Titel: Ueber das sogenannte homogene Patent-Eisen.
Fundstelle: Band 151, Jahrgang 1859, Nr. XLVIII., S. 199
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XLVIII. Ueber das sogenannte homogene Patent-Eisen. Aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1858, Bd. II S. 306. Ueber das homogene Patent-Eisen. Die erst kürzlich erhaltene Kenntniß des Aufsatzes in der Zeitschrift: „Der Berggeist“, Nr. 14 vom 6. April 1858Den fraglichen Aufsatz, welchen Hr. Gasdirector Pepys in Cöln, nebst mehreren Proben des englischen Fabricats in der letzten Hauptversammlung des Vereins deutscher Ingenieure vorlegte, theilen wir nachstehend vollständig mit.„Wir hatten kürzlich Gelegenheit, ein neues Product der Eisenindustrie, das sogenannte homogene Patenteisen (homogeneous metal), kennen zu lernen, welches uns wohl einen kurzen Bericht werth scheint, da es als Maschinenbau-Material noch eine große Zukunft hat. Das homogene Patenteisen wird auf den Hartford Stahlwerken zu Sheffield, welche den HHrn. Shortridge, Howell und Jessop gehören, nach Howell's Patent fabricirt.Das Rohmaterial zu diesem Erzeugnisse ist bestes Holzkohlen-Stabeisen, welches in Stücke zerschnitten mit einem Zuschlage, der an das Eisen in der Schmelzhitze Kohlenstoff abgibt, beschickt, in gewöhnlichen Gußstahltiegeln geschmolzen wird. Das Product ist eine neue Art von Gußstahl mit geringem Kohlegehalt. Um schwerere Stücke aus diesem homogenen Patenteisen anfertigen zu können, müssen eine größere Anzahl von Tiegeln gleichzeitig beschickt und der Hitze ausgesetzt werden; ihr Inhalt wird dann zu einem gemeinschaftlichen Gusse verwendet, wobei darauf zu achten ist daß dem Gußstück ununterbrochen geschmolzenes Metall zufließt. Das erhaltene Gußstück wird alsdann unter kräftigen Walzen gereckt und endlich auf Blechwalzwerken zu Tafeln von beliebiger Stärke verwalzt. Das homogene Patent-Eisen ist weicher als Stahl, härter als Schmiedeeisen, schweißt sehr leicht und besitzt eine außerordentliche Festigkeit. Ein kleiner Kessel von 3 Länge und 2 1/2' Durchmesser, welcher aus Patenteisenblech von nur 1/8'' Stärke construirt war, würde mit einem Wasserdruck von 560 Pfd. auf den Quadratzoll probirt und hielt denselben vollständig aus, hatte sich jedoch gedehnt und sein Durchmesser war um 1/4'' größer geworden. Ein 5' langes Rohr aus 1/8zölligem Bleche von 16'' Durchmesser wurde von Außen einem starken hydraulischen Drucke ausgesetzt und erst bei einer Pressung von 220 Pfund auf den Quadratzoll flach gedrückt, während dieses mit einem eisernen Rohr von gleichen Dimensionen schon bei einer Belastung von 150 Pfund geschah. Eine 5/8zöllige Platte aus homogenem Patenteisen zerriß erst bei einer Belastung von 53 1/8 Tonnen pro Quadratzoll.Auf Veranlassung der Admiralität stellte man auf den Schiffswerften zu Woolwich Versuche mit verschiedenen Sorten von Kesselblechen an, um sich für ihre Anwendung in der Marine zu entscheiden. Hierbei wurde ein Kessel aus homogenem Patenteisen mit 100 Pfd. Dampfdruck pro Quadratzoll probirt und in Folge dieses günstigen Resultates die Dampfsloop Malacca mit Kesseln aus diesem Metalle versehen. – Das homogene Patenteisen fand bisher meist Verwendung zu Dampfkesseln, aber auch in großem Maaßstab zu Dampfsiederöhren, die von vorzüglicher Qualität auf dem bekannten Werke des Hrn. James Russel und Söhne zu Wednesbury angefertigt worden. Versuche, welche mit Siederöhren aus Patenteisen angestellt wurden, zeigten daß dieselben viel dünnere Wände haben konnten, als schmiedeeiserne bei gleichem Druck; daß sie vom Feuer weniger angegriffen wurden, weniger oxydirten, dagegen bei gleicher Siedefläche, in derselben Zeit und bei gleichem Kohlenverbrauch mehr Dampf entwickelten, als