Titel: Zur Theorie der Bierbrauerei, in Bezug auf Mulder's Chemie des Bieres; von G. E. Habich.
Autor: G. E. Habich
Fundstelle: Band 150, Jahrgang 1858, Nr. LXI., S. 222
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LXI. Zur Theorie der Bierbrauerei, in Bezug auf Mulder's Chemie des Bieres; von G. E. Habich. Habich, zur Theorie der Bierbrauerei. I. Nach den Erfahrungen, welche ich in der letzten Zeit bezüglich der Theorie und Praxis der Bierbrauerei gemacht habe, hat mir die Bekanntschaft mit Mulder's vortrefflicher „Chemie des Bieres“ (Leipzig bei Weber, 1858) ungemeine Freude bereitet. Das in diesem Werke enthaltene analytische Material füllt eine Menge sehr fühlbarer Lücken der Gährungschemie aus und deßhalb darf das Buch fortan nirgends in der Bibliothek eines Zymotechnikers fehlen. Die Schlußfolgerungen aber, welche Mulder aus seinen Beobachtungen gezogen hat, stimmen nicht überall mit meinen Erfahrungen überein und ich will deßhalb den Versuch machen, die Gegensätze – wenn sie bloß scheinbar sind – in Einklang zu bringen, oder aber – auf Grund meiner Versuche – die Anschauungen Mulder's zu bestreiten. An gar manchen Stellen des Werkes merkt man, daß der Verfasser nicht immer der Praxis nahe genug gestanden hat, um sie mit der Seele der Wissenschaft zu beleben, – da kommen dann an verschiedenen Stellen des Werkes offene Wiedersprüche zum Vorschein. So z.B. heißt es S. 7: „Die belgischen Biere sind für die ganze Lehre von der Bierbrauerei und zur Kenntniß der chemischen Processe bei dieser Bereitung von großer Wichtigkeit, indem man dabei weder Malz (!) d. i. geleimtes Getreide, – – noch Ferment, noch auch Hopfen in Anwendung bringt.“ – Dieses belgische Brauverfahren wird nun S. 274 und 275 beschrieben. Und dabei wird überall die Anwendung des Malzes neben dem ungemalzten Getreide erwähnt. „Das belgische Verfahren besteht darin, daß man auch anderes Getreide, außer Gerste, vorzüglich Weizen anwendet. Malz und Getreide werden fein gemahlen.“ – Ferner: „Man kann recht gut gleiche Theile ungemalzten Weizen und Gerstenmalz, sogar im Verhältniß von 3: 2, anwenden, vorausgesetzt, daß in diesem Falle das Malz nur schwach gedarrt ist.“ – Nach diesen Widersprüchen (ich könnte sie noch weiter ausführen!) zu urtheilen, unterliegt es keinem Zweifel, daß Hrn. Mulder zur Zeit, als er die „Einleitung“ zu seiner Chemie des Bieres schrieb, die Praxis der belgischen Braumethode noch unbekannt gewesen seyn muß. In dieser Ueberzeugung wird man nur bestärkt, wenn man weiter liest (S. 9.) „von den kleinen Unterschieden, wovon man sich kaum Rechenschaft zu geben im Stande ist“ und welche doch oft „die unendliche Verschiedenheit, welche unter den heutigen Vieren herrscht,“ begründen sollen. Das ist nichts als ein von den Bierbrauern cultivirter Mythus, mittelst dessen sie ihre chemische Ignoranz bei der Ausübung eines chemischen Gewerbes zudecken wollen. Wer einmal genauer hinter die Coulissen gesehen hat, der lacht über solche Dinge. Genaue Kenntniß der chemischen und physikalischen Vorgänge, auf welche es wesentlich ankommt – Ueberwachung des Maischprocesses mit dem Thermometer, der Verzuckerung mit der Jodprobe, der Concentration der Würze mit dem