Titel: Ueber das Wesen der Wärme; von Prof. G. Decher.
Autor: Georg Decher [GND]
Fundstelle: Band 148, Jahrgang 1858, Nr. I., S. 1
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I. Ueber das Wesen der Wärme; von Prof. G. Decher. Decher, über das Wesen der Wärme. Der wissenschaftliche Fortschritt der Physik und Chemie verlangt täglich dringender nach einer befriedigenden Erklärung des Wesens der Wärme, nach der Beantwortung der Frage, wie sich die mannichfaltigen Erscheinungen, deren gemeinschaftliche Ursache wir Wärme nennen, auf einen aus den Eigenschaften der Materie hervorgehenden Ursprung zurückführen lassen, und es geben sich auch allerseits Bestrebungen kund, die Lösung dieser Frage herbeizuführen oder zu ihrer Lösung beizutragen. Ein gleicher Zweck liegt auch der gegenwärtigen Arbeit zu Grunde, wenn auch mehr in negativer als positiver Weise, indem ich durch dieselbe hauptsächlich den Nachweis liefern will, daß die gegenwärtig so beliebten Erklärungsarten des Wesens der Wärme, nach welchen das Warmseyn der Körper in einer Bewegung der materiellen Atome oder der sie umgebenden Aetherhüllen bestehen, und das Wärmerwerden durch eine Verstärkung dieser Bewegung hervorgerufen werden soll, durchaus unzulässig sind, weil sie mit Ergebnissen der Erfahrung im Widerspruche stehen. Durch diese Erörterung dürfte vielleicht doch soviel erreicht werden, daß die Speculation eine andere Richtung nimmt und ihr eine engere Gränze gezogen wird. Dabei werde ich nicht umhin können, noch einige fast allgemein als vortrefflich gerühmte Arbeiten über die einschlägige Theorie der Aequivalenz von Wärme und Arbeit in ähnlicher Weise wie die des Professors Kupffer (polytechn. Journal Bd. CXXXVI S. 424) näher zu beleuchten und zu zeigen, wie oberflächlich man auf diesem Gebiete zu Werke gegangen ist, und insbesondere die mathematische Analysis angewendet hat, um Sätze abzuleiten, von deren Wahrheit man schon vorher eingenommen war. Diese Beleuchtung veranlaßt vielleicht zu etwas mehr Vorsicht, einerseits in jener Anwendung, und andererseits in der Beurtheilung von Arbeiten, deren Resultate so recht mit den Hoffnungen und Wünschen der Tages-Meinung übereinstimmen; denn diejenigen, welche dieser Meinung entgegen sind, werden ohnehin scheel genug angesehen. I. Unmittelbarer und mittelbarer Wärmestoff. Die ältere Ansicht von der Existenz eines unmittelbaren Wärmestoffes, d.h. eines Stoffes, welcher einen Körper durch seine Anwesenheit warm, und bei größerer Anhäufung in demselben wärmer macht, welcher sich aber auch bis zu einem gewissen Grade in demselben anhäufen kann, ohne ihn wärmer zu machen, scheint von allen Physikern und selbst von den meisten Chemikern aufgegeben zu werden, obgleich der Chemiker die neuere sogenannte mechanische Theorie der Wärme für sein Feld zu gar nichts gebrauchen kann.Es dürfte vielleicht hier die Bemerkung nicht überflüssig seyn, daß jede Wärmetheorie, welche auf den Namen einer Theorie Anspruch machen will und nicht bloß in einer oberflächlichen Zusammenstellung von hypothetischen Behauptungen bestehen soll, eine mechanische, d.h. eine auf die Principien der Mechanik gegründete seyn muß. Denn wenn man auch einen Wärmestoff annehmen will, so muß man diesen mit Kräften ausstatten, durch welche er auf die wägbaren Stoffe wirkt, und diese Wirkung kann nur nach den Gesetzen des Gleichgewichtes und der Bewegung beurtheilt werden. Muß ja doch selbst der Physiker noch immer seine Zuflucht zu jenem Wärmestoffe nehmen, wenn er die allergewöhnlichsten Wirkungen der Wärme erklären, d.h. in einen Zusammenhang