Titel: Ueber Blutlaugensalzfabrication, das Schwefelcyankalium und den blauen Schwefel; von Dr. C. Noellner.
Fundstelle: Band 151, Jahrgang 1859, Nr. XIII., S. 55
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XIII. Ueber Blutlaugensalzfabrication, das Schwefelcyankalium und den blauen Schwefel; von Dr. C. Noellner. Aus den Annalen der Chemie und Pharmacie, 1858, Bd. CVIII S. 8. Noellner, über Blutlaugensalzfabrication, das Schwefelcyankalium und den blauen Schwefel. Seit einer Reihe von Jahren in verschiedenen Blutlaugensalzfabriken thätig und mit der neuen Anlage solcher Etablissements beschäftigt, war es für mich von besonderer Wichtigkeit, für alle bei dieser interessanten Fabrication auftretenden Erscheinungen auch immer die wahrscheinlichste Erklärung zu finden, da mit ihr auch die Methode der zweckmäßigsten Darstellung gegeben ist. Ich will es versuchen, nur die für die Theorie und Darstellung im Großen allgemein wichtigsten Momente herauszulesen, da ein weiteres Eingehen in die Einzelnheiten dieser Fabrication, sowie auch in die bedeutend herangewachsene Literatur derselben, mehr in das Gebiet der technischen Chemie gehört. Wenn aber v. Liebig schon 1841 in den Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. XXXVIII S. 20Daraus im polytechn. Journal Bd. LXXXII S. 346. eine Theorie der Blutlaugensalzbildung aufstellte und dadurch auch dem Fabrikanten den Weg zur größtmöglichen Ausbeute zeigte, so mag es um so mehr gestattet seyn, in derselben wissenschaftlichen Zeitschrift einige, bei Arbeiten im Großen gesammelte Erfahrungen niederzulegen, welche jene Ansichten vollkommen bestätigen und zugleich erweitern. Bekanntlich hat v. Liebig zuerst dargethan, daß in der bei der Blutlaugensalzfabrication gebildeten Schmelzmasse nur Cyankalium vorhanden seyn kann, und daß erst beim Auflösen der Schmelze durch die Einwirkung des Wassers auf das in der Schmelze vorhandene Cyankalium und die eisenhaltigen Rückstände das Blutlaugensalz gebildet wird. Man war von einzelnen Seiten her lange bemüht, die Ansichten v. Liebig's in Zweifel zu ziehen; allein der einfachste Beweis der Richtigkeit dieser Theorie liegt ohne Zweifel schon darin, daß bei sorgfältiger Verarbeitung sehr reiner und an Stickstoff reichhaltiger Rohstoffe bisweilen Schmelzen erhalten werden können, welche nach dem sehr langsamen Erkalten weiße Salzschichten zeigen, die bei vorsichtiger Trennung von der schwarzen Schmelze genau wie Cyankalium mit den Bestandtheilen der angewandten Potasche sich verhielten. In jener Abhandlung zeigt v. Liebig ferner, wie die vorherige Verkohlung der Rohstoffe zur Blutlaugensalzfabrication nur nachtheilig für die größtmögliche Ausbeute an Blutlaugensalz aus einem gewissen Quantum Rohstoffe ausfallen kann; dieser Nachtheil muß um so größer werden, je höher die Temperatur bei Verkohlung der Rohstoffe war; da aber selbst bei der größten Vorsicht die am Rande der Destillirgefäße liegenden Rohstoffe schon zu stark erhitzt werden, noch ehe im Innern der Masse die Verkohlung beginnt, so sind die Nachtheile schon in dieser Beziehung unvermeidlich. Fragt man aber weiter nach den durch die Verkohlung zu erzielenden Vortheilen, so sind diese noch schwieriger einzusehen, da die Destillationsproducte bei genauer Berechnung so werthlos sind, daß sie die Feuerung, Abnutzung der Gefäße, Anlagecapital und Betriebskosten nicht einmal zu decken vermögen, noch viel weniger ein Gewinn damit zu erzielen ist, indem durch die immer mehr überhand nehmende Beleuchtungsmethode der Städte durch Steinkohlengas und das dabei als Nebenproduct abfallende sogenannte Gaswasser viel leichter und in größerer Menge Ammoniakpräparate jetzt gewonnen werden können, als die mit Thieröl durchdrungenen Destillationsproducte der thierischen Stoffe zu liefern vermögen. So