Titel: Verfahren, die unbedruckten Stellen der mit Garancin gefärbten Kattune mittelst Chlorverbindungen weiß zu bleichen; von Heinrich A. Köchlin.
Fundstelle: Band 149, Jahrgang 1858, Nr. LXXXVI., S. 287
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LXXXVI. Verfahren, die unbedruckten Stellen der mit Garancin gefärbten Kattune mittelst Chlorverbindungen weiß zu bleichen; von Heinrich A. Köchlin. Aus dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse, 1858, Nr. 143. Köchlin's Verfahren den Grund der in Garancin gefärbten Kattune zu bleichen. Gegenwärtig ist das Chloriren der Garancin-Artikel, als Ersatzmittel der Rasenbleiche, fast von allen Kattundruckereien angenommen. Dasselbe wird meistens in der Art ausgeführt, daß man die Stücke auf der Walzendruckmaschine mit einer Auflösung von Chlorkalt, Chlornatron oder Chlorkali imprägnirt, deren Stärke 1/2° bis 2° oder 3° Baumé benagt, je nach der Tiefe der Gravirung der Walze und dem angewendeten Trockenverfahren; die so imprägnirten Stücke werden unmittelbar der Einwirkung der Wärme ausgesetzt, welche einen Theil des Chlors auf dem Zeuge in Freiheit setzt. In einigen Druckereien setzt man die Stücke der Einwirkung der Wärme dadurch aus, daß man sie über Trockentrommeln passirt; in diesem Falle wendet man zum Imprägniren der Stücke die Walzendruckmaschine nicht an, sondern bringt vor dem Trockenapparat eine kleine Grundirmaschine mit zwei Walzen an, wovon die eine gravirt ist, die andere die Pressung hervorbringt. In den meisten Druckereien imprägnirt man aber die Stücke auf der Walzendruckmaschine und leitet sie dann behufs der Einwirkung der Wärme in heiße Kammern mit Strömen heißer Luft oder mit durch Dampf erhitzten Platten.Dieses Verfahren wurde von Royet und Steinbach veröffentlicht; polytechn. Journal Bd. CXLII S. 218.A. d. Red. Bei Anwendung der heißen Luftströme tritt in der Regel ein Zeitpunkt ein, wo die Luft der heißen Kammer so mit Feuchtigkeit gesättigt ist, daß die Stücke nicht mehr trocken herauskommen können. Dieser Uebelstand, welcher mit Verlust an Zeit und Handarbeit verbunden ist, weil man die Stücke mit der geringsten Geschwindigkeit durchpassiren muß, veranlaßte mich im Winter 1854 die Behandlung mit Chlor in der Kälte zu versuchen, welche mir gute Resultate lieferte. Dabei ersetze ich die Einwirkung der Wärme auf das Chloralkali durch diejenige einer Säure, b. h. ich zersetze den Chlorkalk oder das Chlornatron durch eine Säure, welche mit dem Kalk oder Natron ein auflösliches Salz bildet, und mache dadurch das Chlor frei, welches alsdann bleichend auf die mit ihm in Contact befindlichen Stellen des Zeuges wirkt. Man druckt auf einer doppelten Walzendruckmaschine mit der ersten Millepoints- oder Milleraies-WalzeMillepoints ist eine aus dicht an einander stehenden vertieften Punkten bestehende Gravirung; Milleraies ist eine vertiefte Gravirung in dicht neben einander befindlichen schiefen Strichen, welche auf der Walze concentrische Kreise bilden.A. d. Red. Chlorkalk oder Chlornatron von 1/2° bis 1° Baumé (je nach der Tiefe der Gravirung) auf; dann mit der zweiten derartigen Walze verdünnte Essigsäure, oder Salzsäure, oder selbst Schwefelsäure. Die Menge der Säure muß nach der Stärke des angewendeten Chloralkalis und nach der Flüssigkeitsmenge welche die Walze auf das Stück aufträgt, berechnet werden. Die in der Praxis anzunehmenden Verhältnisse sind folgende:   Essigsäure  Salzsäure Schwefelsäure   A + 3HO.    20° B.      66° B. Für 1 Liter Chlorkalk von   Kil.  