Saccharometer, des Gährungsverlaufs mit Thermometer und Saccharometer, des Abfüllens mit Saccharometer und Barometer – das ist's was 9/10 der Brauer durchaus nicht kennen, um ihr Gewerbe in seinen Erfolgen ebenso sicher zu machen als irgend ein anderes. Und wenn ich Eines an dem Mulder'schen Werke ganz entschieden tadelnswerth finde, so ist es die dem Aberglauben gemachte Concession, für welche ihm jeder Bierbrauer, welcher nicht vorwärts will, sondern nach wie vor mit seinem steifgewickelten Zopfe paradirt, dankbar seyn wird. Hr. Mulder hat seinen Gegenstand sehr übersichtlich in 18 Capiteln (die deutsche Uebersetzung enthält bloß 17) abgehandelt. Ich werde aus solchen der Reihe nach hervorheben, was mir einer weitern Besprechung werth zu seyn scheint. Im ersten Capitel werden die Bestandtheile der zur Bierbereitung verwendeten Getreidesorten betrachtet. Bei dieser Gelegenheit stellt Mulder auch den Begriff „Bier“ fest. Und weil er den durch Nichts motivirten Vordersatz: „zur Bereitung von Bier ist das Getreide ein Haupterforderniß“ festhält, so gestattet er Erbsen und Bohnen (S. 13) ohne Weiteres den Zutritt in das Materialien-Magazin, während er die Kartoffeln von der Mitanwendung zur Bierbrauerei ausschließt. Ich habe in einem früheren Aufsatze („über Kartoffelbier“) die Einseitigkeit und Unstatthaftigkeit dieses chemischen Machtspruchs nachgewiesen. Im weitern Verlauf dieses Capitels werden die durch Dr. Oudemans (Assistent Mulder's) ausgeführten Analysen von verschiedenen Getreiden und von Malz in den verschiedenen Stadien der Trockenheit und Darrung mitgetheilt. Auf die aus dieser schätzenswerthen Arbeit resultirenden Folgerungen bezüglich der chemischen Vorgänge beim Malzen und Darren kommen wir später zu sprechen. Hier handelt es sich bei Mulder hauptsächlich um Herstellung einer Vertrauen verdienenden Analyse der rohen Getreide, zunächst der Gerste. Eine vergleichende Zusammenstellung der vorhandenen analytischen Resultate zeigt eine große Verschiedenheit, welche theilweise auf der Mangelhaftigkeit der befolgten analytischen Methoden beruht. Da nun die Methode von Oudemans jedenfalls zu den zuverlässigsten Resultaten berechtigte, so ließ Mulder durch denselben die Gerste (und zwar das ganze Korn) analysiren. Begreiflicher Weise war eine Uebereinstimmung der hierdurch erzielten Resultate mit den übrigen nicht zu erwarten, weil 1) nur eine Gerstensorte (welche?) untersucht wurde und die verschiedenen Sorten wegen der sehr verschiedenen Entwickelung des Korns und der Hülsendecke auch sehr abweichende Mengen von Zellenstoffen finden lassen mußten, – und 2) das Verhältniß zwischen den Kohlenhydraten und den Eiweißstoffen sich – je nach der Verschiedenheit der Umstände, unter denen sich Pflanze und Korn ausbilden, stets anders gestalten muß (vergl. z.B. Stöckhardt im chemischen Ackersmann 1857, S. 43). Deßhalb ist es denn auch nicht zu billigen, wenn Mulder die Resultate Oudemans' gleichsam als Maaßstab zur Beurtheilung des Werthes der übrigen gebraucht. Hätte Oudemans eine Reihe von Gerstenvarietäten analysirt, welche unter sehr verschiedenen Verhältnissen (besonders in Bezug auf Düngung) gewachsen sind, so würden ebenwohl alsbald die bedeutenden Abweichungen zu Tage getreten seyn. Und eine solche verdienstvolle Arbeit möchte man wohl durch Hrn. Oudemans ausgeführt sehen. An einer andern Stelle gesteht auch Mulder das Gewicht solcher Einflüsse zu, indem er beim Weizen (S. 49) die Untersuchung Peligot's citirt, wobei die Menge der stickstoffhaltigen Bestandtheile zwischen 10 und 22 Procent schwankend gefunden wurde. „Im umgekehrten Verhältnisse schwankte der Gehalt an Stärkmehl und Dextrin.