Titel: Ueber Papierfabrication mittelst Lumpensurrogaten in Frankreich; von Hrn. L. Piette.
Fundstelle: Band 150, Jahrgang 1858, Nr. LXXXII., S. 310
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LXXXII. Ueber Papierfabrication mittelst Lumpensurrogaten in Frankreich; von Hrn. L. Piette. Aus dem Bulletin de la Société industrielle de Mulhouse, 1858, Nr. 144. Piette, über Papierfabrication mittelst Lumpensurrogaten in Frankreich. Ich berichte im Folgenden über den gegenwärtigen Standpunkt des Vorbereitens der Lumpensurrogate zur Papierfabrication; in dieser Hinsicht hat man allerdings Fortschritte gemacht, aber der Erfolg ist noch kein vollständiger. Die Schwierigkeiten, welche man Anfangs bei jedem neuen Industriezweig zu überwinden hat, und Versuche, welche oft nicht nach einer gesunden Theorie durchgeführt wurden, haben zahlreiche Anstände herbeigeführt. Insbesondere hat man nicht immer berücksichtigt, daß die Pflanzen nicht wie die Lumpen nach und nach durch die Abnutzung und die Laugen erweicht worden sind, und daß daher Vorbereitungen anderer Art erforderlich sind, um die rohen Pflanzen in Papierzeug zu verwandeln; welcher Familie diese immerhin angehören mögen, so bildet ihre Grundlage die sogenannte Cellulose (der pflanzliche Zellstoff, die Holzfaser) welche von einer aus Säften und verschiedenen Salzen bestehenden Flüssigkeit durchdrungen ist; diese infiltrirenden oder inkrustirenden Stoffe, welche sehr verschiedener Natur seyn können, muß man entfernen, um die Cellulose, den eigentlichen Rohstoff des Papiers, rein zu erhalten. Dieser Zweck kann durch zweierlei Mittel erreicht werden: entweder durch mechanische Vorrichtungen, welche die fremdartigen Körper zerkleinern und beseitigen, die Fasern frei zurücklassend; oder auf chemischem Wege, indem man, ohne letztere anzugreifen, die ersteren mit Hülfe von Laugen und Dampf auflöst. Wir finden diese Verfahrungsarten respective von zwei Anstalten angewendet, welche bis jetzt in der Fabrication von Lumpensurrogaten (in Frankreich) das Vollkommenste geleistet haben. Die eine dieser Anstalten, die Société des textiles mexicains, deren Sitz in Paris und der Fabrikbetrieb in Mexico ist, wendet die Maschine von Louvié und Yelly an, welche aus einem am Umfang cannelirten Cylinder besteht, der sich in einem Trog dreht, dessen concentrischer innerer Umfang ebenfalls cannelirt ist und mittelst Gegengewichten dem Cylinder mehr oder weniger genähert wird. Die Pflanze welche auf der einen Seite in den Apparat geworfen wird, kommt auf der andern Seite aus demselben heraus, des Parenchyms beraubt und in mehr oder weniger zarte Fasern verwandelt, welche weiß bis braun und grau sind, je nach der Pflanzenart. Diese Fäden, direct im Holländer bearbeitet, geben einen langen, faserig abreißenden, fetten und harten Zeug, und ein durchscheinendes, ölichtes, klingendes und zähes Papier, welches zur Verbesserung dieser Eigenschaften eine Beimischung von Lumpen erheischt. Der Apparat welcher in Mexico im Betrieb ist, liefert täglich 1500 Kilogr. Fasern, und die Gesellschaft welche dort noch neue Maschinen aufzustellen beabsichtigt, hofft in kurzer Zeit ziemlich beträchtliche Quantitäten von Rohstoff liefern zu können. Es fragt sich nur, ob diese Fasern mit den Transportkosten unseren Papierfabriken nicht höher zu stehen kommen werden als die Lumpen. Die andere Anstalt, die Société des papeteries réunies, präparirt mittelst chemischer Verfahrungsarten in mehreren, in Frankreich und Algerien errichteten Fabriken die Pflanzen dieses letztern Landes, unter diesen das besenartige Pfriemenkraut und die Aloe. Der mit diesen Materialien gewonnene Zeug ist nach den mir zugekommenen Proben faserig, weich, von gelber, brauner oder grauer Farbe; einige Proben wurden durch das Bleichen glänzend und seidenartig. Das mit solchem Zeug fabricirte Packpapier und halbweiße Druckpapier, welches klingend und gut geleimt ist, läßt bei einigen Sorten Spuren von Parenchym erkennen, ein Beweis daß die Intercellularsubstanz nicht vollkommen zersetzt worden ist, welchem Fehler leicht abzuhelfen seyn wird. Nach Versuchen welche von dem Chemiker Barral in einer Fabrik in Frankreich angestellt wurden, kommt der Zeug mit Inbegriff der Zinsen und der Unterhaltung der Apparate, aber ohne die Generalunkosten, zu stehen: im rohen Zustande auf 18 Fr. die 100 Kilogr. gebleicht, für Zeitungspapier auf   30 Fr. 68 C. vollkommen gebleicht auf 37 Fr. 62 C. Die Gesellschaft hofft jährlich beiläufig 3000 Tonnen Zeug liefern zu können. Die Papierfabrikanten Godin zu Hug in Belgien haben diesen Zeug angewendet und erklären sich hinreichend befriedigt um Versuche in