Kil.     Kil.    1/2° Baumé braucht man    0,010, oder   0,015, oder      0,006   K.  K.     K. Von 3/4° Baumé  0,015    „ 0,022    „    0,009   K.  K.     K. Von 1° Baumé  0,020    „ 0,030    „    0,012 Das auf der doppelten Walzendruckmaschine so mit Chlorkalk und Säure imprägnirte, aber nicht getrocknete Stück wird in Wasser passirt und gewaschen. Um die für den Chlorkalk erforderliche Stärke des gesäuerten Wassers berechnen zu können, braucht man nur die Flüssigkeitsmenge zu ermitteln welche die Säure-Walze an das Stück abgibt, und diejenige welche die Chlor-Walze abgibt; mit diesem Verhältniß und obigen Daten ist es leicht die Säuremenge zu bestimmen, welche dem Wasser zugesetzt werden muß. Das beschriebene Verfahren, um das Chlor auf den Zeugen in der Kälte durch Säure frei zu machen, gewährt im Vergleich mit der bisher befolgten Methode, den Chlorkalk oder das Chloralkali auf dem Zeuge mittelst der Wärme zu zersetzen, folgende Vortheile: 1) erfordert es einen schwächeren Chlorkalk; 2) erheischt es weniger Handarbeit; 3) fällt bei der doppelten Walzendruckmaschine die Benutzung des Trockenraums mit Rollensystem weg, daher man jene Maschine durch eine Grundirmaschine mit zwei Walzen ersetzen kann; 4) kann man in derselben Zeit eine größere Anzahl von Stücken chloren; 5) durch Anwendung von Salzsäure oder Essigsäure zum Zersetzen des Chlorkalks erhält man ein lösliches Kalksalz, und der Zeug wird dann durch das Auswaschen vollständig von einer Basis befreit, welche für gewisse Einpaßfarben schädlich ist; 6) das Weiß bleibt reiner und wird nicht gelblich, wie es bei der bisherigen Methode so oft vorkommt, wenn man entweder stark chloren muß, oder das Stück einer größeren Hitze ausgesetzt wird als die Verdampfung des Wassers, womit es imprägnirt ist, erfordert. Wenn man das beschriebene Verfahren bei Artikeln mit Garancinroth oder Catechubraun anwendet, so muß die zu benutzende Säure eisenfrei seyn, weil ein vorhandenes Eisensalz das Roth bräunen und das Catechu dunkeln würde. Bericht über vorstehende Abhandlung, von C. Royet. Heinrich A. Köchlin benutzt bei seinem neuen Verfahren zum Chloren der Garancin-Artikel eine doppelte Walzendruckmaschine, deren erste Millepoints-Walze auf das Stück die Chlorkaltlösung aufträgt, wornach die zweite Millepoints-Walze den Chlorkalk mit der zu seiner Zersetzung erforderlichen Menge gesäuerten Wassers bedeckt. Nach dem Bedrucken werden die Stücke, ohne daß man sie trocknet, im Fluß gewaschen. Behufs der Prüfung dieses Verfahrens mußte ich zuerst ermitteln, in welchem Verhältniß die mir verfügbaren zwei Millepoints-Walzen Flüssigkeit an den Zeug abgeben; ich fand, daß die erste Walze 15 Liter Wasser an 6 Stücke von 50 Meter Länge abgab, und die zweite Walze 10 Liter. Dieses Verhältniß ändert sich natürlich mit der Abnutzung der Walzen, daher man es von Zeit zu Zeit rectificiren muß, so wie wenn die Walzen neu molettirt werden. 