Titel: Ueber die Verbindung eines Systems elektrischer Uhren; von Dr. H. Meidinger, Privatdocent der Technologie in Heidelberg.
Autor: Heinrich Meidinger [GND]
Fundstelle: Band 148, Jahrgang 1858, Nr. XLVII., S. 196
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XLVII. Ueber die Verbindung eines Systems elektrischer Uhren; von Dr. H. Meidinger, Privatdocent der Technologie in Heidelberg. Meidinger, über die Verbindung eines Systems elektrischer Uhren. Einer der wesentlichsten Gründe, welche sich seither der allgemeineren Einführung elektrischer Uhren in die Städte entgegenstellte, ist ohne Zweifel in der fortdauernden Gefahr zu suchen, welche dem ununterbrochenen Gang des ganzen Systems durch zufällige oder absichtliche Zerstörung des Leitungsdrahtes im Innern der Häuser selbst droht. Die vielfach ausgesprochene Befürchtung, daß der Draht außerhalb derselben, sey er nun unterirdisch gelegt oder an den Gebäuden hergeleitet, eine häufige Unterbrechung erleiden würde, ist dagegen verschwindend und, entsprechender Weise wie bei den Telegraphendrähten, durch die Erfahrungen vieler Jahre widerlegt. In letzterer Beziehung hat sogar der Verbindungsdraht der Uhren den Vortheil vor den Telegraphendrähten, daß er sich, wie sich übrigens im Voraus erwarten ließ, unempfindlich für die Aufnahme des Blitzes zeigt. Es sind bis jetzt wenigstens noch keine Fälle bekannt geworden, wo während eines Gewitters der regelmäßige Gang elektrischer Uhren unterbrochen worden wäre. Der Stillstand, welchen die gesammten Uhren einer ganzen Stadt dadurch erfahren können und häufig erfahren, daß es in der Hand unverständiger Leute oder im Belieben eines Uebelwollenden liegt, durch Verrückung einer einzigen Uhr oder auf sonstige Weise den zuführenden Draht zu zerreißen, ist in der That als der einzige Mißstand anzusehen, welcher eine so zeitgemäße Einrichtung bisher begleitet und in seiner weiteren Entwickelung gehemmt hat. In dem Folgenden soll eine höchst einfache Vorrichtung beschrieben werden, die geeignet seyn dürfte, als vollkommenes Palliativ gegen derartige Vorkommnisse für die Zukunft zu dienen. Der elektrische Strom hat bekanntlich die Eigenschaft, alle guten Leiter, die er auf seinem Wege vorfindet, zu durchströmen, mit einer Intensität, die von deren eigenthümlicher Beschaffenheit und ihren Dimensionen abhängt. Die Elektricitätsmengen, welche sich gleichzeitig durch ein Bündel von Drähten bewegen, welche nur mit ihren Enden verbunden sind, verhalten sich in jedem einzelnen Draht wie sein Leitungswiderstand. Gesetzt nun, ein Kupferdraht, etwa von Linien-Dicke, sey durch eine Stadt gelegt (Leitungsdraht). An all den Gebäuden, welche Uhren erhalten sollen, werde er durchschnitten; die beiden Theile seyen einmal mit dem Draht verbunden, der in das Haus zu der Uhr geht (Localdraht); außerdem aber auch noch direct durch einen zweiten Draht, dessen Leitungswiderstand ein vielfacher ist von dem, welchen der in das Haus und um den Elektromagneten der Uhr führende vorhergenannte Localdraht besitzt; dieser führe den Namen Verbindungsdraht. Die Elektricität, welche durch den Leitungsdraht strömt, vertheilt sich auf die beiden Drähte, welche seine Durchschnitte verbinden, und steht in denselben im umgekehrten Verhältniß des Leitungswiderstands, den sie bieten. Es wird durch den zu der Uhr führenden Localdraht z.B. zehnmal mehr Elektricität strömen, als durch den Verbindungsdraht, wenn sein Leitungswiderstand zehnmal kleiner ist. Das Quantum von Elektricität, welches dabei durch die Nebenleitung abströmt, ist nun allerdings ein wahrer Verlust, im obigen Falle ein Elftel der gesammten Elektricität; um eine bestimmte Kraft zu erzeugen, würde man also auf zehn Elemente ungefähr eins mehr bedürfen, d.h. die Auslagen für die Batterie sind um 10 Proc. gestiegen. Es ließen sich diese 10 Proc. zweckmäßig die Versicherungsprämie nennen, welche dazu dient, das gesammte System der Uhren gegen unvorhergesehene und schwer zu corrigirende Störungen fortdauernd zu schützen. In der That, im Falle der Beschädigung des in das Haus führenden Localdrahtes wird die Gesammtmenge der Elektricität den ihr in dem zweiten Schließungsdraht von zehnmal größerem Widerstand, dem Verbindungsdraht, gebotenen