Titel: Neue Methode zur Bereitung der schwefligen Säure; von E. Friedr. Anthon, technischer Chemiker in Prag.
Autor: Ernst Friedrich Anthon [GND]
Fundstelle: Band 150, Jahrgang 1858, Nr. XCIII., S. 379
Download: XML
XCIII. Neue Methode zur Bereitung der schwefligen Säure; von E. Friedr. Anthon, technischer Chemiker in Prag. Anthon's Methode zur Bereitung der schwefligen Säure. Man hat verschiedene Methoden zur Darstellung der schwefligen Säure, von denen man jedoch gewöhnlich nur die als am meisten praktisch anzuwenden pflegt, welche auf der Verbrennung des Schwefels (oder der Schwefelkiese) oder auf der Zersetzung erhitzter concentrirter Schwefelsäure mit Sägespänen u. dgl. oder mit Metallen beruhen. Die erste dieser Methoden ist zwar einfach und billig, aber in vielen Fällen nicht anwendbar. Die Zersetzung der Schwefelsäure durch Kupfer oder Quecksilber ist kostspielig und bietet auch andere Unannehmlichkeiten dar. Auch die Zersetzung der Schwefelsäure mit Holzspänen und anderen organischen Stoffen ist kostspielig, weil wegen dem großen Volumen derselben, ein großer Ueberschuß von Schwefelsäure angewendet werden muß, welcher der Zersetzung entgeht. Außerdem ist die so erhaltene schweflige Säure mit einer größeren oder geringeren Menge von Kohlensäure verunreinigt. Diese verschiedenen Uebelstände ließen mir es schon früher wünschenswerth erscheinen eine bessere Methode zur Darstellung dieser Säure zu besitzen. Im Forschen nach einer solchen kam ich auf den Gedanken, die Zersetzung der Schwefelsäure in schweflige Säure durch den Schwefel zu versuchen, indem, falls wirklich dadurch eine Zersetzung stattfände, was aus theoretischen Gründen mit vieler Wahrscheinlichkeit angenommen werden konnte, wohl eine völlig entsprechende Methode geboten wäre. – Der erste Versuch den ich schon vor einigen Jahren angestellt habe, war folgender: In einen Glaskolben wurden   4 Loth Schwefel in Stückchen und 25 Loth concentrirte Schwefelsäure gebracht, derselbe mit einer Gasableitungsröhre versehen und über einer Weingeistlampe erhitzt. Bald kam dadurch der Schwefel zum Schmelzen und es dauerte nicht lange, so fieng auch die Entwickelung der schwefligen Säure an, welche in Wasser geleitet wurde. Die Entwickelung war eine sehr gleichförmige, und es wurde das Brennen der Weingeistlampe so lange unterhalten, bis nach etwa sechs Stunden sich im Kolben nur noch ein verhältnißmäßig geringer Rückstand vorfand. Der Schwefel schwamm bei dieser Behandlung fortwährend als ein durchsichtiger, hyacinthrother, dickflüssiger Klumpen auf der heißen Schwefelsäure und es sublimirte sich ein geringer Theil desselben auf, der sich theils an den Kolbenwänden wieder zu Tropfen verdichtete und in die Säure zurückfloß, theils sich als dünne Rinde im Halse des Kolbens anlegte. Ganz geringe Mengen desselben wurden mechanisch von der schwefligen Säure noch weiter mit fortgerissen und setzten sich in der Gasleitungsröhre und dem zur Absorbtion vorgeschlagenen Wasser ab. Nach Beendigung des Processes fand sich im Kolben nunmehr nur noch   1 1/8 Loth Schwefelsäure und 32 Gran unveränderter Schwefel vor. Durch dieses Resultat war sonach vollkommen das bestätigt, was ich theoretisch vorausgesetzt hatte. Wenn nämlich Schwefel mit concentrirter Schwefelsäure erhitzt wird, so wirkt der Schwefel eben so zersetzend auf die Schwefelsäure ein, wie es Kupfer, Quecksilber und Holzspäne bei der gewöhnlichen Bereitung der schwefligen Säure thun, – indem er in der Weise Sauerstoff entziehend wirkt, daß ein Mischungsgewicht Schwefel aus 2 Mischungsgewichten Schwefelsäure 2 Mischungsgewichte Sauerstoff ausscheidet, sich mit diesen verbindet und zu schwefliger Säure wird. Die Folge davon ist demnach, daß nicht nur die ganze Menge der angewandten Schwefelsäure, sondern auch aller Schwefel in schweflige Säure übergeführt wird, ohne daß dabei die Bildung eines andern Körpers stattfindet. Es wird nur das eine Mischungsgewicht Hydratwasser welches die concentrirte Schwefelsäure enthält, frei. Daß hiernach die Ausbeute an schwefliger Säure eine sehr beträchtliche seyn muß, ist leicht einzusehen. Man erhält nämlich aus 2 Mischungsgewichten Schwefelsäure =  98 Gew.-Theilen und 1 Schwefel =  16        „ –––––––––––––––– zusammen   114 Gew.-Theilen an Ausbeute 3 Mischungsgewichte schweflige Säure = 96 Gew.-Theilen und 2 Wasser = 18        „ Das letztere verflüchtigt sich natürlich in dem Grade mit der gebildeten schwefligen Säure, als die Schwefelsäure zersetzt wird. Die Vortheile welche diese neue Methode darbietet, liegen klar vor, denn 1) liefert dieselbe ein reines Präparat; 2) ist dieselbe leicht ausführbar und billig; 3) ist die Entwickelung des schwefligsauren Gases eine sehr gleichförmige, was darin seinen Grund hat, daß die Schwefelsäure immer nur auf die Außenfläche des geschmolzenen Schwefels wirkt, und dieser stets einen zusammenhängenden Klumpen bildet; 4) setzt sich auf dem Boden des Entwickelungsgefäßes kein fester Bodensatz ab, was bei den anderen Methoden so oft Veranlassung zum Springen der Gefäße gibt. Was die Ausführung dieser Methode anbelangt, so versteht es sich von selbst, daß man dieselben Vorsichtsmaßregeln wie bei den anderen Methoden zu beachten hat, um ein Zurücktreten des zur Absorbtion der Säure vorgeschlagenen Wassers in das Entwickelungsgefäß zu verhindern, was eine gefährliche Explosion veranlassen könnte. Weiter ist es nothwendig, keine gar zu engen Gasableitungsröhren in Anwendung zu bringen, weil diese sich sonst möglicherweise mit Schwefel verstopfen könnten. Ferner heize man möglichst mäßig und gerade nur so stark, als es eine nicht zu heftige, aber auch nicht zu langsame Gasentwickelung erfordert. Da der Schwefel ohnehin in der heißen Schwefelsäure schmilzt, so wird derselbe nicht in Pulverform, sondern in Stückform angewendet.