bringen will unter sich und mit der Wärmemenge, welche ein Körper aufnimmt oder abgibt, denn wie wenig bei diesen Erscheinungen mit der Bewegungstheorie geleistet werden kann, werde ich später zeigen. Aber freilich sind auch die Erklärungen mit dem bisherigen Wärmestoffe mangelhaft genug und, anstatt das Kind mit dem Bade wegzuschütten, hätte man wohl besser gethan, jenen Wärmestoff mit den erforderlichen Eigenschaften oder Kräften auszustatten, um durch diese seine Verbindung mit den Stoffen und die Folgen dieser Verbindung erklären zu können. Man hat es darin bis jetzt nicht weiter gebracht, als daß man den Wärmestofftheilchen eine gegenseitige abstoßende Kraft beilegte; nach welchem Gesetze aber diese Kraft wirken, und in welcher Wechselwirkung die Wärmestofftheilchen zu den andern Stofftheilchen stehen müssen, um eine genügende Erklärung von den Wärmeerscheinungen geben zu können, d.h. eine solche, bei welcher die Theorie mit der Beobachtung nach Zahl und Maaß verglichen werden kann, darüber hat uns noch kein Newton Aufschluß gegeben. Man findet nicht einmal eine Erklärung von dem, was sich bei der Annahme eines Wärmestoffes unter dem viel gebrauchten Worte: Temperatur zu denken hat. Ueberhaupt dürfte der Physiker durch keine Frage leichter in Verlegenheit zu bringen seyn, als durch die, was man unter: Temperatur eines Körpers versteht; denn die einzige Antwort, welche er, ohne eine bestimmte Ansicht über die Wärme zu Grund zu legen, geben kann: „Temperatur ist ein gewisses Maaß für die äußerliche, fühlbare Wärme der Körper“, wird die weitere Frage zur Folge haben: Wie kann man denn aber diese fühlbare Wärme messen? Und die Antwort wird seyn: „Wir nehmen an, daß die relative Ausdehnung gewisser Körper der Temperaturänderung proportional ist, und bilden aus dieser Ausdehnung das Maaß für die Temperatur; weil aber die Erfahrung zeigt, daß diese relative Ausdehnung für denselben äußerlichen Wärmezustand bei den verschiedenen Stoffen verschieden ist, so gibt es eine Weingeisttemperatur, eine Quecksilbertemperatur, eine Lufttemperatur u.s.f.; die Lufttemperatur aber halten wir für die eigentliche, wahre Temperatur, weil wir Gründe haben annehmen zu dürfen, daß sich die Luft bei constantem Druck wirklich der Temperaturänderung proportional ausdehnt.“ Und diese Gründe sind? Die, daß wir so eigentlich nicht bestimmt wissen, was Temperatur ist, und daß wir kein anderes Mittel haben, um uns ein Maaß für dieselbe zu bilden. Was wir demnach jetzt Temperatur nennen, ist eigentlich ein auf die relative Ausdehnung der atmosphärischen Luft unter einem angenommenen Normaldruck basirtes Maaß für den fühlbaren Wärmezustand der Körper, und das Gay-Lussac'sche Gesetz ist in Bezug auf die atmosphärische Luft nur die Definition für Temperatur. Eben so wenig als mit einer Erklärung von Temperatur hat man sich vom Standpunkte der Annahme eines Wärmestoffes mit der bestimmten Erklärung von dem Gleichgewicht dieses Stoffes befaßt. Man sagt, der Wärmestoff besitze das Bestreben, sich in den Körpern ins Gleichgewicht zu setzen, und erklärt diesen Satz noch dahin, daß von zwei Körpern, welche ungleiche Temperaturen haben, der eine so lange Wärme abgibt, der andere aufnimmt, bis die Temperaturen beider gleich geworden sind. Wenn aber von Gleichgewicht die Rede ist, so muß man sich Kräfte denken, welche sich gegenseitig in ihren Wirkungen aufheben; es liegt also hier die Frage sehr nahe: Welche Wirkungen werden bei dem Insgleichgewichtsetzen der Wärme aufgehoben? Sind es die abstoßenden Kräfte des Wärmestoffes selbst, oder