liefert z.B. das bei der Gasbeleuchtung Hamburg's jährlich abfallende Gaswasser jetzt schon eine jährliche Ausbeute von 200,000 Pfund Salmiak, und läßt sich mit Gewißheit annehmen, daß diese Zahl, wie überall, mit Ausbreitung der Steinkohlengasbeleuchtung sich proportional noch steigern muß. Liefert aber das Ammoniak im gasförmigen Zustande schon mit Kohle in der Glühhitze Blausäure und bei Gegenwart von Kali Cyankalium, so geschieht dieß natürlich noch viel leichter mit dem verdichteten Stickstoff, wie er in den Rohstoffen enthalten und noch ehe er Gasgestalt als eine flüchtige Ammoniakverbindung angenommen hat; und wenn auch im Innern der verkohlenden Hornmasse während des Schmelzprocesses Ammoniak in Gasform auftritt, ist es immer mit Kohle und Kali so umgeben, daß nur durch sorgloses Eintragen der Rohstoffe in das glühend schmelzende Kali und Erniedrigung der Temperatur unter den Grad, wobei das Ammoniak in Cyan umgewandelt wird, so große Mengen für die Blutlaugensalzbildung verloren gehen können, daß die Verkohlung der Rohstoffe noch nutzbringendere Resultate liefern könnte. Noch viel weniger möchte für die Praxis ein reeller Nutzen durch die vorherige Umwandlung alles in den thierischen Stoffen enthaltenen Stickstoffs in Ammoniak und Cyanammonium u.s.w., wie neuerdings vorgeschlagen, zu erblicken seyn, da für den Techniker die Einfachheit des Verfahrens noch immer eine Hauptbedingung zur Erzielung günstiger Resultate gewesen ist. Die Benutzung des atmosphärischen Stickstoffs lassen wir hier außer Betracht, da die Mittheilungen darüber so sehr widersprechender Natur sind und eigene Erfahrungen darüber uns fehlen. Alle diese neueren Arbeiten über Blutlaugensalz liefern daher mehr den Beweis von dem ausgezeichneten Fleiße ihrer Urheber, als Endresultat jedoch immer nur, daß die Praxis das, nur nach dem Stickstoffgehalt der Rohstoffe berechnete Ziel der möglichen Ausbeute nicht zu erreichen vermag, und daß die besten Resultate noch immer durch die möglichste Beachtung der durch die v. Liebig'sche Theorie gegebenen Winke hervorgegangen sind. Die Erfahrungen, welche ich auf diesem Gebiete durch jahrelange Praxis im Großen zu sammeln Gelegenheit fand, beziehen sich bis jetzt nur auf die Verarbeitung der thierischen Stoffe, und zwar: 1) die Verarbeitung von Thierkohle, durch trockene Destillation von frisch gefallenen Thieren herrührend; 2) die Verarbeitung von nur Thierkohle aus trockenen Thierstoffen, wie Horn, Leder, Lumpen u.s.w. erhalten; 3) die Verarbeitung von obiger Thierkohle in Gemeinschaft mit trockenen unverkohlten Thierstoffen; 4) die Verarbeitung von nur trockenen Thierstoffen, ohne Anwendung von Thierkohle. Das günstigste Resultat lieferte das letztere Verfahren, vorausgesetzt, daß die Auswahl der Rohstoffe mit der nöthigen Sorgfalt und Kenntniß geschah. Die Hauptbedingungen zur Erzielung günstiger Resultate sind aber: 1) Eine möglichste Benutzung und richtige Leitung der Wärme, sowie Abhaltung der atmosphärischen Luft, durch zweckmäßig construirte Oefen. Flammöfen, an denen die Feuerung unterhalb der Schmelzschale angebracht ist, sind sicherlich die zweckmäßigsten, da sie die Wärme für eine ganze Schmelzung so erhalten, daß eine Nachfeuerung während des Eintragens der Rohstoffe nicht mehr nöthig ist; ferner muß das Abzugsrohr für die Feuerung zunächst der Oeffnung zum Eintragen der Rohstoffe sich befinden, damit, wenn der Ofen die nöthige Temperatur erreicht hat, die Thüren zum Feuerraum fest geschlossen und die trockenen Rohstoffe in die glühend schmelzende Masse eingetragen werden, nur solche Gase zur Schmelze gelangen, welche eher reducirend, als oxydirend auf die Schmelze einwirken können, wie auch die Erscheinung beweist, daß die aus dem Feuerraum und der Schmelze kommenden Gase erst da mit Flamme brennen, wo die