großem Maaßstab zu empfehlen. Ich habe deren Producte untersucht, finde sie jedoch ziemlich mittelmäßig und schwach; diese Fehler schreibe ich aber mehr dem übermäßigen Zusatz von Porzellanthon als der Beschaffenheit des Zeuges zu. Die Gesellschaft Pentagène hat sich jetzt mit den Papeteries réunies verbunden, welche auch die Erd-Artischoke ausbeuten werden, die reich an Mark ist, das aus nahezu reiner Cellulose besteht. Eine dritte Gesellschaft, la Cellulose betitelt, geht von dem Princip aus, daß der Magen der wiederkäuenden Thiere, indem er die fremdartigen Körper der Pflanzen aus ihrem Zusammenhang bringt, die Wirkung der Laugen ersetzt und einen präparirten Rohstoff liefert. Als solchen verwendet sie daher den Mist, wovon ihr die Compagnie der Pariser Fuhrwerke täglich 5000 Kilogr. liefert. Das Kochen desselben geschieht mit Kalk und Soda; zur Zerkleinerung desselben benutzt man gewöhnliche Holländer, deren Walze 400 Umgänge in der Minute macht. Das Papier und die Pappe werden auf besonderen Maschinen mit doppelter Form, vier Naßpressen und acht Trockenwalzen fabricirt. Eine erste Maschine liefert die geringen Papiersorten, eine zweite das halbweiße Papier für Tapeten und eine dritte das Papier für Zeitungen. Das Bleichen geschieht mit Chlorkalk, welcher nebst andern chemischen Producten in der Fabrik selbst bereitet wird. Endlich fabricirt noch die Anstalt des Hrn. Chauchard Papierzeug mit Holz, aber auch mit Stroh, Lohe, Acheln und allen Vegetabilien. Aus der Zerfaserungsmaschine des ErfindersChauchard's Maschinen, wie er sich dieselben für England patentiren ließ, sind im polytechn. Journal Bd. CXLIV S. 415 beschrieben.A. d. Red. kommt der Zeug kurz, fein und pulverig heraus, wenn das vegetabilische Material in rohem Zustande zerkleinert wird; entzieht man aber der Pflanze durch vorhergehendes Laugen einen beträchtlichen Theil ihrer fremdartigen Körper, so erhält man einen fettigen, geschmeidigen und faserigen Zeug. Die Maschine Chauchard's, um die Fasern aufs Feinste von einander zu trennen, habe ich mehrmals in Betrieb gesehen und glaube daß dieselbe gute Dienste leisten kann, denn sie zerkleinert in 24 Stunden mit einer Kraft von drei Pferden 350 bis 400 Kilogr. trocknes Material, und die wohlfeilen Producte welche sie liefert (die 100 Kilogr. sollen auf 10 Fr. zu stehen kommen), in gewissen Verhältnissen den Lumpen beigemischt, schaden der Güte des Papiers nicht.Zur größten Vollkommenheit wurde bis jetzt die Fabrication des Holzpapierzeuges in Deutschland gebracht, nämlich durch Heinrich Völter's Söhne zu Heidenheim in Württemberg; hinsichtlich der Leistungen und des Verfahrens dieser Fabrikanten verweisen wir auf die Abhandlungen im polytechn. Journal Bd. CXXXIX S. 155 und Bd. CXLIV S. 362.A. d. Red. Es muß sich bald zeigen, ob der Erfolg der erwähnten Anstalten deren Erwartungen und Hoffnungen entspricht; viele und zwar sehr intelligente Papierfabrikanten beharren auf ihrer Meinung, daß in Europa nur das Stroh als Ersatzmittel der Lumpen anwendbar ist. Dasselbe ist in Ueberfluß zu haben, veranlaßt nur unbedeutende Transportkosten und gibt weniger Abgang als die anderen Pflanzen; wenn man es bei hohem Druck laugt, so verliert seine Intercellularsubstanz schnell ihren Zusammenhang und hinterläßt die nackten Fasern, welche dann leicht zu bleichen sind. Zwei Anstalten, deren Sitz zu Paris ist, fabriciren fortwährend Strohpapier. Die eine, die von Mélier und Ladet, laugt das Stroh unter einem Druck von 5 bis 6 Atmosphären, passirt es dann durch Säure und Chlor, und erhält, zum Preise von 40 bis 50 Fr. die 100 Kilogr., einen gebleichten Zeug, welcher ein schwach graues, durchscheinendes, klingendes, gut geleimtes Druck- und Schreibpapier liefert. Die andere Anstalt, die von Collin und Coupier, läßt auf das Stroh Wasserdampf einwirken, welcher bei der Dunkelrothgluth überhitzt wurde, um das vollkommene Kochen des Materials zu bewerkstelligen; nach Angabe dieser Herren kommen die 100 Kilogr. ungebleichter Zeug nur auf 35 Fr. zu stehen, gebleicht auf 48 bis 50 Fr. Eine beträchtliche Ersparniß veranlaßt die unbedeutende Triebkraft, welche zur Zerkleinerung des Strohes erforderlich ist. In der Provinz wird das Stroh nicht weniger benutzt als zu Paris, zahlreiche Fabriken verarbeiten es ungebleicht auf gelbes Packpapier. Die Fabriken von Frachon-Dugas zu Voiron (Isère-Depart.), und Douglas u. Comp. zu Marseille verarbeiten gebleichtes Stroh auf weißes Papier. Schließlich muß ich noch der schätzbaren Broschüre von Prof. Dr. Bleekrode zu Delft erwähnen, worin er die zur Papierfabrication geeigneten Pflanzen aus dem wissenschaftlichen Gesichtspunkt untersucht.