Titel: Zur Berichtigung über die amerikanische Kanone, welche von hinten geladen wird; von G. E. Habich in Roxbury.
Autor: G. E. Habich
Fundstelle: Band 147, Jahrgang 1858, Nr. CXVII., S. 410
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CXVII. Zur Berichtigung über die amerikanische Kanone, welche von hinten geladen wird; von G. E. Habich in Roxbury. Habich, über die amerikanische Kanone, welche von hinten geladen wird. Im polytechn. Journal Bd. CXLVI S. 92 ist die Beschreibung der amerikanischen Kanone mitgetheilt, auf welche Eastman ein Patent erhalten hat. Dieser Aufsatz kam mir erst zu Händen, als ich meinen Bericht über Schenkl's Patentbüchse (S. 330 im vorhergehenden Heft) bereits abgesandt hatte. Am Schlusse dieses Berichts hatte ich einer Anwendung des breech-loading-Systems auf die Kanone gedacht, welche Schenkl bereits gemacht hat, und mit deren weitern Ausbildung er zur Zeit noch beschäftigt ist. Die in dem erwähnten Artikel beschriebene Kanone Eastman's ist nun die Schenkl'sche Erfindung auf einer Stufe ihrer Fortbildung. Der Sachverhalt ist folgender. Die erste Anwendung des breech-loading-Systems auf Geschütze machte Schenkl im Jahre 1853 und er erhielt darauf ein Patent. Die Verwerthung dieses Patents in Nordamerika, England und Frankreich verkaufte er an den Amerikaner Eastman. Bei der ursprünglichen Kanone Schenkl's, von welcher ich in dem Atelier des Künstlers ein vortrefflich gearbeitetes Modell sah, geschieht die Vor- und Rückwärtsbewegung und die Drehung des Schwanzstücks durch ein Hebelwerk. Der Mechanismus gestattet die Operationen der Geschützbedienung in der kürzesten Zeit. Insbesondere die Anwendung auf Geschütze vom schwersten Kaliber aber veranlaßte Schenkl auch noch einen andern Mechanismus zu construiren, die Bewegung mittelst Getriebe und Zahnstange. Nach dieser Construction ließ der Amerikaner Eastman zwei Kanonen anfertigen, und diese sind es, mit denen bewaffnet er nach England segelte, und mit der Regierung ein gutes Geschäft abschloß. Dennoch bleibt dem Deutschen, Schenkl, jedenfalls die Ehre dieser Erfindung, nämlich der Anwendung des breech-loading-Systems auf das Geschütz. Eines dieser Geschütze wurde im Jahre 1853 einer Reihe von Proben unterworfen, die das Gouvernement theils im Arsenal zu Boston, theils in South-Boston (am Meeresgestade) anordnete und die unter der LeitungLeitnng der fähigsten Artillerie-Officiere (den Lieutenants Wise, Rogers, Taylor und Boggs) ausgeführt wurde. Den Berichten, welche damals veröffentlicht wurden und in denen die Kanone ausdrücklich als die Erfindung Schenkl's bezeichnet ist. entnehme ich folgende interessante Daten. Das Probegeschütz war ein von Alger in South-Boston gegossener Sechspfünder. Bei den Präliminar-Versuchen im Arsenal überzeugte man sich, daß die Bedienung des Geschützes weniger als 6 Secunden erforderte, und daß bei geübter Bedienung 12 Schüsse in der Minute zu Stande gebracht werden können. Ein erfahrener Artillerist bemerkte hierbei, daß die einzige Frage, um über den Werth der Erfindung aburtheilen zu können, nur die seyn würde: ob der Verschluß der beiden Theile des Laufs fest genug sey, um nicht Unfällen ausgesetzt zu seyn. Der hintere Theil des Laufs hat eine Schraube mit 7 Gewinden, jedes 9/10 Zoll stark. Man hätte ungefähr berechnen können, daß die hieraus resultirende Widerstandsfähigkeit weit ausreichend seyn muß, aber man wollte das Experiment entscheiden lassen, welches am Schluß der Versuche in South-Boston dann auch wirklich gemacht wurde, wie wir sehen werden. Diese Versuche in South-Boston fielen über alle Erwartung günstig aus. Die ersten Proben wurden mit gewöhnlichem Schießpulver gemacht, um die Tragweite kennen zu lernen, bei mehr oder weniger starker Ladung. Als Geschoß wurde sowohl die gewöhnliche runde Kugel, als