Titel: Quantitative Bestimmung des Gerbstoffgehalts in gerbstoffhaltigen Körpern, nach der prämiirten Preisschrift des Apothekers Gustav Müller in Berlin.
Fundstelle: Band 151, Jahrgang 1859, Nr. XVI., S. 69
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XVI. Quantitative Bestimmung des Gerbstoffgehalts in gerbstoffhaltigen Körpern, nach der prämiirten Preisschrift des Apothekers Gustav Müller in Berlin. Aus Elsner's chemisch-technischen Mittheilungen des Jahres 1857–1858. Müller's quantitative Bestimmung des Gerbstoffgehalts in gerbstoffhaltigen Körpern. Hr. Apotheker G. Müller hat auf mein Ersuchen die Freundlichkeit gehabt, mir zu gestatten, in den „chemisch-technischen Mittheilungen“ sein Verfahren, den Gerbstoffgehalt in gerbstoffhaltigen Körpern quantitativ zu bestimmen, aus seiner prämiirten Preisschrift mit aufzunehmen, was ich im Interesse dieses wichtigen Gegenstandes der technischen Chemie hiermit thue, indem ich theilweise die wörtlichen Mittheilungen des Hrn. Verfassers wiedergebe: Das eigentliche Fällungsmittel, welches G. Müller zur Bestimmung des Gerbstoffes in gerbstoffhaltigen Flüssigkeiten anwendet, ist zwar eine Leimlösung, welche zu demselben Zwecke früher schon bekanntlich angewendet worden ist, allein Müller hat sich durch viele Versuche überzeugt, daß eine genaue Bestimmung des Gerbstoffes durch Leimlösung geradezu nicht zu erreichen ist, indem der entstehende gelb-bräunliche Niederschlag, gerbstoffhaltiger Leim, Leim-Tannat, niemals sich so entschieden scharf aus der Flüssigkeit ausscheidet, daß die über demselben stehende Flüssigkeit völlig klar erscheint, was aber der Fall seyn muß, soll die Fällung des Gerbstoffes durch Leimlösung zur quantitativen Bestimmung des Gerbstoffgehalts in Flüssigkeiten geeignet seyn, vielmehr blieb die Flüssigkeit über dem Niederschlage trübe. Nach vielen Versuchen fand endlich Müller in einem kleinen Zusatz von Alaun zu der Leimlösung das geeignete Mittel, den Gerbstoff ohne alle Schwierigkeit aus allen gerbstoffhaltigen Flüssigkeiten fällen und mit der größten Genauigkeit bestimmen zu können, indem die Ausscheidung des Niederschlages (Tannat) sehr rasch und so vollständig eintritt, daß die Flüssigkeit schon nach wenigen Minuten wasserklar über dem Niederschlage erscheint und daher auf einen möglichen Rückhalt von Gerbstoff sofort leicht geprüft werden kann. Am besten bedient man sich hierzu, sagt Müller, zweier Uhrgläser, die man auf eine schwarze Unterlage stellt, um die Reaction besser wahrnehmen zu können, bringt in jedes einige Tropfen von der über dem Leim-Tannat stehenden Flüssigkeit, die man mit einem Hölzchen abnimmt, und trägt dann in das eine Glas zwei Tropfen alaunhaltige Leimlösung und in das andere einen Tropfen Gerbstofflösung oder Galläpfelabkochung; man bestimme aber für jede Probeflüssigkeit ein besonderes Stäbchen, damit jede Täuschung vermieden wird. Es läßt sich auf diese Weise auf der einen Seite die kleinste Menge von Gerbstoff, auf der anderen aber auch wieder die kleinste Menge von Leim, wenn die Fällung überschritten seyn sollte, durch Trübung erkennen. Um letzteres zu verhüten, setze man zu der Flüssigkeit, wenn man den Gerbstoffgehalt ermitteln will, die alaunhaltige Leimlösung nur tropfenweise zu, fahre aber damit so lange ununterbrochen fort, bis man auf der Oberfläche nach einem einfallenden Tropfen den sich bildenden charakteristischen Hof oder Kreis von gerbsaurem Leim nicht mehr wahrnehmen kann. Ist dieser Moment eingetreten, dann erfordert es allerdings die Nothwendigkeit, daß die Fällung auf kurze Zeit unterbrochen und die Flüssigkeit, welche schon nach einigen Minuten wasserhell über dem Niederschlage erscheint, auf ihren Gerbstoffgehalt geprüft wird. Man scheue die kleine Mühe nicht, dieses recht oft zu thun, damit von der alaunhaltigen Leimlösung nur so viel hinzu kömmt, als zur Bestimmung des Gerbstoffs eben nothwendig ist, weil schließlich aus der Gewichtsmenge derselben die Quantität des letzteren berechnet wird. – Ferner fährt Müller fort: Um zu erfahren, wie viel alaunhaltige Leimlösung einer bestimmten Gewichtsmenge reinen Gerbstoffs entspricht, wurden fünf Gran desselben medicinischen Gewichts (1 Qtch. = 60 Gran, 4 Qtch. = 1 Loth) in 4 Loth destillirtem Wasser gelöst und mit größter Genauigkeit gefällt. Nach fünfmaliger Wiederholung des Versuchs fand ich, daß hierzu 155 Gran = 2 Qtch. 35 Gran alaunhaltiger Leimlösung erforderlich gewesen waren. Es würde demnach eine Abkochung von 1/2 Loth Eichenrinde, wenn zur Fällung derselben 2 Loth = 480 Gran alaunhaltiger Leimlösung verbraucht worden wären, nach der Formel: 155 : 5 = 480 : 15 15/31 Gerbstoff enthalten haben. – Die Menge der, zur Bestimmung des Gerbstoffs