Titel: Noch ein Wort über Milchprüfung; von Prof. C. Brunner.
Fundstelle: Band 148, Jahrgang 1858, Nr. LXXXIX., S. 374
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LXXXIX. Noch ein Wort über Milchprüfung; von Prof. C. Brunner. Aus den Berner Mittheilungen, 1858, Nr. 410. Brunner, über Milchprüfung. Die polizeiliche Prüfung der Milch war in neuester Zeit öfter Gegenstand öffentlicher Besprechung. Es verdient auch die Ueberwachung eines der wichtigsten Lebensmittel gewiß alle Aufmerksamkeit. Die zu einer solchen Prüfung bisher in Vorschlag gebrachten Methoden sind theils indirecte, theils directe. Zu den ersteren gehören die auf physikalischen Grundsätzen beruhenden, wie die Prüfung des specifisischen Gewichtes, das Verhalten der von Fett befreiten Milch gegen polarisirtes Licht, die Wirkung auf durchfallendes Licht. Zu den letztern sind die chemischen Untersuchungsmethoden zu zählen, nach denen entweder eine vollständige Analyse oder die Bestimmung einzelner wesentlichen Bestandtheile bezweckt wird. Es ist wohl nicht zu läugnen, daß die in die letztere Classe gehörenden Methoden bei weitem den Vorzug verdienten, hätten sie nicht für die Praxis den Umstand gegen sich, daß ihre Anwendung weit mehr Fertigkeit der Manipulation und mehr Zeitaufwand erfordert, daher sie in den meisten Fällen für den gewöhnlichen Gebrauch nicht geeignet sind. Unter allen bisher empfohlenen Prüfungsmethoden hat diejenige, welche auf der Untersuchung des specifischen Gewichts beruht, wie es scheint, die allgemeinste Anwendung gefunden. Bei einem gerichtlichen Falle dieser Art, welcher letzthin in unserer Stadt verhandelt wurde, soll, wie man mir sagte, eine Aeußerung, die ich vor Kurzem über diesen Gegenstand gethan habePolytechn. Journal Bd. CXLVII S. 132., so ausgelegt worden seyn, als hielte ich diese Prüfungsmethode für ganz verwerflich. Ich fühle mich daher verpflichtet, hierüber eine nähere Erklärung abzugeben. Vorerst ist bekannt, daß die Untersuchung der Milch durch Prüfung ihres specifischen Gewichtes auf dem Umstande beruht, daß bei zunehmendem Gehalte derselben an festen, in der Flüssigkeit aufgelösten Bestandtheilen dieses vergrößert, durch Verminderung derselben, daher auch durch Zusatz von Wasser, verringert wird. Wäre daher nur eine solche Substanz in der Auflösung vorhanden, so könnte das specifische Gewicht einen vollkommen sichern Maaßstab für die Menge derselben abgeben, ungefähr wie dieses bei einer einfachen Salzauflösung der Fall ist. Nun aber enthält der wässerige Theil der Milch mehrere Substanzen neben einander gelöst, einen Bestandtheil, das Fett, eingemengt, die alle in ihren relativen Mengen variiren und in unbekannter Größe auf das specifische Gewicht Einfluß ausüben, so daß dasselbe ein zusammengesetztes Resultat dieser verschiedenen Factoren ist. Wird es mit dem Aräometer bestimmt, so kommt die eingemengte Butter am wenigsten in Betracht; das Aräometer gibt vielmehr das specifische Gewicht der gesammten Flüssigkeit. Der Grund hievon liegt in der relativ kleinen Menge dieses Bestandtheils. Nehmen wir nämlich an, die Butter, deren spec. Gewicht 0,921 istSonderbar, daß dieses nirgends angegeben ist!, betrage 3 Proc., das spec. Gewicht der Milch sey 1,032, so würde dieses, wenn man alle Butter entfernte, auf 1,0354 steigen. Gesetzt nun, das Aräometer gebe diese Differenz an, so wäre kaum zu entscheiden, ob dieselbe von mangelndem Buttergehalt, oder von größerm Gehalt an aufgelösten Bestandtheilen herrühre. Wir besitzen also am Aräometer ein zwar indirectes, jedoch insoweit annäherndes Prüfungsmittel, als jene relativ veränderliche Menge der in der Milch aufgelöst enthaltenen