Weg nunmehr allein benützen, um den vollkommenen Schluß der Kette und somit das ununterbrochene Zusammenwirken der übrigen Uhren zu erhalten. Der Strom erleidet jedoch dadurch eine Schwächung; die Formel läßt erkennen, in wie weit dieselbe von Bedeutung und somit ob zu beachten ist: Es sey k die elektromotorische Kraft eines Elements; l der Leitungswiderstand im Innern desselben; λ der mittlere Widerstand des zwischen zwei Uhren befindlichen Stück Leitungsdrahtes; r der Widerstand der beiden vereinigten Schließungsdrähte, des Localdrahts und des Verbindungsdrahts; f bezeichne das Verhältniß, um welches der Leitungswiderstand des letztern größer ist als der des ersteren; so ist der wirkliche Leitungswiderstand des Verbindungsdrahts = (f + 1) r. Ein Element der angewandten Batterie reiche gerade hin, um eine Uhr auf den mittleren Abstand der Uhren von einander in Bewegung zu setzen, so wird die Stromstärke q = k/(l + λ + r) für n Uhren denselben Werth behalten, wenn Textabbildung Bd. 148, S. 197 Gesetzt nun, es seyen m Uhren durch Unterbrechung der betreffenden Localdrähte außer Thätigkeit gesetzt. Es wird dann Textabbildung Bd. 148, S. 197 Es wird r immer annähernd = l + λ genommen werden müssen, um den größtmöglichen Effect des Elektromagneten zu erzielen. Der Ausdruck der Stromstärke erhält dann die vereinfachte Form Textabbildung Bd. 148, S. 198 Die Stromstärke wird also nur dann wesentlich modificirt, wenn das Verhältniß m . f gegen 2 . n einen hohen Werth annimmt. Vorhin ist f beispielsweise durch die Zahl 10 ausgedrückt worden, dafür ist Textabbildung Bd. 148, S. 198 m, d.h. die Zahl der zu gleicher Zeit außer Gang gesetzten Uhren wird selten bedeutend seyn. Ein Unternehmen, das nicht wenigstens 100 Uhren auf einmal in Betrieb setzt, wird sich nicht leicht rentiren können und wohl auch nicht mehr zu Stande kommen. Gibt man also als Minimum n die Zahl 100, setzt vorerst m = 1, so wird Textabbildung Bd. 148, S. 198 vorher war q = (n . k)/(r . 200). Die Stromstärke hat also im Verhältniß von 21 : 20, um 1/21 abgenommen, eine für die Praxis gewiß verschwindende Größe. Für m = 5, sicherlich einer der seltensten Fälle die sich ereignen möchten, wird Textabbildung Bd. 148, S. 198 In diesem Falle ist die Abnahme der Stromstarke schon beträchtlicher, sie beträgt 1/5 der ursprünglichen, nur noch 4/5 sind wirksam. Doch möchte selbst diese Kraft noch hinreichen, die Bewegung der Uhren zu unterhalten. Im ungünstigsten Falle, wenn durch eine große Anzahl außer Gang gesetzter Uhren die Stromstärke in dem Grade geschwächt ist, daß sie nicht mehr zum Betriebe der übrigen ausreicht, darf man nur eine neue Batterie von voraus zu berechnender Stärke einschalten, bis die Störung, welche den Kraftverlust nach sich gezogen, wieder beseitigt ist, Die periodischen Ablenkungen eines mit dem System fortdauernd verbundenen Galvanometers würden unter solchen Umständen stets erkennen lassen, wann einzelne Uhren aus ihrer Verbindung gelöst sind, und wann es nöthig wird, eine neue Batterie einzuschalten. Uebrigens läßt sich die Gränze, bis zu welcher eine Batterie von gegebener Größe ihre Wirksamkeit selbst bei Zerstörung einer größeren Anzahl von Localdrähten noch beibehält, dadurch hinausschieben, daß der Factor f einen niedrigeren Ausdruck erhält, z.B. daß man f = 5 setzt, daß also der Verbindungsdraht bloß den 5 fachen Leitungswiderstand bietet, wie der Localdraht. Dieß kann jedoch nur durch Erhöhung der Versicherungsprämie erzielt werden; denn da in diesem Fall 1/6 des Stroms durch den Verbindungsdraht unwirksam abströmt, so muß auch die Batterie im Verhältniß von 5 : 6, also jetzt um 20 Proc. stärker seyn, um den hinreichenden Effect zu leisten. Die angemessenste Größe des Verbindungsdrahts dürfte sich nur durch die Berücksichtigung des Umstands entscheiden lassen, in wie weit die bei Abnahme von f durch entsprechende Verstärkung der Batterie vermehrten Kosten ihr Aequivalent in der erhöhten Garantie der Fortwirkung des ganzen Systems selbst bei größerer Zahl zu gleicher Zeit außer Gang gesetzter Uhren finden. Am geringsten wird die Stromstärke abnehmen, wenn n sehr groß ist, wenn also eine sehr bedeutende Anzahl von Uhren durch Einen Leitungsdraht zu einem