“„Gewiß eine bemerkenswerthe Thatsache für die Agricultur,“ fügt Mulder hinzu. Ganz gewiß, – aber warum nicht auch bei der Gerste? – Bei dieser Gelegenheit bringt Mulder auch eine Zusammenstellung von Analysen der Gerstenasche. Ich muß gestehen, daß ich den Werth, welche diese Bestimmungen für eine Chemie des Bieres haben sollen, nicht einsehe, – in einer Agriculturchemie stehen sie aber jedenfalls am Platze. Mulder freilich – nachdem er die unorganischen Stoffe (S. 5), „welche aus dem Getreide in die wässerige Lösung gehen,“ zu den nährenden Bestandtheilen des Bieres zählt – glaubt durch die Gegenwart derselben dem Biere den nobeln Charakter der Mineralwässer (S. 5) zu verleihen. Dagegen ließe sich nun freilich gleich einwenden, daß z.B. die gepriesene Quelle von Gastein an Salzen nicht reicher ist, als das erste beste Flußwasser, – daß also bei den Mineralwässern wohl die andern Factoren (Veränderung der Luft und Diät, regelmäßige Bewegung, andere geistige Thätigkeit etc.) die Hauptmatadoren seyn werden. Aber Mulder gesteht auch S. 115 Anm. zu, daß die Gerste beim Einweichen (behufs der Malzerei) eine ansehnliche Menge löslicher Salze verliert. Und damit können wir wohl diesen Punkt vorläufig für ganz unwesentlich halten. Ueber die Phosphorsäure aber hat Mulder eine ganz besondere Anschauung. Seite 47 heißt es: „In der Gerste selbst existirt die Phosphorsäure zum Theil als solche, an Eiweißkörper gebunden.“ Diese Thatsache wäre neu, – und da Mulder den Weg nicht angibt auf welchem er zu diesem Resultate gelangt ist und unsere gewöhnlichen agriculturchemischen Meinungen über den Eintritt und die Mission der Phosphorsäure im Pflanzenorganismus nicht gut in Einklang zu bringen sind mit dieser Angabe, so habe ich einen Versuch gemacht, der mir selbst die fehlende Ueberzeugung verschaffen sollte. Die Eiweißkörper gehen mit Gerbsäure in Wasser unlösliche Verbindungen ein, – in saurem Wasser aber sind dieselben löslich. War also ein phosphorsaurer Eiweißstoff vorhanden, so mußte derselbe in einem kalten wässerigen Gersten-Auszug enthalten seyn und bei Zusatz eines Ueberschusses von Gerbsäure gelöst bleiben, – aus dem Filtrat mußte also beim Kochen mit überschüssigem Kali Ammoniak entwickelt werden. Ich habe diesen Versuch gemacht und konnte – selbst bei Verwendung einer größern Menge von – Gerste keine Ausscheidung in einer spirituosen Platinoxydlösung erhalten. Ich habe deßhalb auch vorläufig noch keinen Grund, an die Existenz eines phosphorsauren Eiweißstoffs zu glauben. Zucker fand Mulder weder in der Gerste, noch in den übrigen Getreiden. Hieran reiht sich nun eine nähere Betrachtung der Gerste und des Weizens, wobei uns hauptsächlich die Besprechung der stickstoffhaltigen Substanzen (Eiweißkörper) von hohem Interesse seyn muß, weil unser Wissen über dieselben noch sehr mangelhaft ist. Mulder hat seine dahin gehörigen Erfahrungen so sehr durch das ganze Werk zerstreut, daß man durch das, was er bei der Besprechung der Getreide bietet, nicht ganz befriedigt wird und erst durch die weitere Mittheilung (bei der „Gährung“) zum bessern Verständniß gelangt. Ich will den Versuch machen, hier das zusammenzustellen, was wesentlich hierher gehört, – wir werden dann später noch auf einiges Andere zurückkommen. Bisher wurden folgende im Pflanzenreich vorkommende Eiweißkörper unterschieden: Legumin, – löslich in Wasser und daraus durch Essigsäure fällbar, die wässerige Lösung gerinnt nicht in der Wärme; – lösliches Pflanzeneiweiß, – löslich in Wasser, gerinnt beim Erwärmen; – unlösliches Pflanzeneiweiß (Liebig's Pflanzenfibrin), – unlöslich in Wasser, löslich in concentrirter Essigsäure oder verdünnter Kalilauge; – Glutin (Liebig's Pflanzenleim), – fast unlöslich in kaltem Wasser, löslich in Alkohol und durch Verdunsten daraus fällbar; – Mucin, – löslich in Wasser und verdünntem Alkohol, unlöslich in Essigsäure, starkem Alkohol und Aether. Daß man mit diesem Contingent von Eiweißkörpern nicht ausreicht, um in alle Vorgänge des Brauprocesses das nöthige Licht zu bringen, ist mir während meiner Braupraxis alsbald klar geworden, – ich habe mich z.B. genöthigt gesehen, die Veränderung, welche das Glutin durch längeres Kochen seiner wässerigen Lösung erleidet, hervorzuheben und das Resultat derselben als auch im kalten Wasser „löslichen Pflanzenleim“ den Obigen anzureihen. Die Untersuchungen Mulder's gehen nun der Sache tiefer auf den Grund und führen uns um einen großen Schritt weiter. Das Legumin können wir übergehen, weil die Hülsenfrüchte, in denen es enthalten ist, nicht zur Bierfabrication verwendet werden. Das Pflanzeneiweiß hat man bislang mit dem thierischen Eiweiß für identisch gehalten. Mulder zeigt, daß dem nicht so ist. Das thierische Eiweiß wird durch Essigsäure nicht gefällt, – das Eiweiß des Pflanzenreichs dagegen wird ausgeschieden. Daß diese Substanz nicht etwa mit dem Legumin zusammenfällt, erhellt aus dem verschiedenen Verhalten in der Wärme, – die eine gerinnt, die andere nicht (vergl. Mulder S. 59). Außer dem Eiweiß, welches durch Erhitzen des kalten wässerigen Auszugs von Gersten- oder Weizenmehl zum Gerinnen gebracht wird, bleibt aber noch eine Portion in Auflösung, die erst beim weitern Verdampfen coagulirt wird. Vielleicht ist das jene Ausscheidung, welche sich zeigt, wenn eine bereits klar gekochte Würze durch Spannung ihrer Dämpfe in eine höhere Temperatur gebracht wird (vergl. polyt. Journ. Bd. CXLIII S. 140). Aber auch auf diesem Wege ist nicht der ganze Gehalt an Eiweißstoff aus dem wässerigen Mehlauszug zu vertreiben. Wenn man die stark erhitzte und klar filtrirte Lösung, welche sich schwach sauer zeigt, mit wenig Ammoniak neutralisirt und erhitzt, so wird abermals eine gewisse Menge Eiweiß zum Gerinnen gebracht. Es ist kein Grund anzunehmen, daß dieß ein besonders constituirter Eiweißstoff sey, – das Pflanzeneiweiß hatte mit einer Säure, welche Mulder nicht näher untersuchte, eine in Wasser lösliche und durch Erhitzen nicht zersetzbare Verbindung eingegangen; – Mulder dagegen bezeichnet diese Substanz (S. 64) als einen andern Eiweißkörper. Wenn man nun einen Mehlauszug, der mit Ammoniak neutralisirt und dann durch Erhitzen von allem coagulirbarem Eiweißstoff befreit war, mit Salpetersäure versetzt, so entsteht in der klaren Flüssigkeit eine „milchichte Trübung, veranlaßt durch eine beträchtliche Menge eines besondern Eiweißkörpers.