auch die Schenkl'sche conische Kugel mit Bleiring (ich komme weiter unten darauf zurück) verwendet. Die nachstehende Uebersicht gibt Nachweis über die Art des Geschosses, die Pulvermenge, die Elevation und die Zeit, welche vom Abfeuern bis zu dem Momente, wo die Kugel auf das Wasser aufschlug, verstrich. Nr. des Versuchs        Kugel  Pulver    Elevation    Secunden                1   rund, 6 pfündig   2 Pfund     horizontal        7 1/2                2             „        „     24 Grad      15 1/2                3             „        „     24    „      16                4 conisch, 8 1/4 Pfd.   3 Pfund     24    „       –                5             „        „     24    „      19 1/2                6             „        „     24    „      18                7             „        „     10    „      11              10     rund, 6 Pfd.   2 Pfund       5    „        7              12             „        „       5    „      10 Man wird bei den Resultaten dieser Experimente besonders eine Verschiedenheit der Zeit bei denselben Pulvermengen bemerken, was indessen lediglich in der verschiedenen Qualität des Pulvers begründet ist. Der 8te und 9te Schuß wurden niedriger gefeuert, um das Abprallen der Kugel beim Berühren des Wasserspiegels zu beobachten, – die Kugel verschwand auf ungefähr 1 1/2 englische Meilen Entfernung. Die Kugeln, welche bei 24 Grad Elevation geschossen wurden, reichten 2 1/2 Meilen weit. Man machte ferner die willkommene Erfahrung, daß die Kanone keines Wischens bedarf, und daß sie, weil bei jeder Ladung die Luft frei durchstreicht, nicht zu heiß wird. Das Hauptexperiment über die Dauerhaftigkeit des Geschützes bestand in folgender Zumuthung. Es wurde dreimal soviel Pulver auf einmal geladen, als zu irgend einem Schuß nöthig ist, und auf diese Ladung wurden zwei runde Kugeln gut wattirt fest eingerammt. Bei der Entladung wurde das Geschütz nahe zwei Fuß gehoben und 6 Fuß zurückgeworfen. Aber nicht die geringste Verletzung konnte an dem Mechanimus oder dem Schluß der beiden Theile entdeckt werden. Ueber Schenkl's conische Kugel mit Bleiring muß ich noch Einiges erwähnen. Der leitende Gedanke für diese Kugelconstruction basirt auf der Thatsache, daß der Kanonenlauf an der Stelle, senkrecht unter dem Schwerpunkt der aufsitzenden Kugel, am ärgsten leidet, so daß die Geschütze hauptsächlich hierdurch unbrauchbar werden. Den Grund dieser Erscheinung fand Schenkl darin, daß die Kugel nicht luftdicht schließt, daß deßhalb oberhalb der Kugel etwas Gas entweicht und die Kugel gegen die untere Wand des Geschützes drückt. Seine conische Kugel mit Bleiring füllt das Kaliber des Geschützes luftdicht aus und der Uebelstand ist beseitigt. Mit diesen Leistungen hat indessen Schenkl seine Thätigkeit in der Verbesserung der Geschütze noch nicht als abgeschlossen betrachtet. Seine neueste Construction bezweckte den Rückstoß beim Entladen auf ein Minimum zu reduciren, und auch dieses Problem hat er auf die befriedigendste Weise gelöst, was eine vollständige Reform der Seeartillerie im Gefolge haben muß. Für die Theorie des Rückstoßes, welche meines Wissens noch ziemlich unklar ist, ist folgende Thatsache wichtig. Geschieht die Verbrennung des Pulvers von vorn, so ist der Rückstoß beseitigt. Es scheint, als ob die fortschreitende Verbrennung des Pulvers die Kugel allmählich in Bewegung setzt beim Beginn der Explosion. Schließlich will ich noch erwähnen, daß Schenkl noch eine andere Büchse des breech-loading-Systems construirte, die seiner Patentbüchse freilich nicht gleich kommt, deren überaus einfacher Mechanismus aber eine Anwendung auf die Kanonen kleinern Kalibers gestattet und damit die Schnelligkeit bei der Bedienung derselben auf den Gipfelpunkt treibt. Mit der Durchführung dieser Sache ist der rastlose Mechaniker eben beschäftigt.