zusammenhängenden Ganzen verbunden sind. Bei dem zuerst betrachteten Falle würde bei z.B. 1000 Uhren selbst bei 5 unterbrochenen Localdrähten die Abnahme des Stroms erst 1/41 betragen. Allerdings ist zu bedenken, daß bei einer solchen Menge von Uhren die Wahrscheinlichkeit auch wächst, daß eine größere Anzahl zu gleicher Zeit außer Gang geräth. Doch möchte es immerhin zweckmäßig erscheinen, wo möglich alle Uhren, selbst einer ausgedehnten Stadt, in einem einzigen Leitungsdrahte zu verbinden, wenn nicht eben letzterer selbst einer wenn auch selten eintretenden Zerstörung ausgesetzt wäre. Da aber in diesem Falle das ganze System momentan und fortdauernd bis zur Correctur in Stillstand geriethe, so dürfte es angemessener seyn, mehrere Leitungsdrähte strahlenförmig nach den einzelnen Quartieren der Stadt auszusenden und dieselben unabhängig von einander ihre Wirkung ausüben zu lassen, einen jeden z.B. mit nur 500 oder 1000 Uhren in Verbindung zu setzen. Während es bisher zu den schwierigsten und langwierigsten Nachforschungen gehörte, die Stelle baldmöglichst ausfindig zu machen, von wo die Leitung unterbrochen wurde, im Falle der betreffende Uhrenbesitzer nicht selbst die nöthige Einsicht besaß, den Schaden zu bemerken und alsbald zur Anzeige zu bringen, so ist man in Zukunft dieser Beschwerden fast vollständig enthoben, und man kann es einem Jeden auf seine eigene und alleinige Gefahr überlassen, die Aufsicht auf seine Uhr zu vernachlässigen und ihren Stillstand erst nach geraumer Zeit oder gar nicht zu melden; das Gesammtpublicum wird darunter nicht mehr zu leiden haben. Abgesehen davon, daß sich die Controle für die Erhaltung des Localdrahts einer Uhr schon aus ihrem Gange ergibt, falls nicht gesammte Uhren durch Unterbrechung des Leitungsdrahts in Stillstand gerathen sind, so läßt sich dieß zum Ueberfluß auch dadurch noch bewerkstelligen, daß man die an die Uhr befestigten Enden des Localdrahts in eine kleine Batterie und ein Galvanometer einschaltet. Der außerhalb des Hauses befindliche Verbindungsdraht bewirkt hier den Schluß der Kette. Unter normalen Umständen muß die Ablenkung der Nadel für alle Uhren gleich seyn. – Es wird dieß besonders auch als Mittel dienen müssen, um sich davon zu überzeugen, ob auch der Verbindungsdraht noch seine volle Function ausübt. Die Anfertigung des Verbindungsdrahts bietet wohl keine besonderen Schwierigkeiten. Vom Platin, welches bei fast 7fach größerem Leitungswiderstand wie Kupfer hinreichende Geschmeidigkeit und Festigkeit besitzt um sich in die dünnsten Fäden ausziehen zu lassen, würde z.B. bei 1/30''' Dicke ein 10' langes Stück schon ausreichen, bei der Annahme, daß f = 10 und die mittlere Entfernung von Uhr zu Uhr (λ) = 150' und der Widerstand in einem Element (l) = 60' eines 1''' dicken Kupferdrahts betrüge. Noch geeigneter wie Platin dürfte sich zu diesem Zweck eine Substanz aus dem Mineralreiche erweisen. Unter den bekannten Oxyden und Schwefelmetallen, welche Leiter der Elektricität sind, zeichnet sich der Magneteisenstein durch große Härte und Festigkeit aus. Dabei läßt er sich doch ziemlich leicht durch Schleifen auf Stein und mit der Feile bearbeiten. Seine Leitungsfähigkeit für die Elektricität ist, wie bei allen zusammengesetzten Leitern, sehr gering, annähernd 40,000 mal geringer wie von Platin. Ein Stückchen von 1''' Dicke und derselben Länge bietet demnach ungefähr denselben Leitungswiderstand wie ein 10' langer und 1/30''' dicker Platindraht. Um daran die Drähte sicher befestigen zu können, überzieht man die Enden im galvanoplastischen Apparat mit Kupfer und löthet an dieses die Drähte an. Durch geringes Befeilen des Minerals läßt sich sodann sehr leicht und schnell der gewünschte Leitungswiderstand der ganzen Vorrichtung herstellen. Dieselbe darf jedoch, während man ihren Leitungswiderstand mit dem Galvanometer mißt, von der Bearbeitung her nicht noch warm seyn, weil der Magneteisenstein, abweichend von den Metallen, bei höheren Temperaturen ein besserer Leiter der Elektricität wird. Weiterer Angaben wird es nicht bedürfen. Im Falle die angedeutete Vorrichtung den Beifall der Praktiker erlangen und in Anwendung kommen sollte, werden sich die einzuschlagenden sichersten Wege bald von selbst darbieten.