Titel: Ueber die Veränderung, welche der Luftmörtel beim Altern erleidet; von Dr. Alexander Bauer.
Fundstelle: Band 152, Jahrgang 1859, Nr. XCVII., S. 366
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XCVII. Ueber die Veränderung, welche der Luftmörtel beim Altern erleidet; von Dr. Alexander Bauer. Aus dem Jahrgang 1859 der Sitzungsberichte der mathem.-naturw. Classe der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, Jahrgang 1859 Bd. XXXIV S. 275. Bauer, über die Veränderung, welche der Luftmörtel beim Altern erleidet. Im verflossenen Jahre habe ich die Ansicht ausgesprochenSitzungsberichte der kais. Akademie der Wissenschaften, Bd. XXX S. 226; polytechn. Journal Bd. CL S. 62., daß der Kalk im Mörtel unter gewissen Umständen schon in verhältnißmäßig kurzer Zeit in neutralen kohlensauren Kalk umgewandelt werde, nicht aber, wie man allgemein glaubte, diese Umwandlung nur bis zur Bildung eines Hydrocarbonates vor sich gehe. Ich wurde damals zu dieser Ansicht geleitet durch die Untersuchung eines nur 50jährigen Mörtels von der Rothenthurmbastei zu Wien, in welchem ich nur eine sehr geringe Menge von Aetzkalk gefunden habe. Obwohl diese Ansicht gleichzeitig durch Professor A. Vogel Polytechn. Journal Bd. CXLVII S. 190. in München ausgesprochen wurde, so glaube ich doch in Folgendem die Untersuchung eines Mörtels mittheilen zu dürfen, in welchem der Kalk bereits vollkommen in kohlensauren Kalk umgewandelt ist, weil sich durch Vergleichung dieser Analyse mit einigen früheren, mehrere, die Theorie der Mörtelerhärtung betreffende Schlüsse ziehen lassen. Den Mörtel, den ich zur Untersuchung verwendete, verdanke ich der Güte des Hrn. Professor Dr. G. A. Kornhuber in Preßburg, welcher denselben von der Ruine Weißenstein bei St. Georgen nächst Preßburg nahm. Das Alter desselben läßt sich nicht mit völliger Sicherheit ermitteln. Jedenfalls aber ist die Ruine als solche schon mehrere Jahrhunderte alt. Die ersten geschichtlichen Daten, welche über dieselbe bekannt sind, reichen bis in die Zeit Béla des Vierten, Königs von Ungarn, zurück. Das äußere Ansehen dieses Mörtels zeigte, daß er neben Kalk groben Grus und feinen Sand enthielt. Seine Festigkeit war sehr gering, er war ganz in eine kreideähnliche Masse verwandelt. Behufs der Bestimmung des groben Gruses wurden 100 Gramme des Mörtels in ein Tuch eingebunden, im Mörser zerdrückt und mittelst eines Siebes, welches auf einen Quadratzoll 196 Oeffnungen hatte, abgesiebt, mit verdünnter Salzsäure gewaschen, dann nochmals gesiebt und so 24 Procent grober Grus erhalten. Zur weiteren Untersuchung wurde der ursprüngliche nicht vom groben Sand getrennte und bei 100° C. getrocknete Mörtel verwendet. Die lösliche Kieselsäure bestimmte ich sowohl in der salzsauren Lösung einer gewogenen Partie des Mörtels, als auch durch Auskochen mit kohlensaurem Natron in dem beim Lösen in Salzsäure bleibenden Rückstande (Sand). In der salzsauren Lösung war die größte Menge, nämlich 1,3 Procent, enthalten, während der Sand bloß 0,08 Procent löslicher Kieselsäure enthielt. Die Alkalien wurden zusammen und zwar als Chlorverbindungen bestimmt und auf kohlensaure Salze berechnet. Im Uebrigen wurden bei der quantitativen Analyse die gewöhnlichen Methoden eingehalten und gefunden, daß 100 