verbrauchten, alaunhaltigen Leimlösung findet man, wenn man ein damit gefülltes Glas von 6–8 Loth Inhalt auf einer Hand- oder Tarirwaage ins Gleichgewicht bringt und nach der Fällung die Differenz durch Gewichte wieder ausgleicht, deren Summe dann das verbrauchte Quantum alaunhaltiger Leimlösung anzeigt. Zur Darstellung der alaunhaltigen Leimlösung wägt man 8 Loth destillirtes Wasser in einem Medicinglase ab, schüttet 1 Quentchen gewöhnlichen reinen Tischlerleim, etwas zerstoßen, hinein, setzt es, mit Papier umwickelt, in ein Gefäß mit Wasser und bringt es ausans Feuer. Wenn der Leim aufgelöst ist, welches bei dem sogenannten russischen Leim ohne Rückstand geschieht, fügt man zu der noch heißen Flüssigkeit 15 Gran gepulverten reinen Alaun hinzu, schüttelt einige Male um und bewahrt die Lösung gut verschlossen all einem dunkeln Orte auf. Die Substanzen, deren Gerbstoffgehalt man ermitteln will, koche man (circa 50–100 Gran) einige Minuten lang mit so viel destillirtem Wasser, daß sie davon bedeckt werden, unter Umrühren aus und wiederhole dieses 4–6 Mal, um sie so vollständig als möglich zu erschöpfen. Die Abkochungen gießt man, ohne durchzuseihen, jedesmal sorgfältig davon ab und sammelt die Flüssigkeit, zu der man zuletzt auch noch den Rückstand bringt, in einem Bier- oder Becherglase auf, schreitet aber nicht eher zur Bestimmung des Gerbstoffs, als bis sie vollständig erkaltet ist. Beim Auströpfeln der erkalteten Leimlösung unterlasse man nicht, mit einem Stäbchen nachzuhelfen, damit sie nicht in einem Strahle ausfließt, wodurch leicht, besonders gegen Ende, die Fällung überschritten werden könnte. Auch ist es gut, wenn der ausgekochte Rückstand bei der Flüssigkeit bleibt, weil er viel zur raschen Absonderung des Leim-Tannats beiträgt. Die nach der beschriebenen Methode ausgeführten Bestimmungen ergaben nach Müller nachstehende Ergebnisse: 100 Gran Spiegelrinde 13 27/31 Gran Gerbstoff, 100    „ einer 100jährigen Eichenrinde   8 14/31    „        „ 100    „ Eschweger Eichenrinden 19 11/31    „        „ 100    „ Fichtenrinde von jungen Stämmen 12 28/31    „        „ 100    „ Knoppern 50   1/2      „        „ 100    „ Dividivi 49 40/155  „        „ 100    „ Sumach 19 11/31    „        „ 100    „ Tormentillwurzel 31 19/31    „        „ 100    „ amerikanische Rinde (sog. Mimosarinde,wahrscheinlich den Einchoneen angehörig) 31   5/31    „        „ 100    „ beste Galläpfel 77 13/31    „        „ 100    „ chinesische Galläpfel (von Rhus semi-alatum) 65 25/31    „        „ Die Professoren Stein, Fehling, Heeren haben sich als Preisrichter der Preisschrift über den praktischen Werth dieser Bestimmungsmethode des Gerbstoffs, nach Gustav Müller, sehr günstig ausgesprochen und dieselbe, als der allgemeinen Berücksichtigung werth empfohlen, indem jeder, selbst der Chemie unkundige Fabrikant oder Gerber nach diesem Verfahren sehr leicht den Werth der Gerbmaterialien zu untersuchen und selbst quantitativ genau den Gerbstoffgehalt derselben zu bestimmen, mit Sicherheit in Stand gesetzt wird – ein Umstand, der besonders von Werth ist bei dieser Methode nach Gustav Müller, daher ich auch hier nicht unterlassen kann, auf die Wichtigkeit dieser einfachen und sichern Bestimmungsmethode aufmerksam zu machen, da ich in meiner früheren Stellung, als Lehrer der Chemie am königl. Gewerbe-Institut zu Berlin, sehr häufig Gelegenheit gehabt habe bei Untersuchungen gerbstoffhaltiger Substanzen auf ihren Gerbstoffgehalt, von der Mangelhaftigkeit, Unsicherheit und Umständlichkeit der früheren Bestimmungsmethoden mich hinlänglich zu überzeugen. Ich bemerke noch schließlich, daß die obige Abhandlung von dem Verein deutscher Gerber prämiirt worden ist und in einer eigenen Zeitschrift des genannten Vereins durch den Druck veröffentlicht werden wird. Auch habe ich Gelegenheit gehabt, mich durch Augenschein von der Einfachheit und Sicherheit der oben erwähnten Untersuchungsmethode zu überzeugen, denn während nach mehreren Tagen ein mit gewöhnlicher Leimlösung versetzter Eichenabsud eine über dem braunen Niederschlage stehende trübe Flüssigkeit zu erkennen gab, klärte sich schon nach einer halben Stunde derselbe Absud, als zu demselben mit Alaun versetzte Leimlösung hinzugesetzt worden war. Die über dem Leim-Tannat befindliche Flüssigkeit war wasserklar und konnte durch einen Tropfen Leimlösung geprüft werden, ob aller Gerbstoff gefällt worden war. Nur dürfte noch bei dem erwähnten Verfahren zu berücksichtigen seyn, daß die gerbstoffhaltige Abkochung nicht auf längere Zeit vorräthig gehalten werde, indem wegen möglicher Umwandlung des Gerbstoffs in Gallussäure ein unrichtiges Resultat bei der späteren Prüfung mit Leimlösung erhalten werden könnte.