Gase außerhalb des Schmelzraums mit der atmosphärischen Luft in Berührung kommen, oder höchstens dann eine schnell vorübergehende Flammenbildung im Ofen selbst stattfindet, wenn durch die in den Rohstoffen mechanisch eingeschlossene Luft etwas Sauerstoff zugeführt wird. Ein auf diese Weise construirter Schmelzofen zeigt daher bei einer ausgeführten Schmelze für Blutlaugensalz im Innern des Schmelzraums höchstens weiße Dämpfe von Chlorkalium, welche meist in den Abzugscanälen wieder verdichtet sich vorfinden; aber ein Funkensprühen der Schmelze von mechanisch durch die Gasentwickelung aus ihr mit fortgerissenen Theilchen, worin das in derselben gebildete Cyankalium unter Feuererscheinung zu cyansaurem Kali verbrennt, geschieht nur durch Oeffnen der Feuerungsthür und Zutritt von Sauerstoff. 2) Die Entfernung aller Körper, welche zerstörend auf das gebildete Cyankalium einwirken, wozu außer dem obenerwähnten Sauerstoff namentlich auch der Schwefel gehört. 3) Die Anwendung trockener und solcher Rohstoffe, welche nicht etwa durch schlechte Aufbewahrung den größten Theil ihres Stickstoffgehalts verloren haben, überhaupt deren Preis in richtigem Verhältniß zu ihrem Stickstoffgehalte und den Verarbeitungskosten steht;So kann die Verarbeitung von gut erhaltenem Leder, wie z.B. Schuhen und Schlichtspänen, bisweilen noch günstigere Rechnungsabschlüsse liefern, als selbst Schmelzen mit Horn dargestellt, dessen Ankaufspreis oft 4- bis 5mal so hoch zu stehen kommt; geschieht aber der Ankauf solcher Waare ohne vorherige Berathung mit dem sachverständigen Chemiker und nur auf den Namen Schuhe und Schlichtspäne hin, so kann der Fall eintreten, wie er mir vorgekommen, daß dem Chemiker plötzlich eine Schiffsladung von 280,000 Pfund Schuhen zur Verarbeitung übergeben wird, welche in Canälen und auf Aeckern gesammelt, schon den größten Theil ihres früheren Stickstoffgehalts verloren hatten, indem sie nur 1 bis 2, anstatt wie gewöhnlich 6 bis 12 Proc. Stickstoff enthielten. dann die Anlage derartiger Etablissements an Orten, welche den An- und Verkaufsbedingungen am meisten förderlich sind, und zuletzt noch die Anstellung zuverlässiger Arbeiter, welche auch ohne persönliche Aufsicht zu allen Zeiten die Vorschriften des dirigirenden Sachverständigen befolgen. Geschieht z.B. das Eintragen der Rohstoffe in die Schmelzmasse zu schnell, so wird selbstverständlich Ammoniak unzersetzt aus der Schmelze entweichen; dieses Ammoniak findet aber außerhalb der Schmelze Ruß, überhaupt kohlenstoffhaltige Körper vor, mit denen es in der Glühhitze des Ofens Blausäure bildet, welche durch den Geruch des aus dem Kamin abziehenden Rauchs deutlich zu erkennen ist und dadurch selbst aus großer Entfernung von der Fabrik noch die Arbeit des an dem Ofen beschäftigten Arbeiters controllirt. 4) Mag der größte Theil der Verluste durch Eigenschaften des Schwefelcyankaliums hervorgerufen worden seyn, welche merkwürdigerweise bisher noch immer übersehen wurden, deren genaue Beachtung aber die v. Liebig'sche Theorie der Blutlaugensalzbildung erst in ihrem wahren Lichte erscheinen läßt. Wird nämlich Schwefelalkali haltende Flüssigkeit mit Cyankalium zusammengebracht, so bildet sich schon in der Kälte, noch leichter beim Erwärmen, Schwefelcyankalium; daher das gleichzeitige Vorhandenseyn von Cyankalium und Schwefelkalium in sogenannter Blutlauge (der wässerigen Auflösung von Schmelzen, wie sie in Fabriken erhalten werden) wohl kaum denkbar ist. Wird Schwefelcyankalium mit Kalihydrat geglüht, so entweicht Ammoniak und Schwefelkalium bleibt als rothe Masse zurück, daher auch die rothe Farbe des bei der Blutlaugensalzfabrication wiedererhaltenen Kalis wenn die Temperatur bei dessen Darstellung bis zur Glühhitze und Zerlegung des darin gebildeten Schwefelcyankaliums ging. Wurde diese Temperatur