Theile des Mörtels enthalten: Sand 64,20 Wasser bei 100°C. 2,90 Kalk 10,60 Magnesia 4,60 Kohlensäure 14,05 lösliche Kieselsäure 1,38 EisenoxydThonerde 1,20 kohlensaure Alkalien 0,53 ––––– 99,46 Man ersieht leicht, daß in diesem Mörtel mehr Kohlensäure vorhanden ist, als der Kalk mit Ausnahme des an die lösliche Kieselsäure gebunden gedachten Theiles bedarf, um als neutraler kohlensaurer Kalk zu erscheinen. Dieser Ueberschuß kann nicht einmal von der vorhandenen Menge Magnesia vollkommen gesättigt werden. Berechnet man nämlich alle Magnesia an Kohlensäure, alle lösliche Kieselsäure an Kalk gebunden, so ergeben sich folgende Zahlen: 4,6 Theile Magnesia binden 5,06 Theile Kohlensäure, 1,38 Theile Kieselsäure binden 2,23 Theile Kalk, mithin bleiben, da 10,6 Theile Kalk vorhanden sind, 8,27 Theile Kalk übrig, welche mit 6,59 Theilen Kohlensäure sich verbinden. Da aber 14,05 Theile Kohlensäure nachgewiesen wurden, so bleibt ein Rest von 2,4 Theilen Kohlensäure. Vogel A. a. O. S. 195. hat beim Mörtel des Karlsthurmes in München dasselbe nachgewiesen und die Ansicht aus, gesprochen, daß dieser Kohlensäure-Ueberschuß im Mörtel durch Contactwirkung zurückgehalten wird (wie er etwas Aehnliches beim oralsauren Zinnoxydul beobachtet hat, welches ebenfalls nach dem Glühen mehrere Procente Kohlensäure hartnäckig zurückhält). Auffallend schien es mir, daß der Mörtel von der Burgruine Weißenstein sehr merklich alkalisch reagirte. Um mich daher aufs Directeste davon zu überzeugen, ob wirklich gar kein Aetzkalk vorhanden sey, wurde eine Partie von etwa 100 Grammen des Mörtels in einer gut schließenden Flasche mit kaltem Wasser behandelt, dann filtrirt. Das Filtrat reagirte schwach alkalisch, durch Kohlensäure konnte jedoch keine Spur eines Niederschlages erhalten werden; auch beim nachherigen Kochen blieb die Flüssigkeit vollkommen klar. Hierauf wurde eine andere eben so große gewogene Menge des Mörtels mit Chlorammonium und kohlensaurem Ammoniumoxyd in wässeriger Lösung gekocht, hierauf zur Trockne verdampft und geglüht. Es war hierbei weder ein Entweichen von Ammoniak bemerklich, noch hatte der Mörtel an Gewicht zugenommen, und was das Wichtigste ist, nach dem Auslaugen mit Wasser konnte im Wasser kein Kalk nachgewiesen werden, was jedenfalls der Fall hätte seyn müssen, wenn sich während der Erhitzung mit Chlorammonium durch vorhandenen Aetzkalk etwas Chlorcalcium gebildet hätte. Da also kein Aetzkalk in diesem Mörtel angenommen werden kann, derselbe aber alkalisch reagirt, und zwar stärker als daß man diese Reaction dem kohlensauren Kalk zuschreiben könnte, wie ich mich durch vergleichende Versuche überzeugte, so glaube ich diese Reaction den Alkalien zuschreiben zu müssen, welche ich daher auch als kohlensaure Salze vorhanden angenommen habe. Diese Ansicht findet auch in der Arbeit Kuhlmann'sComptes rendus, December 1855; polytechn. Journal Bd. CXXXIX S. 368. über hydraulischen Kalk, wobei er die Einwirkung der kieselsauren Alkalien auf kohlensauren Kalk bespricht, eine Bestätigung. Auch wenn man dieß annimmt, so ist doch der Ueberschuß an Kohlensäure, den ich nachgewiesen habe, nicht erklärt. Denn die 0,53 Proc. kohlensaure Alkalien, die ich gefunden habe, enthalten nur 0,18 Proc. Kohlensäure, es bleibt daher noch immer