sind es Wirkungen, welche von den Körper-Theilchen auf die Wärmestoff-Theilchen ausgeübt werden, oder sind es Resultirende aus beiden Arten von Kräften? Daran reiht sich denn sogleich die weitere Frage: Ist es nothwendig, eine solche Wirkung der Materie auf den Wärmestoff anzunehmen, und wenn: Ja, muß dieselbe als eine anziehende oder abstoßende angenommen werden, d.h. suchen die Körper den Wärmestoff zu absorbiren, oder sind sie indifferent gegen denselben und lassen sich denselben nur aufdringen, oder streben sie denselben von sich abzuhalten, und wenn derselbe ihnen aufgezwungen worden, wieder von sich fortzutreiben? Aber auch ohne daß diese Fragen entschieden sind, müssen wir aus der vorhergehenden Betrachtung schließen, daß, weil die Gleichheit der Temperatur zweier in Berührung stehender Körper durch die Gleichheit von Wechselwirkungen zwischen dieser und unserm Wärmestoff bedingt ist, diese Wechselwirkungen bei ungleichen Temperaturen auch ungleich seyn müssen, und eine fortwährende Aenderung des Wärmezustandes der beiden Körper veranlassen, bis sie ins Gleichgewicht gekommen sind, daß die Temperatur eines Körpers eine durch jene Wechselwirkungen hervorgerufene Eigenschaft des in ihm enthaltenen Wärmestoffs seyn wird; es ist denn nicht mehr nothwendig anzunehmen, daß das Warmseyn durch die Anwesenheit eines solchen Stoffes an und für sich, und der höhere oder niedere Grad des Warmseyns durch die in dem Körper vorhandene Menge desselben bedingt wird, was mit so manchen Erscheinungen, wie die der sogenannten latenten Wärme, der verschiedenen Wärmecapacitäten der Stoffe, in Widerspruch steht, sondern nur davon abhängt, ob der bisher als Wärmestoff charakterisirte Stoff die betreffende Eigenschaft in höherem oder niederem Grade besitzt, wobei es auf seine Menge gar nicht ankommt. Diese Anschauungsweise kann durch das nachfolgende Gleichniß versinnlicht werden, dessen ich mich bei meinen Vorträgen über Physik an der polytechnischen Schule bediente, um meinen Schülern überhaupt den Zusammenhang zwischen Wärmemenge, Temperatur und Wärmecapacität anschaulich zu machen, und welches ich hier theils deßhalb mittheile, weil vielleicht der eine oder andere Lehrer der Physik sich veranlaßt sieht, dasselbe bei seinem Unterrichte ebenfalls anzuwenden, und theils weil es zeigt, daß unter Wärmecapacität streng genommen noch etwas Anderes zu verstehen ist, als „die Wärmemenge, welche die Gewichtseinheit eines Stoffes aufnimmt, um seine Temperatur um 1 Grad zu erhöhen.“ Wenn man sich die Gewichtseinheit eines Stoffes als ein verticales, unten geschlossenes Gefäß denkt, dessen Tiefe unbekannt, und das bis zu einer beliebigen Höhe mit Wasser gefüllt ist, so wird die Temperatur dieses Stoffes durch die Höhe des Wasserspiegels über einer beliebig angenommenen horizontalen Coordinaten-Ebene, dem Nullpunkt der Temperatur, vorgestellt; der horizontale Querschnitt des Gefäßes in irgend einer Höhe ist die ihr als Temperatur entsprechende Wärmecapacität; wenn diese constant ist, hat man sich daher das Gefäß als ein prismatisches, wenn sie, wie bei den meisten Stoffen der Fall, mit der Temperatur wächst, als ein nach oben sich erweiterndes zu denken. Die in dem Gefäß enthaltene unbekannte Wassermenge ist die unbekannte Menge der in dem Stoffe enthaltenen Wärme, und die über der Coordinaten-Ebene stehende Wassersäule von der Höhe h stellt in ihrem Volumen die Wärmemenge vor, welche man dem betreffenden Stoffe unter sonst gleichen Umständen mittheilen muß, um seine Temperatur von 0 bis h zu erhöhen. Und wie der Querschnitt des Gefäßes