nicht erreicht, so kann dieselbe Flüssigkeit bald weiße, bald schwarze, grüne, gelbe, braune oder graue Salzrückstände und von eben so verschiedener Zusammensetzung liefern, je nachdem hohe oder niedrige Temperatur die Körper gebildet und zerstört hatte. Schmilzt man Schwefelcyankalium mit Kalihydrat und nur so wenig Eisen, daß nicht aller Schwefel an Eisen gebunden wird, in schwächster Glühhitze zusammen, oder wird Schwefelcyankalium mit Kalihydrat und kohlensaurem Kali nicht bis zur völligen Zerlegung, sondern nur so weit erhitzt, daß Ammoniak entweicht, ein Theil des Schwefelcyankaliums aber noch unzerstört bleibt (welcher Versuch am besten gelingt, wenn möglichst concentrirte Aetzkalilösung mit Schwefelcyankalium eingedampft und erhitzt wird, bis die Masse zuletzt nahe so roth wird, wie es in der Quecksilberverbindung des Schwefels, dem Zinnober der Fall ist), so hat die erhaltene Masse die Eigenschaft, beim Kochen mit Eisenfeilspänen solche mit intensiv grüner Farbe aufzulösen, indem sich ein Schwefeleisen-Schwefelkalium bildet, welches in der Hitze noch Schwefeleisen auflöst, beim Erkalten aber wieder fallen läßt, ganz analog der Schwefelverbindung des Antimons. Die über dem schwarzen Niederschlag stehende Flüssigkeit ist nach 24 Stunden, bei Arbeiten im Großen nach mehreren Tagen, wasserhell, und löst wiederholt den Niederschlag in der Kochhitze mit grüner Farbe auf.Wendet man zu obigen Versuchen einen Ueberschuß von Aetzkali an, wie es bei Versuchen im Kleinen, ohne auf Gewichtsverhältnisse große Rücksicht zu nehmen, leicht geschieht, so bleibt das in der grünen Lauge gelöste Schwefeleisen auch in der Kälte noch gelöst und scheidet sich erst bei Zusatz von etwas kohlensaurem Ammoniak nach mehreren Stunden nach und nach ab. Von einer mechanischen Vertheilung des Schwefeleisens kann hier nicht die Rede seyn, denn die grüne Auflösung geht durch die feinsten Filter und ist namentlich vollkommen klar. Diese Verbindung ist es nun auch, welche den Laugen der meisten Fabriken die grüne Farbe ertheilt, nicht selten beim Rohsalz und bisweilen selbst noch beim Reinsalz, zur großen Belästigung in manchen Fabriken, namentlich im Winter auftritt und durch die dem Rohsalz adhärirende Mutterlauge, sowie das darin mit gefällte Schwefeleisen zu erklären ist. Hatte die Schmelze die nöthige Temperatur, war Eisen im assimilirbaren Zustande genug vorhanden, oder wurde zu geeigneter Zeit, durch einen geringen Zusatz von kohlensaurem Kalk in der Glühhitze, der noch vorhandene freie Schwefel durch die Bildung von Basisch-Schwefelcalcium, ähnlich wie in dem Sodabildungsproceß, aus dem Bereich der schädlichen Einwirkung auf das Cyankalium gebracht, so verschwinden alle obigen Uebelstände. So bildet ferner das aus solchen grünen Laugen dargestellte Reinsalz fast immer nur Anhäufungen mehrerer in einander verwachsener, undurchsichtiger Krystalle mit einspringenden Winkeln, ja selbst bisweilen wirkliche Zwillinge, wodurch das Licht in seinem Durchgange gehindert und das Salz hell-citrongelb erscheint, aus demselben Grund, wie durchsichtige dunkle Körper ein weißes Pulver und wie reine Laugen von Kupfervitriol dunkelblaue, unreine dagegen hellblaue Krystalle liefern; das aus hellen und im Allgemeinen mehr reinen Laugen dargestellte Reinsalz wird dagegen auch immer orangefarbene Krystalle, als durchscheinende scharfkantige 2- und 1 achsige Octaëder mit Endfläche darstellen. Aus demselben Grund wird das citronfarbene Salz auch meist in solchen Fabriken erhalten werden, welche viel unverkohlte Stoffe verarbeiten, das orangefarbene dagegen fast immer nur da, wo alle Stoffe vorher der trockenen Destillation unterworfen und nur die Stickstoffkohle angewendet wurde, wodurch fast der ganze Schwefelgehalt der Rohstoffe in die zuerst übergehenden Destillationsproducte