diese. Da die Dampfkessel, welche aus Patenteisen gefertigt sind, viel leichter seyn können, als gewöhnliche eiserne, indem viel dünnere Bleche den gleichen Dampfdruck aushalten, so werden dieselben besonders gern auf Dampfschiffen angewendet, und sollen dieselben hierdurch eine Ersparung an Brennmaterial von 20 bis 35 Proc. gegen gewöhnliche Kessel erreicht haben.Dieses neue Material wurde ferner zur Verwendung im Schiffsbau empfohlen, indem es dem Meerwasser besser widersteht als Schmiedeeisen; ebenso zum Gebrauche für hohle Eifenbahnachsen, Treibwellen u.s.f.Wir begnügen uns, unsere Leser durch obige Zeilen auf dieses neue Erzeugniß der Eisenindustrie aufmerksam zu machen, indem wir glauben, daß ihm noch eine große Zukunft bevorsteht, trotzdem daß 1 Ctr. homogenes Patent-Eisen noch einmal so viel kostet als gutes Schmiedeeisen.“, veranlaßt mich, zur Aufklärung für diejenigen, welche mit dem Gegenstand weniger vertraut sind, zu einer kurzen Kritik des Patent-Gegenstandes. Das unter dem Namen: „homogenes Patent-Eisen“ dem Hrn. Howell, Mitbesitzer der Hartford Steelworks zu Sheffield patentirte Material ist nichts anders, als das von einigen deutschen Gußstahlfabriken seit langen Jahren hergestellte Eisenbahnwagenachsen- oder Kanonen-Material. Während die Engländer dieses Material mit einem, geheimes Dunkel verbreitenden, Namen belegen, hat man dasselbe in Deutschland schlechtweg Gußstahl genannt, von dem Grundsatz ausgehend, daß der chemischen Zusammensetzung noch keine scharfe Gränze zwischen Schmiedeeisen, Stahl- und Roheisen besteht und der Unterschied nur in der Art der Darstellung und in den besondern Eigenschaften eines jeden Materials zu suchen ist. Der Name thut indeß hier nichts zur Sache und macht das Material nicht neu; für die englischen Fabrikanten mag dasselbe allerdings noch neu und unbekannt in seiner Herstellungsweise gewesen seyn, für uns hier in Deutschland ist es etwas altes, dem leider aber noch, trotz der beharrlichsten Bemühungen von entsprechender Seite, die gebührende allgemeine Anerkennung versagt wird. Möglich daß jetzt, nachdem die Waare vom Ausland als Patent-Cisen und als etwas Neues angepriesen wird, Deutschland auch auf das eigene Fabricat aufmerksamer wird. Aus der im „Berggeist“ gegebenen Beschreibung geht hervor, daß das homogene Patent-Eisen ganz in derselben Weise hergestellt wird, wie die zäheste Sorte Gußstahl; die beschriebene Schmelz- und Gießmanipulation ist genau die in den Gußstahlfabriken übliche. Die dem Patent-Eisen zugeschriebenen Eigenschaften sind ebenso die dem zähesten Gußstahl zukommenden, und will ich hier nur die eine mit derartigem Material aus der sächsischen Gußstahlfabrik vorgenommene Probe anführen, welche die große Zähigkeit und Biegsamkeit desselben beweist. (In Bezug auf die Festigkeit dieses Materials verweise ich auf die Versuche mit Eisenbahnwagenachsen im polytech. Journal Bd. CXLVI S. 65.) Eine runde Stange aus zähestem Gußstahl von 2 Zoll Durchmesser und circa 10 Zoll Länge kann man im kalten Zustand so biegen, daß die Enden sich übereinanderlegen, ohne daß sich in der Biegungsstelle der geringste Bruch zeigt und ohne daß das Material die geringste nachtheilige Veränderung erleidet. In dem betreffenden Bericht heißt es schließlich, daß das homogene Patent-Eisen doppelt so theuer, als gutes Schmiedeeisen sey; die genannte Sorte Gußstahl wird von deutschen Gußstahlfabriken bereits zum 1 3/5 bis 1 3/4fachen Preise des Schmiedeeisens hergestellt. Ich fühle mich daher veranlaßt, diesem sogenannten homogenen Patenteisen das Neue – wenigstens für Deutschland – durchaus abzusprechen und dasselbe für ein altes Material unter neuem Namen zu erklären. October 1858. J. Malmedie.