Bestandtheile und die durch Temperaturverhältnisse bedingten Umstände nebst der Genauigkeit des Instrumentes an sich es zulassen. Es ist jedoch ebenfalls klar, daß durch diese Methode nichts weiter als der relative Gehalt an sämmtlichen aufgelösten Stoffen, mithin auch umgekehrt der Wassergehalt nach einer vorher durch eine hinlängliche Anzahl von Beobachtungen festgesetzten Normalzahl annähernd bestimmt wird. Ueber die Natur der etwa vorhandenen fremden Beimischungen sowie über den Buttergehalt gibt das Aräometer keinen genügenden Aufschluß. Wenden wir uns nun zu den directen Prüfungsmethoden, so befinden wir uns nothwendig auf dem Gebiete der chemischen Analyse. Daß nun eine solche Arbeit, wenn sie sämmtliche in der Milch enthaltenen Bestandtheile umfassen soll, ihrer Natur nach wenig zu gerichtlichen oder industriellen Zwecken geeignet ist, bedarf wohl kaum einer nähern Auseinandersetzung. Nichtsdestoweniger scheinen möglichst einfache chemische Bestimmungsmethoden wenigstens der wichtigem Bestandtheile für solche Zwecke von Nutzen zu seyn. Wir wollen hier nur diejenigen der Butter und des Wassers etwas näher besprechen. Die relative Bestimmung der Butter aus der Menge des sich aus einer gemessenen Quantität von Milch abscheidenden Rahms ist als sehr unsicher hinlänglich bekannt. Diese Abscheidung geschieht nämlich mehr oder weniger vollständig, so daß sowohl ein kleiner Theil des Fettes in der sogenannten blauen Milch zurückbleibt, als auch der Rahm selbst von sehr ungleichem Buttergehalt ausfällt. Jedenfalls hat diese Prüfung das Unangenehme, daß sie wenigstens 12–15 Stunden Zeit erfordert. Die bekannte, von Mehrern angewandte Methode, den Buttergehalt durch Ausziehen dieses Bestandtheiles mit Aether zu bestimmen, gibt allein zuverlässige Resultate. Sie kann auf die von mir (im polytechn. Journal Bd. CXLVII S. 132) beschriebene Art mit hinlänglicher Genauigkeit ausgeführt werden. Diese Untersuchung dürfte für den gewöhnlichen Handelswerth der Milch besonders von Interesse seyn, indem man zu den meisten ökonomischen Anwendungen gerade auf diesen Bestandtheil das meiste Gewicht zu legen pflegt. Allein eine Beurtheilung von Verfälschung durch Zusatz von Wasser könnte hieraus allein nicht mit Sicherheit beurtheilt werden, indem der Buttergehalt der auch ganz unverfälschten Milch ziemlich veränderlich zu seyn scheint. Um nun den Wassergehalt der Milch zu bestimmen, kann außer dem Aräometer, welches ein zwar annäherndes Resultat gibt, folgende directe Methode angewandt werden. Man tarirt ein kleines Gläschen mit der zu untersuchenden Milch auf einer empfindlichen Waage möglichst genau, gießt alsdann eine kleine Menge davon, etwa 5–6 Gramme, in ein flaches blechernes Schälchen von ungefähr 2 1/2 Zoll Durchmesser, ersetzt das Herausgenommene auf der Waage durch Gewichte, wodurch man die Menge der in Arbeit genommenen Milch auf etwa 0,01 Gramm genau bestimmt. Nun werden etwa 30 Gramme (2 Loth) gröblich zerstoßener und von dem feinen Pulver durch ein Sieb befreiter Quarz zugesetzt und Alles wird mittelst eines kleinen Spatels unter einander gerührt, so daß die Milch von dem Quarzpulver aufgesogen wird und mit demselben ein gleichmäßig feuchtes Pulver bildet. Hierauf wird das Schälchen mit seinem Inhalte und dem kleinen Spatel genau tarirt und auf einem kochenden WasserbadeZ.B. auf dem von Fresenius (Anleitung zur quantitativen chemischen Analyse, 4te Auflage, S. 70) beschriebenen. unter öfterem Umrühren behandelt. Nach einer Viertelstunde wird das Schälchen wieder auf die Waage gebracht und die Menge des verdampften Wassers durch Auflegen von Gewichten bestimmt. Obgleich bei den