als Schwefelammonium überging. Da nun aber, wie oben dargethan, die Bildung, Zerstörung und Entfernung obiger Schwefelverbindung ganz in der Gewalt des aufmerksamen Fabrikanten liegt, so hat er auch die Gewalt, nur citrongelbes oder orangefarbenes Salz aus derselben Qualität Rohstoff, und selbst ohne vorherige Destillation derselben darzustellen, wie durch jahrelange Lieferung beider Salze im Großen ich zur Genüge bewiesen zu haben glaube. Wird reines Schwefelcyankalium mit Kalihydrat und kohlensaurem Kali und nur so viel Eisen in der Weise zusammengeschmolzen, daß die oben erwähnte grüne Auslösung entsteht, so hat diese grüne Lauge auch ferner noch die Eigenschaft, während des Eindampfens fortwährend Ammoniak zu entwickeln. Der größte Theil der in Blutlaugensalzfabriken auftretenden Ammoniakentwickelung aus den Laugen möchte daher mit der Entstehung der grünen Laugen im engsten Zusammenhange seyn, wie die Praxis im Großen auch übereinstimmend lehrt, und gewiß nur der kleinste Theil von gebildetem und sich wieder zersetzendem cyansaurem Ammoniak herzuleiten seyn. Da die grünen Laugen ihre Farbe dem darin aufgelösten Schwefeleisen verdanken, welche Farbe mit Cyankalium in der Wärme sogleich wieder verschwindet, indem sich Blutlaugensalz bildet, so kann die Ammoniakentwickelung ferner auch nicht als von sich zerlegendem freiem Cyankalium herrührend gedacht werden. Da aber Schwefelcyankalium für sich mit verdünnten wässerigen Lösungen von Aetzkali eingedampft keine auffallend bemerkbare Menge Ammoniak entwickelt, während solches mit Mellonkalium und Kalilösung geschieht, so liegt die Vermuthung nahe, daß bei diesem Glühprocesse aus dem Schwefelcyankalium auch noch ein oder mehrere von jenen eigenthümlichen stickstoffhaltigen Zersetzungsproducten gebildet werden, wie sie uns v. Liebig als Mellon, Melam, Melamin, Amelin u.s.w. beschrieben hat. Ein weiterer nicht unbedeutender Verlust entsteht ferner in allen mir näher bekannt gewordenen Fabriken dadurch, daß alles beim Auflösen und Auskrystallisiren zuletzt in den Mutterlaugen immer noch bleibende Blutlaugensalz jedesmal werthlos verloren geht. Wird nämlich Blutlaugensalz zuletzt mit dem bei seiner Bildung auf nassem Wege aus Schwefeleisen und Cyankalium gleichzeitig gebildeten Schwefelkalium wieder zur Trockne eingedampft und dem Glühen nahe gebracht, so wird es natürlich so zerlegt, daß aus dem Cyaneisenkalium sich Kohlenstoffeisen und Cyankalium bildet, welches letztere mit dem vorhandenen Schwefelkalium sich zu Schwefelcyankalium wieder vereinigt; dieses findet aber freies Kali vor und zerlegt sich daher abermals in Schwefelkalium, welches zurückbleibt, und sich verflüchtigendes Ammoniak; wird aber zur rechten Zeit, noch ehe die Ammoniakentwickelung beginnt, Eisen und Kreide zugesetzt, welche allen Schwefel aus dem Bereich der schädlichen Einwirkung bringen, so kommt das dadurch gebildete Cyankalium der nächsten Schmelze zu Gute. Die ganze Reihe der die Blutlaugensalzfabrication so ganz besonders auffallend charakterisirenden Erscheinungen und großen Verluste erklärt sich daher ganz einfach durch die Bildung des Schwefelcyankaliums und dessen Zersetzungsproducte, die natürlich je nach der Temperatur und ganzen Behandlung sehr verschieden sich gestalten können, wie man sich leicht bei Versuchen im Kleinen überzeugen kann. Hat aber der Techniker die Ursachen seiner Verluste genau erkannt, so genügt im vorliegenden Fall auch oft schon eine Hand voll Kreide, zur rechten Zeit und Temperatur angewendet, um 25 bis 50 Proc. Mehrausbeute an Blutlaugensalz zu erhalten, die bei Unterlassung einer solchen Vorsicht als verschiedene Gase durch das Kamin sich verflüchtigt hätten. Außer der eben erwähnten Mehrausbeute hat der Fabrikant aber auch noch den Vortheil, daß das erhaltene Rohsalz