“ (S. 64). Dieser Eiweißkörper müßte nun das Mucin seyn. Aber Mulder hat sich vergeblich bemüht, nach dem Verfahren Saussure's diese Substanz zu erhalten (S. 66) und bestreitet deßhalb mit Recht deren Gegenwart im Getreide. Er hält es für ein Zersetzungsproduct, hervorgerufen durch längeres Kochen von Eiweißkörpern mit Wasser unter Zutritt von atmosphärischer Luft. Er sagt (S. 72): „es ist erwiesen, daß das unlösliche Eiweiß in dem Maaße, als man es in einem wasserreichern Medium kochen läßt, eine Veränderung erleidet, so daß zuletzt nur noch ein Zersetzungsproduct desselben übrig bleibt,“ – – „sämmtliche Eiweißkörper, wie Fibrin, Albumin und Caseïn zeigen ein gleiches Verhalten. Sie geben alle an kochendes Wasser und verdünnten Alkohol mehr und mehr ab, je länger man das Kochen damit fortsetzt.“ Wenn ich diese Angaben mit meinen Erfahrungen vergleichen darf, so ergeben sich folgende Unterschiede. Ich habe das Glutin in kochendem Wasser löslich gefunden, – beim Erkalten scheidet sich der größte Theil wieder aus. Durch längeres Kochen im geschlossenen Kessel folgt die Bräunung der Glutinlösung (in der Würze), und dadurch bleibt denn dieses veränderte Glutin auch in der Kälte gelöst. Mulder hält nun diese Bräunung für eine Beimengung eines „Extractivstoffs.“ Das wäre nun freilich bei der mangelhaften Kenntniß des großen Sacks „Extractivstoff“ nicht mehr als ein bloßer Name. Aber das Verhalten jener braunen Auflösungen gegen Gerbsäure spricht dagegen, – sie werden dadurch gefällt und entfärbt, ein sogenannter Extractivstoff würde ohne Zweifel gelöst bleiben. Uebrigens liegt ja auch nichts Auffallendes darin, daß ein Körper mit einer Umsetzung seiner chemischen Bestandtheile auch seine physikalischen Eigenschaften ändert. Was nun die chemische Veränderung anbetrifft, welche beim Kochen der Eiweißkörper mit Wasser stattfindet, so gibt Mulder darauf erst S. 334 Antwort.Das entschuldigt denn auch wohl, wenn ich diese chemische Zusammensetzung bisher übersehen hatte (vergl. polyt. Journ. Bd. CL S. 69) Dort sagt er: „Derselbe Körper entsteht auch beim Kochen von thierischem Eiweiß, Fibrin, Entzündungsgrind u.a. ähnlichen Verbindungen in Wasser. Ich fand ihn nach der Formel C₃₆ H₂₅ N₄ O₁₃ zusammengesetzt.“ – – „Wenn die organische Gruppe, welche die Zusammensetzung des Eiweiß ausdrückt, durch die Formel C₃₆ H₂₅ N₄ O₁₀ veranschaulicht wird, so enthält der in Rede stehende Körper O₃ mehr.