nicht das in einer Wassersäule von der Höhe 1 enthaltene Wasser ist, sondern eine geometrische Eigenschaft des Gefäßes, so ist auch die Wärmecapacität nicht die Wärmemenge, welche man der Gewichtseinheit eines Stoffes zuführen muß, um seine Temperatur um 1 Grad zu erhöhen, sondern eine physikalische Eigenschaft dieses Stoffes; wie aber bei constantem Querschnitt der Rauminhalt des in dem Prisma von der Höhe 1 enthaltenen Wassers dieselbe Zahl von Raumeinheiten enthält, wie der Querschnitt Flächeneinheiten, so wird auch bei constanter Wärmecapacität diese auf eine entsprechend gewählte Einheit bezogene Größe und die zur Erhöhung der Temperatur um 1 Grad nothwendige Wärmemenge durch dieselbe Zahl gemessen. Setzt man ferner zwei solche Gefäße, welche Gewichtseinheiten zweier verschiedenen Stoffe repräsentiren und daher gleiche oder verschiedene Querschnitte besitzen, je nachdem deren Wärmecapacitäten gleich oder verschieden sind, und für welche dieselbe Coordinaten-Ebene gilt, in Verbindung, so daß das Wasser aus dem einen in das andere übergehen kann, so wird dieß so lange stattfinden, bis die beiden Wasserspiegel gleiche Höhe über der Coordinaten-Ebene eingenommen haben, und diese Höhe wird sich bei constanten Querschnitten wie die Temperatur der verbundenen Gewichtseinheiten jener Stoffe unter Voraussetzung constanter Wärmecapacitäten nach dem Gesetze: (c₁ + c₂) z = ch₁ + ch bestimmen, worin c₁ und c₂ die Querschnitte oder Wärmecapacitäten, h₁ und h₂ die Höhen oder Temperaturen der einzelnen Gefäße oder Stoffe vor der Verbindung, und z ihre gemeinschaftliche Höhe oder Temperatur nach der Verbindung bezeichnet. Für veränderliche Wärmecapacitäten oder Querschnitte dagegen hat man die Gleichung: Textabbildung Bd. 148, S. 5 worin dann die Größen c₁ und c₂ als Functionen der veränderlichen Temperatur oder Höhe z gedacht werden. So wie aber die Gleichheit der Wasserspiegelhöhe in beiden Gefäßen nur das der äußerlichen Wahrnehmung zugängliche Zeichen des Gleichgewichtes ist, und der innere Grund in der Gleichheit des Druckes in allen Verbindungspunkten besteht, so ist auch die Gleichheit jener Wechselwirkungen der innere Grund für das Gleichgewicht des Wärmezustandes und die Gleichheit der Temperatur nur das der Wahrnehmung zugängliche Zeichen desselben. Der Druck des Wassers in einem bestimmten Punkte ist allerdings abhängig von der Höhe des Wassers; er ist aber weder eine unmittelbare Folge dieser Höhe, noch überhaupt eine Folge der Anwesenheit des Wassers im Gefäß – denn das Wasser an und für sich übt keinen Druck aus – sondern eine Folge von Kräften (wie atmosphärischer Druck und Schwere), welche auf das Wasser wirken, und jedenfalls ist er nicht abhängig von der Menge des in dem Gefäße enthaltenen Wassers, und die Anwendung dieser Bemerkungen auf die Wärme führt unmittelbar auf die oben ausgesprochene Annahme eines Stoffes, dessen Anwesenheit nicht an und für sich die Wärme verursacht, sondern nur mittelbar durch die Wechselwirkung zwischen ihm und den Schwerstofftheilchen. Uebrigens omne simile claudicat; man wird aber durch diese Betrachtung schon eher für die, ich denke neue und fruchtbare Hypothese gewonnen werden, daß der in der Physik bereits eingebürgerte, als in allen Körpern anwesend zugelassene, und den ganzen Weltraum ausfüllende Aether selbst der betreffende Stoff ist, welcher durch seine Wechselwirkung mit den Schwerstofftheilchen alle jene Erscheinungen veranlaßt und vermittelt, als deren Ursache wir das unbestimmte Agens: Wärme anzunehmen pflegen, und daß der höhere oder niedere Grad des