Titel: Ueber mixeolytische Farben; von B. Kletzinsky.
Fundstelle: Band 150, Jahrgang 1858, Nr. XVII., S. 55
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XVII. Ueber mixeolytische Farben; von B. Kletzinsky. Aus Stamm's neuesten Erfindungen, 1858, Nr. 36. Kletzinsky, über mixeolytische Farben. Es ist wohl unbestritten, daß auf dem Gebiete der chemischen Farbenerzeugung dem nassen Wege der entschiedene Vorzug vor dem trockenen gebührt, wie sich denn auch schon längst der auf nassem Wege durch Fällen eines Quecksilberoxydsalzes und Schütteln mittelst Schwefelleberlösung erzeugte französische Vermillon über alle Sorten des durch Sublimation auf trockenem Wege gewonnenen Zinnobers den gebührenden Vorrang errungen hat. Es ist überhaupt von Vorne herein unmöglich, auf trockenem Wege durch die mechanischen Operationen des Pulverns, Siebens, Mahlens, Verreibens mit dem Läufer, ja selbst des Schlämmens eine solche atomäre feinkörnige Verkleinerung des Farbstoffes zu erzielen, wie sie die Fällung eines Pigmentes auf nassem Wege durch das Zusammenmischen zweier klaren Lösungen liefert; und doch weiß man mit Bestimmtheit, daß gerade das moleculäre Korn einer Farbe, d.h. der hohe Grad ihrer Verriebenheit, ihrer Feinheit den entschiedensten und nächsten Einfluß auf die Frische, Lebendigkeit, Nüance, das Deckungsvermögen, die Intensität, Mischbarkeit und somit überhaupt auf den Werth derselben besitze. Ist aber diese Feinheit des pulverigen Aggregatzustandes einer Farbe schon an und für sich für die Zwecke der Malerei, des Anstrichs von Wichtigkeit, so ist sie geradezu unentbehrlich, wenn es sich um die innige und möglichst gleichförmige Mengung zweier Farben behufs der constanten Hervorbringung einer sogenannten Zwischentinte, Mittelcouleur oder einer combinirten Nüance handelt. Wenn z.B. Chromgelb und Berlinerblau zu Laubgrün gemischt werden sollen, so wird nur dann der Effect der grünen Mittelfarbe den Anforderungen einer frischen Coloratur genügend entsprechen, wenn die Feinheit des Verreibungsgrades jeder einzelnen Farbe es gestattete, die beiden heterogenen Farbenkörnchen so innig und allseitig nebeneinander zu bringen, daß die äußerst nahe zusammenfallenden blauen und gelben Lichtreflexe im Auge des Beobachters zu dem optischen Eindrucke des Grün sich ergänzen und verschlingen. Da dieß nun auf nassem Wege entschieden besser und leichter erreicht wird, als auf dem mühsamen Wege des mechanischen Verreibens, so dürfte das Princip mixeolytischer Farben auch für die weitesten Kreise der chromatischen Production und der chemischen Farbenindustrie überhaupt die wärmste Empfehlung verdienen. Dieses Princip besteht nun darin: man wählt zwei Paare von Lösungen, die so beschaffen sind, daß jedes Paar für sich beim Zusammenmischen einen Niederschlag liefert, der alle nöthigen Eigenschaften einer chemischen Farbe hat. Es seyen diese beiden Lösungspaare a, b und c, d: a und b gebe beim Vermischen blau; c und d erzeuge beim Vermischen gelb; sind nun mit chemischem Tacte die Lösungen so gewählt, daß sich a mit c und b mit d vermengen läßt, ohne daß eine störende chemische Zersetzung oder Fällung eintritt, so hat man das Princip der Mixeolyse realisirt, da beim Vermischen der Doppellösung a, c mit der Doppellösung b, d gleich unmittelbar die neue grüne mixeolytische Farbe gefällt wird. Weil nun aber eine vollständige Lösung, sey sie auch noch so zusammengesetzt, in allen ihren Theilen völlig gleichartig, von gleichem Gehalte und gleicher Dichte ist, so sieht man auf den ersten Blick, daß die gefällte Nüance an Gleichförmigkeit der Mischung, Richtigkeit des Verhältnisses und Feinheit, der durch trockenes Mischen und Verreiben erzeugten Farbe unerreichbar überlegen sey. Um Beispiele dieser Methode zu geben, mögen folgende Mischungsverhältnisse dienen: Gemischte Doppellösung Gemischte Doppellösung (a, c.) 1. (b, d.) einfach-chromsaures Kali gelb essigsaures Bleioxyd, gelbes Blutlaugensalz, blau essigsaures Eisenoxyd, für satt-grüne Nüancen (mit Salpetersäure zu schönen). 2. Schwefelwasserstoffwas., gelb salpeters. Cadmiumoxyd, gelbes Blutlaugensalz, blau salpetersaures Eisenoxyd, für Nüancen von Scheel'schem Grün (nicht giftig). 3. (viel) Phosphs. Natron blau (viel) salpeters. Kupferoxyd, (wenig) einf. chroms. Kali gelb (wenig) salpeters. Bleioxyd, für hellmaigrüne Farbentöne. 4. Gelbes Blutlaugensalz blau Eisenchlorid, blank fixe Chlorbaryum Permanentweiß schwefels. Ammoniak, für hell-louisen- bis himmelblaue Farbentöne. 5. Schwefelwasserstoffwas. orange Brechweinstein, gelbes Blutlaugensalz, blau salpetersaures Eisenoxyd, für dunkelgrüne Nüancen. 6. Schwefelwasserstoffwas. braun Zinnchlorür, gelbes Blutlaugensalz blau Eisenchlorid, für olivengrüne Nüancen (mit sehr schwacher Salpetersäure zu schönen). 7. Schwefelwasserstoffw. braun Zinnchlorür, gelbes Blutlaugensalz Casslerroth Kupfervitriol, für tiefes Bistre (satte, gut deckende Farbe). Diese sieben Beispiele mögen vorläufig aus der fast unbegränzten Reihe chemischen Permutationen solcher mixeolytischer Verhältnisse genügen. Aber nicht nur die Mischungen lassen sich vervielfältigen, sondern auch die relativen Verhältnisse der einzelnen Lösungen innerhalb einer Mischung sind höchst variable, so daß die abgeänderten quantitativen Verhältnisse einer und derselben quantitativen Mischung ebenso vielen verschiedenen Nüancen der Farbe entsprechen, die so weit leichter in aller Gleichheit festgehalten und wiedererzeugt werden können, als dieß bei dem Verreiben der beiden fertigen Mischungsfarben auf gewöhnlichem Wege der Fall ist. Selbstverständlich muß man bei den Probeversuchen mit titrirten Lösungen (von bekanntem Gehalte) und in kubicirten Gefäßen (mittelst gemessener Mengen) arbeiten, um die zufällig oder endlich geglückte richtige Nüance in ihren Mischungsverhältnissen feststellen und für alle weitere Folge bei dem Betriebe im Großen in völlig gleicher Weise wieder erzeugen zu können.