im Mörtel ein Ueberschuß von 1,87 Proc. Kohlensäure. Ich stellte mir nun die Frage, ob denn die lösliche Kieselsäure wirklich mit dem Kalk verbunden angenommen werden kann oder ob sie nicht. als solche durch die Einwirkung der Kohlensäure abgeschieden wird, so daß sie allerdings anfangs mit dem Kalke verbunden war, später aber wieder durch die fortgesetzte Einwirkung der Kohlensäure der Luft ausgeschieden wurde, dadurch aber auch nach und nach wieder in unlösliche Form übergeht, wodurch auch der sehr geringe Kieselsäuregehalt dieses Mörtels trotz seines hohen Alters erklärt wäre. Erst nachdem ich mich durch einen directen Versuch überzeugt hatte, daß dem wirklich so seyn könne, daß nämlich der lösliche kieselsaure Kalk wirklich von Kohlensäure zerlegt wird, fand ich in Pettenkofer's Bemerkungen zu Hopfgartner's Analyse eines englischen und eines deutschen hydraulischen CementsPolytechn. Journal Bd. CXXIII S. 369. daß auch Fuchs dieß schon bewiesen hatte. Ich nehme deßhalb an: daß die lösliche Kieselsäure in jedem Mörtel, der vollkommen mit Kohlensäure gesättigten Kalk enthält, in freiem Zustande vorhanden ist. Die 2,23 Procent Kalk die ich vorhin an Kieselsäure gebunden angeführt habe, brauchen 1,75 Kohlensäure, um sich zu neutralem kohlensauren Kalk zu verbinden, mithin bleibt ein Ueberschuß von 0,12 Proc. Kohlensäure, dessen Menge bei den eingehaltenen Methoden innerhalb der Gränzen von Beobachtungsfehlern fällt. Berechnen wir die Zusammensetzung dieses Mörtels unter den eben gemachten Voraussetzungen, so ergibt sich Folgendes: Es sind vorhanden 10,6 Theile Kalk, welche sich verbinden mit 8,33 Theilen Kohlensäure zu 18,93 Theilen kohlensaurem Kalk. Ferner verbinden sich die vorhandenen 4,6 Theile Magnesia mit 5,06 Theilen Kohlensäure zu 9,66 Theilen kohlensaurer Magnesia. Alle übrigen Berechnungen wurden schon oben angeführt. 100 Theile des Mörtels enthalten demnach: Wasser 2,90 groben Sand 24,00 feinen 40,20 kohlensauren Kalk 18,93 kohlensaure Magnesia 9,66 lösliche Kieselsäure 1,38 Eisenoxyd und Thonerde                 1,20 kohlensaure Alkalien 0,53 ––––– 99,80 Nach Abrechnung des Sandes ergibt sich die procentische Zusammensetzung für den eigentlichen Mörtel: Wasser 8,39 kohlensaurer Kalk 51,86 kohlensaure Magnesia 27,94 lösliche Kieselsäure 3,98 Thonerde und Eisenoxyd                 3,47 kohlensaure Alkalien 1,53 ––––– 97,17 Die Analyse dieses Mörtels zeigt auch, daß durch Aufnahme von Kohlensäure nicht die Festigkeit eines Mörtels zunimmtSiehe Fuchs, Journal für technische und ökonomische Chemie Bd. VII S. 142; ferner meine oben citirte Abhandlung., und es ist auch diese Analyse ein neuer Beweis für die Ansicht von Fuchs, daß nicht, wie viele Baumeister und Chemiker glauben, durch die Umwandlung in neutralen kohlensauren Kalk ein marmorartiges, sondern, daß vielmehr ein kreideartiges Product erhalten werde. Wenn also die Aufnahme von Kohlensäure auch anfangs zur Festigkeit beiträgt, so bewirkt sie später das Gegentheil. Was die Rolle der löslichen Kieselsäure im Mörtel anbelangt, so geben uns die in folgender Tabelle zusammengestellten Mörtelanalysen einen Anhaltspunkt zu deren Erklärung. Textabbildung Bd. 152, S. 371 Fundort; Bastei: Bürger-Cavalier in Wien; Rothemthurn Bastei