1 Liter meiner Chlorkalklösung von 8° Baumé erforderte zur Sättigung 100 Gramme Salzsäure von 19° Baumé. Meine Versuche habe ich nur mit gewöhnlicher Salzsäure gemacht, weil die Essigsäure zu theuer ist, und die Schwefelsäure wenig löslichen schwefelsauren Kalk erzeugt, welcher bei unvollkommenem Waschen in den Fasern des Gewebes zurückbleiben könnte. Ich habe über fünfzig Versuche mit Probestücken von 1/4 bis 1/2 Meter Länge angestellt, einerseits indem ich dieselben bloß mit Chlorkalklösung mittelst einer Millepoints-Walze bedruckte und dann trocknete; andererseits indem ich sie auf der doppelten Walzendruckmaschine zuerst mit Chlorkalklösung und dann mit dem entsprechenden Verhältniß von Säure bedruckte. Bei allen diesen Versuchen hatten die nach dem neuen Verfahren behandelten Probestücke ein weniger schönes Weiß als die bloß mit Chlorkalklösung bedruckten und dann getrockneten Proben, und zwar war das Weiß um so weniger schön, je mehr Säure angewendet wurde. Dieses Resultat läßt sich leicht erklären; bekanntlich wird der Krappfarbstoff vom Chlor nur sehr langsam angegriffen: wenn daher soviel Säure angewendet wird, daß der Chlorkalk sich in kürzerer Zeit zersetzt, als die Zerstörung des Alizarins beansprucht, so muß das Weiß weniger schön ausfallen; ein großer Theil des Chlors scheint sich auch zu verflüchtigen, ohne auf den Farbstoff zu wirken. Diese Ansicht wird durch alle meine Versuche mit Probestücken von 1/2 Meter Länge bestätigt. Bedruckt man jedoch je sechs zusammengenähte ganze Stücke auf der doppelten Walzendruckmaschine, läßt sie in dem Maaße als sie die Maschine verlassen, unmittelbar um sich selbst aufrollen, rollt sie dann von der hölzernen Walze, um welche sie aufgewickelt wurden, ab, trennt sie dabei von einander, und wascht sie Stück für Stück, so ist das Weiß eben so schön, wie bei der bloß mit Chlorkalklösung bedruckten und getrockneten Waare. Ueberhaupt habe ich Folgendes zu bemerken: 1) daß beim Bedrucken der Stücke mit Chlorkalklösung auf der Walzendruckmaschine das Trocknen niemals Schwierigkeiten veranlaßte, wenn die mit Rollensystem versehenen Trockenkästen mit einer zweckmäßigen Ventilation construirt sind; 2) daß man jetzt nur noch ausnahmsweise (nämlich für Dampffarben-Artikel) die Stücke auf der Walzendruckmaschine mit dem Chlorkalk bedruckt, beruht darauf, daß man die Kosten für Handarbeit, Walzendrucktücher, Unterlegtücher etc. vermeiden will; 3) wenn man die Stücke auf der Grundirmaschine (mit einer gravirten Walze und einer Preßwalze) mit der Chlorkalklösung imprägnirt und sie dann auf einer Dampftrommel trocknet, so ist ein einziger verständiger Arbeiter für diese Arbeit ausreichend; 4) wenn man darauf hält, die mit Chlorkalklösung imprägnirten Stücke nicht zu trocknen, so kann man das Auftragen von Säure doch entbehren und dieselbe durch Dämpfen der Waare ersetzen; mehrere Fabriken passiren die mit Chlorkalklösung imprägnirten Stücke durch einen mit Rollensystem versehenen Dampfkasten, und von da im Fluß. In chemischer Hinsicht gewährt also Köchlin's Verfahren keinen Vortheil; es greift insbesondere das Violett an, welches röthlich wird, selbst wenn man nur die Hälfte der erforderlichen Säuremenge nimmt. Ueberdieß eignet es sich nicht für Dampffarben-Artikel und überhaupt solche Artikel, welche das Aufrollen der nassen Stücke um sich selbst nicht vertragen. Zur Ergänzung des bereits im Bulletin No. 134 (polytechn. Journal Bd. CXLII S. 218) veröffentlichten Verfahrens, und weil zu hoffen ist, daß das neue Verfahren Anwendungen finden dürfte, begutachtet der Ausschuß für Chemie dessen Aufnahme im Bulletin der Gesellschaft.