der That eine günstige Wirkung auf die Qualität des Roheisens üben, indem dadurch die Kieselerde und Thonerde der Kohksasche zu Doppelsilicaten verschlackt werden, anstatt durch Reduction ins Roheisen überzugehen, während auch der Schwefel zum Theil, an Calcium gebunden, mit den Silicaten zusammengeschmolzen wird. Betrachtet man jedoch den Hergang der Schmelzprocesse näher, so wird es einleuchten, warum auch trotz dieser Zuschläge nur ein ungenügend reines Roheisen erzielt wird. Die Kohks werden in Schichten von 1–2 Fuß Dicke aufgegeben, darüber Erz und Kalkstein, sämmtliche Materialien in Stücken, deren durchschnittliche Größe mehrere Kubikzolle beträgt. Beim Verbrennen der Kohks bleiben die Aschenbestandtheile und Schieferthontheile, vermischt mit schmelzendem Schwefeleisen, als zähflüssige Masse zurück; sie treten mit derjenigen Substanz, womit sie in Berührung kommen, zusammen. Ist letztere zufällig ein Stück Kalkstein, so bindet und verschlackt dieses die schädlichen Bestandtheile. Ist die in Berührung tretende Substanz aber ein in der Kohlung und Schmelzung begriffenes Eisenerz, so nimmt dieses den Schwefel und die aus dem Schieferthon reducirten Silicium- und Aluminiumtheile auf. So verunreinigt sich natürlich das in der Bildung begriffene Roheisen. Ein noch so großer Ueberschuß des Kalkzuschlages vermag kaum mehr die einmal ans Eisen getretenen nachtheiligen Bestandtheile zu beseitigen, weil vermöge des großen specifischen Gewichtes das Eisen zu schnell unter die Schlackendecke niedertropft und somit der Einwirkung der basischen Schlacke sich entzieht. Der in der Regel angewendete große Ueberschuß an Kalkstein kann hauptsächlich nur dazu dienen, die Wahrscheinlichkeit des oben angedeuteten Zufalls eines Zusammentreffens von Aschen- und Schwefeltheilen mit Kalk günstiger zu gestalten. Der Verfasser stellte sich, um die vollkommene Erlangung des Zweckes zu erstreben, nun die Aufgabe, bezüglich dieses Erfordernisses dem Zufalle überhaupt nichts mehr einzuräumen, vielmehr die Nothwendigkeit herbeizuführen, daß die schädlichen Bestandtheile des Brennmaterials von der Kalkerde erfaßt werden, ehe ihnen überhaupt die Gelegenheit gegeben ist, dem Eisen nahe zu treten. Er glaubte ein wirksames Mittel darin suchen zu müssen, daß den schädlichen Theilen des Brennstoffs im Momente ihres Freiwerdens sofort ein entsprechendes Aequivalent Kalkerde in unmittelbarer Nähe dargeboten werde. Der Fehler des bis jetzt üblichen Verfahrens liegt eben darin, daß Kohks und Kalkstein in viel zu groben Stücken angewandt werden, als daß eine chemische Action rechtzeitig stattfinden könnte. So glaubte der Verfasser denn in feinerer Zertheilung, also in inniger Berührung dieser Materialien eine Grundbedingung zur Erfüllung des Zweckes zu erkennen; aber er mußte sich gestehen, daß eine solche feine Zertheilung der dem Hohofen zugeführten Massen unfehlbar den Zug der Gase hemmen, somit den Gang des Ofens stören würde. Es galt also, eine innige Berührung von Kohks und Kalkstein zu bewirken und dennoch bei diesem Gemenge dem Erforderniß grobstückiger Massen gerecht zu werden. Nach mancher unfruchtbaren Idee stellte sich dem Verfasser endlich in der Eigenschaft der backenden Steinkohle selbst ein überraschend einfaches Mittel dar, die erstrebten Zwecke zu vereinigen, und somit entwickelte sich also das Verfahren wie folgt: Die Kohlen werden als Grußkohlen angewendet, oder, wenn in gröberen Stücken vorhanden, durch entsprechende Vorrichtungen zerkleinert und sodann vor dem Verkohlen mit einem je nach der Natur und Menge der Schwefel- und Aschenbestandtheile zu ermittelnden, mindestens äquivalenten Quantum zerkleinerten Kalksteins oder gebrannten Kalks oder zerriebener Kreide und dergl. innig vermengt. Die mit Kalk versetzten Kohlen werden dann wie gewöhnlich verkohkt und die so entstehenden Kalk-Kohks den metallurgischen Arbeiten zugeführt. Das Verhältniß von Kalkstein zu Kohle ist, wie gesagt, für jede Kohlensorte besonders zu ermitteln; im Durchschnitt dürfte anzunehmen seyn, daß für jedes Procent der in den Steinkohlen enthaltenen Aschenbestandtheile ein gleiches Gewicht und für jedes Procent Schwefel das Dreifache an Kalkstein als Minimum zu rechnen ist. Das Wesen des hier vorgeschlagenen Verfahrens liegt also bei dessen Anwendung auf den