reiner ist und dadurch die nochmalige Reinigung desselben auch leichter geschieht; so können z.B. die Reinsalzlaugen ein ganzes Jahr täglich zum Umkrystallisiren des Rohsalzes im Gebrauch seyn, ehe sie durch freies Kali, Chlorkalium, Schwefelcyankalium und schwefelsaures Kali aus dem Rohsalz so verunreinigt werden, daß die Herstellung frischer Laugen nöthig würde. Was die so oft besprochenen Kaliverluste bei der Blutlaugensalzfabrication betrifft, so sind diese nicht größer, als die Rechnung es verlangt; d.h. die in einem Jahre in ein Blutlaugensalzgeschäft wirklich eingeführten Kali- und Natronsalze u.s.w., welche in ihrer Gesammtheit die rohe Potasche bilden, verglichen mit den ausgeführten, stimmen nahe mit der Rechnung überein, vorausgesetzt, daß das ausgeschiedene Chlorkalium, so wie das aus den Rückständen durch Oxydation wieder zu erhaltende schwefelsaure Kali wirklich gewonnen und in Rechnung gebracht werden. Daß bei Anwendung von nur 70 und weniger Procent Potasche haltender russischer Potasche, oder von 100 und mehr Procent Potasche entsprechender amerikanischer Potasche, bei welcher letzteren der oft bedeutende Aetzkaligehalt nicht außer Acht zu lassen ist, auch bedeutende Ausschläge in Bezug auf vermeintlichen Kaliverbrauch entstehen müssen, ist selbstverständlich. Aber nicht nur für die Blutlaugensalzfabrication gewinnen die oben erwähnten Eigenschaften des Schwefelcyankaliums eine hohe wissenschaftliche Bedeutung, auch vom physikalischen Standpunkt betrachtet erscheinen dieselben nicht minder interessant, denn sie zeigen ganz deutlich und augenscheinlich, wie die Wärme die Bestandtheile des Schwefelcyankaliums, den Schwefel und das Cyankalium, nach und nach so weit von einander entfernt, bis sie zuletzt als selbständige, von einander unabhängige Körper auftreten. Während eines bestimmten Aggregatzustandes erscheint aber der Schwefel blau,Poggendorff's Annalen Bd. XCVIII S. 189. genau so, wie im Ultramarin, und es handelt sich bei der Fabrication des letzteren nur darum, diesen Aggregatzustand des Schwefels durch das Dazwischentretenlassen eines fremden Körpers, wie Alaunerde oder Kieselerde, zu fixiren, während beim Erkalten des Schwefelcyankaliums die vorherigen farblosen Aggregatzustände sich wieder herstellen, wenn nicht etwa die Wärme so groß war, daß das Schwefelatom sich ganz aus dem Bereich der Anziehung entfernte, d.h. in verschlossenen Gefäßen als gelber Schwefel sublimirte, in offenen Gesäßen dagegen als schweflige Säure sich verflüchtigte. Geschieht die Verflüchtigung des Schwefels aus dem Schwefelcyankalium bei sehr starker Glühhitze, z.B. einer gut construirten Berzelius'schen Lampe oder einem Aeolipile und in einem kleinsten Porzellantiegelchen, so werden dabei eine Menge kleiner Tröpfchen des gleichzeitig gebildeten Cyankaliums mechanisch mit fortgerissen, die, wenn sie am Rande der Flamme mit dem Sauerstoff der Luft in Berührung kommen, mit dem prachtvollsten Funkensprühen und einem eigenthümlichen Geräusch, wie wenn Eisen in Sauerstoffgas verbrennt, zu cyansaurem Kali verbrennen, so daß das vorliegende Experiment gewiß als eins der belehrendsten sowohl für Chemie wie Physik angesehen werden kann, da es die blaue Farbe des Ultramarins durch den eigenthümlichen Aggregatzustand des Schwefels erklärt, dann dem Blutlaugensalzfabrikanten Zeit und Gelegenheit gibt das Schwefelcyankalium als Cyaneisenkalium zu verwerthen, und zuletzt dem Naturforscher als eins der ausgezeichnetsten Beispiele dienen kann, wie leicht selbst die auffallendsten Eigenschaften eines Körpers übersehen werden können, wenn man ohne wirkliches Experiment a priori auf eine nach Analogien zu erwartende Erscheinung schließt und dadurch einen noch näher zu untersuchenden Körper der gründlichen Beobachtung nach dieser Seite hin entzieht.