Warmseyns in dem höhern oder niedern Grad einer durch jene Wechselwirkung wandelbaren Eigenschaft des Aethers, wie Spannung oder Dichte, besteht. II. Wärme-Erzeugung durch Reibung. Es ist indessen nicht meine Absicht, hier in eine weitere Auseinandersetzung der Grundzüge einer von mir auf die vorher ausgesprochene Hypothese gegründeten Wärmetheorie einzugehen, da ich dafür halte, daß eine solche nur skizzirte, in oberflächlichen Raisonnements bestehende Theorie nicht den Anforderungen der Wissenschaft genügen kann, und es mir bisher wegen anderer Arbeiten noch an der erforderlichen Muße gefehlt hat, die auf mathematischer Begründung fußende Ausarbeitung jener Theorie ernstlich in die Hand zu nehmen. Meine Absicht mit der vorhergehenden Erörterung war nur anzudeuten, daß außer unmittelbarem Wärmestoff und Bewegung noch eine dritte Ansicht über die Wärme möglich ist, und daß daher, nachdem der unmittelbare Wärmestoff bereits aufgegeben worden und der Zweck der nachfolgenden Erörterungen dahin geht, auch die Bewegungstheorie zu beseitigen, nach dieser Beseitigung nicht eine trostlose Leere auf diesem Felde übrig bleibt, und ferner wünschte ich durch diese Andeutung noch einen und den anderen, vielleicht in der Analysis gewandteren Mathematiker als ich selbst bin, zum Ausbau einer auf meiner Hypothese ruhenden Wärmetheorie zu veranlassen, indem ich weit entfernt davon wäre, mich darüber zu kränken, wenn mir ein Anderer darin zuvorkäme; die Wissenschaft kann dabei nur gewinnen. Meine weitere Aufgabe besteht demnach darin, die Gründe zu beleuchten und zu widerlegen, welche zu der schon fast allgemein als unumstößlich richtig angenommenen Hypothese geführt haben, daß das Warmseyn in einer Bewegung bestehe, und zwar bald in einer oscillirenden und selbst fortschreitenden Bewegung der Schwerstoff-Atome oder Molecüle selbst, bald in einer oscillirenden oder rotirenden Bewegung der diese Atome oder Molecüle umgebenden Aetherhüllen, und daß das Wärmerwerden aus einer Verstärkung dieser Bewegung, das Kälterwerden aus einer Verminderung derselben hervorgehe. Nach dieser Hypothese muß die eigentliche Temperatur, welche ich zum Unterschied von der durch das Thermometer mittelst der Ausdehnung bestimmten thermometrischen die theoretische Temperatur nennen will, der Stärke der Bewegung und daher entweder der Geschwindigkeit selbst, oder, wie beim Licht angenommen wird, dem Quadrat dieser Geschwindigkeit proportional seyn, wobei denn vorausgesetzt wird, daß der Nullpunkt der Temperatur der absolute Nullpunkt ist und dem Zustand des absoluten Nichtwarmseyns oder der jener Bewegung zugehörenden relativen Ruhe entspricht. Die älteste Veranlassung zur Aufstellung dieser Hypothese war die bekannte Erscheinung der Wärme-Erzeugung durch Reibung; es ist mir aber nicht bekannt, daß Jemand diese Wärme-Erzeugung als eine nothwendige Folge der vorher ausgesprochenen Annahme klar und unzweifelhaft nachgewiesen habe; man scheint sich einfach mit dem Gedanken getröstet zu haben, daß durch Reiben die Körpertheilchen in eine schwingende Bewegung gerathen und daß demnach eine schon vorhandene schwingende Bewegung eben dadurch beliebig verstärkt werden könne, und es scheint früher Niemand ernstlich daran gedacht zu haben, eine Beziehung zwischen der Reibung und der Wärme-Erzeugung durch Versuche festzustellen. Erst in der neuesten Zeit wurden solche Versuche angestellt, wenn auch zu einem ganz andern Zwecke, als den Vorgang dabei theoretisch zu erklären, und man kann als Ergebniß derselben annehmen, daß unter gleichen Umständen die durch