“ Wollte man nun von diesem analytischen Ergebniß den Schluß ziehen, daß diese O₃ aus der atmosphärischen Luft hinzugetreten seyen, so kann ich das nicht gerechtfertigt halten, weil das Sieden der Würze bei abgesperrter Luft dagegen spricht. Es müßte demnach neben der Oxydation des Glutins eine Desoxydation eines andern Stoffs erfolgt seyn? Diese in Wasser lösliche Substanz nun müßte, wie Mulder mit Recht behauptet, einen Theil des Saussure'schen Mucin bilden (S. 74). Und doch existirt noch ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden. Das sogenannte Mucin ist nämlich im Stande, Stärkekleister zu verzuckern. (Mulder beschreibt S. 68 einen dahin gehörigen Versuch.) – Das fertige Bier dagegen, welches doch ebenfalls diesen Stoff besitzt, vermag diese Umsetzung nicht! Das sogenannte Mucin verblieb nach dem Kochen eines alkoholischen Auszugs mit Wasser, – in diesem Unterschiede muß noch etwas verborgen liegen. Welcher Stoff gelangt noch außer dem Glutin in den Alkohol? oder sind die braunen Verbindungen im Mucin und im Braukessel vielleicht doch verschiedene Dinge? Ueber den unlöslichen Eiweißstoff, der nach der Behandlung des sog. Klebers von Weizenmehl mit Alkohol zurückbleibt, gibt uns Mulder eben nichts Neues. Aber er belegt diese Substanz, weil auf ihrer vorherrschenden Gegenwart im Kleber die Elasticität desselben beruht, sehr zweckmäßig mit dem Namen Elastin. Gehen wir zu einem andern Material, dem Hopfen über. Vom Hopfenöl weist Mulder nach, daß es keine Valeriansäure enthält, wie Personne (der altes Hopfenmehl verarbeitete) behauptet hat. Daß Mulder das von Liebig neuerdings in Schutz genommene Schwefeln des Hopfens so ohne weitere Kritik vorüberpassiren läßt, ist nicht gut. Durch die Zulässigkeit des Schwefelns wird der Hopfenhandel im höchsten Grade unreell, weil der Nichtchemiker nicht im Stande ist, einen verdorbenen jungen Hopfen von einem unverdorbenen jungen Hopfen (beide im geschwefelten Zustande) zu unterscheiden. Der erstere enthält Gallussäure, der andere Gerbsäure. Den Schluß der chemischen Betrachtung der Materialien bildet das Wasser. In diesem Capitel hat sich Mulder etwas vom Aberglauben beherrschen lassen, was denn auch einige Widersprüche im unvermeidlichen Gefolge haben muß; denn wenn das Wasser solch große Dinge thun soll, daß es „auch seinen Antheil an der so außerordentlichen Mannichfaltigkeit der verschiedenen Biersorten“ hat, so müssen natürlich die Bestandtheile desselben den Schlüssel dazu liefern. In Bezug darauf scheidet nun Mulder die im Wasser vorkommenden Salze in drei Classen: 1) Solche, welche am wenigsten auf die Beschaffenheit des Bieres influiren, als: Kochsalz, Chlorkalium, schwefelsaures Natron, schwefelsaures Kali, schwefelsaure Magnesia und die salpetersauren Salze. (Hierzu möchte zu bemerken seyn, daß sowohl Geschmacksorgan wie Darmcanal der Consumenten über die Zulässigkeit einiger dieser Salze im Bier ein entscheidendes Wort sprechen werden; – durch das Einkochen der Würze wird der Gehalt an diesen Salzen etwa verdoppelt!) 2) Solche, welche beim Brauproceß Vortheil bringen. Dahin gehören die kohlensauren und kieselsauren Alkalien, indem beide Säuren aus ihren Verbindungen mit den Basen leicht abgeschieden werden, „weßhalb diese beiden Classen von Salzen lösend auf die im Getreide enthaltenen Eiweißstoffe einwirken.