Hohofenproceß in der dadurch herbeigeführten Rechtzeitigkeit der Kalkeinwirkung auf die schädlichen Bestandtheile des Brennstoffs. Es soll auf die Zeitfolge der Hergänge im Hohofen gewirkt werden, in der Art, daß die Kalkeinwirkung auf das Brennmaterial gefördert werde und derjenigen auf die Erze, die ganz in der für den Hohofen bisher üblichen Weise beizubehalten ist, voranschreite. Darum für den ersten Theil innige Berührung, für den zweiten Theil keine solche, vielmehr die bisherige Kalkanwendung in groben Stücken. Was nun die praktische Ausführbarkeit obigen Verfahrens anbelangt, so drängten sich dem Verfasser zunächst zwei erhebliche Bedenken auf, nämlich, ob nicht etwa durch das Dazwischentreten des bei der Verkohkung entstandenen gebrannten Kalks und durch dessen Hydratbildung bei dem üblichen Ablöschen der glühenden Kohks mit Wasser, oder auch beim bloßen Lagern in der Feuchtigkeit der Luft, der Zusammenhang der Kalkkohks ganz oder theilweise gelockert würde, und sodann zweitens, ob nicht durch den Kalkzusatz die Brennbarkeit der Kohks zu sehr beeinträchtigt werde. Nach einem, freilich erst in kleinem Maaßstabe angestellten, Versuche scheint die erste Besorgniß gänzlich unbegründet. Ein Gemenge von Steinkohle und gemahlenem Kalkstein im Verhältniß von 9 zu 1, wie es wohl dem durchschnittlichen Aschen- und Schwefelgehalte guter Steinkohle entsprechen dürste, ergab noch sogar beim Ablöschen mit Wasser so feste und klingende Kohks, daß, wenn erforderlich, selbst eine erhebliche Vermehrung des Kalkverhältnisses zulässig erscheint. Auch dürfte die Hitze des Kohksofens kaum hinreichen, die Kohlensäure des Kalksteins vollständig zu entfernen, und somit das Verhältniß des gebrannten Kalks, woran jene Besorgniß sich knüpft, sich geringer herausstellen. Eine erfreuliche Erscheinung bei jenem Versuche war es auch, daß beim Ablöschen der glühenden Kohks mit Wasser sich Schwefelwasserstoff entwickelte, so daß also die Wirkung des gewöhnlichen Verkohkungsprocesses bezüglich der theilweisen Schwefelabscheidung durch den Kalkzusatz nicht wesentlich zu leiden scheint. Was nun das zweite Bedenken, die Verminderung der Brennbarkeit, anbelangt, so ist diese natürlich bei dem gesteigerten Aschengehalte nicht in Abrede zu stellen. Erwägt man indeß, wie viele Steinkohlen, deren natürlicher Aschengehalt das oben angedeutete Verhältniß bei weitem überschreitet, als werthvolles Brennmaterial benutzt werden, und berücksichtigt man ferner, daß gerade eine gewisse Herabstimmung der Temperatur beim Kohkshohofen unter Umständen für die Qualität des Eisens vortheilhaft wirken kann, so dürfte jenes Bedenken vielleicht sehr an Erheblichkeit verlieren. Bestätigt es sich, daß durch das vorliegende Versahren die Aschenbestandtheile der Kohks paralysirt werden, so wird man bei reinen Erzen auch kühn mit heißerem Winde als gewöhnlich blasen dürfen und damit die mindere Brennbarkeit der Kalkkohks auszugleichen im Stande seyn. Ferner dürfte hier in Betracht kommen, daß die Aschenschlacke durch den Kalk leichtflüssiger wird, somit eher von der Windseite der Kohksstücke weggeblasen, an der entgegengesetzten Seite sich sammelnd zum Abtropfen kommen kann. Ueber alle diese Fragen kann offenbar erst die praktische Erfahrung beim Hohofenbetriebe selbst endgültig entscheiden. Bei der Einfachheit des Versuches dürfte immerhin eine nähere Prüfung des Verfahrens der Mühe werth erscheinen. Gelingt es nämlich, wie wahrscheinlich, auf dem hier vorgeschlagenen Wege die schädlichen Bestandtheile der Kohks beim Hohofenprocesse zu binden, daß sie nicht in das Roheisen übergehen können, so wird die Erzeugung eines Products möglich, welches dem Holzkohlen-Roheisen nur wenig oder gar nicht nachsteht. Mit geringeren Kosten wird man jede beliebige Quantität eines guten Materials herstellen können, ohne den schon so sehr fühlbaren Mangel an Holz noch zu vermehren. Vorzugsweise wichtig erscheint dieß, wenn man berücksichtigt, daß die Industrie zur Herstellung des noch immer an Bedeutsamkeit gewinnenden Puddelstahls ein gutes und billiges Roheisen in erhöhtem Maaße nöthig hat. An vortrefflichen Eisenerzen, die natürlich als erste Grundbedingung erscheinen, fehlt es nicht, namentlich wenn erst unsere Haupteisenerzdistricte der Kohksverhüttung mehr zugänglich geworden sind.