Reibung erzeugte Wärme der Arbeit der Reibung proportional ist. Die Reibung selbst, der Reibungswiderstand ist aber proportional dem Druck, welchen der bewegte Körper auf den nicht bewegten ausübt, und unabhängig von der Geschwindigkeit der gleitenden Bewegung; es ist daher die Arbeit der Reibung nur von jenem Druck und dem Weg abhängig, welchen ein gleitender Punkt zurücklegt, und bei constantem Druck dem Product aus Druck und Weg proportional, natürlich vorausgesetzt, daß die Beschaffenheit der sich reibenden Körper unverändert bleibt; folglich muß auch die unter denselben Umständen erzeugte Wärme von der Geschwindigkeit der Bewegung unabhängig, und kann nur dem Product aus Druck und Weg proportional seyn. Nun denke man sich die Molecüle beider sich reibenden Körper in einer schwingenden Bewegung zunächst von gleicher Stärke begriffen, deren größte Geschwindigkeit, die man gewöhnlich vorzugsweise Vibrationsgeschwindigkeit nennt, durch u bezeichnet sey, und der eine Körper gleite mit einer constanten Geschwindigkeit v über den zweiten hin. Die Richtung und Art dieser Schwingungen, ob geradlinig, ob elliptisch etc., ist uns unbekannt; dem sey auch wie es wolle, die Molecüle in der einen und der andern Berührungsfläche werden in sehr verschiedenen Phasen ihrer Schwingungen und in sehr verschiedenen Richtungen aufeinandertreffen; wir können zwar die Geschwindigkeit derselben auf die Richtung der Bewegung projicirt denken, und es wird dann in dieser Richtung die Geschwindigkeit der Molecüle des ruhenden Körpers zwischen – u und + u, die Geschwindigkeit der Molecüle des gleitenden Körpers zwischen vu und v + u liegen; es dürfte aber sehr schwer seyn, darnach allgemein zu bestimmen, was aus dem Stoß dieser Molecüle hervorgehen wird. Freilich wenn wir so gefällig sind, zuzugeben, daß die Molecüle vollkommen elastisch seyen, so wird man uns sagen: „Durch den Stoß dieser Molecüle wird die lebendige Kraft nicht vermindert; es muß also die lebendige Kraft oder die Wärme beider Körper vor der Bewegung durch die gleitende Bewegung des einen um die lebendige Kraft Σ . μν² der zum Stoße kommenden Molecüle des gleitenden Körpers vermehrt werden.“ Ganz recht! Hat es denn aber auch einen vernünftigen Sinn von vollkommen elastischen Molecülen zu reden? Elasticität ist doch die Eigenschaft eines Systems von materiellen Punkten, durch welche diese ihre von außen gestörte Gleichgewichtslage wieder einzunehmen streben, und welche doch nur davon herrühren kann, daß durch die Verschiebung dieser Punkte innere Spannungen hervorgerufen werden, die im entgegengesetzten Sinne zu diesen Verschiebungen gerichtet sind? Elasticität setzt also nicht nur ein System von veränderlicher Form voraus, sondern auch ein Gleichgewicht zwischen anziehenden und abstoßenden Kräften, von denen je nach der Formänderung bald die einen, bald die andern überwiegend werden; und die abstoßenden Kräfte in unsern mehr oder weniger elastischen Körpern was sind sie denn anders, als gerade die Wirkungen des unbekannten Agens: Wärme? Wie kann man daher überhaupt und dann gar in einer Theorie der Wärme von elastischen Molecülen reden? Denn wenn auch zugegeben werden wollte, daß diese Molecüle aus mehreren Atomen bestehen und der Form nach veränderlich sind, so müßte zwischen ihren Atomen dasselbe abstoßend wirkende Agens thätig seyn, welches man gerade durch die Bewegung der Molecüle erklären will. Oder soll die Elasticität der Molecüle von den sie umgebenden Aetherhüllen herrühren, welche sich der Masse nach zu diesen Molecülen selbst kaum so verhalten, wie die