oben angegebenen Verhältnissen in dieser Zeit das Austrocknen vollendet seyn wird, so ist es doch zweckmäßig, sich dessen durch nochmaliges Einsetzen des Schälchens in das kochende Wasserbad während 5 Minuten zu versichern. Man wird jedoch selten noch eine Gewichtsabnahme beobachten. Zum Beweise, daß diese Trocknungsmethode genüge, wurde öfters eine ähnliche Austrocknung mit Quarz in einem künstlich getrockneten Luftzuge bei 110–120° C. mit der nämlichen Milch veranstaltet, dabei aber die gleichen Zahlen wie beim Austrocknen im Schälchen erhalten. Erst wenn die Temperatur auf etwa 130° gesteigert wird, erhält man eine kaum merklich größere Gewichtsabnahme, womit aber zugleich ein leichtes Gelb- oder Braunwerden des Quarzes, also eine anfangende Zersetzung des Rückstandes stattfindet. Die auf diese Art mit verschiedenen Quantitäten der nämlichen Milch erhaltenen Zahlen stimmen mit einander so nahe überein, daß erst in den Tausendtheilen einige Abweichungen stattfinden. Obgleich diesemnach als vollkommen sicher angenommen werden konnte, daß ein Zusatz einer bekannten Menge von Wasser zu einer vorher auf ihren Wassergehalt geprüften Milch ziemlich genau wiedergefunden werden kann, so wurde dennoch ein directer Versuch in dieser Beziehung angestellt. Von einer Milch, welche durch diese Austrocknungsmethode einen Wassergehalt von 89,24 Proc. gegeben hatte, wurden 4,450 Gramme mit 1,852 Grammen Wasser vermischt. Bei dem Austrocknen während einer Viertelstunde wurde 5,822 Wasser erhalten. Der Rechnung nach hätte man 5,823 erhalten sollen. Ich glaube daher nicht zu viel zu behaupten, wenn ich annehme, daß 1/2 Procent Wasser mit vollkommener Sicherheit bestimmt werden kann. Um diese Methode praktisch, sowohl zum industriellen als zum polizeilichen Gebrauche anzuwenden, bedarf es offenbar nur, daß, wie bei der aräometrischen Prüfung, eine Normalzahl festgesetzt werde, über welche hinaus der Wassergehalt nie steigen soll. Diese Zahl wird nun nach der Localität verschieden zu bestimmen seyn. Nach mehreren, freilich vielleicht nicht hinlänglich zahlreichen Versuchen, scheint mir 89,5 Proc. eine billige zu seyn. Vielleicht dürfte man bis auf 90 Procent steigen. Man wird vielleicht einwenden, daß dieses Verfahren zu umständlich und zeitraubend sey. Mit geringer Uebung wird man jedoch leicht dahin gelangen, die ganze Operation, die Wägungen mitgerechnet, in 25 Minuten auszuführen. Auch wäre es leicht, eine Einrichtung zu treffen, um mehrere Proben zu gleicher Zeit abzudampfen. Jedenfalls dürfte die Methode sehr geeignet seyn, die Angaben des Aräometers zu controliren und in besondern, bestrittenen Fällen zu entscheiden. Diese beiden directen Bestimmungen des Fettes und des Wassers dürften in den meisten vorkommenden Fällen zur Prüfung der Milch ausreichen. Für andere, auf besondere Zusätze sich beziehende Untersuchungen dürften schwerlich allgemeine Vorschriften gegeben werden können. Es ist vielmehr der Chemiker auf die für jeden besondern Fall von Verdacht geeigneten Mittel angewiesen. Schließlich sey noch bemerkt, daß zu den in der gewöhnlichen Praxis vorkommenden Fällen das Aräometer immerhin ein brauchbares Instrument bleiben wird, wenn man nicht mehr von demselben verlangt, als die annähernde Angabe einer Verfälschung mit Wasser. Eine solche, oder besser gesagt überhaupt einen, vielleicht nicht absichtlich zugesetzten, relativ zu großen Wassergehalt, der unter Umständen einigermaßen bestrafenswerth seyn kann, wird es immer mit ziemlicher Sicherheit anzeigen. Sollte bei besondern bestrittenen Fällen genaue Prüfung verlangt werden, so mögen die oben beschriebenen Methoden Anwendung finden.