“ (Dagegen ist nun gar Mancherlei einzuwenden. Durch den Zusatz solcher Salze wird a) jene Säure entfernt, welche eine Portion Eiweißstoff vor der Ausscheidung beim Kochen rettete; – b) ist aber der Gehalt so bedeutend, daß das Gerinnen des Eiweißstoffs überhaupt gehindert wird, so ist auch der Geschmack des Bieres nicht mehr der feinste; – c) bedarf es auch so großer Mengen von Eiweißstoffen im Biere nicht, und auch das geringste Bier enthält noch mehr Eiweißstoffe als zur Hefenbildung erforderlich sind. Und doch sagt Mulder an e. a. O. S. 308: „Durch das Kochen muß gerade eine große Menge Eiweißstoffe aus der Würze entfernt werden; – es dürfen von diesen nicht mehr zurückbleiben, als zur Entstehung der Hefe erforderlich sind etc.“ Zu den weitern Vorzügen, welche diesen Salzen nachgerühmt werden, rechnet Mulder auch noch, daß sie sich während des Brauens mit Milchsäure, bei der Gährung mit frei werdender Phosphorsäure verbinden, so daß schließlich phosphorsaure Alkalien zurückbleiben, „deren Anwesenheit ja bei dem Biere sehr erwünscht ist.“ (S. 104.) Freie Phosphorsäure ist schon in der Maische enthalten und deren Neutralisirung scheidet dann Eiweißstoff aus, – was aber die bloße Gegenwart von phosphorsauren Salzen im Viere als eines ganz besondern Werthfactors anlangt, so war davon schon anderweit die Rede (s. polyt. Journ. Bd. CL S. 68). 3) Solche, welche den vorhin genannten Salzen gerade gegenüber stehen (schädlich wirken). Dazu zählen: der kohlensaure Kalk, die kohlensaure Magnesia und der Gyps. Sie sollen die Lösung der Eiweißstoffe verhindern (auf das Glutin sind sie aber ganz ohne Wirkung!), – sie sollen hemmend auf die Entstehung der Hefe wirken (?), die Phosphorsäure niederschlagen, so „daß mit hartem Wasser das kräftigste Bier nicht erzielt werden kann.“ Und doch erzählt Mulder gleich nachher, daß „der Erfahrung gemäß ein kalkhaltiges Wasser zum Maischen nicht nachtheilig zu seyn“ scheine, – „das allgemein bekannte Burton-ale wird einzig aus Brunnenwasser gebraut, welches eine beträchtliche Menge kohlensauren und schwefelsauren Kalk enthält. Ja manche Brauer in England, denen kein hartes Wasser zu Gebote steht, bringen aus dem Grunde absichtlich kohlensauren und schwefelsauren Kalk in weiches Wasser, damit sich diese Salze darin auflösen und so ein Wasser liefern, welches nach ihrer Meinung zur Bereitung eines wohlschmeckenden Bieres am geeignetsten ist.“ Um nun diese den Warnungen Mulder's schnurstracks widersprechende Praxis wenigstens erklärlich zu finden, läßt er zwar (S. 105) den kohlensauren Kalk beim Maischen sich mit der Phosphorsäure verbinden, aber der ausgeschiedene phosphorsaure Kalk wird durch die gleichzeitig entstehende Milchsäure und die später gebildete Essigsäure (der phosphorsaure Niederschlag wird doch auf dem Kühlschiffe zurück bleiben?) wieder aufgelöst. So schrumpft also diese letzte Gruppe von Stoffen, welche zwar schädlich seyn könnten, aber nicht schaden, zu einem Geisterspuk zusammen, gegen den man nicht genug warnen kann, weil er erfahrungsgemäß der Nachlässigkeit im Geschäftsbetrieb ein bequemes Polster bereitet. Daß den reinlichen Holländern gehörig der Text gelesen wird (S. 107), weil man an vielen Orten den Cisternen, in denen sich menschliche Excremente sammeln, einen Abfluß in die Canäle der Stadt gestattet und dieses Wasser dann hin und wieder zur Bierbrauerei benutzt, – ist ganz am Ort.