Lufthülle der Erde zum festen Kern, und welche daher bei einem Stoß etwa soviel leisten können, als diese Lufthüllen bei dem Stoß zweier Erdkörper in Betreff der Milderung seiner zerstörenden Wirkung und für die Hervorrufung einer beide Körper auseinandertreibenden Gegenkraft leisten würden? Es ist daher schon aus diesem Grunde die von Krönig und Clausius aufgestellte HypothesePoggendorff's Annalen Bd. XCIX S. 315 und Bd. C S. 353. von vollkommen elastischen Gasmolecülen, welche durcheinander schwirren, geradlinig fortschießend, bis sie an den Gefäßwänden oder an einander selbst anrennen und vermöge ihrer vollkommenen Elasticität ohne Aenderung ihrer Geschwindigkeit zurückprallen, eine offenbar ungereimte, abgesehen von der Zumuthung, glauben zu sollen, daß wenn der Recipient einer Luftpumpe mit einem gleichgroßen luftleeren Stiefel in Verbindung gesetzt wird, sich in kürzester Zeit gerade die Hälfte der im Recipienten herumschwirrenden Luft-Molecüle durch die kleine Oeffnung in den Cylinder stürzen, obgleich diese über 1000mal kleiner ist als die Tellerfläche, und daher von den vertical auf- und niederschießenden Luft-Molecülen – von den horizontal und in schiefen Richtungen sich bewegenden gar nicht zu reden – 1000mal so viele auf den Teller stoßen müssen, als auf die Oeffnung, und abgesehen davon, daß dabei gar nicht einzusehen ist, aus welchem Grunde die Geschwindigkeit und lebendige Kraft, i. e. die Temperatur, dieser Luft-Molecüle abnehmen soll, wenn man ihnen für ihre Bewegung einen größern Raum öffnet, endlich abgesehen von dem Aufsteigen wärmerer Lufttheilchen in der darüber befindlichen kältern Luft und vielen andern Erscheinungen. Doch kehren wir wieder zu unserer Reibung zurück, und geben wir selbst eine theilweise oder vollkommene Elasticität der Molecüle zu; was gewinnen wir dabei? Die Vermehrung der lebendigen Kraft, wenn je eine stattfindet, und die Rückwirkung des Stoßes der Molecüle auf den gleitenden Körper muß jedenfalls eine Function der Geschwindigkeit v des gleitenden Körpers werden, während die Erfahrung zeigt, daß Reibung und Wärmeerzeugung von dieser Geschwindigkeit unabhängig sind. Dabei haben wir noch gar nicht von dem Druck gesprochen, welcher eine Hauptrolle bei der Reibung spielt. Sollen durch diesen gerade in demselben Verhältnisse, in welchem er wächst, mehr Molecüle zum Stoß kommen, oder in welcher andern Weise soll er die proportionale Vermehrung der Reibung und der Wärmeerzeugung veranlassen? Ich weiß keine aufzufinden, und überlasse die Beantwortung dieser Frage den Vertheidigern der Bewegungs-Wärmetheorie, indem durch das Vorhergehende zur Genüge bewiesen ist, daß gerade die ursprüngliche Veranlassung zur Aufstellung derselben, die Wärmeerzeugung durch Reibung aus ihr nicht nur nicht in Uebereinstimmung mit der Erfahrung erklärt werden kann, sondern daß die aus ihr für diesen Vorgang zu ziehenden Folgerungen selbst in Widerspruch mit der Erfahrung stehen, wenigstens insofern man unter Wärme eine oscillirende Bewegung der Schwerstoff-Atome oder Molecüle verstehen will. Es geht übrigens aus denselben Gründen hervor, daß auch die Aenderung in der oscillirenden oder rotirenden Bewegung zweier Aetherhüllen, deren Kerne mit einer Geschwindigkeit v so an einander vorbeigeführt werden, daß sie sich stoßen, sowie der aus diesem Stoß entspringende Bewegungswiderstand eine Function dieser Geschwindigkeit seyn muß, daß also die Wärmeerzeugung durch Reibung und diese selbst auch nicht aus einer Bewegung der Aetherhüllen erklärt werden kann. (Die Fortsetzung folgt im nächsten Heft.)