Wien; Hannover; Karlsthurm; Universität; München; Ruine Weißenstein bei St. Georgen; Analytiker; A. Schrötter; Bauer; Alter in Jahre; Sand; lösliche Kieselsäure; Kalk; Magnesia; Thonerde; Eisenoxyd; kohlensaure Alkalien; Kohlensäure; Wasser Wir sehen aus nebenstehender Tabelle, daß die Mörtel von der Bastei in Wien, die unter gleichen Umständen alterten, alle ziemlich viel lösliche Kieselsäure enthalten, deren Menge augenscheinlich dem Alter derselben proportional ist.Was schon Petzhold in seiner Abhandlung über das chemische Aufeinanderwirken der Kalkerde und Kieselsäure im Mörtel (Journal für praktische Chemie Bd. XVI S. 91) entschieden dargethan hat. Ferner enthalten dieselben alle Aetzkalk, und in der Kohlensäuremenge zeigt sich gar keine Uebereinstimmung mit dem Alter, ja der jüngste Mörtel von der Rothenthurmbastei enthält mehr Kohlensäure als alle anderen. Die von Vogel untersuchten Mörtel, dann der von der Ruine Weißenstein zeigen dieß durchaus nicht. Obwohl alle mit Quarzsand bereitet, enthalten sie doch nur geringe Mengen von Kieselsäure, hingegen sind sie völlig mit Kohlensäure gesättigt. Es folgt hieraus, daß die Bildung von löslicher Kieselsäure durch die Einwirkung der Kohlensäure in den Hintergrund gedrängt wird. Die Kohlensäure wird verhältnißmäßig rasch aufgenommen, wenn sie zum Kalk hinzutreten kann; nur wo dieß nicht der Fall ist, bildet sich löslicher kieselsaurer Kalk, welcher zerlegt wird, wie ich oben gezeigt habe, wenn später die Kohlensäure in reichlicherem Maaße zutreten kann, als dieß anfangs der Fall war. Die Bildung der löslichen Kieselsäure hängt also nicht nur von einem durch Localverhältnisse bedingten Zuschlag ab, wie Vogel sagt, sondern vielmehr von den Localverhältnissen selbst. Ihre Bildung steht allerdings dem Erhärten nicht entgegen, aber ist auch nicht absolut nothwendig, was viele Analysen gezeigt haben, wie ich dieß schon in meiner oben angeführten Abhandlung besprochen habe. Faßt man alles bisher Gesagte zusammen, so ergibt sich folgendes Resultat: Die Umwandlung, welche der Kalk im Mörtel beim Altern erleidet, ist je nach Umständen sehr verschieden. Die Kohlensäure der atmosphärischen Luft verbindet sich immer mit dem Kalke. Dieß geht langsam und unvollständig vor sich, wenn der Luftzutritt beschränkt ist, so daß wir meist im Innern alter Mauern krystallinischen, halb-kohlensauren Kalk (2 CaO, HO CO₂) finden. Kann aber Kohlensäure in reichlichem Maaße zutreten, was am leichtesten durch die Feuchtigkeit geschieht, da durch das Wasser die Kohlensäure gelöst und in das Innere der Mauer geführt wird, so geht die Umwandlung rasch vor sich; es wird neutraler kohlensaurer Kalk gebildet. Wenn auch anfangs die Kohlensäuerung zur Festigkeit des Mörtels beiträgt, so ist dieß, wenn einmal die Bildung des neutralen kohlensauren Kalkes beginnt, nicht mehr der Fall; ja es wird durch diese Bildung die Festigkeit einer Mauer sogar beeinträchtigt. War der Mörtel mit Quarzsand bereitet, so kann sich kieselsaurer Kalk bilden. Diese Bildung wird aber durch die Einwirkung der Kohlensäure in den Hintergrund gedrängt; ja wenn schon kieselsaurer Kalk gebildet war, und es tritt später eine große Menge Luft (also auch Kohlensäure) zu, so wird dieser wieder zerlegt und die Kieselsäure als solche abgeschieden.